Die Pferdelords 12 - Der Ritt zu den goldenen Wolken - Michael Schenk - E-Book

Die Pferdelords 12 - Der Ritt zu den goldenen Wolken E-Book

Michael Schenk

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Beschreibung

Mit der zwölfteiligen Saga um die Pferdelords entsteht die faszinierende Chronologie eines Reitervolkes. Im Verlauf der Abenteuer entwickeln sich Kultur und Technik der beteiligten Völker, vom einfachen Signalspiegel hin zum optischen Präzisionsinstrument, der Dampfmaschine und, im letzten Abenteuer, sogar dem Luftschiff. Die Pferdelords begegnen bestehenden und untergegangenen Königreichen, den Elfen des Waldes und denen der See, Zwergen, Sandbarbaren, fliegenden Lederschwingen und krebsartigen Irghil, immer wieder bedroht von den Orks des schwarzen Lords und seinen gestaltwandlerischen Magiern. Die Pferdelords lassen eine faszinierende Welt entstehen und unterhalten mit Action, Spannung und Humor. Hier liegt die Reihe nun erstmals in einer vom Autor überarbeiteten und ergänzten e-Book-Ausgabe vor. Jedes Abenteuer ist in sich abgeschlossen.

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Seitenzahl: 822

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Michael Schenk

Die Pferdelords 12 - Der Ritt zu den goldenen Wolken

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Kapitel 1 Übersicht und Hinweise zu Karten

Kapitel 2 Prolog

Kapitel 3 Pferdelords 12 – Teil 1

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24 Pferdelords 12 – Teil 2 (5 Jahre später)

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Kapitel 45

Kapitel 46

Kapitel 47

Kapitel 48

Kapitel 49

Kapitel 50

Kapitel 51

Kapitel 52

Kapitel 53

Kapitel 54

Kapitel 55

Kapitel 56

Kapitel 57

Kapitel 58

Kapitel 59

Kapitel 60

Kapitel 61

Kapitel 62

Kapitel 63

Kapitel 64

Kapitel 65

Kapitel 66 Karte „Pferdelords – Die Völker“

Kapitel 67 Karte „Die zweite Grenze“

Kapitel 68 Karte „Die Schlacht von Khalanaris“

Kapitel 69 Karte „Die Schlacht am Mitteltor“

Kapitel 70 Karte „Die Schlacht von Mintris“

Kapitel 71 Personenregister

Kapitel 72 Einige Maßeinheiten und Definitionen

Kapitel 73 Hinweis auf meine anderen Romane

Impressum neobooks

Kapitel 1 Übersicht und Hinweise zu Karten

Michael H. Schenk

Die Pferdelords 12

- Der Ritt zu den goldenen Wolken -

Fantasy-Roman

© Überarbeitete Neuauflage Michael Schenk 2020

Die Pferdelords-Reihe:

Pferdelords 01 – Der Sturm der Orks

Pferdelords 02 – Die Kristallstadt der Zwerge

Pferdelords 03 – Die Barbaren des Dünenlandes

Pferdelords 04 – Das verborgene Haus der Elfen

Pferdelords 05 – Die Korsaren von Um´briel

Pferdelords 06 – Die Paladine der toten Stadt

Pferdelords 07 – Das vergangene Reich von Jalanne

Pferdelords 08 – Das Volk der Lederschwingen

Pferdelords 09 – Die Nachtläufer des Todes

Pferdelords 10 – Die Bruderschaft des Kreuzes

Pferdelords 11 – Die Schmieden von Rumak

Pferdelords 12 – Der Ritt zu den goldenen Wolken

Die vorliegende Neuauflage der e-Books wurde von mir überarbeitet, ohne deren Inhalte zu verändern. Begriffe wurden vereinheitlicht und die Romane durch überarbeitete oder zusätzliche Karten ergänzt.

Viel Lesevergnügen wünscht Ihnen

Michael H. Schenk

Hinweis:

Kapitel 66: Karte der Völker der Pferdelords-Reihe

Kapitel 67: Karte „Die zweite Grenze“

Kapitel 68: Karte „Die Schlacht um Khalanaris“

Kapitel 69: Karte „Die Schlacht am Mitteltor“

Kapitel 70: Karte „Die Schlacht um Mintris“

Kapitel 71: Personenregister

Kapitel 72: Einige Maße und Definitionen

Kapitel 73: Hinweis auf meine anderen Romane

Kapitel 2 Prolog

Einst war das Volk umhergezogen, um den kleinen Herden des wilden Hornviehs zu folgen und das Getreide jener Flächen zu ernten, auf denen die Natur es wachsen ließ. Es waren Familiengruppen, die ein bestimmtes Gebiet für sich beanspruchten. Irgendwann entwickelte man die Fertigkeit des Reitens und aus den Nomaden wurde ein Pferdevolk. Die Pferde ermöglichten die Kontrolle über größere Regionen und verhalfen dabei zu nie zuvor erlebter Schnelligkeit. Die Familiengruppen wuchsen heran zu großen Clans, welche feste Siedlungen errichteten. Ackerbau und Hornviehzucht wurden entwickelt.

Es war die Zeit, in der die ersten Legenden des Pferdevolkes entstanden. Einige von ihnen würden die Jahrtausende überdauern.

So galten das Krachen eines Gewitters und das Zucken der Blitze als der Zorn jener Kämpfer, die in Unehre gestorben waren und noch immer darum kämpften, ihre Ehre und den ewigen Frieden zu erlangen.

Das immer schneller werdende Schlagen gegen die Rundschilde entstand, um die Toten zu ehren, denn das Geräusch ähnelte dem Galopp der herannahenden Reiter und der dröhnende Rhythmus sollte die Gefallenen zu den Goldenen Wolken geleiten. Die Goldenen Wolken, die von immerwährendem Ruhm der Toten kündeten.

Nun näherte sich die Zeit, die über das Schicksal aller Völker entscheiden sollte.

Vor fünftausend Jahren hatten die Völker noch in Frieden gelebt und sich langsam ausgebreitet. Der Kontinent von Alnaris bot guten Lebensraum mit ausgedehnten Wäldern, fruchtbaren Ebenen und erzhaltigen Gebirgen. Kontakte und Handel entstanden zwischen den Reichen von Julinaash, Rushaan, Jalanne, Rumak, Alnoa und den Clans des Pferdevolkes. Man stieß auf die unsterblichen Elfen und auf das fleißige Bauernvolk der Zwerge. So verschieden die Kulturen auch waren, so führten diese Unterschiede doch nicht zu ernsthaften Spannungen. Aus Handel entstand ein loses Bündnis, welches sich schon bald bewähren musste.

Alnaris trug mächtige Gebirge, welche ganze Regionen voneinander trennten und nur an wenigen Stellen passierbar waren. So trennten das Eis des Nordens und der Stein der Gebirge die Länder des ersten Bundes von den Territorien des Ostens. Dort entwickelte sich eine furchtbare Macht, als der Schwarze Lord seine Legionen von Orks heranzüchtete und dabei begehrlich auf die freien Länder blickte.

Die Menschenreiche des ersten Bundes ahnten nichts von der wachsenden Bedrohung im Osten und entwickelten sich sehr unterschiedlich.

Das Pferdevolk lebte weit im Westen und war erst dabei, seine Clans zu einem Königreich zu einen. Alnoa erlernte gerade die Fertigkeit, Rüstungen und Waffen zu schmieden. Julinaash und Rushaan verfügten hingegen über metallene Krieger und Festungen, deren Waffen mit Licht töteten. Sie besaßen gepanzerte Wagen und Metallvögel, deren Druckbomben die Verheerung in sich trugen.

Das kleine Königreich von Rumak jenseits des großen Gebirges von Uma´Roll grenzte als einziges direkt an das Reich des Schwarzen Lords und war am meisten gefährdet. Dort ahnte man die Gefahr und aus den Schmieden Rumaks floss ein steter Strom von Waffen. Aber das kleine Menschenreich hatte nur wenige Kämpfer, welche einem Feind entgegentreten konnten.

Das südliche Reich von Jalanne verfügte ebenfalls über Waffen des Lichttodes, seine eigentliche Macht lag jedoch in der Magie seiner Zauberer und deren Stadt Lemaria.

Der Schwarze Lord wusste um die Wirkung der Menschenwaffen und auch um die Kraft, die der Wille zur Freiheit den Völkern verlieh. So bereitete er sich gründlich vor und machte sich dabei die Habgier und den Neid der Menschen zunutze. Geschickt schürte er Misstrauen und Zwietracht unter den Völkern und in jenem Augenblick, da das Bündnis der Völker zu zerfallen begann, marschierten seine Legionen der Orks.

Die Magier von Jalanne warfen ihre magischen Sonnenfeuer auf das ferne Rushaan. Menschen und Land vergingen dort, doch die metallenen Krieger, die Paladine Rushaans, überlebten. Ihre Metallvögel warfen Druckbomben auf die Stadt der Magier, die in den Fluten des umgebenden Binnensees versank. Das kleine Rumak wurde von den Legionen der Orks überrannt und ging in der letzten Schlacht um die Festung von Merdoret unter.

So war das Bündnis der freien Länder auf verhängnisvolle Weise geschwächt, als die Orks über die Pässe der Gebirge drangen.

