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SCHICKSALSJAHRE DES 20. JAHRHUNDERTS Der 1. Weltkrieg: Der Grabenkrieg Der Grabenkrieg war ein charakteristisches Merkmal des Ersten Weltkriegs und zeichnete sich durch ein System befestigter Schützengräben aus, das sich über die Westfront erstreckte, eine Reihe von Schlachtfeldern, die sich durch Belgien und Frankreich zogen. Diese Taktik entstand aus der Sackgasse, in der sich die Fronten befanden, da die Fortschritte bei der Bewaffnung die Fortschritte bei der Mobilität und Taktik überholt hatten. Die Ursprünge des Grabenkriegs lassen sich bis in die Anfangsphase des Krieges zurückverfolgen, als die schnelle Mobilisierung zu einem Wettlauf zum Meer führte. Da beide Seiten versuchten, die Flanken des jeweils anderen zu umgehen, waren sie bald nicht mehr in der Lage, einen entscheidenden Schlag zu führen. Daher griffen sie auf den Bau von Gräben zurück, um ihre Stellungen zu schützen und sich einen Vorteil zu verschaffen. Was als vorübergehende Verteidigungsmaßnahme begann, entwickelte sich zu einem ausgedehnten Netz von Schützengräben, das sich über Hunderte von Kilometern erstreckte. Dieses Werk beschreibt den Aufbau und die Konstruktion der Gräben sowie die Vielzahl der eingesetzten Waffen. Auch eine Abhandlung über Taktik und Versuche zum Aufbrechen des Stellungskrieges sind in dem Buch enthalten. Das Werk ist mit umfangreichem zeitgenössischem Bildmaterial illustriert. Umfang: 120 Seiten
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Seitenzahl: 83
Veröffentlichungsjahr: 2024
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Schicksalsjahre des 20. Jahrhunderts
Der 1. Weltkrieg: Der Grabenkrieg
IMPRESSUM:
Autor: Hans-Jürgen BauerHerausgeber:M. PrommesbergerHändelstr 1793128 Regenstauf
Als Grabenkrieg bezeichnet man eine Art des Stellungskrieges, bei der zwei sich gegenüber liegende Frontbefestigungen jeweils aus einem System von Schützen- und Laufgräben bestehen. Ursachen dieser Frontverfestigungen waren in entgegengesetzter Stoßrichtung aufeinander treffende, annähernd gleich starke gegnerische Truppen, die gleichermaßen über eine technisch fortgeschrittene Artillerie mit wirkungsvollen Granaten und hoher Geschützreichweite sowie über die damals neu aufgekommenen Maschinengewehre verfügten.
Ein Posten des Cheshire Regiment in einem Laufgraben nahe La Boisselle während der Schlacht an der Somme, Juli 1916
Dabei blieb jedoch die Mobilität gerade auch der neuen schweren Waffen in dem meist unwegsamen Gelände gering, zumal die für den Vorspann benötigten Zugtiere der gesteigerten Waffenwirkung ebenso ausgesetzt waren wie die Menschen.
Zu größeren Grabenkämpfen kam es erstmals 1854 im Krimkrieg, wo die Anwendung dieses Verteidigungskonzepts vom russischen Ingenieuroffizier Franz Totleben ausging. In der Zeit danach wurde insbesondere im Amerikanischen Bürgerkrieg (1861–1865) und im Russisch-Japanischen Krieg (1904–1905) auch in Gräben gekämpft.
