Pferdesoldaten 4 - Das Fort der Verlorenen - Michael Schenk - E-Book

Pferdesoldaten 4 - Das Fort der Verlorenen E-Book

Michael Schenk

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Beschreibung

Es ist das Jahr 1861. Der Konflikt zwischen Norden und Süden bahnt sich an. Major Matt Dunhill und sein Freund Thomas Deggar begleiten eine Truppe Kavallerie nach Fort Duncan im Indianergebiet. Der drohende Bürgerkrieg veranlasst Washington, reguläre Truppen aus den Stützpunkten abzuziehen und durch Freiwilligeneinheiten zu ersetzen. Als Dunhill und Deggar das Fort erreichen, müssen sie feststellen, dass der Konflikt zwischen Norden und Süden hier auf mörderische Weise entbrannt ist. Im Inneren einen heimtückischen Gegner, müssen sie sich zugleich der Bedrohung durch feindliche Indianer stellen.

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Michael Schenk

Pferdesoldaten 4 - Das Fort der Verlorenen

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Kapitel 1 Der Wagenzug

Kapitel 2 Neue Befehle

Kapitel 3 Nur ein paar Schritte

Kapitel 4 Grausame Spuren

Kapitel 5 Die Vertriebenen

Kapitel 6 Blanker Hass

Kapitel 7 Fort Duncan

Kapitel 8 Unter Verschwörern

Kapitel 9 Auf Patrouille

Kapitel 10 Der Rauch der Pfeife

Kapitel 11 Zweifel

Kapitel 12 Der Meldereiter

Kapitel 13 Die stumme Sprache

Kapitel 14 Curley Bill

Kapitel 15 Die Tasche

Kapitel 16 Order aus Washington

Kapitel 17 Freigestellt

Kapitel 18 Eine Frage des Gewissens

Kapitel 19 Die Trennung

Kapitel 20 Der gebrochene Zweig

Kapitel 21 Beratung

Kapitel 22 Auf dem Kriegspfad

Kapitel 23 Unerfreuliche Beobachtung

Kapitel 24 Fluss ohne Wiederkehr

Kapitel 25 Keine Wahl

Kapitel 26 Von Ehre und Gewissen

Kapitel 27 Angriff auf Fort Duncan

Kapitel 28 Kriegsrat

Kapitel 29 Keine Rückkehr

Kapitel 30 Sie werden nicht wiederkommen

Kapitel 31 Letztlich ein Held

Kapitel 32 Gegner, doch nicht Feinde

Kapitel 33 Ankündigung

Kapitel 34 Hintergrund und Grafiken: Rangabzeichen

Kapitel 35 Historische Anmerkungen:

Kapitel 36 Hinweis: Für Freiheit, Lincoln und Lee

Impressum neobooks

Kapitel 1 Der Wagenzug

Pferdesoldaten 4

Das Fort der Verlorenen

Military Western

von

Michael H. Schenk

© M. Schenk 2017

Es war Februar im Jahr 1861 und bitterkalt. Der kleine Wagenzug bewegte sich auf einem Pfad, der kaum als solches zu erkennen war. Nicht nur, weil er selten befahren wurde, sondern auch, weil in der letzten Nacht erneut Schnee gefallen war. Hier oben im Iowa-Territorium, zwischen dem Upper Iowa River und dem Turkey River, herrschten riesige Waldgebiete vor, die immer wieder von ausgedehnten grasbewachsenen Flächen unterbrochen wurden. Der Versorgungsweg, den man auf den Militärkarten optimistisch als Straße bezeichnete, führte immer wieder durch die Wälder hindurch. Es waren Mischwälder, doch die Laubbäume dominierten. Jetzt, im Winter, wirkte alles übersichtlich, denn ohne ihr Laub wirkten die Bäume kahl und boten nicht viel Deckung.

Die Fahrer der sechsspännigen Planwagen und ihre kleine Eskorte waren froh darüber, denn ihr Weg führte schon seit Langem durch das Stammesgebiet der Winnebagos. Im Gegensatz zu den Präriestämmen gehörten diese zu den Waldindianern. Wenn sich jemand darauf verstand, sich in einem winterlichen Wald verborgen zu halten, dann gehörte er sicherlich zu dieser indianischen Gruppe.