Das Volk der Zwerge lebte in den fruchtbaren mittleren Ebenen von Ackerbau und Handel. Die „kleinen Herren“ waren als Schreiner geachtet und ihre zierlichen und doch robusten Möbel waren in allen Reichen begehrt. Sie waren gewiss kein Volk von Kämpfern und ihre einfachen Jagdbogen und Lederwamse erwiesen sich als schlechtes Rüstzeug gegen den heranstürmenden Feind. Aber die Zwerge lernten zu kämpfen und wehrten sich erbittert, während die verbliebenen Menschenreiche versuchten, ihre Kräfte zu sammeln. So war das kleine Volk größtenteils auf sich alleine gestellt und stand vor seinem Untergang. Den tapferen Zwergen blieb keine andere Wahl, als die alte Heimat aufzugeben. Ein großer Teil ging in die Berge und schuf dort seine unterirdischen Höhlen und Kristallstädte. Hier entstanden die Legenden der Zwerge als Steinmetze und Krieger. Ein anderer Teil suchte seine Heimat in den schwimmenden Clanstädten auf den Meeren. Die Erinnerung an diese Ereignisse brannte sich unauslöschlich in das Bewusstsein der Zwerge ein und machte sie für die Zukunft zu unerbittlichen Kämpfern.

Der Krieg zwischen den freien Ländern einerseits und dem Schwarzen Lord und seinen Orks andererseits tobte über viele Jahre. An einer Front, die Tausende von Längen maß. Es gab kleine Scharmützel und gewaltige Schlachten, die Leben auslöschten und das Land zerstörten. Erst als sich Elfen und Menschen zum entscheidenden Kampf stellten, gelang es, die Legionen zu vernichten und den Schwarzen Lord hinter das Gebirge zurückzutreiben.

Die Folgen des großen Krieges waren furchtbar.

Rumak schien untergegangen, die Reiche von Jalanne und Rushaan waren ausgelöscht und vom nördlichen Julinaash gab es keine Nachrichten mehr. Nur das Königreich von Alnoa und das Pferdevolk schienen von den menschlichen Völkern überlebt zu haben. Geschunden und nahezu vernichtet und doch mit der menschlichen Eigenschaft versehen, nicht aufzugeben und neu zu erstarken.

Jahrtausende vergingen, in denen Frieden herrschte. Aber die Folgen des Krieges begannen das alte Land des Pferdevolkes zu verändern. Sand eroberte die fruchtbaren Ebenen und ließ die Wälder versinken. Mit dem Sand drangen die Barbaren vor und der Kampf gegen die Sandkrieger einte das Pferdevolk endgültig. Doch der Feind war zu stark und die Pferdelords mussten weichen. Sie fanden ihre neue Heimat in jenen Ebenen, aus denen der Krieg die Zwerge vertrieben hatte. Die Clans des Pferdevolkes waren nun zu einem Königreich zusammengewachsen und gründeten ihre Marken. Sie waren ein traditionsbewusstes Volk, dem das bescheidene Leben genügte und welches seine Wehrhaftigkeit in seinen Kämpfern, den Pferdelords, und auf dem Rücken der Pferde fand.

Das Königreich von Alnoa erholte sich ebenfalls und begann sich erneut zu entwickeln. Brennsteinmaschinen stampften in den Städten und trieben die Schiffe an, Dampfkanonen schützten Stadtwälle und Festungen.

All die Jahrtausende vergingen und aus der Erinnerung an den großen Krieg gegen den Schwarzen Lord und seine Orks wuchsen Legenden. Legenden, welche an die stete Bedrohung durch die Finsternis mahnten und doch allmählich zu ihrem Vergessen beitrugen.

Dann, vor dreißig Jahren, erhob sich die Finsternis mit neuer Macht.

Unzählige Legionen von Orks schienen unter dem Befehl des Schwarzen Lords zu stehen.

Erneut traten ihnen Menschen und Elfen entgegen. In erbitterten Kämpfen wurden die Angriffe abgewiesen, doch die entscheidende Schlacht war noch nicht geschlagen. Dann verließ das Volk der Elfen die alte Heimat und brach zu seinen neuen Ufern auf. In dieser Stunde der Not trat das Volk der Zwerge an die Seite der Menschen. Aber die freien Völker waren zu schwach, um in das Land des Schwarzen Lords vorzustoßen. So belauerten sich die Feinde an den wenigen Pässen, die ein Vordringen ermöglichten.

Doch bald zeigte sich, dass der Herr der Finsternis auf eine Weise erstarkte, die man nie zuvor erlebt hatte. Dieses Mal verfügte er über menschliche Verbündete – das Volk der Rumaki, welches man ausgelöscht gewähnt hatte und welches nun vom Hass auf die freien Völker beherrscht wurde. Viele seiner Krieger waren heimlich über die Grenze nach Alnoa eingedrungen. Obwohl man etliche hatte fangen oder töten können, hielten sich andere verborgen. Ihre Augen und Ohren waren Teil der Bedrohung und die Bruderschaft des Kreuzes berichtete ihrem Herrn von den Ereignissen in den Ländern des Bündnisses. In den Schmieden Rumaks entstanden neue Waffen, die den endgültigen Sieg über den Feind sichern sollten.

Noch standen sich die Kontrahenten an den Pässen gegenüber, doch es war nur eine Frage der Zeit, bis der folgenreiche Sturm der Legionen des Schwarzen Lords beginnen würde.

Kapitel 3 Pferdelords 12 – Teil 1

Das Land des Ostens war einst fruchtbar gewesen, bevor das große Schlachten es verwüstete. Seitdem waren Jahrtausende vergangen und die Natur hatte sich zum großen Teil erholt. Es gab noch immer Wüstenregionen. Im Nordosten die der Ebene von Cantarim und im Südosten die von Cemenghil. Ihre heißen und trockenen Bereiche wurden von den Orks besonders geschätzt, denn sie waren die Hitze von ihren unterirdischen Bruthöhlen gewohnt und Kälte setzte ihnen zu. Im Winter, wenn die Flocken des weißen Totentuches vom Himmel sanken, harrten sie daher in ihren Festungen aus. Dann mussten sie von den Vorräten leben, die während der warmen Jahreszeit gesammelt worden waren. Nur wenige wagten sich in dick gefütterten Rüstungen in die Kälte, wenn der Dienst am Schwarzen Lord dies verlangte.

Um die Wüsten herum war das Land neu erblüht. Es gab fruchtbare Ebenen und weite Wälder, die denen im Westen ähnelten. Das Volk von Rumak beherrschte nicht nur die Schmiedekunst, sondern auch den Ackerbau und die Viehzucht und trug wesentlich dazu bei, die Festungen und Bruthöhlen mit dem Erforderlichen zu versorgen und so die Macht des Herrschers wachsen zu lassen. Orks und Rumaki mochten Verbündete sein, dennoch mieden sie einander, wo es nur ging, denn ihre Bedürfnisse unterschieden sich gewaltig. Für die Rundohren und Spitzohren aus den Bruthöhlen waren die Wiesen, Felder und Wälder nichts als stinkende und modrige Notwendigkeiten, die sie nur deshalb akzeptierten, weil sie der Nahrungsbeschaffung dienten.

Und sie brauchten viel Nahrung.

Immer mehr, denn ihre Zahl wuchs und in den Schmieden der Ork-Festungen und denen der Rumaki entstanden jene Waffen und Rüstungen, die endlich den Sieg bringen sollten. Immer mehr Truppen sammelten sich in den Legionslagern entlang der natürlichen Grenzen, welche die Gebirge bildeten. In den Festungen an den Pässen wartete man auf den Befehl zum Angriff.

Doch dieser ließ auf sich warten.

Den kleinen Spitzohren der Orks, die nicht gerade für ihre Tapferkeit gerühmt wurden, war dies nur recht, doch bei ihren großen Brüdern, den Rundohren, wuchs die Ungeduld, sich endlich bewähren und einen Namen machen zu können.

Doch der Befehl kam nicht.

So lag eine immense Anspannung über den Legionen. Aller Blicke waren gen Antas-Nataar gerichtet, jenem Ort, an dem der Schwarze Lord über alles gebot.

Der schwarze Turm von Antas-Nataar lag im Zentrum des Reiches, dort, wo die fruchtbare Ebene von Ciritharn begann. Es war ein mächtiges Bauwerk, welches zu unglaublicher Höhe aufragte und dessen Silhouette von Weitem zu erkennen war. Das Gebilde bestand aus glattem grauem Stein, der von feinen weißen Adern durchzogen schien, und verdankte seine Bezeichnung „schwarzer Turm“ ausschließlich der Tatsache, dass hier der Schwarze Lord residierte. Der Turm besaß die Form eines spitzen Kegels, der mit der Basis auf dem Boden stand und sich nach oben zu einer schlanken Nadel verjüngte. Diese wurde von einer Kugel gekrönt. Teile des Magierturms waren mit fremdartigen Symbolen verziert, die sich in einem intensiven Blau vom Mauerwerk abhoben.

Vor zwei Jahren war die feuerwerfende Faust des Allerhöchsten durch einen wagemutigen Angriff des Pferdevolkes vernichtet worden. Viele der Grauen Wesen, deren magische Kräfte dem Schwarzen Lord dienten, waren damals umgekommen. Jene hatten auch den Turm bewacht und nun, da es nur noch wenige von ihnen gab, waren einige Kohorten der Rundohren an ihre Stelle getreten. Die unmittelbare Nähe des Herrschers bereitete selbst diesen tapferen Kriegern Unbehagen, umso mehr, da ihnen zugleich der Gestank des „Grünzeugs“ in die Nase stieg. Der Turm von Antas-Nataar befand sich inmitten einer parkähnlichen Anlage, deren Harmonie und betäubende Düfte Übelkeit bei den Orks hervorriefen. Viele versuchten sich zu schützen, indem sie ihre Geruchsöffnungen mit allerlei Hilfsmitteln verstopften.

Die Rundohren gehörten zu den Eisenbrüsten, welche die neuen Rüstungen trugen. Harnische, die nach vorne die Form eines spitzen Keils aufwiesen und an denen ein frontaler Stoß und auch jedes Geschoss abprallen musste. Die Panzerungen waren schwer und unhandlich und doch trugen die Legionäre sie mit Stolz. Während es den kleinen Spitzohren zur gefährlichen Pflicht gehörte, dem Allerhöchsten zu dienen, war es für die Kämpfer der Rundohren auch eine Frage ihrer Ehre. Seit die ersten Exemplare der beiden so verschiedenen Ork-Arten aus ihren Brutbeuteln geschlüpft waren, gab es Rivalität zwischen ihnen. Die Rundohren verachteten die Feigheit der Spitzohren, welche diese hingegen als kluge Zurückhaltung und Überlebensstrategie erachteten.