Diese Art der Kriegsführung erreichte ihren blutigen Höhepunkt in den Grabenkämpfen des Ersten Weltkriegs. Allein in der Schlacht um Verdun wurden von Februar bis Dezember 1916 über 700.000 Soldaten getötet oder verletzt. Die Kämpfe konnten den Frontverlauf nicht wesentlich ändern. Auch bei der Schlacht von Gallipoli kam es nach der amphibischen Landung zu einem Erstarren der Fronten und zu Grabenkämpfen. Um die damit verbundenen hohen Verluste zu vermeiden, wurde in der Zwischenkriegszeit in Europa und den USA die Taktik der beweglichen Gefechtsführung mit Panzerfahrzeugen entwickelt und mit Beginn des Zweiten Weltkriegs in den großen Panzerschlachten angewendet. Noch im Zweiten Weltkrieg war die Masse der Infanterie nicht motorisiert. Die Gefechte fanden oft noch um und mit Feldstellungen statt. Das Ende dieser Art von Gefechtsführung kam durch die schnellen Panzervorstöße im Bewegungskrieg, die zum Ziel hatten, durch Lücken und Schwachstellen in der Verteidigung tief in den feindlichen Gefechtsraum vorzudringen und dort Einheiten der feindlichen Infanterie einzukesseln und vom Nachschub und von der übrigen Truppe abzuschneiden. Noch im Iran-Irak-Krieg (1980–1988) kam es zu verlustreichen Grabenkämpfen in offenen Feldstellungen, da das schwierige Kampfgelände und der geringe Mechanisierungsgrad einem Bewegungskrieg entgegenstanden.
Der Begriff Grabenkrieg wird oft auch metaphorisch gebraucht, um Gesprächssituationen zu bezeichnen, in denen sich streitende Parteien in wenig abgewandelten Formen gegenseitig wieder und wieder die gleichen Vorhaltungen machen, ohne sich mit dem ihnen Vorgehaltenen näher zu befassen und darauf einzugehen, was zu keinem Gesprächsfortschritt und zu keiner Einigung führt.
Mit der Entwicklung des Minié-Geschosses, das die massenhafte Nutzung von Gewehren mit gezogenem Lauf und weitaus höherer effektiver Reichweite erlaubte, wurden Frontalangriffe sowohl durch Kavallerie- als auch durch Infanterieeinheiten extrem verlustreich. Schon im amerikanischen Sezessionskrieg hatte sich gezeigt, dass Kavallerieangriffe auf breiter Front ohne große Probleme abgeschlagen werden konnten. Hier wurde auch zum ersten Mal der Nutzen von Schützengräben erprobt und erwies sich in der Verteidigung als enorm erfolgreich. Mit der flächendeckenden Einführung von Hinterladern waren Verteidiger noch mehr im Vorteil, da sie jetzt den Angreifer unter Beschuss nehmen konnten, ohne ihre Deckung zu verlassen. Maschinengewehre steigerten die Feuerkraft der Verteidiger nochmals um ein Vielfaches und konnten die Angreifer niedermähen, sobald diese aufstanden, um vorzurücken.
Mörsergeschütz in einem französischen Graben
Obwohl sich damit die Art der Kriegsführung auf dramatische Art und Weise geändert hatte, waren die meisten Armeen und Generale auf die Auswirkungen dieser Änderungen nicht vorbereitet. Zu Beginn des Ersten Weltkriegs bereiteten sich alle beteiligten Armeen auf einen kurzen Krieg vor, der in seinen Taktiken den bisherigen Kriegen gleichen sollte. Diese Taktiken riefen nach schnellen, aggressiven Vorstößen, um die feindlichen Einheiten und Armeen dann einzukreisen und zu vernichten. Die Durchführung dieser Angriffe war dabei nicht fundamental anders als in den napoleonischen Kriegen: Ein Ansturm möglichst vieler Männer auf schmalem Raum mit aufgepflanzten Bajonetten, um den Gegner dann im Nahkampf zu töten. Mit Ausbruch des Krieges erkannten die deutschen und alliierten Truppen, dass auch die kleinste Deckung es ermöglichte, einen Angriff problemlos zurückzuschlagen. Frontale Angriffe führten zu nie dagewesenen Verlusten auf beiden Seiten; daher gruben sich beide Seiten in zunehmend komplexeren Grabensystemen ein und versuchten mit immer größeren Mengen an Artillerie und Soldaten wiederum die Verteidigungssysteme des Gegners zu überrennen.
