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Wunderwaffen: neuartige Raketen - Waffensysteme des III. Reichs im 2. Weltkrieg Der Begriff "Wunderwaffe" wurde während des Zweiten Weltkriegs vom Propagandaministerium des nationalsozialistischen Deutschlands für einige revolutionäre "Superwaffen" verwendet wurde. Die meisten dieser Waffen blieben jedoch Prototypen, die entweder nie den Kriegsschauplatz erreichten, oder wenn doch, dann zu spät oder in zu geringen Stückzahlen, um eine militärische Wirkung zu entfalten. Im deutschen Sprachgebrauch bezeichnet der Begriff Wunderwaffe im Allgemeinen eine Universallösung, die alle mit einem bestimmten Thema zusammenhängenden Probleme löst, und wird meist ironisch verwendet, weil er illusionär ist. Als sich die Kriegssituation für Deutschland ab 1942 verschlechterte, wurden Behauptungen über die Entwicklung revolutionärer neuer Waffen, die das Blatt wenden könnten, zu einem immer wichtigeren Teil der Propaganda, die die deutsche Regierung an die Deutschen richtete. In Wirklichkeit erforderten die in der Entwicklung befindlichen fortschrittlichen Waffen in der Regel lange Entwicklungs- und Testphasen, und es bestand keine realistische Aussicht, dass das deutsche Militär sie vor Kriegsende einsetzen konnte. Der Historiker Michael J. Neufeld stellte fest, dass "das Nettoergebnis all dieser Waffen, ob eingesetzt oder nicht, darin bestand, dass das Reich viel Geld und technisches Know-how verschwendete, um exotische Geräte zu entwickeln und zu produzieren, die wenig oder gar keinen taktischen und strategischen Vorteil brachten". Einige wenige Waffen erwiesen sich jedoch als durchaus erfolgreich und hatten großen Einfluss auf die Nachkriegsentwicklung. Dieses Buch beschreibt die neuartigen Raketen - Waffensysteme "Wunderwaffen", die für das III. Reich entwickelt wurden. Das Werk ist mit umfangreichem zeitgenössischem Bildmaterial illustriert. Umfang 182 Seiten
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Seitenzahl: 137
Veröffentlichungsjahr: 2024
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Wunderwaffen
neuartige Raketen - Waffensysteme des III. Reichs im 2. Weltkrieg
IMPRESSUM
Autor: Hans-Jürgen BauerHerausgeber:M. PrommesbergerHändelstr 1793128 Regenstauf
Wunderwaffe ist ein Begriff, der vom Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda unter Joseph Goebbels verwendet wurde, um revolutionäre Waffen zu bezeichnen, die die katastrophale militärische Lage des Dritten Reiches am Ende des Zweiten Weltkriegs umkehren und seinen endgültigen Sieg sichern sollten.
Illusionen und Realitäten
Die meisten dieser Waffen kamen kaum über das Stadium eines Entwurfs oder Prototyps hinaus oder wurden erst zu spät und in zu geringen Mengen von der Wehrmacht eingesetzt, um einen wirklichen Einfluss auf den Verlauf der Operationen gehabt zu haben.
Da der Ehrgeiz der Nazis keine Grenzen kannte und die technischen Fähigkeiten zwar außergewöhnlich waren, aber bei weitem nicht ausreichten, wurden unter Adolf Hitler immer mehr Projekte von großer wissenschaftlicher Kühnheit entwickelt, von denen einige sogar völlig abwegig waren und eher der Science-Fiction als der Vernunft entsprachen. So erwiesen sich die gigantischen Super-V2, der Stratosphärenbomber Arado Ar-E 555, der theoretisch die Ostküste der USA treffen und eine Atombombe tragen könnte, die Todesstrahlen oder das noch außergewöhnlichere Projekt des suborbitalen Bombers Silbervogel, das der Ingenieur Eugen Sänger auf dem Papier entwickelt hatte, als hochgradig unvernünftig.