So tat sich die Ehrenwache am Turm noch immer schwer damit, zu begreifen, dass vor Jahren ausgerechnet eines der Spitzohren den Aufstieg zum Legionsoberführer geschafft hatte. Ein Spitzohr, und zudem eines, dessen Ruf unter den Rundohren noch weitaus schlechter als ohnehin üblich war. Zusätzlich erboste es sie, dass diese schmächtige Kreatur eine Rüstung trug, welche jener der Rundohren nachempfunden war. Für die Krieger symbolisierte Einohr, wie besagtes Spitzohr hieß, ein Subjekt ihres nur mühsam unterdrückten Hasses, die anderen seiner Art sahen in ihm hingegen ein Zeichen des Triumphes, denn die mächtigen Kämpfer mussten einem der Ihren Respekt zollen.

Im Augenblick schritt besagter Einohr den mit Steinplatten ausgelegten Weg entlang, der von der nahen Siedlung durch den Park hindurch zum Eingang des schwarzen Turms führte. Der Legionsoberführer trug seine auf Hochglanz polierte Rüstung und den Helm mit den drei grellroten Querkämmen, die seinen hohen Rang verdeutlichten. An der Seite hing die Nachbildung eines Schlagschwertes der Rundohren, in Größe und Gewicht dem Spitzohr angepasst. Im Gegensatz zu den Kriegern, deren metallene Kampfstiefel die Zehen frei ließen, trug Einohr allerdings weiche Lederstiefel, wie sie bei seiner Art beliebt waren.

„Ich sage dir, eine lange Phase der Finsternis und eine stille Ecke, und ich schlachte dieses aufgeblasene Spitzohr“, knurrte eine der Wachen, deren rötlich gelbe Augen unter dem Helm kaum zu erkennen waren. „Er hat uns mehr tapfere Rundohren gekostet als alle Kämpfe gegen das Pferdevolk.“

„Er versteht sich darauf, zu überleben“, stimmte der andere zu. „Auf Kosten anderer.“

„Ihm ist es gleich, wie viele unserer Kämpfer sterben, Hauptsache, er selbst bleibt am Leben.“

„Auch darin stimme ich dir zu. Er ist eine nutzlose Made und sollte in den Nährschlamm der Bruthöhlen wandern.“ Die zweite Wache fingerte an ihrem Schlagschwert. „Aber der Allerhöchste wird seinen Grund haben, ausgerechnet diese Kreatur zum Oberbefehlshaber erwählt zu haben.“

„Er hat in der Öde von Rushaan versagt und unsere Legionen ins Verderben geführt. Und zuvor ließ er bei der Schlacht von Merdonan seine Legion im Stich, um seine Haut zu retten.“

Der Wachführer der kleinen Gruppe kam heran. Er hatte die letzten Worte gehört, warf einen kurzen Blick zu Einohr, um abzuschätzen, ob die empfindlichen Ohren des Spitzohrs seine Worte wohl vernehmen konnten, und kam zu der beruhigenden Feststellung, dass dies noch nicht der Fall war. „Ich verlor Krieger aus meinem Wurf in der Winterschlacht bei Merdoret. Damals wollte Einohr gegen den Abtrünnigen Fangschlag im Zweikampf antreten und versuchte seine Chancen zu erhöhen, indem er Fangschlag vergiften ließ. Ja, ihr habt recht, Legionäre, es ist eine Schande, diesem Wesen gehorchen zu müssen, doch es ist der Wille des Allerhöchsten. Er lenkt unsere Geschicke seit vielen Jahrtausendwenden und weiß, was zu tun ist.“

„Der Plan“, knurrte eine Wache. „Der lange Plan.“ Der Ork spuckte angewidert aus. „In jeder Legion gibt es Gerüchte über den langen Plan … Bah, unsere Legionen werden immer zahlreicher, wir haben neue Rüstungen und in den Schmieden von Rumak ersinnt man neue Waffen ... Wozu das alles? Wir sind bereit und dem Feind weit überlegen. Worauf wartet der Allerhöchste noch?“

„Halte die Zunge zwischen deinen Lefzen!“, zischte der Wachführer. „Es steht uns nicht zu, die Entscheidungen des Schwarzen Lords infrage zu stellen. Wir folgen seinen Befehlen, das ist der Zweck unseres Daseins. Und nun nehmt Haltung an, der Legionsoberführer ist fast heran.“

Mochten sie Einohr auch verachten, so respektierten sie doch den Rang, den er innehatte. Die Halbkohorte bildete eine perfekte Doppelreihe, das rechte Bein wurde leicht angewinkelt und dann in perfektem Gleichmaß mit dem Fuß auf die Erde gestampft. Gleichzeitig glitten die Schlagschwerter quer vor die Brust. Der Wachführer schlug dröhnend gegen seinen Harnisch und senkte kurz den Kopf.

Einohr, Herr über alle Legionen, wenigstens solange er dem Willen des Allerhöchsten gehorchte, genoss den ihm erwiesenen Respekt. Er war nicht nur verschlagen, sondern auch klug genug, um die wahren Gefühle der Rundohren zu kennen. Lange Jahre hatte er sich unter ihnen ducken müssen, hatte intrigiert und gemordet, um sich allmählich emporzuarbeiten, indem er die Fehler anderer hervorhob und seine eigenen schmälerte. Der Fügung des Schicksals hatte er seinen Aufstieg zu verdanken. Zum Legionsführer und schließlich zum Legionsoberführer. Ein Rang, an den kein anderes Spitzohr zu denken wagte und um den man ihn beneidete. Ja, er wusste, dass er nicht beliebt war und dass die Rundohren darauf hofften, er werde einen baldigen und möglichst qualvollen Tod erleiden, aber der Schwarze Lord hielt seine schützende Hand über ihn.

So mächtig dieser Schutz auch sein mochte, so besaß er dennoch seine Schattenseite. Einohr zählte nicht zu den gewöhnlichen Legionären, die in der Masse der anderen nicht auffielen, sondern er stand im direkten Blickfeld des Herrschers. Eines Wesens, welches nicht für seine Langmut bekannt war und das grausame Strafen kannte. Seitdem der Allerhöchste den größten Teil seiner grauen Magier eingebüßt hatte, war Einohr sich der verstärkten Aufmerksamkeit des Schwarzen Lords gewiss. Jeder Besuch in dessen Turm erfüllte den Legionsoberführer mit nagenden Zweifeln. Welchen Grund gab es für die Aufforderung, heute nach Antas-Nataar zu kommen? Wartete ein neuer gefährlicher Auftrag auf ihn oder war er gar in Ungnade gefallen?

Einohr verstand sich wie kaum ein anderer Ork darauf, Verantwortung zu delegieren. Nicht, weil er auf die Fähigkeiten anderer vertraute, sondern weil er so die Schuld abwälzen konnte, wenn nicht alles nach dem Wunsch des Gebieters verlief. So, wie es vor zwei Jahren bei der Faust geschehen war. Einohr hatte nur durch seine Erfahrung und Schläue überlebt und war unendlich erleichtert, dass der Herrscher ihm keine Schuld an dem Desaster gab. Das Spitzohr schrieb dies einer gewissen Naivität des Allerhöchsten zu. Er mochte ein überaus mächtiges Wesen sein, doch sein Handeln war oft unerklärlich und, zumindest in Einohrs Augen, keineswegs immer klug. Andererseits verfügte ein unsterbliches Wesen vielleicht auch über Wissen, welches einem Spitzohr verborgen blieb.

Einohr schien ganz in Gedanken versunken und reagierte kaum auf die Respektbezeugung der Wache, während er an ihrer Front entlangschritt und mit düsterer Miene zum Eingang des Turms blickte, wo ihn einer der wenigen überlebenden Grauen erwartete.

Auf die Entfernung hatte man den Eindruck, als stehe dort ein ungewöhnlich großer Menschenmann, eingehüllt in eine lange rote Robe, deren Kapuze den Kopf verbarg. Das Gesicht lag tief im Schatten. Doch sobald sich die Gestalt bewegte, war ihre Andersartigkeit offensichtlich. Dann wurde der Schwanz eines schuppigen Reptils sichtbar.

Einohr waren die Grauen Wesen, wie man die Magier des Allerhöchsten nannte, stets unheimlich und bedrohlich vorgekommen und diese Empfindungen teilte er wohl mit nahezu allen Wesen im Reich der Orks. Diese Kreaturen beherrschten mächtige Zauber und konnten ihre Gestalt verändern. Der Schwarze Lord hatte sie immer als seine direkten Stellvertreter in den Bruthöhlen und den Legionsfestungen eingesetzt. Doch all ihre Macht hatte die langlebigen Grauen nicht vor einem gewaltsamen Tod bewahren können.

Der kleine Legionsoberführer kannte das Wesen, welches sein Antlitz noch vor ihm verhüllte. Es war Bar´Ses, das einzige Graue Wesen, welches die katastrophale Zerstörung der Faust überlebt hatte. Nun griff es mit den krallenbewehrten Händen an die Kapuze und schlug sie zurück. Der schlanke Schädel mit der lang gestreckten Schnauze wurde sichtbar. Grünbraun gesprenkelte Schuppen bedeckten den Leib. In den gelben Augen schimmerten schwarze geschlitzte Pupillen. Bar´Ses war stets der Mächtigste der Grauen gewesen und galt als Augen und Ohren des Schwarzen Lords. Einohr wusste aus Erfahrung, dass ihm der gefährliche Reptilier nicht wohlgesinnt war.