Es waren drei kleine Planwagen, die in den offiziellen Farben des U.S.-Quartermaster-Departments gestrichen waren. Blaue Wagenkästen, rote Speichenräder und Deichseln sowie weiße Planen mit der Beschriftung „U.S.“. Meist nutzte die Army private Fahrzeuge von Kontrakthändlern um ihre Stützpunkte versorgen zu lassen, doch dieser Wagenzug kam aus dem regionalen Hauptquartier in Fort Winnebago, welches noch hundert Meilen jenseits der Grenze im Wisconsin Territory lag. Der Wagenzug hatte nun gute hundertfünfzig Meilen zurückgelegt und bewegte sich auf den oberen Arm des Turkey River zu, an dem das Ziel, Fort Duncan, lag.

Drei Fahrer und deren Helfer sowie eine Kavallerieeskorte aus neun Reitern, von denen einer ein erfahrener Second-Lieutenant war. Fünfzehn Soldaten waren erbärmlich wenige, wenn es zu einer feindseligen Begegnung mit Indianern kam, doch die Winnebago galten als befriedeter Stamm, nachdem man sie vor längerer Zeit umgesiedelt hatte. Die Besatzung von Fort Duncan sollte sie im Auge behalten. In den drei Jahren seit Bestehen des Stützpunktes ließen die Indianer keinerlei Feindseligkeit erkennen.

Die Soldaten trugen ihre Feldmäntel und es war offensichtlich, dass die Männer auf den Planwagen zur Infanterie gehörten, denn die Capes ihrer Mäntel waren deutlich kürzer, als die der Reiter. Alle Mäntel besaßen die typische helle blaue Farbe, nur der des Lieutenants stach in seinem dunklen Blau hervor. Die dunkle Farbe sollte ihn für die Soldaten leicht kenntlich machen, doch galt diese Auffälligkeit auch für jeden Gegner. Entgegen dem Wunsch erfahrener Feldoffiziere war es jedoch verboten, dass Offiziere das hellere Blau der Mannschaften und Unteroffiziere trugen.

Während der Lieutenant seine Hände mit Weiß gegerbten ledernen Stulpenhandschuhen vor der bitteren Kälte schützen konnte, blieb den anderen nur die Möglichkeit, die überlangen Ärmelenden der Mäntel nach unten zu schlagen, so dass sie bis über die Finger fielen. Es brachte nur wenig Linderung, vor allem für jene Reiter, die ihre Karabiner schussbereit hielten und über die Eiseskälte des Metalls fluchten.

Die drei Fahrzeuge transportierten Mehl, Zucker, Salz, Bohnen, Pökelfleisch, Kaffee, Dosenpfirsiche und alles, was zur Versorgung einer kleinen Fortbesatzung für den Zeitraum eines Vierteljahres notwendig war. Dazu gehörten Rollen mit dem typischen braunen Armeegarn, Nadeln, etwas Stoff, ein paar Ersatzuniformen, Lederzeug, Lampenpetroleum, Kerzen, ein paar Materialien und Medikamente für den Arzt des Forts, ein Fässchen Schießpulver, Kugelzangen sowie eine Kiste mit Zündhütchen und gewachstem oder geöltem Papier, um daraus Patronenhülsen fertigen zu können. Zwei mittlere Kisten waren dem Quartiermeister vorbehalten. Sie enthielten Waren, die in dem kleinen Laden an die Soldaten verkauft werden konnten. Dazu gehörten Schuhcreme, Lederfett, Seife, Bürsten und Dinge des täglichen Gebrauchs. Die Armee stellte nur eine bestimmte Menge zur Verfügung. Verbrauchte der Soldat mehr, so musste er dies in der Quartiermeisterei bezahlen. In einer Tasche befanden sich Schriftstücke und zwei Zeitschriften, die zunächst den Offizieren vorbehalten sein würden, auch wenn der Inhalt jetzt schon einige Wochen alt war.

Keiner der Soldaten fühlte sich besonders wohl oder gar sicher. Auf der freien Fläche zwischen den Wäldern ging es noch, da sich ein Gegner kaum unbemerkt anschleichen oder seine Spuren im Schnee verbergen konnte. Ein beruhigender Gedanke für die Soldaten, die dabei außer Acht ließen, dass Spuren durchaus zu verwischen waren. Sehr viel unwohler fühlten sie sich, wenn der kleine Treck der Versorgungsstraße zwischen den Bäumen hindurch folgen musste. Zwischen den Bäumen gab es Lücken und die Stämme waren nicht besonders dick… Trotzdem gab es genügend Deckung für die Roten, denn die wenigsten Indianer galten als korpulent.

Der Atem der Pferde und Männer glich kleinen Dampfwolken. Die Soldaten hatten die Kragen der Mäntel hochgeschlagen und bedauerten sicher den Umstand, sich nicht privat mit einem wärmenden Schal eingedeckt zu haben, der von der Armee zwar nicht gestellt, aber immerhin geduldet wurde.