Zunächst wurden Flankenangriffe als einzige Möglichkeit zum Sieg angesehen. Dies führte nach der Marneschlacht zu einer Serie von Umfassungsmanövern, die erst endeten, als beide Armeen die Nordseeküste erreichten. Das Grabensystem der Westfront erstreckte sich von dort bis zur Schweizer Grenze. Der Stellungskrieg an der Westfront setzte sich bis zur deutschen Frühjahrsoffensive im März 1918 fort.
An der Westfront wurden die ersten provisorischen Gräben schnell durch ein komplexes Grabensystem ersetzt. Das Gelände zwischen den Gräben wurde als Niemandsland bezeichnet. Der Abstand zwischen den Gräben variierte je nach Frontabschnitt. Im Westen lag die Distanz üblicherweise bei 100 bis 250 Metern. An einigen Stellen, zum Beispiel bei Vimy, lagen die Gräben jedoch nur 25 Meter auseinander. Nach dem deutschen Rückzug zur Siegfriedstellung im Frühjahr 1917 (Unternehmen Alberich) wuchs der Abstand teilweise auf mehr als einen Kilometer an. Bei der Schlacht von Gallipoli lagen die Gräben streckenweise nur etwa 15 Meter auseinander, so dass es dort häufig zu Handgranatenkämpfen kam.
Zu Beginn des Krieges sah die britische Verteidigungsdoktrin ein Grabensystem mit drei parallelen Gräben vor, die durch Kommunikationsgräben verbunden wurden. Die Verbindungspunkte zwischen Haupt- und Kommunikationsgraben waren üblicherweise, aufgrund ihrer Wichtigkeit, schwer befestigt. Der vorderste Graben war in der Regel lediglich in den Morgen- und Abendstunden stärker besetzt, tagsüber hingegen nur leicht. Etwa 60 bis 100 Meter hinter dem ersten Graben befand sich der Unterstützungs- oder „Bewegungs“-(engl. travel) graben. In diesen zogen sich die Truppen zurück, wenn der erste Graben unter Artilleriefeuer lag. Weitere 250 bis 500 Meter hinter dem Unterstützungsgraben lag der Reservegraben, in diesem sammelten sich die Reservetruppen für einen Gegenangriff, sollte einer der vorderen Gräben eingenommen worden sein. Diese Aufteilung wurde jedoch schnell überholt, als die Feuerkraft und Masse der Artillerie weiter zunahm; in einigen Bereichen wurde der Unterstützungsgraben jedoch als Ablenkung beibehalten, um das gegnerische Geschützfeuer anzuziehen. In ihm wurden Lagerfeuer entzündet, um den Eindruck eines besetzten Grabens zu erwecken, auch wurden Schäden umgehend repariert.
Es wurden außerdem provisorische Gräben gebaut. Wenn eine große Offensive geplant war, wurden Sammelgräben nahe dem ersten Graben gebaut. Diese Gräben dienten als geschützter Sammelpunkt für die Truppe, die der ersten Welle nachfolgte. Die erste Angriffswelle griff üblicherweise aus dem ersten Graben heraus an. Laufgräben waren provisorische Gräben, oft unbemannte Sackgassen, die in das Niemandsland gegraben wurden. Sie dienten dazu, die vorgelagerten Horchposten mit dem Hauptgrabensystem zu verbinden oder auch als vorgezogene Angriffslinie für einen Überraschungsangriff.