„Er erwartet uns“, sagte Bar´Ses mit dem typischen leichten Zischen in seiner Stimme anstelle einer formellen Begrüßung. „Er ist ungeduldig.“

„Er ist immer ungeduldig“, murrte Einohr. Darin lag verborgene Kritik am allerhöchsten Gebieter, doch dem schlauen Legionsoberführer war sehr wohl aufgefallen, dass Bar´Ses ganz offensichtlich auf ihn gewartet hatte. Scheinbar scheute sich der Magier davor, alleine vor den Herrscher zu treten, und dies zeigte an, dass das Graue Wesen unsicher und sogar verletzlich war. Einohr hatte in all den Jahren seines Aufstiegs ein Gespür für solche Dinge entwickelt.

Sie traten in den Eingang und fanden sich übergangslos in einem Raum wieder, der zweifellos innerhalb der Kugel, an der Spitze des Turms, lag. Beide kannten dieses Phänomen inzwischen und hatten aufgegeben, darüber nachzudenken, welche Magie damit verbunden sein mochte. Der Turm von Antas-Nataar war das ureigene Refugium des Gebieters und würde wohl so manches Geheimnis seines Herrn bewahren.

Die runde Wand, wenn man sie denn so nennen mochte, schien aus einer einzigen Scheibe Klarstein zu bestehen und bot einen außergewöhnlichen Ausblick über das Herrschaftsgebiet des Allerhöchsten. Aus dieser Höhe konnte man das Meer sehen und ebenso die Ausläufer der Gebirge des Uma´Roll und des Noren-Brak. Bei solch einem Blick verloren sich die Details, doch der Gesamteindruck war atemberaubend. Einohr mied die Nähe des Klarsteins, denn wenn er in die Tiefe sah, so empfand er schieres Entsetzen und ihm wurde schwindlig. Er war dankbar für den festen Boden unter seinen Füßen.

Die Einrichtung des sehr großen Raumes war karg: ein paar farbige Säulen aus Kristall, ein Tisch aus feinstem Klarstein und ein paar filigrane Sitzmöbel, die, in ihrer feinen Ausführung und Schnitzkunst, an die Arbeiten des elfischen Volkes erinnerten. Diese hölzernen Möbel und ein frei stehendes Regal waren die einzigen Gegenstände, die für Einohr vertraut wirkten.

In der Mitte befand sich die große Karte. Sie bestand aus einem riesigen Tisch von sechseckiger Grundform, auf dem alle bekannten Örtlichkeiten und geografischen Gegebenheiten sorgfältig modelliert worden waren.

Hier stand der Schwarze Lord.

Er hatte die äußerliche Form eines Menschenmannes und auch dessen Größe, doch davon ließ Einohr sich nicht täuschen. Die Gestalt schien von den Stiefeln bis zu ihrem Helm aus schwarzem Kristall zu bestehen. Die Oberfläche schimmerte seidig und war vollkommen glatt und doch erkannte man jede Falte oder Naht der Bekleidung. Auch das Gesicht und die Augen waren schwarz, wobei Letztere ein furchteinflößendes Funkeln erkennen ließen. Es erinnerte ein wenig an den Anblick des nächtlichen Sternenhimmels und wer in diesen hineinsah, drohte darin zu versinken. Manchmal wechselten die Augen ihre Farbe und niemand vermochte wirklich zu deuten, ob dies die Stimmung des Herrschers widerspiegelte.

Der Schwarze Lord stand über den Kartentisch gebeugt. Einohr und Bar´Ses fühlten sich gleichermaßen unsicher, ob sie sich bemerkbar machen sollten. Sicher hatte das übermächtige Wesen sie ohnehin längst bemerkt, doch im Augenblick galten seine Gedanken wohl anderen Dingen und so war es angemessen, abzuwarten, bis sich der Gebieter ihnen zuwandte.

„Gemessen an seiner Bedeutung wirkt seine Gestalt so menschlich und klein“, raunte Bar´Ses.

„Lass dich dadurch nicht täuschen, Graues Wesen.“ Einohr leckte sich nervös über die Lefzen. „Einst besuchte der Herrscher die Festung von Cantarim und seine Gestalt ragte in der Ferne gut zehn Längen auf. Ein Gigant, der erst zu normaler Größe schrumpfte, als er uns wartenden Legionären immer näher kam. Ich kann dir sagen, dass es ein furchteinflößender Anblick war. Selbst von den tapferen Rundohren sind manche in Ohnmacht gefallen.“

Bar´Ses sah ihn an und verzog seine schmalen Lippen zu einem Lächeln. „Und wie erging es den weit weniger tapferen Spitzohren?“

„Ich fiel jedenfalls nicht in Ohnmacht“, erwiderte Einohr triumphierend und verschwieg dem Magier wohlweislich, dass er damals vor Entsetzen unter sich gemacht hatte.

„Ich war selbst in Cantarim dabei“, knurrte der Reptilier. „Damals war ich dort Brutmeister und auch für die Waffenschmiede verantwortlich.“ Er lächelte kalt. „Du musst das noch sehr gut wissen, nicht wahr?“

„Die Ferntöter, ja“, murmelte Einohr. Er wurde nicht gerne an dieses Kapitel seiner Geschichte erinnert.

Vor vielen Jahren war Einohr der Kommandeur der neuen Ferntöter, die man in der Festung Cantarim baute. Damals hatte noch der verhasste Fangschlag den Posten des Legionsoberführers innegehabt. Es herrschte großer Mangel an Eisenerz, denn es war die Zeit vor dem großen Erderzittern, welches die neuen Erzadern an die Oberfläche gehoben hatte. In jenen Tagen versprach die nördliche Öde des einstigen Menschenreiches Rushaan stattliche Beute und der Allerhöchste wollte seine Legionen entsenden, um sich die Rohstoffe zu sichern und auch einen neuen Weg ins Reich der freien Völker zu erkunden. Doch die Öde war nicht so herrenlos gewesen, wie man glaubte. Die Paladine Rushaans und das verfluchte Pferdevolk waren über die Legionen hergefallen und die verdammten Zwerge hatten ebenfalls noch mitgemischt. Die Legionen waren vernichtet worden und Einohr hatte nur mit Mühe entwischen können. Er war klug genug gewesen, die Batterie seiner Ferntöter und ein paar Kohorten der Rundohren, die sie schützten, den Pferdelords zum Fraß vorzuwerfen. Das verschaffte ihm die Zeit, sich in Sicherheit zu bringen, und zugleich die Feindschaft Fangschlags. Das Rundohr war von den Menschen gefangen worden und kämpfte nun an deren Seite. Einohr wusste nur zu gut, was den Abtrünnigen antrieb – der innige Wunsch, ihn zu töten. Als die Faust vernichtet wurde, wäre es dem Rundohr beinahe gelungen und Einohr war wieder einmal nur mit knapper Not entkommen.

„Kommt näher.“

Die Laute schienen im Raum zu hängen. Ein sanftes Vibrieren, das alles erfüllte.

Einohr und Bar´Ses senkten rasch das Haupt, um dem Allerhöchsten ihren Respekt zu zollen, dann beeilten sie sich, seiner Aufforderung nachzukommen. Die schwarze Gestalt streckte einen Finger aus. Auf der Karte gleißte plötzlich eine winzige blaue Flamme. Im ersten Augenblick glaubte Einohr, das Modell werde zu brennen anfangen, doch das Feuer schwebte über einer ganz bestimmten Stelle und brannte mit ruhiger Flamme.

„Der Hammerturm an den Furten des Eisen, im Reich des Pferdevolkes.“ Eine zweite Flamme erschien. „Der Turm von Lemaria im vergangenen Reich von Jalanne.“ Ein drittes Aufglühen. „Antas-Nataar.“ Plötzlich weiteten sich die Flammen zu dünnen Linien und auf der Karte entstand ein nahezu perfektes Dreieck. „Die drei Türme der Weißen Magier hielten das Gleichgewicht aufrecht. Sie ließen die freien Reiche ihre einstige Macht vergessen. Und ihre Gehilfen, die Grauen Magier, unterbanden jeden erneuten Fortschritt. Sie brachten den heimlichen Tod und nahmen jene mit sich, die geeignet erschienen, einst selbst zu Grauen Wesen zu werden. Doch dann erlosch die Macht des Hammerturms.“

„Das Pferdevolk ist ein mächtiger Feind“, warf Einohr ein. „Mit seinen Pferden …“

„Schweig, du Narr.“ Die Stimme hatte einen drohenden Unterton und die gesunde grüne Gesichtsfarbe des kleinen Orks wurde fahl. „Die Pferdelords hatten damit nichts zu schaffen. Der Weiße Zauberer war betrunken und stürzte vom Turm. Ein Narr, dessen Dummheit die geeinte Macht der Magie schwächte.“ Das flammende Dreieck erlosch. Stattdessen breiteten sich zwei Feuerkreise aus, deren Zentren die beiden verbliebenen Türme waren. Sie überschnitten sich, dennoch bewirkte der Wegfall des Hammerturms eine deutliche Lücke. „Doch du hast nicht ganz unrecht, Einohr, denn der Magierturm von Jalanne kam zu Fall, als die Pferdelords und die Gardereiter Alnoas ihn bestürmten.“ Ein ausgestreckter Finger wies nun auf Einohr, der befürchtete, jeden Augenblick selbst in Flammen zu stehen. „Zwei Namen sind mit dem Fall der Magier von Lemaria verbunden … Nedeam und Fangschlag.“

„Fangschlag.“ Der Hass in Einohrs Stimme war nicht zu überhören.