Am 2. August 1939 schrieben die Physiker Albert Einstein und Leó Szilárd einen Brief an US-Präsident Franklin Roosevelt, in dem sie davor warnten, dass Nazideutschland in der Lage sei, eine Atombombe zu bauen. Der US-Geheimdienst sammelte daraufhin Informationen aus Nazi-Deutschland, indem er Dokumente beschaffte und deutsche Wissenschaftler abwarb. Im September 1943 machten sich Wissenschaftler aus Deutschland, Großbritannien, Kanada, den USA und anderen europäischen Ländern an die Arbeit für das Manhattan-Projekt. Die Deutschen verfügten allerdings durchaus über große Uranvorräte, die schließlich in die Hände der Amerikaner fielen. Von einer einsatzfähige Atombombe waren die Deutschen aber dennoch weit entfernt.
Ab 1944, als sich die militärische Lage verschlechterte, wurden die sogenannten Wunderwaffen ausgiebig von der Propaganda besprochen, die Filme für die Wochenschau oder Berichte für die Printmedien drehte, in denen die Schäden dieser Waffen an britischen Städten thematisiert wurden. Während die Bevölkerung im Herbst und Winter 1944/45 unterschiedlich auf die neuen Waffen reagierte, wurde ihre Existenz noch im März 1945 in Briefen bestätigt: Die Überzeugten sahen den Krieg als einen Wettlauf gegen die Zeit an, um die neuen Waffen fertigzustellen, aber auch sie sahen ihre Hoffnungen im Laufe des März enttäuscht. Die Parteiführer selbst schienen nicht von der Wirksamkeit der Waffen und ihrer Fähigkeit, den Kriegsverlauf umzukehren, überzeugt zu sein. Für die Skeptiker, die im Laufe des Konflikts immer zahlreicher wurden, waren diese Waffen Gegenstand von Witzen: Die V1 wurden als Volksverdummer Nr. 1 oder Versager Nr. 1 bezeichnet. Obwohl ihre späte Entwicklung keinen wirklichen Einfluss auf den Ausgang des Konflikts hatte, weckten diese Waffen nach dem Untergang des Dritten Reichs das Interesse der Siegermächte. Die Verwertung der vom deutschen militärisch-industriellen Komplex entwickelten wichtigen technologischen Fortschritte erfolgte insbesondere in Form von strukturierten Programmen, die von den Geheimdiensten der Nationen durchgeführt wurden, wie Operation Paperclip (USA), Abteilung 7 (UdSSR), T-Force (en) (Großbritannien) oder Frankreich.
Fritz-X war der gebräuchlichste Name einer ferngelenkten Gleitbombe, die im Zweiten Weltkrieg unter Federführung von Max Kramer von der deutschen Firma Ruhrstahl entwickelt wurde. Die Waffe wurde nach Sicht manuell mit einer Funkfernsteuerung ins Ziel geführt (heute als MCLOS (*1) bezeichnet) und war für den Einsatz gegen Schiffsziele konzipiert, kam aber auch gegen Landziele zum Einsatz. Die Fritz-X war die erste in Serienproduktion hergestellte Lenkbombe der Welt und gilt somit als einer der Vorgänger von Seezielflugkörpern bzw. präzisionsgelenkter Munition.
By Sanjay Acharya - Own work, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=65216193
(*1) Das Akronym MCLOS (manual command to line of sight; deutsch manuelle Steuerung über Sichtverbindung) bezeichnet ein Verfahren, das zur Steuerung militärischer Flugkörper, insbesondere Raketen, verwendet wird.