Hinter dem Frontsystem lagen normalerweise einige teilweise ausgebaute Gräben für den Fall eines Rückzuges. Die Deutschen benutzten öfter mehrere hintereinander liegende, funktionsgleiche Grabensysteme. An der Somme-Front 1916 nutzten sie zwei komplett ausgebaute Grabensysteme, die einen Kilometer voneinander entfernt waren. Einen weiteren Kilometer dahinter befand sich ein teilweise ausgebautes System. Diese doppelten Systeme machten einen entscheidenden Durchbruch praktisch unmöglich. Sollte ein Teil des ersten Systems erobert werden, wurden „Wechselgräben“ gebaut, um das zweite Grabensystem an den immer noch gehaltenen Teil des ersten Systems anzuschließen.
Die deutsche Armee baute ihre Stellungen sehr massiv aus; es wurden sowohl tiefe Betonbunker als auch feste Stellungen an strategisch wichtigen Stellen gebaut. Die Deutschen waren an der Westfront tendenziell eher in der Defensive und öfter bereit, sich in vorbereitete Stellungen zurückzuziehen, als die alliierten Armeen. Sie entwickelten das elastische System der Tiefenverteidigung, bei dem mehrere Schanzen im Frontbereich gebaut wurden, anstatt auf einen einzelnen Graben zu vertrauen. Von jeder Schanze aus konnten die Nachbarschanzen unter Feuer genommen werden. Den Höhepunkt dieser Doktrin bildete die Siegfriedlinie, bei der schwer befestigte Bunker durch ein Netz aus Gräben verbunden waren, die in Frontnähe nur dünn besetzt waren, um den Feind in vorbereitete Todeszonen hineinzulocken. Die Briten übernahmen schließlich diese Taktik teilweise, konnten sie aber bis zur Offensive im Jahr 1918 nicht vollständig einsetzen.
Neuseeländischer Soldat in einem Graben
Gräben wurden niemals gerade gebaut, sondern immer in einem sägezahnartigen Muster, welches den Graben in Buchten einteilte, die durch Quergräben (Traversen) verbunden waren. Ein Soldat konnte nie mehr als zehn Meter den Graben entlang sehen. Dadurch konnte, wenn ein Teil des Grabens durch Feinde besetzt war, nicht der gesamte Graben unter Feuer genommen werden. Auch die Splitterwirkung einer Artilleriegranate, die im Graben einschlug, wurde so begrenzt. Die Seite des Grabens, die dem Feind zugewandt war, nannte man Parapet (Brustwehr). Auf dieser Seite befand sich außerdem eine Stufe, die es ermöglichte, über den Rand des Grabens zu schauen. Die abgewandte Seite hieß Parados und schützte die Soldaten vor Splittern, falls eine Granate hinter dem Graben einschlug. Die Seiten wurden durch Sandsäcke, Holzbretter und Drahtgeflecht verstärkt; der Boden war mit Holzbrettern abgedeckt, unter denen sich ein Wasserabfluss befand.
Bunker in verschiedenen Ausbauvarianten wurden hinter dem Unterstützungsgraben gebaut. Britische Bunker waren zwischen 2,5 und 5 Meter tief, deutsche Bunker wurden meist tiefer gebaut, mindestens vier Meter. Teilweise bestanden deutsche Bunker aus bis zu drei Stockwerken, die durch Betontreppen verbunden waren.
Um es den Soldaten zu ermöglichen, die gegnerischen Linien zu beobachten, ohne dafür ihren Kopf aus dem Graben zu erheben, wurden Scharten in die Brustwehr gebaut. Dies konnte einfach eine Lücke zwischen den Sandsäcken sein, welche aber manchmal mit einer Stahlplatte (Grabenschild) geschützt wurde. Deutsche und englische Scharfschützen nutzten Hartkerngeschosse, um diese Schilde zu durchschlagen. Eine andere Möglichkeit war die Verwendung eines Periskops. Die alliierten Soldaten bei Gallipoli entwickelten das Periskopgewehr, welches Scharfschützen ermöglichte, auf den Feind zu schießen, ohne sich selbst Feindfeuer auszusetzen.
Soldaten mit Periskopgewehr