„Eure Feindschaft ist mir wohl bekannt.“ Eine amüsierte Schwingung füllte den Raum. „Manchmal frage ich mich, was wohl stärker sein mag: dein Hass auf Fangschlag oder deine Furcht, zu sterben. Es wird interessant sein, dies zu beobachten.“

Die schwarz funkelnden Augen richteten sich auf den Reptilier. „Kaum eine Handvoll deiner Art ist mir geblieben, nun, da die Entscheidung naht.“

„Sie naht schon eine ganze Weile, die Entscheidung.“ Es war Einohr einfach so herausgerutscht und als ihm bewusst wurde, was er da gesagt hatte, verlor sein fahles Gesicht nahezu alle Farbe. „Die Rundohren“, fügte er hastig hinzu. „Sie sind ungeduldig.“

„Ja, sie sind bereit, zu kämpfen“, stimmte der Allerhöchste zur Erleichterung des Orks zu. „Dafür wurden sie geschaffen. Doch alles braucht den richtigen Zeitpunkt.“

„Doch erlaubt mir die Frage, allerhöchster Gebieter … Wann ist dieser Zeitpunkt gekommen?“ Bar´Ses trat ohne Scheu näher an den Allerhöchsten heran. „Versteht mich nicht falsch, Gebieter, ich gehöre gewiss nicht zu jenen, die vorschnell in einen Kampf ziehen, aber die Festungen sind voller Legionäre. Zusätzliche Lager müssen errichtet werden, um sie alle aufzunehmen. Die Versorgungslage wird schwieriger, je mehr Truppen bereitstehen. Viel Nahrung muss über weite Wege herangeschafft werden. Ihr wisst, Allerhöchster, vor allem die Rundohren sind außerordentlich verfressen.“

„Sprich ruhig, Bar´Ses. Du gehörst zu jenen, die ihre Worte bedenken.“

„Herr, wir haben in den vergangenen Jahreswenden manche Schlacht und auch kleinere Kämpfe mit den Menschen und den Zwergen ausgetragen. Nie warfen wir unsere gesamte Macht in die Waagschale, stets nur einen geringen Teil. Ich soll sagen, was ich denke, und so tue ich dies auch: Wir erlitten Niederlage um Niederlage, da wir unsere wahre Stärke niemals zeigten.“

Fraglos stellte der Reptilier die strategischen Fähigkeiten des Oberherrn infrage. Einohr wartete darauf, dass sich das Graue Wesen nun in Asche verwandelte, doch stattdessen nickte der Schwarze Lord.

„Du hast recht, Bar´Ses, doch das hat seinen guten Grund. Ein entscheidendes Zeichen fehlt noch, um den langen Plan endlich vollenden zu können.“

„Doch was für ein Zeichen ist das, Gebieter?“ Der Graue Magier deutete in einer ausholenden Geste um sich. „Alles ist für den großen Sturm der Vernichtung bereit. Wann wird das Zeichen kommen? Wann werdet Ihr uns den Befehl zur Auslöschung der Feinde geben?“

„Der Zeitpunkt ist näher, als ihr denken mögt.“ Die schwarz schimmernde Gestalt trat vom Kartentisch zurück und schritt zu der großen Panoramascheibe. In einer sehr menschlich wirkenden Geste legte sie ihre Hände auf dem Rücken ineinander.

Einohr und Bar´Ses warteten auf eine weitere Erklärung, doch diese folgte nicht. Unschlüssig standen sie eine Weile am Kartentisch. Sollten sie sich entfernen oder noch warten, ob der Gebieter sich erneut an sie wenden würde? Einohr begann unruhig von einem Fuß auf den anderen zu treten. Der Allerhöchste wandte sich ihm zu. „Du darfst dich entfernen, Spitzohr. Ich kenne die Geschwätzigkeit deiner Art und was ich noch zu sagen habe, ist nur für Bar´Ses´ Ohren bestimmt.“

Der kleine Ork leckte sich über die Lippen. Er fragte sich, wozu er in den Turm befohlen worden war, denn der Allerhöchste hatte ihm nichts Neues eröffnet. Aber die Weisung war deutlich und so verneigte er sich leicht. Schon im nächsten Augenblick fand er sich vor dem Eingang des Turms wieder.

Der Herrscher wandte sich jetzt dem Grauen Wesen zu. „Wie ich es sagte, Bar´Ses, mir sind nur wenige Graue Wesen geblieben. Eure Fähigkeiten sind mir wertvoll und ich will eure Existenz nicht leichtfertig aufs Spiel setzen. Dennoch habe ich eine Aufgabe für dich, die deinen Tod bedeuten kann.“

„Mein Dasein für Euch, Gebieter.“

„Es geht um Merdonan, die Hauptstadt der Ostmark des Pferdevolkes, und darum, mir ein paar Informationen zu beschaffen.“

„Dann braucht Ihr meine gestaltwandlerische Fähigkeit, Allerhöchster.“ Es war eine schlichte Feststellung.

„Ich brauche Wissen, wie es nur die Vertrauten des Pferdefürsten der Ostmark besitzen. Kein Rumaki der Bruderschaft des Kreuzes könnte in diese Kreise vordringen. Das Pferdevolk achtet sehr genau auf die verräterischen Tätowierungen.“

„Wissen welcher Art, Allerhöchster?“

„Kenntnisse, wie sie nur die Vertrauten des Pferdefürsten der Ostmark besitzen. Du musst einen von ihnen töten und seinen Platz einnehmen und mir verschaffen, was ich noch benötige. Danach kehre zu mir zurück. Achte darauf, dass niemand dein Handeln erkennt.“

„Welches Wissen benötigt Ihr?“, hakte der Graue nach. Als der Schwarze Lord es ihm erklärte, rundeten sich die Schlitzpupillen des Reptiliers überrascht. Er wollte erneut eine Frage stellen, doch eine Geste gebot ihm, zu schweigen. „Die Zeichen mehren sich, Bar´Ses, und die Entscheidung steht bevor. Doch ehe es zur Vernichtung kommt, muss ich mit ihm sprechen.“

„Doch warum ausgerechnet mit dem Pferdefürsten der Hochmark?“

„Nedeam ist von großer Bedeutung für die Verwirklichung des langen Plans.“

Kapitel 4

Das Pferdevolk bevorzugte die weiten und fruchtbaren Ebenen der tiefer gelegenen Regionen und die Hochmark entsprach keineswegs dem Ideal dieses Reitervolkes. Sie bestand aus einer Reihe von kleineren Tälern und dem großen Tal von Eternas und lag eingebettet inmitten der hoch aufragenden Berge des Noren-Brak. Der Bewuchs in den Seitentälern war meist spärlich, dennoch ermöglichte er eine bescheidene Zucht an Wolltieren und Hornvieh. Es gab eine Handvoll kleiner Siedlungen, die Weiler, und eine Reihe von Gehöften, die von Familien betrieben wurden. Dort, wo sich der Quellweiler erhob, entsprang der Eten. Entlang seines Wasserlaufes erblühte die Mark. Im großen Tal von Eternas, in dem sich die gleichnamige Stadt und die Festung erhoben, hatte er bereits das Ausmaß eines kleinen Flusses angenommen. Von hier strömte er, teilweise unterirdisch, immer weiter nach Norden, wo er schließlich ins Meer mündete. Auf seinem Weg lagen zwei der unterirdischen Kristallstädte der Zwerge, die Öde des untergegangenen Reiches von Rushaan sowie das tropische Land von Julinaash, dessen heiße Quellen das Überleben inmitten ewigen Eises sicherten. Es gab nur zwei Pässe, die in die Hochmark hinein- oder hinausführten: den im Süden, welcher die Verbindung zu den anderen Marken ermöglichte, und jener im Norden, der durch die Nordfeste geschützt wurde, deren Besatzung aus Pferdelords und Zwergen bestand.

Das große Tal von Eternas reichte gute fünfundzwanzig Tausendlängen von Osten nach Westen und fast vierzig Tausendlängen von Süden nach Norden. Auch die anderen Täler wiesen eine beachtliche Größe auf, doch das von Eternas war unbestreitbar das größte und fruchtbarste. Am rechten Ufer des Eten erstreckte sich der einzige Wald der Hochmark, links des Flusses lagen die Stadt, die Festung und die Getreidefelder. Hier gab es nur wenig Hornvieh, denn der kostbare Ackerboden im großen Tal war dem Korn vorbehalten.

Stadt und Festung waren am nördlichen Ende erbaut worden und schützten den dortigen Zugang zum Pass. Der einstige Weiler hatte sich zu einer Siedlung gewandelt, die inzwischen fast achttausend Bewohnern ein Heim bot und am Ende ihrer Aufnahmekapazität angelangt war, denn die Hochmark durfte nur so viele Menschen aufnehmen, wie sie auch ernähren konnte. Die Lage im Gebirge des Noren-Brak bot ihr einen einzigartigen Schutz und bedeutete zugleich eine fortwährende Bedrohung. Schon ein Felsrutsch konnte die Handelsrouten der Gebirgspässe unterbrechen und die Mark isolieren und so mussten die Bewohner in der Lage sein, sich eigenständig zu versorgen.

Entgegen der üblichen Bauweise des Pferdevolkes waren die Gebäude der Hochmark aus Mangel an Holz aus Stein errichtet und wiesen bis zu drei Stockwerke auf. Der Handel mit den anderen Marken hatte dazu geführt, dass viele Bewohner die Fassaden nachträglich mit Holz verkleideten. Einige taten dies, weil sie sich der Tradition verbunden fühlten, andere wollten den neuen Wohlstand augenfällig machen. Handelswege und Straßen waren mit Steinplatten gepflastert, unter denen die Rohre des Abwassersystems verlegt waren. Mehrere Dampfpumpen versorgten die Wasserstellen der Stadt aus dem Eten.