Es war später Vormittag und die Sonne hatte ihren Höchststand fast erreicht.

Der Lieutenant trug den vorgeschriebenen schwarzen Armeehut. Einen „Hardee“, dessen rechte Krempe hochgeschlagen und von einem Adler aus Messing fixiert war. An der Front befand sich das ovale schwarze Stoffoval, mit gold gestickter Einfassung, gold gestickten gekreuzten Säbeln sowie der silbernen Regimentsnummer „2“. Eigentlich sollte der Offizier auch die Kompanienummer in Messing führen, doch derzeit erfolgten dermaßen viele Versetzungen der Offiziere, dass man sich glücklich schätzen konnte, wenigstens innerhalb des Regiments zu verbleiben. Die schwarze und goldene Eichelschnur komplettierte die Ausstattung der Kopfbedeckung. Bei Paraden steckte man, je nach Dienstgrad, noch ein bis drei schwarze Straußenfedern an den Hut.

Die Unteroffiziere und einfachen Soldaten trugen das schlichte „Kepi“, welches im Jahr 1858 eingeführt worden war. Der Schnitt entsprach dem steifen und hohen Kepi der Dragoner, allerdings war das neue aus weicher Wolle gefertigt. Der kurze Mützenschirm und eine Einlage im „Deckel“ bestanden aus dickem Leder. Dazu gab es einen dicken Lederstreifen, der hinter dem Schirm in der Innenseite des Kepis eingesetzt war und den Deckel aufrichtete, wodurch das Kepi weiterhin dem der Dragoner ähnelte. Wenig später würde man diesen Lederstreifen als Versteifung weglassen und das „Forage-Cap“ würde jenen Spitznamen erhalten, unter dem es schließlich bekannt wurde: Das „Bummers“-Cap. Die einzige Verzierung des Kepis war der Kompaniebuchstabe aus Messing, der an der Front befestigt wurde.

Die Bewaffnung der Reiter bestand aus dem schweren Dragoner-Säbel, Modell 1840, und einem Colt Navy, Modell 1851. Als Eskorte eines Wagenzuges war jeder zweite Kavallerist mit einem einschüssigen Hinterlader-Karabiner vom Modell Sharps bewaffnet. Keine Selbstverständlichkeit, wenn man bedachte, dass die Regierung einer Kompanie von hundert Kavalleristen nur zwölf Karabiner zugestand. Die beiden Begleiter der Fahrer waren mit einschüssigen Vorderlader-Gewehren bewaffnet, die allerdings über das Maynard-Zündsystem verfügten, bei dem kein einzelnes metallenes Zündhütchen aufgesetzt werden musste, sondern bei dem das Spannen des Hahns ein Band mit zwanzig „Zündpillen“ transportierte.

Obwohl der lange Ritt bislang ohne besondere Ereignisse verlaufen war, verhielten sich die Soldaten aufmerksam. Einerseits hielt sie die Kälte im Griff, andererseits bewegten sie sich durch Indianergebiet. Alles schien ungewöhnlich ruhig. Der Schnee dämpfte die Tritte der Pferde und das mahlende Rollen der Räder. Gelegentlich war das leise Schnauben eines der Tiere hörbar. Die Männer schwiegen, denn für ein Gespräch hätten sie den Mantelkragen öffnen müssen und dafür war es einfach zu kalt.

Hin und wieder sahen sie ein Tier. Einen der Bären, die es hier noch reichlich gab, ein paar Antilopen und Hasen. Von Büffeln waren nicht einmal Spuren zu finden. Einmal wurden sie von einem einzelnen Wolf beobachtet. Sicher der Späher eines Rudels. Nachts musste man achtgeben. Die angeleinten Pferde waren eine Verlockung für die Wölfe, und wenn der Mond die sternklaren Nächte erhellte, dann scheuten diese Raubtiere nicht einmal vor einem kleinen Lagerfeuer zurück.

Der Sergeant war eine Weile hinter dem letzten Wagen geblieben und kam nun nach vorne geritten. Die drei breiten gelben Winkel an seinen Armen waren noch frisch, denn er war erst vor Kurzem befördert worden. Im Gegensatz zur Dienstvorschrift bis 1858, bei der die Spitze aller Winkel nach oben gezeigt hatte, deuteten diese nun nach unten.