Entwicklungsgeschichte
Während des Spanischen Bürgerkriegs erkannte die Deutsche Luftwaffe die Schwierigkeit, bewegliche Schiffe zu treffen. Mit der Bombardierung der Ziele durch Sturzkampfbomber wie dem Stuka Ju 87 hatte die Luftwaffe zwar eine relative treffsichere Waffe im Arsenal, aber beim Hochziehen waren diese Flugzeuge für feindliche Flak oder Abfangjäger doch recht verwundbar. Ein Bomber, der seine Ziele im horizontalen Anflug treffen konnte, wäre weniger gefährdet. Dipl.-Ing. Max Kramer, der an der Deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt (DVL) arbeitete, experimentierte bereits seit dem Jahr 1938 mit ferngesteuerten, frei fallenden 250 kg-Bomben und baute 1939 funkgesteuerte Klappen oder Spoiler am hinteren Teil der Bombe ein. In der Luftfahrt ist ein Spoiler eine Vorrichtung, die die Auftriebskomponente eines Tragflügels absichtlich und kontrolliert verringert. Meistens handelt es sich bei Spoilern um Platten auf der Oberseite eines Flügels, die nach oben in den Luftstrom hinein verlängert werden können, um die Stromlinienströmung zu stören. Auf diese Weise erzeugt der Spoiler einen kontrollierten Strömungsabriss über dem dahinter liegenden Teil des Flügels, wodurch der Auftrieb dieses Flügelabschnitts stark reduziert wird. Spoiler unterscheiden sich von Bremsklappen dadurch, dass die letztgenannten den Luftwiderstand erhöhen, ohne den Auftrieb zu beeinflussen, während Spoiler sowohl den Auftrieb als auch den Luftwiderstand verringern. Im Jahr 1940 wurde die Ruhrstahl AG eingeladen, sich an der Entwicklung zu beteiligen, da sie bereits Erfahrung in der Planung und Herstellung von normalen und nicht gelenkten Bomben hatte.
Amerikanische Zeichnung der panzerbrechenden Bombe PC 1400, der Grundlage für die Fritz X PGM
Die ersten Versuche fanden mit der Sprengbombe SD 1400 (Splitterbombe, dickwandig, 1400 kg) statt, dann wurde die ähnliche PC 1400 verwendet. Andere Bezeichnungen für die Bombe waren X-1, Ruhrstahl SD 1400 X, PC 1400X oder FX 1400; von letzterer leitet sich auch der Name Fritz-X ab. Das X steht dabei für die in der X-Form angeordneten Leitflächen.
Von Oxyman - Eigenes Werk, CC BY 2.5, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=84808693
Grundsätzlicher technischer Aufbau
Die Fritz-X wurde auf Basis der Panzersprengbombe PC 1400 (Panzerbombe, Cylindrisch, 1400 kg) entwickelt. Diese war mit ihrer Dickwandigkeit speziell für gepanzerte Kriegsschiffe zum Durchschlagen von bis zu 20 cm starker Panzerplatten entwickelt worden. Sie bekam nun eine aerodynamisch günstiger gestaltete Spitze, vier Stummelflügel mit einer Spannweite von 1,40 m und ein kastenförmiges Leitwerk. Am Heck waren innerhalb des Leitwerks fünf Leuchtsätze angebracht, die als Hilfsmittel bei der Zielansteuerung dienten. Die Farbe der Leuchtsätze war wählbar, damit die Bombenschützen die in der Luft befindlichen Fritz-X unterscheiden konnten. Zudem waren für Dämmerungs-einsätze schwächer leuchtende Leuchtsätze vorgesehen. Eine Kreiselsteuerung diente zur Stabilisierung der Längsachse und ein Fernlenkempfänger zur Ansteuerung der Höhen- und Querruder. Über eine Funkfernsteuerung mit 18 Kanälen im Frequenzbereich um 50 MHz, bestehend aus dem Sender FuG 203 (Deckname „Kehl“; an Bord des Flugzeugs) und dem Empfänger FuG 230 „Straßburg“ (im Flugkörper), wurde der Flugkörper vom Trägerflugzeug aus ins Ziel gelenkt. Dabei sendete man zur Täuschung der gegnerischen Seite auch auf nicht benutzten Frequenzen. Als Alternative zur Funksteuerung wurde eine Drahtlenkung (je zwei 8-km-Drahtspulen in Flugzeug und Lenkbombe) entwickelt, um bei gegnerischer Funkstörung einsatzbereit zu sein. Wirksame alliierte Funkstörung, die diese Art der Lenkung erforderlich gemacht hätte, wurde jedoch selten beobachtet. Die Fritz-X wurde über die oben beschriebene „Kehl-Straßburg“ - Funkverbindung gesteuert, die Signale an die beweglichen Spoiler in den dicken vertikalen und horizontalen Leitwerksflächen innerhalb der ringförmigen Leitwerksstruktur sendete. Dieses Steuerungssystem wurde auch für die ungepanzerte, raketengetriebene Gleitbombe Henschel Hs 293 verwendet, die am 25. August 1943 erstmals eingesetzt wurde.