Dampf beherrschte das Ostufer von Eternas, denn dort befanden sich die zahlreichen Handwerksbetriebe. Hier wurde Leder gegerbt und Stoff gewebt, hier wurde genäht, geflickt und geschmiedet. Die Produkte der Hochmark genossen einen guten Ruf in den unteren Marken, doch inzwischen wurde viel Handarbeit durch das Hämmern und Sägen von Maschinen abgelöst. Es gab Leute, die behaupteten, die Qualität leide darunter. Es mochte stimmen oder auch nicht, aber die Pferdelords ließen sich ihre Waffen und Rüstungen lieber von Schmiedemeistern fertigen, welche sich auf die Kraft der Arme und die Geschicklichkeit der Hände verließen.

Die Hochmark galt im Pferdevolk als Besonderheit und ihr Ansehen reichte weit über die Grenzen der Marken hinaus. Dies lag auch an dem Mann, der sie als Pferdefürst regierte.

Nedeam war als Sohn eines Schafzüchters aufgewachsen und hatte das einfache und raue Leben jener Menschen kennengelernt, die das Rückgrat der Wehrkraft des Pferdevolkes bildeten. Sein Vater war ein Pferdelord gewesen und hatte den grünen Umhang der Kämpfer in Ehren gehalten. Das Pferdevolk unterhielt kein stehendes Heer, wie dies im Reich von Alnoa üblich war. Zwar standen bei den jeweiligen Pferdefürsten einige Beritte von gut ausgebildeten und ausgerüsteten Kämpfern bereit, die sogenannten Schwertmänner, doch ihre Zahl reichte nicht aus, große Schlachten zu schlagen. Die Aufgabe dieser Kämpfer bestand darin, die Grenzen und Marken zu bestreifen, Schutz vor Raubgesindel und gefährlichen Tieren zu gewähren und die Grenzfesten zu bemannen. Die wahre Kampfkraft des Pferdevolkes basierte hingegen auf seinen freiwilligen Kämpfern. Bestand Gefahr, so gab der Pferdefürst die Losung und die dem Eid verpflichteten Männer der Gehöfte, Weiler und Städte legten den grünen Umhang der Pferdelords an. Sie nahmen Rundschild und Waffe, um sich unter dem Banner ihres Oberherrn zu sammeln. Die Pferdelords waren Freiwillige und keiner von ihnen nahm es einem Mann übel, der den grünen Umhang nicht tragen und den Eid der Pferdelords nicht ablegen wollte. Sie wussten zu genau, dass sie ihr Heim verließen, wenn sie in die Schlacht ritten, und dass die Zurückbleibenden, ob Mann oder Frau, dieses verteidigen mussten, wenn der Feind in die Marken vordrang.

Nedeam stieß schon als Knabe zu den Pferdelords. In weit jüngeren Jahren als sonst üblich. Damals waren die Kämpfer ausgerückt, um nach dem Feind zu suchen, nicht ahnend, dass er längst die Hochmark bestreifte. Nedeam war den Reitern des damaligen Pferdefürsten Garodem gefolgt, um diese zu warnen und Hilfe für die Mark zu holen. Das war selbst für einen Knaben des Pferdevolkes eine sehr tapfere Tat gewesen und zum Dank hatte er den Eid der Pferdelords ablegen dürfen. Seine Fähigkeit und sein Glück im Kampf hatten im Verlauf der Jahre dazu geführt, dass er zum Ersten Schwertmann, dem Führer der ständigen Wache des Pferdefürsten, aufgestiegen war. Als ein Nachfolger für den tödlich verunglückten Garodem gefunden werden musste, war die einstimmige Wahl auf Nedeam gefallen.

Das Amt des Pferdefürsten bedeutete eine Ehre, doch es trug die Last der Verantwortung in sich. Die Führung einer Mark bestand bei Weitem nicht nur darin, ihre Kämpfer in die Schlacht zu führen, sondern vielmehr in der Kunst, über das Wohl ihrer Bewohner zu wachen und es zu bewahren. Die Versorgung der Bevölkerung musste gewährleistet sein, das gesundheitliche Wohl beachtet und der Handel gelenkt werden, der den Wohlstand brachte. Aufgaben, bei denen es zwischen den Interessen vieler Gruppen abzuwägen galt und bei denen ein Pferdefürst auch Fingerspitzengefühl besitzen musste. Aufgaben, die zudem mit viel Schreibarbeit verbunden waren. Obwohl Nedeam zu jenen gehörte, die sich darauf verstanden, die Zeichen der Schrift zu setzen und auch zu deuten, gehörte der Umgang mit Feder und Schreibflüssigkeit nicht zu den Dingen, die ihm besonders zusagten.

Pferdefürst Nedeam war ein schlanker und nicht sonderlich hoch gewachsener Mann mit dem typischen blonden Haar des Pferdevolkes und blauen Augen, die schon zu viel Grausamkeit und Blut gesehen hatten. Eigentlich war er nun sechsundvierzig Jahre alt, doch wer ihn zum ersten Mal erblickte, schätzte ihn höchstens auf Mitte zwanzig. Auf gewisse Weise traf beides zu. Als Nedeam vor vielen Jahren gegen einen bösartigen Grauen Magier des Schwarzen Lords kämpfte und diesen bezwang, übertrug die Kreatur im Tode unabsichtlich einen Teil ihrer Fähigkeiten auf den Pferdelord. Fähigkeiten, die Fluch und Segen zugleich sein mochten. Nedeams Wunden heilten schneller als gewöhnlich und hinterließen keine Narben und er verfügte über die Gabe der Aura. Sie ermöglichte es, die Empfindungen anderer Wesen zu erkennen und zu deuten, ob selbige feindlich oder freundlich gesinnt waren. Ein Grauer Magier konnte diese Fähigkeit bewusst einsetzen, für Nedeam hingegen war es nicht möglich, sie zu kontrollieren. Manches Mal hatte die Aura ihn vor einer drohenden Gefahr gewarnt, doch ebenso oft ließ sie ihn im Stich.

Überaus willkommen war dem Pferdefürsten hingegen, dass die Teilverschmelzung mit der sterbenden Kreatur auch einen Teil ihrer Langlebigkeit auf ihn übertragen hatte. Eine Langlebigkeit, die Nedeam wesentlich langsamer altern ließ und die entscheidend dazu beigetragen hatte, dass er seine geliebte Elfin Llaranya heiraten konnte. Obwohl sie ihn von Herzen liebte, war sie davor zurückgeschreckt, sich mit einem Sterblichen zu verbinden, denn ein unsterbliches Wesen scheute sich, dem Verwelken eines geliebten Menschen hilflos zusehen zu müssen. So hatte die grausame Kreatur auch Gutes bewirkt und Nedeam und Llaranya waren glücklich miteinander.

Llaranya war eine Elfin vom Hause Deshay, dem Urbaum aller Elfen, und im Gegensatz zu dem sonst bei ihrem Volk üblichen weißblonden Haar zeigte das ihre sich in seidig schimmerndem Schwarz. Ihre Schönheit besaß jenes Ebenmaß, wie es der Art der Elfen entsprach, und sie war gleichermaßen eine liebende Frau und Mutter wie auch eine überaus fähige Kriegerin.

Elfen schienen wohl in allen Dingen zur Perfektion zu neigen: ob nun bei dem Aneinanderreihen klangvoller Worte, dem Schlachten ihrer Feinde oder dem Setzen von Füßen im Gleichklang mit Musik. Eine Perfektion, um die Pferdefürst Nedeam in diesen Augenblicken seine Frau und die elfischen Geschwister Lotaras und Leoryn beneidete. Er selbst hatte gerade die Empfindung, sich mit der Grazie eines angeschossenen Pelzbeißers zu bewegen.

„Komm schon, mein Geliebter“, flüsterte Llaranya ihm ins Ohr. „Es ist wirklich ganz leicht. Du musst dich nur dem Klang und dem Takt der Musik hingeben.“

„Rundtanz und Schreittanz des Pferdevolkes behagen mir mehr“, brummte er. „Ich kann diesen neuen Sitten aus dem Königreich von Alnoa nichts abgewinnen.“

„Musik besteht nicht nur aus Trommeln, Flöten und Hörnerklang, mein grollender Gebieter.“ Sie sah ihn mit jenem Lächeln an, welches ein finsteres Verlies in einen sonnendurchfluteten Raum verwandeln konnte. „Tanz ist die perfekte Harmonie von Klang und Bewegung.“

„Ich tanze lieber mit den Orks“, gestand er errötend, als er erneut beinahe auf einen ihrer Füße getreten wäre. Es war wohl nur Llaranyas elfischen Sinnen zu verdanken, dass sie bislang keinen ernsthaften Schaden davongetragen hatte.

„Lieber als mit mir?“ Sie sah ihn mit gespielter Verletztheit an.

„Du weißt, wie ich das meine.“

Die schöne Elfin lachte. „Ich gebe zu, beim Tanz mit den Orks bist du beinahe so geschickt wie ein Elf. Du bist ein wahrhaftig guter Krieger, doch nun musst du dein Geschick im Umgang mit deinen Füßen beweisen.“

„Vielleicht könnte ich zur Eröffnung ein wenig auf dem Pferd reiten“, meinte er hoffnungsvoll. „Das Schwert schwingen … Ein wenig mit dem Banner wedeln … Das gebührt sich eher für einen Fürsten des Pferdevolkes.“

„Ich sehe Furcht in deinem Herzen“, neckte sie ihn. „Du weißt genau, wie sehr sich das Volk, und übrigens auch deine tapferen Pferdelords, auf das morgige Erntefest freuen. Und es ist seit Langem Tradition im Pferdevolk, dass der Pferdefürst und seine Hohe Dame dieses Fest mit ihrem Tanz eröffnen. Du solltest dies wissen, da du dich doch so sehr den Traditionen verbunden fühlst.“

„Wenn es ein Rundtanz oder ein Schreittanz wäre …“, versuchte er erneut einzuwenden.