Der Sergeant lenkte sein Pferd neben das des Lieutenants und zog seinen Kragen ein wenig nach unten. Sofort senkte er den Kopf, denn der Wind war beißend, auch wenn er wenigstens keinen Schnee mit sich führte. „Schätze, es sind noch knappe dreißig Meilen, Sir.“

Der erfahrene Lieutenant nickte. „Ich schätze eher auf fünfunddreißig, Sarge, aber wenn wir uns ranhalten, werden wir gegen Abend endlich in Duncan sein.“

„Höchste Zeit, Sir. Mit Verlaub, mir friert langsam der Arsch am Sattel fest.“

Der Offizier lächelte. „Heute Abend werden wir uns an einem ordentlichen Ofen aufwärmen, Thad, und man hat sicher einen wärmenden Schluck Whiskey für euch Jungs übrig.“

„Nichts dagegen, Sir“, versicherte der Unteroffizier. Er deutete vor sich. „Da kommt wieder ein Waldstück. Da haben wir wenigstens Windschatten.“

„Dafür müssen wir aber die Augen schön weit offen halten.“ Der Lieutenant wies über die Landschaft. „Wir bewegen uns nun schon seit wenigstens vierzig Meilen im Gebiet der Winnebagos. Es wundert mich, dass wir noch keinen zu Gesicht bekommen haben.“

„Gefällt mir nicht, Sir. Gerade wenn man die Roten nicht sieht, dann sind sie besonders nah.“

„Wie ich schon sagte, Thad, schön die Augen offen halten. Schicken Sie zwei Mann als Vorhut voraus. Zweihundert Yards, das reicht. Und zwei Mann als Nachhut. Gleicher Abstand.“

Hier, im Freien, verzichteten sie auf diese Vorsichtsmaßnahmen, aber im Wald war das anders. Man konnte zwischen den ersten Reihen der Bäume bequem hindurchsehen, trotzdem gab es reichlich Verstecke.

Sergeant Thadeusz nickte und brüllte ein paar Befehle. Einer der Begleitfahrer war eingenickt und schreckte irritiert hoch, bis er erleichtert erkannte, dass keine Gefahr drohte. Zwei der Kavalleristen ließen sich zurückfallen, zwei andere preschten an Offizier und Sergeant vorbei und übernahmen die Spitze. Sie hielten die Karabiner unter den langen Capes verdeckt, um die Mechanismen vor Vereisung zu schützen.

Keiner der Soldaten bemerkte den einsamen Krieger, der nun schon seit einigen Stunden ihr unsichtbarer Begleiter war.

Als dieser als junger Mann auf der Suche nach seiner persönlichen Medizin und seinem Namen war, begegnete er einem mächtigen Schwarzbären, der, nur wenige Yards von ihm entfernt, an einem Bachlauf seinen Durst stillte. Die Begegnung verlief unblutig und verhalf dem Jungen zu seinem Männernamen „Thirsty Bear“. Er wurde zu einem fähigen Jäger und mutigen Krieger und seine Fähigkeiten als listiger Kundschafter waren im Stamm der Winnebagos legendär.

Er trug die lederne Hose und Jacke mit den langen Fransen, die typisch für die Waldbewohner waren. Das lange blauschwarze Haar war geteilt und zu zwei dicken Zöpfen geflochten. Thirsty Bear hatte einen Mantel aus Büffelfell um sich geschlungen und eine Pelzkappe, die seinen Kopf schützte. In seinen mit Pelz gefütterten Mokassins befand sich eine dicke Lage getrocknetes Gras und Fell. Obwohl er die Haut gut mit Fett eingerieben hatte fror er, denn er war immer wieder gezwungen sich auf den Bauch zu legen und Deckung zu nehmen, um von den weißen Soldaten nicht entdeckt zu werden.

Er gehörte zum Clan der Falken der Winnebagos und war stolz auf diese Zugehörigkeit. Die Falken waren gerühmt als Jäger und Fallensteller, obwohl die Hauptnahrungsgrundlage auf Fischfang und dem Anbau von Wildreis basierte. Aus diesem Grund lebte das Volk stets in der Nähe von Flüssen oder Seen und schickte nur gelegentlich seine Jagdtrupps gegen die Büffelherden aus.

Die Waffen des Kundschafters bestanden aus einem Bogen, einem Speer und einem guten Messer aus dem Stahl der Weißen. Es war Handelsware mit einer sehr langen, schweren und schlecht ausgewogenen Klinge. Nicht gut zum gezielten Wurf, aber hervorragend geeignet um einen Büffel zu zerlegen oder einen Feind aufzuschlitzen.

Thirsty Bear hegte keinerlei freundliche Gefühle für die Weißen, aber er war klug genug ihre Überlegenheit zu akzeptieren. Schon mehrfach hatte der Stamm diese zu spüren bekommen. Seit der Zwangsumsiedlung in das jetzige Gebiet scheuten die Häuptlinge vor einer erneuten Auseinandersetzung zurück.

Die Indianer glaubten in ihrem neuen Stammesgebiet in Ruhe gelassen zu werden, doch vor drei Jahren erbauten die Weißen eines ihrer Forts. Eine Provokation und Demonstration der Macht, denn die hölzerne Festung lag fast inmitten des Winnebago-Gebietes. Man konnte den Weißen nicht vertrauen und so waren stets Kundschafter unterwegs, die sie im Auge behielten und dem Stamm berichteten.

Thirsty Bear war nur durch Zufall auf die Weißen gestoßen. Er war ausgezogen um die Wintervorräte durch Frischfleisch zu ergänzen, als er unvermutet den kleinen Wagenzug entdeckte. Drei Wagen und drei Hände Soldaten … Von diesen Weißen ging keine Gefahr aus. Sie waren nicht auf einem Kriegszug, sondern brachten Soldatendinge zu dem Fort am Turkey River.

Der Krieger überlegte, ob er den Eindringlingen weiter folgen sollte, entschied sich dann jedoch dagegen. Wie die meisten Waldindianer war er ohne Pferd auf der Jagd und der Weg zurück zum Winterlager war weit. Er würde dem Häuptling Long Tree berichten, sich aufwärmen und dann erneut auf die Jagd gehen.

Thirsty Bear wartete ab, bis der Wagenzug zwischen den Bäumen des Waldes verschwand, dann erhob er sich, ließ den Büffelfellmantel ein wenig von den Schultern gleiten und verwischte seine Spuren, während er langsam in Richtung des Lagers davonging.

Er war keine Meile weit gekommen als er stehen blieb.

Das waren Schüsse.

Gedämpft und leise, aber es waren Schüsse.

Der Winnebago wandte sich um, ging in die Hocke und spähte in die Richtung, aus welcher der dumpfe Nachhall des Schalls zu ihm drang. Es gab nur eine Erklärung … Der kleine Wagenzug der Weißen wurde überfallen! Doch wer war dafür verantwortlich? Es waren sicherlich keine Winnebagos. Chief Long Tree würde keine Auseinandersetzung mit den Soldaten riskieren. War es eine Gruppe der Iowa, die in das Gebiet der Winnebago eingedrungen war? Oder sogar ein Kriegstruppe der Sioux?

Wer immer den Wagenzug auch überfiel, es bedeutete Gefahr für die Winnebagos. Nicht allein weil ein anderer Stamm in sein Gebiet vorgedrungen war, sondern weil die Weißen sicher die Winnebagos für den Überfall verantwortlich machen würden.

Thirsty Bear musste erkunden, wer die Täter waren. Häuptling Long Tree würde wissen wollen, wer seinen Clan in Gefahr brachte.

Die Schießerei verstummte. In einigem Abstand ertönten noch zwei einzelne Schüsse, dann war nichts mehr zu hören.

Der Winnebago entschloss sich keineswegs dem Weg zu folgen, sondern in den Wald einzudringen und sich dann behutsam von der Seite jener Stelle zu nähern, an welcher er den Ort des Überfalls vermutete. Die Bäume würden ihm ein wenig Deckung bieten, allerdings musste er auf den Boden achten. Auch wenn der Schnee im Wald nicht so dicht lag, so bedeckte er doch viel von dem verfallenden Knüppelholz und kleinen Ästen. Das Knacken eines brechenden Astes würde jedoch weit zu hören sein.

Thirsty Bear ließ sich Zeit. Er bewegte sich durch ein Waldstück, in dem überwiegend Birken standen. Die Winnebagos schätzten diese Bäume, denn ihre getrocknete Rinde stellte einen erstklassigen Zunder dar, mit dem man jedes Feuer in Gang bekam.

Alles war ruhig. Der Kundschafter bemerkte eine Antilope zwischen den Bäumen, die vorsichtig ihren Weg suchte und wie er umherspähte. Dann wurde das Wiehern von Pferden laut. Thirsty Bear sah drei der großen braunen Pferde der Weißen. Sie trugen kein Sattelzeug und galoppierten verschreckt zwischen den Bäumen hindurch. An der Flanke eines der Tiere war getrocknetes Blut zu erkennen. Der Winnebago war sich sicher, dass es vom Reiter stammte.

Dünner Rauch stieg in den Himmel und trieb mit dem Wind durch den Wald.