„Sonst bist du Neuem gegenüber nicht so verschlossen“, mahnte sie ihn und blickte zur Seite. „Nimm dir ein Beispiel an Neliana. Sie hat ihre Freude am Tanz.“

Nedeam sah zu ihrer Tochter hinüber und musste nun doch lachen. „Sie tanzt nicht, meine Liebste. Sie hüpft den anderen zwischen den Beinen herum.“

„Nun, Hauptsache, sie erfreut sich.“ Llaranya schmiegte sich enger an Nedeam und küsste ihn flüchtig. „Aber sie bewegt sich dabei sehr harmonisch.“

„Ja. Und einigen tritt sie ganz bewusst auf die Füße“, raunte er. „Nur bei Lotaras und Leoryn gelingt ihr das nicht.“

„Elfische Reflexe“, erwiderte die Herrin der Hochmark auflachend.

Neliana …

Die relative Unsterblichkeit des elfischen Volkes hatte zur Folge, dass es nur selten das Glück einer Geburt gab. Nedeam und Llaranya war es zuteilgeworden und vor vier Jahren war ihre Tochter Neliana zur Welt gekommen. Ein kleines Mädchen mit den tiefschwarzen Haaren der Mutter, den strahlend blauen Augen des Vaters und den typischen spitzen Ohren des elfischen Volkes. Die Kleine war der ganze Stolz ihrer Eltern und das elfische Wort für „Augenstern“ bezeichnete sehr treffend den Liebreiz, den Neliana ausstrahlte. Es gab kaum jemanden, der das kleine Mädchen nicht sofort ins Herz geschlossen hätte. Inzwischen neigte sie zu allerlei Streichen, was auch darin begründet war, dass man ihr kaum längere Zeit böse sein konnte. Allerdings verlief ihr Tag keineswegs nur unbeschwert, denn Llaranya und die elfischen Geschwister erwiesen sich als strenge Lehrmeister, die Neliana in den verschiedensten Fertigkeiten des elfischen Volkes unterwiesen und, auf Nedeams Drängen hin, auch das Wissen und die Traditionen des Pferdevolkes vermittelten. Sie sog all dies mit einer Leichtigkeit in sich auf, die Nedeam erstaunte und zugleich verlegen machte, denn seine Tochter vermochte inzwischen die Zeichen der Schrift mit einer Mühelosigkeit zu setzen und zu deuten, die er sich nur schwer angeeignet hatte.

Es war Hochsommer und am morgigen Tag würde man überall im Pferdevolk das Erntefest begehen. Es bot eine willkommene Abwechslung von all der Mühsal, mit welcher der Alltag ansonsten verbunden war. Einen ganzen Zehntag lang würde man nur die notwendigsten Arbeiten verrichten. Bis auf die Streifen der Schwertmänner und der Herdenwächter würden wohl alle Bewohner der Hochmark im Tal von Eternas zusammenkommen, um sich dem Frohsinn hinzugeben. Es würde reichlich zu essen geben und Gerstensaft und selbst das Blor der Zwerge würden wohl in Strömen fließen. Musik, Tanz und Schaustellerei wurden geboten. Je näher der morgige Tag rückte, desto sorgenvoller wurden die Mienen jener, die an diesen Festtagen die Ordnung aufrechterhalten sollten.

Die Stadt war festlich geschmückt. Überall hingen bunte Tuchstreifen und selbst die Festung von Eternas und die Garnison der Schwertmänner bildeten dabei keine Ausnahme. Auch den hartgesottenen Kämpfern des Pferdevolkes war die Vorfreude auf das Fest anzumerken. Obwohl sie ihren Dienst und die üblichen Waffenübungen mit dem gebührenden Ernst versahen, kam den Männern doch so mancher Scherz über die Lippen. Vielleicht lag es an den Besonderheiten dieses Erntefestes, denn in diesem Jahr fiel es auf den Gründungstag der Hochmark und so wollte Nedeam etwas Außergewöhnliches bieten.

Illdur der Farbenprächtige, der den Himmel verzauberte und die Herzen erfreute, gehörte mit seiner Schaustellertruppe, der „aufspielenden Flöte“, sicher zu den Besten seiner Art. Er präsentierte nicht nur Gaukler, Akrobaten, Zukunftsdeuter und Tänzer, sondern für die Nächte auch ein einzigartiges Feuerwerk in prächtigen Farben, welches auf dem Sprengpulver der Orks basierte. Nedeam war Illdur erstmalig beim Kampf um die Festung Nerianet begegnet und die Schaustellertruppe hatte sich an der Seite der Pferdelords und der Garde Alnoas tapfer geschlagen. Illdur hatte die Einladung des Pferdefürsten in die Hochmark nur zu gerne angenommen und seine Darbietungen würden sicher zu den Höhepunkten gehören. Derzeit hielt er sich im hinteren Burghof auf, denn er sollte seine farbigen Himmelslichter von der runden Nordmauer abschießen. Da auf ihr nur die Batterie der Dampfkanonen stand, gab es viel Platz und zudem konnte man verhindern, dass Neugierige versehentlich eine der Zündschnüre beschädigten oder vorzeitig auslösten.

Ein anderer Höhepunkt sollte das Spektakel der Vorführung einiger Beritte werden. Die Männer wollten dabei nicht nur in den üblichen Formationen reiten und ihre Wehrfähigkeit demonstrieren, sondern in diesem Jahr ihre Geschicklichkeit beweisen. Nicht alleine im Umgang mit den Waffen, denn hier erwartete man von einem Schwertmann ohnehin nur Perfektion. Nein, in diesem Jahr würde es ein Hindernisrennen geben. Seit vielen Tagen wurde in den Unterkünften gehämmert und gesägt, um die verschiedensten Hindernisse vorzubereiten.

„Nedeam?“

Der Pferdefürst schreckte aus seinen Gedanken hoch und blickte seine Elfin für einen Moment verwirrt an. „Entschuldige, ich war ganz in Gedanken.“

„Das habe ich bemerkt. Du kannst mit dem Gestampfe aufhören, die Musik hat aufgehört zu spielen.“

Nedeam errötete und sah sich verlegen um.

Llaranya legte ihm vergnügt die Hand an den Arm. „Du solltest öfter in Gedanken sein, wenn du zu tanzen versuchst. Eben warst du in Harmonie mit der Musik.“

Sie übten im vorderen Innenhof der Festung von Eternas, denn der neue Tanz war als Überraschung gedacht und sollte zum ersten Mal auf dem Erntefest vorgeführt werden. Keiner der Burgbewohner wollte sich dabei blamieren und so waren die Tore geschlossen, damit niemand die Übungen sah. Außerhalb der Mauern konnte man nur die ungewohnte Musik des fernen Königreiches Alnoa hören. Die Musikantengruppe war hierfür extra aus dem fernen Alneris angereist und wirkte mit ihrer feinen Kleidung und dem etwas gezierten Gehabe ein wenig deplatziert. Sonst spielten sie vor den Adligen der Hauptstadt Alneris auf und das Land des Pferdevolkes schien ihnen nicht ganz geheuer.

Jetzt hatten die Musiker eine Pause eingelegt und setzten sich dazu auf die Einfassung des großen Brunnens. Lotaras und Leoryn gesellten sich zu ihnen und Nedeam schloss sich mit Llaranya an.

„Der volle Klang unserer Instrumente kommt hier nicht richtig zur Geltung“, klagte der Spielleiter. „Die Akustik in diesem Burghof ist sehr bescheiden, Hoher Lord“, wandte er sich an Nedeam. „Die Töne hallen nach und so verschwimmen ihre Akzente.“

Die Herrin der Hochmark lächelte den Mann an. „Morgen werdet ihr alle auf dem großen Platz der Schwertmänner musizieren, guter Herr. Da werden euch keine Mauern stören.“

Es waren nur zehn Paare, die sich auf Llaranyas Bitte an den neuen Tanz gewagt hatten, und sie schienen durchaus dankbar für die Unterbrechung. Ihre Gesichter verrieten, dass sie ihren Spaß hatten, was Nedeam erleichterte, denn er wusste, wie sehr sein Volk in alten Traditionen verwurzelt war. Doch der neue Tanz war ja nur eines der vielen Zeichen, dass sich die Zeiten im Wandel befanden.

Als Nedeam noch ein Knabe gewesen war, da hatte es keine einzige Scheibe aus Klarstein in den Fenstern gegeben. Nun stampften sogar Dampfmaschinen in den Handwerksbetrieben. Selbst die Schwertmänner der Pferdelords, von jeher die Hüter ihrer Traditionen, hatten sich an Neues gewöhnt. An den Waffengurten hing nun der Kriegshammer neben dem Schwert. Obwohl die blanke Klinge noch immer die bevorzugte Waffe der Schwertmänner war, erkannten die Kämpfer jedoch neidlos an, dass sich mit dem schlanken Kegel des Kriegshammers jeder Brustpanzer zertrümmern ließ. Das Bolzenrohr stand nun gleichberechtigt neben dem Bogen und der schweren Stoßlanze des Reitervolkes. Es waren Neuerungen, die Nedeam begrüßte und die ihn zugleich mit Unbehagen erfüllten. Über viele Jahrtausende hatten sich die Bewaffnung und Taktik der Kriegsparteien nie gewandelt, doch in den letzten Jahren begann sich dies zunehmend zu verändern.

Der Pferdefürst spürte, dass diese Veränderungen früher oder später zu einer verheerenden Schlacht führen mussten. Vielleicht zu jener Schlacht, die den langen Krieg zwischen den freien Völkern und dem Schwarzen Lord endlich entschied. Doch wer würde daraus als Sieger hervorgehen? Wessen Leben würde das Schicksal bewahren und wessen Leben würde es nehmen?

Nedeam schüttelte unbewusst den Kopf und versuchte diese Gedanken zu verdrängen. Jetzt war nicht die Zeit, sich mit dem Tod zu befassen, denn das Fest der Ernte stand bevor.