Er zuckte kurz zusammen, als ein schwarzes Eichhörnchen dicht vor seinem Gesicht auftauchte und hastig den Baum hinauf in Sicherheit huschte.

Dann erreichte er den Ort des Überfalls.

Von den Tätern war nichts zu sehen, doch was sie angerichtet hatten, war offensichtlich.

Die drei Wagen standen auf dem Pfad. Ihre Ladung lag verstreut am Boden, die Fahrzeuge brannten, doch die Flammen bildeten keine Gefahr für die weit auseinander stehenden Bäume. Um die Wagen herum lagen die Soldaten. Sie alle waren tot, teilweise entkleidet und verstümmelt.

Thirsty Bear schritt langsam umher und betrachtete die Spuren. Die Toten schienen sich kaum gewehrt zu haben, denn es fanden sich keine Blutspuren, die zu den Angreifern gehörten. Der Überfall musste die Männer vollkommen überrascht haben.

Der Kundschafter fand zwei Pfeile in den Toten, doch die meisten Soldaten waren durch Kugeln getötet worden. Thirsty Bear ging in die Knie und zog einen der Pfeile heraus. Er stammte fraglos von den Winnebagos, die Markierungen verrieten es. Doch er war in den Leib des Soldaten gerammt worden, als dieser bereits tot war. Die Wunde hatte kaum noch geblutet.

Das Blut im rot gesprenkelten Schnee begann zu gefrieren. Thirsty Bear fand die Abdrücke von Hufen und Stiefeln, doch keine von Mokassins. Er begann zu verstehen, dass diese Bluttat von Weißen verübt worden war. Von Weißen, welche den Verdacht auf die Winnebagos richten wollten. Der Krieger hatte schon davon gehört dass Banditen diesen Trick manchmal benutzten, um die Armee oder die Gesetzeshüter auf eine falsche Spur zu lenken.

Die Pferde fehlten. Man hatte sie fortgetrieben oder mitgenommen. Pferde waren immer eine wertvolle Beute. Ebenso wie Waffen. Die Waffen der Soldaten fehlten.

Thirsty Bear begann den Ort des Überfalls genauer abzusuchen und bewegte sich dabei in einer größer werdenden Spirale. Er fand die Spuren von sieben Reitern. Jene, welche die schreckliche Tat begangen hatten. Schrecklich, weil der Verdacht auf seinen Clan gelenkt wurde. Den Tod der Soldaten bedauerte er keineswegs.

Dann fand er die Stelle, an der man gegraben hatte. Es war in großer Hast geschehen und man hatte die Spuren nur schlecht beseitigt. Hier lagen die Revolver, Säbel und Langwaffen der Toten. Solche Waffen waren noch wertvoller als Pferde. Warum hatte man sie zurückgelassen?

Thirsty Bear überlegte, dann nahm er sich die Zeit, ein neues Versteck für die Waffen zu suchen und die dorthin führenden Spuren sorgfältig zu verwischen. Er konnte die kostbare Beute nicht mit sich nehmen, aber vielleicht fand sich später die Zeit sie zu bergen. Er nahm nur einen der Karabiner als Beweis an sich.

Der Winnebago warf einen letzten Blick über den Schauplatz des Massakers, dann machte er sich endgültig auf den Heimweg zum Stammeslager. Es würden interessante Neuigkeiten sein, die er Häuptling Long Tree überbrachte.

Kapitel 2 Neue Befehle

Fort Winnebago bestand aus einer lockeren Ansammlung überwiegend kleiner Gebäude, die von keiner Befestigung umgeben waren. Die Seiten der Hauswände waren in graublau gestrichen, die stützenden senkrechten Balken in reinem Weiß. Alles vermittelte einen neuen Eindruck, der allerdings täuschte, denn die Glanzzeit des Forts war längst vorbei. Im Jahr 1828 war es errichtet worden und lag auf einem Hügel zwischen dem Fox River und dem Wisconsin River. Damals sollte die Besatzung den Frieden zwischen weißen Siedlern und den ansässigen Indianerstämmen gewährleisten, denn im Jahr zuvor hatte es einen Aufstand der Winnebagos gegeben. Inzwischen war der kriegerische Stamm geteilt und umgesiedelt worden, und die Bedeutung des Forts war gesunken. Vor drei Jahren vernichtete dann ein verheerender Brand die meisten Gebäude und die Armee verzichtete auf den Wiederaufbau. Sie verkaufte die Anlage an einen privaten Besitzer. Jetzt, im Jahre 1861, gewann der Stützpunkt unerwartet wieder an Bedeutung, wenn auch überwiegend als Umschlagplatz für Versorgungsgüter und Soldaten, die auf dem Weg zu ihren neuen Dienstorten waren. Der Privatbesitzer war keineswegs unglücklich das reaktivierte Fort vorübergehend an die Armee verpachten zu können.

Major Matt Dunhill und sein Freund Captain Thomas Deggar waren nach Winnebago befohlen, um dort zwei Kompanien der Iowa Volunteer Cavalry zu übernehmen und ihrem eigenen Regiment zuzuführen. Die beiden Offiziere dienten in der 2nd U.S.-Cavalry und sollten die ausgebildeten Volunteers in das reguläre Regiment übernehmen. In den vergangenen Jahren hatten die Reiterregimenter im Kampf gegen Indianer immer wieder Verluste hinnehmen müssen und erreichten, trotz neuer Rekrutierungen, nie ihre Sollstärken. Im Kampf gegen Indianer waren berittene Truppen aufgrund ihrer Beweglichkeit der Schlüssel und manche Staaten der Union rekrutierten eigene Freiwilligenregimenter, um so für die Sicherheit ihrer Bürger zu sorgen. Meist wurden solche Truppen nur aufgestellt wenn es galt einen Indianeraufstand zu bekämpfen, wobei man durchaus großzügig mit dem Begriff „Aufstand“ und „Befriedung“ umging, da solche Aktionen oft mit Territorialgewinn verbunden waren.

Matt und Thomas hielten, wie die meisten regulären Soldaten, nicht viel von solchen Volunteers. Meist schlecht ausgebildet und geführt nutzten sie oft jeden Vorwand um gegen Indianer vorzugehen, was wiederum zu weiterer Gegenwehr der indianischen Stämme und schließlich den Einsatz der ohnehin überlasteten regulären Truppen führte.

Im vergangenen Jahr entstanden immer mehr Freiwilligeneinheiten. Überall in der Union, ob im Norden oder im Süden, sprach man über einen drohenden Krieg zwischen den Staaten und von der Notwendigkeit, die jeweilige Heimat selbst schützen zu müssen. Manche Volunteers wurden zu Guerillagruppen, welche die Sympathisanten der jeweils anderen Seite drangsalierten oder sogar ermordeten. Jetzt drohte sich der Konflikt zu verschärfen und alles blickte nach Washington, wo der republikanische Präsident Abraham Lincoln ins Weiße Haus eingezogen war. Seine Präsidentschaft galt für den Süden als untragbar, der inzwischen unverhohlen mit Abspaltung von der Republik drohte.

Wie sehr der drohende Konflikt die Herzen der Menschen berührte, das musste Matt Dunhill an seinem Freund Thomas Deggar feststellen. Obwohl sie nun schon viele Jahre gemeinsam dienten und ebenso lange befreundet waren, führten die Diskrepanzen zwischen Norden und Süden immer wieder zu Unmut und sogar Streitgesprächen zwischen den beiden.

Vielleicht war es Matt auf der langen Reise so auffällig geworden, weil er von seiner Frau Mary-Anne und seinem 12-jährigen Sohn Mark getrennt war. Vor allem Mary-Anne, die selbst aus dem Süden stammte, hatte stets eine beschwichtigende Wirkung auf Thomas ausgeübt. Doch die Familie nutzte die Dienstreise von Matt, um ein paar Wochen Urlaub bei Mary-Annes Vater John Jay Jones zu verbringen.

Vor vier Jahren waren die Freunde mit Robert E. Lees 2nd U.S.-Cavalry gegen die Comanchen geritten und hatten bei der Gelegenheit auch den heißblütigen Lieutenant J.E.B. Stuart kennengelernt. Stuart war ein fanatischer Gegner des roten Mannes und glühender Anhänger des Südens. Er hatte oft mit Thomas gesprochen und Matt fand, dass Stuart dabei keinen guten Einfluss ausgeübt hatte.

In und um Fort Winnebago herrschte reger Betrieb. Grund hierfür waren, neben den Truppen der drei Waffengattungen Infanterie, Artillerie und Kavallerie, vor allem die zahlreichen Händler, denn der Stützpunkt bildete einen wichtigen Knotenpunkt an den Wasserwegen des Fox und des Wisconsin River, zwischen den großen Seen und dem Mississippi.

Die Wache am Tor wies Matt und Thomas den Weg zur Kommandantur.

„Hast du dich eigentlich gefragt, warum wir ausgerechnet Freiwillige aus Iowa für unser Regiment übernehmen sollen?“, fragte Thomas, während sie zur Kommandantur trabten.

„Um unsere Verluste rasch auszugleichen“, antwortete Matt mechanisch.