Die Stadt und das Tal boten ein bunt wogendes Bild. Die meisten Teilnehmer des Festes waren bereits eingetroffen. Die Bewohner von Eternas öffneten bereitwillig die Türen ihrer Häuser, um Gäste aufzunehmen, dennoch standen die abgeernteten Felder voller Zeltdächer, unter denen man provisorische Lager hergerichtet hatte. Noch immer drängten Bewohner aus Weilern und Gehöften über die Handelsstraße heran, die durch die Hochmark führte. Es wimmelte von bunten Gewändern und Menschen allen Alters. Manche waren sogar aus den unteren Marken gekommen.

Die Festung von Eternas und die Garnison der Schwertmänner wirkten hingegen fast wie ruhige Inseln.

„Eine Bestie“, raunte einer der Musikanten und deutete verstohlen hinter Nedeam. „Sie haben eine Bestie gefangen.“

Der Pferdefürst konnte sich denken, wer damit gemeint war, noch bevor er die gutturale Stimme hörte.

„Bestie überaus hungrig“, grollte Fangschlag. „Krieger braucht Fleisch. Frisches Fleisch und schön blutig.“ Offensichtlich machte sich das Rundohr einen Spaß daraus, den Musikern aus dem fernen Alneris als blutrünstiger Diener der Finsternis gegenüberzutreten. Er schob sich an Nedeam vorbei, sah den Anführer der Spielleute abschätzend an und plötzlich klangen seine Worte kultiviert und gesetzt. „Ihr würdet mir nicht zufällig die Ehre erweisen und mir einen Bissen Eures Fleisches überlassen, guter Herr?“

Das Gelächter der Umstehenden ging fraglos zulasten der Musikanten. Nedeam gönnte es ihnen, aber er hatte auch Verständnis für deren Überraschung.

„Nun, gute Herren Musikanten, vor euch steht Fangschlag. Einst der Legionsoberführer des Schwarzen Lords und nun ein Verbündeter des Pferdevolkes. Beachtet wohl, dass er ein Krieger von Ehre ist, und behandelt ihn mit dem gebotenen Respekt.“

„Das sollte euch angeraten sein“, war nun die Stimme von Arkarim zu vernehmen. „Wir haben gemeinsam unser Blut vergossen und wer Fangschlag beleidigt, der beleidigt auch die Pferdelords der Hochmark.“

Die Musiker stammelten eine Entschuldigung und ihre Verwirrung war nur zu verständlich. Seit Jahrtausenden kämpften die Menschen und die Zwerge gegen den Schwarzen Lord und seine Legionen, aber mit Ausnahme der Kämpfer hatten die wenigsten Menschen jemals einen Ork zu Gesicht bekommen oder diese Begegnung überlebt. Man kannte sie als blutrünstige Bestien, die das Fleisch der Menschen nicht verschmähten. Nun stand eines der mächtigen Rundohren so unerwartet vor den Alnoern und die Furcht in ihren Blicken wich nur langsam der erwachenden Neugierde.

Fangschlag und Arkarim bildeten sicherlich ein ungewöhnliches Gespann und gehörten zugleich, von Llaranya abgesehen, zu den wichtigsten Vertrauten des Pferdefürsten.

Fangschlag war wohl gute anderthalb Köpfe größer als ein durchschnittlicher Mann. Obwohl seine Figur der eines Menschen entsprach, gab es doch eine Reihe von Unterschieden. Alles wirkte ein wenig kantig und grob und seine Haut war rot und grün gescheckt. Die Fingerkrallen waren schwarz, die Lippen von dunklem Grün. Seine tiefroten Augäpfel zeigten gelbe schlitzförmige Pupillen, die sich je nach Stimmungslage kreisrund weiten konnten. Das kräftige Gebiss zeigte lange Fangzähne und das Lächeln ihres Besitzers konnte ebenso beeindruckend wie furchterregend sein. Fangschlag hatte den Pferdelords in mancher Schlacht gegenübergestanden. Schon damals war sein ungewöhnliches Ehrempfinden auffällig geworden, denn als einer der Pferdelords seine Waffe verlor, wartete das Rundohr ab, bis sein Gegner wieder bewaffnet war. Das Rundohr hatte den Vorstoß der Orks in die Öde von Rushaan befehligt und dabei viele seiner Krieger durch den Verrat des Spitzohrs Einohr verloren. Dies hatte ihn dazu bewogen, sich in auswegloser Situation den Pferdelords zu ergeben und an ihre Seite zu treten mit dem Ziel, den Verräter Einohr zu stellen und persönlich abzuschlachten. Er erwies sich als zuverlässiger Waffengefährte und doch wusste niemand zu sagen, wie er sich verhalten mochte, wenn seine Rache endlich vollendet war.

Arkarim hingegen war ein typischer Pferdelord, der in den Diensten der Hochmark stand. Er hatte sich vom einfachen Scharführer bis zum Ersten Schwertmann, dem Bannerträger seines Pferdefürsten Nedeam, hochgedient und gemeinsam mit diesem manches Abenteuer bestanden. Der Aufstieg zum Ersten Schwertmann hatte es ihm endlich ermöglicht, seine Etana zu heiraten, denn eigentlich zählte es zu den Verpflichtungen der Schwertmänner, sich nicht an eine Frau zu binden. Arkarim war schlank und ein überaus fähiger Kämpfer. Für Nedeam war er mehr als nur ein treuer Gefährte, auf den er sich bedingungslos verlassen konnte, denn Arkarim zeigte sich, obwohl den Traditionen eng verbunden, Neuem gegenüber aufgeschlossen. In diesen Zeiten der Veränderungen galt dies als eine wichtige Voraussetzung, um gegen den erstarkenden Feind bestehen zu können. Arkarim überlegte sich seine Handlungen und wog das Für und Wider ab. Er war kein Mann, der seine Kämpfer grundlos hetzte oder die höchste Bestimmung im Heldentod sah. Nein, Arkarim war klug und fähig genug, diese Ehre dem Feind zu belassen. Wer sich rechtzeitig zurückzog, konnte an einem anderen Tag erneut zum Kampf antreten. Nedeam schätzte den Ersten Schwertmann als Freund und als Anführer und das erleichterte ihm seine eigene Aufgabe, denn oft genug würde Arkarim eigenständig über Leben oder Tod zu entscheiden haben. Auch wenn Nedeam nun ein langes Leben beschieden sein mochte, so war er doch gewiss nicht unsterblich. Die Jahre der Kämpfe gegen den Feind hatten ihm oft genug seine eigenen Schwächen aufgezeigt. Er würde seine Männer nach besten Kräften führen und konnte nur hoffen, dass ihm dabei keine tödlichen Fehler unterliefen. Die Männer des Pferdevolkes waren tapfere und fähige Kämpfer, aber sie brauchten auch fähige Anführer. Arkarim war sicherlich einer von ihnen.

Nach einer Weile spielten die Musikanten wieder auf und Fangschlag sah dem Tanz sichtlich amüsiert zu. Inzwischen hatte er viele Gebräuche der Menschen kennengelernt. Einige davon würden ihm immer fremd bleiben. Als ungeschlechtliches Wesen war es ihm schwergefallen, das Verhalten von Männern und Frauen im Umgang miteinander zu verstehen. Seine anfängliche Auffassung, wonach Letztere nur eine besonders umständliche Form von Brutbeuteln auf zwei Beinen verkörperten, hatte er revidieren müssen. Inzwischen verstand er, welche Funktionen die Geschlechter hatten, und empfand vor beiden gleichermaßen Respekt. Er war, wenn auch eher ungewollt, zu einer Art Mittler zwischen den Kulturen geworden, denn er zeigte den Menschen, in den Orks nicht nur Bestien, sondern Individuen zu erkennen.

Am Abend zogen sich Nedeam und Llaranya erleichtert in ihre Gemächer zurück. Es war ein langer Tag voller Vorbereitungen gewesen und dem Pferdefürsten schmerzten von dem „Herumgehüpfe“ die Füße.

„Viel Schlaf werden wir in den kommenden Tageswenden wohl nicht finden“, meinte er mit einem leisen Seufzer und akzeptierte es, dass sich Neliana zwischen ihre Eltern drängte.

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Es war der dritte Tag des Erntefestes. Eternas schien eine Stadt zu sein, die niemals wirklich zur Ruhe kam. Eigentlich galt eine Zeit der Nachtruhe, doch in diesen Tagen begegneten jene, die sich zu ihrer Schlafstelle begaben, denen, die sie gerade wieder verließen. Pferdefürst Nedeam hatte zusätzliche Beritte als Wache aufgeboten, denn die Männer des Pferdevolkes waren einer zünftigen Rauferei nur selten abgeneigt und der reichliche Genuss von Gerstensaft, Brennwasser und Blor ließ die Hemmungen rasch schwinden. Die Heiler der Stadt, zu denen die Elfin Leoryn gehörte, hatten alle Hände voll zu tun, die verschiedensten Blessuren zu versorgen. Viele stammten keineswegs aus persönlichem Händel, sondern waren darauf zurückzuführen, dass sich manche Bewohner der Mark nicht mehr sicher auf ihren Beinen fortbewegen konnten. Einige benutzten alle viere oder schliefen an Orten ein, die dafür nicht gedacht waren. Die Wache sah mit einer gewissen Großmut darüber hinweg, sofern die Schlafstätte nicht inmitten eines Weges oder einer Straße lag. Ansonsten griffen die Schwertmänner nur ein, wenn es unbedingt erforderlich wurde.

Das Hindernisrennen war ein großer Erfolg geworden und hatte die Zuschauer begeistert. Manches goldene Scheibchen wechselte dabei den Besitzer, da man eifrig auf die Beteiligten gewettet hatte. Illdur der Farbenprächtige stellte jedoch alles in den Schatten. Nie zuvor waren in der Hochmark bunte Himmelsbilder aufgestiegen und in der sternklaren Nacht waren die aufleuchtenden Farben weithin zu sehen.