„Bist du wirklich so naiv?“ Thomas lachte leise. „In unserem Regiment dienen Männer aus dem Norden und dem Süden. Die Leute aus Iowa sind alle aus dem Norden.“

„Worauf willst du hinaus?“ Matt ahnte es eigentlich schon.

„Die Regierung in Washington will die Unionstruppen mit zuverlässigen Nordstaatlern auffüllen.“

„Thomas, verdammt. Wir alle gehören zur Union und tragen ihr Blau.”

Sein Freund grinste. „Natürlich. Gar keine Frage.”

Matt war verärgert, da sein Freund es wieder einmal geschafft hatte, Missstimmung zwischen ihnen aufzubringen.

Sie erreichten das Gebäude, an dem ein Schild auf den kommandierenden Offizier hinwies. Es gab keinen Vorbau mit Veranda, lediglich einen kleinen Überbau des Eingangs und zwei Stufen, die zur offenen Tür des zweigeschossigen Hauses hinauf führten. Zwei Infanteristen hielten Wache und ein Dritter kam heraus und nahm die Zügel der Pferde entgegen, um die Tiere zu einem Stall zu bringen.

Hier oben auf dem Hügel blies ein steifer Wind. Die große Fahne der Union knatterte am Mast und Matt schlug die klammen Hände zusammen, als sie das Gebäude betraten.

In einem kleinen Vorraum saß ein Sergeant in der kurzen und gelb besetzten Dienstjacke der Kavallerie. An jeder Seite des steifen Stehkragens befand sich nur eine einzelne Litzenschlaufe, welche die Zugehörigkeit zu einer Freiwilligeneinheit auswies.

„Sergeant Koslov, Sir“, stellte der Mann sich vor, erhob sich und salutierte. „Was kann ich für Sie tun, Gentlemen?“

„Major Dunhill und Captain Deggar von der 2nd U.S.-Cavalry.“ Matt langte in die Innentasche seines langen Uniformrocks, der, im Gegensatz zu dem des Freundes, als Batallions-Dienstgrad zweireihig geknöpft war. Er zog das Dokument mit den Befehlen heraus und reichte es dem Unteroffizier. „Wir haben Order zwei Kompanien für unser Regiment zu übernehmen.“

Der Sergeant berührte die Befehle kurz, reichte sie aber sofort an Matt zurück. „Sie wollen zum Colonel, Sir?“

Matt nickte und der Sergeant ging zu einer geschlossenen Tür an der Rückseite des Raumes, klopfte an und öffnete. „Major Dunhill und Captain Deggar von der Zweiten, Sir.“

„Sollen reinkommen“, erwiderte eine sonore Altstimme.

Colonel Hillerman war Infanterist, wie Matt bedauernd feststellte. Er hatte immer wieder erlebt, dass Infanteristen es an Verständnis für die Bedürfnisse der Kavallerie fehlen ließen fehlen ließen, was sicherlich auf Gegenseitigkeit beruhte. Hillerman war klein, schlank und glattrasiert, was eher ungewöhnlich war. Die Dienstvorschriften erlaubten das Tragen eines Bartes, sofern dieses „gefällig“ gestutzt und sauber geschnitten wurde. Die meisten Soldaten trugen Bart, vor allem jetzt im Winter, in dem diese Haartracht zum Wärmen des Gesichtes beitrug. Matt bevorzugte ein bescheidenes Dragonerbärtchen, während Thomas einen dicht gewachsenen Vollbart sein eigen nannte. Wenigstens gehörte Hillerman zu den regulären Truppen, was bedeutete, dass er einen Abschluss und das Patent der Offiziersakademie in West Point besaß. Matt hatte die Erfahrung gemacht, dass sich die militärische Kompetenz von Freiwilligen-Offizieren meist in beschaulichen Grenzen bewegte. Sie wurden meist nicht nach Fähigkeit ernannt, sondern nach Gefälligkeit oder kauften sich ihren Rang sogar.

Hillerman boten ihnen Platz und einen Kaffee, den eine Ordonnanz hereinbrachte, während er die Befehle studierte. „Zwei Kompanien der 1st Iowa Volunteer Cavalry, ja“, murmelte er und hob den Blick. „Sind noch nicht wirklich bereit, Gentlemen. Aber wie Ihre Befehle besagen, hat man wohl damit gerechnet. Wird noch zwei oder drei Wochen dauern, bis die Ausbildung abgeschlossen ist.“

Matt und Thomas warfen sich einen kurzen Blick zu. „Wir rechneten eigentlich damit …“