Henschel HS 293 Gleitbombe
Die Straßburg-Empfangsantennen der Fritz-X waren aerodynamisch in die Hinterkante der ringförmigen Flächen der Heckflosse integriert und in einem Quartett von "gewölbten" Abschnitten am Heck der Bombe eingekapselt. Dieses Konstruktionsmerkmal der Straßburg-Empfangsantennenanlage des FuG 230 ist der Azon (einer zeitgenössischen US-amerikanischen Lenkbombe) nicht ganz unähnlich, bei der ebenfalls die Empfangsantennen in dem Quartett von Diagonalstreben unterbracht waren, die die festen Abschnitte der Heckflossen verstrebten.
Eine andere Zielführung, die nur bis zur Erprobungsphase kam, war das System „Radieschen“, mit dem die Fritz-X eigenständig Sendeeinrichtungen wie britische „Chain Home“-Radarstationen ansteuern sollte. Es war somit ein Vorläufer der HARM-Flugkörper (=High-Speed-Anti-Radiation-Missile). Zusätzlich wurde die „FB“(Fernsehbild)-Steuerung („Tonne“/„Seedorf“-Anlage) entwickelt, mit der das Bild einer Kamera („Tonne“) in der Fritz-X per Funk zum „Seedorf“-Fernsehempfänger im Flugzeug übertragen wurde, um so eine Zielführung zu ermöglichen. Mit der Anlage wäre es erstmals möglich gewesen, dass der Bomber sofort nach Abwurf der Waffe abdrehte, ohne das Ziel weiter beobachten oder gar überfliegen zu müssen. Diese Kombination aus Sender, Senderendstufe und TV-Empfänger wurde in nur geringer Stückzahl (ungefähr 300 Stück) bei der „Fernseh GmbH“ (Bosch) gebaut und erprobt. Für einen normalen Fronteinsatz kam diese Technik aber zu spät. Es wurden etwa 1.400 (andere Quellen berichten von bis zu 2500 Stück) Exemplare der „normalen“ Fritz – X, einschließlich von Erprobungs- und Versuchsmodellen, hergestellt.
Aufbau der Steuerung
Die Fritz X verfügte über eine Spoilersteuerung am Leitwerk, die drei Sätze aerodynamischer Steuerklappen verwendete, von denen zwei die Steuerung der Gleitbombe in der Nick- und Gierachse übernahmen, die differenziert arbeiteten und unter direkter Steuerung durch die Funkfernsteuerung Kehl-Straßburg ständig schnell hin und her schwangen. Die Rollsteuerung, die autonom und nicht unter der Kontrolle des lenkenden Flugzeugs arbeitete, arbeitete auf ähnliche Weise wie die extern ferngesteuerten Elemente und befand sich auf den äußeren Abschnitten der horizontalen Leitwerksflächen. Sie war innerhalb des ringförmigen Satzes der äußeren Leitwerksflächen angebracht.
Fritz X Aufbau und Schaltplan
Sie ähnelten in ihrer Funktion den "Querruder"-Steuerflächen der amerikanischen Azon-Bombe und wurden sowohl bei der Azon als auch bei der Fritz-X durch ein internes Gyroskop im zentralen Gehäuse des Leitwerks gesteuert, um die Bombe während ihrer Flugbahn in der Waage zu halten. Die inneren Spoilerflächen in den horizontalen Flächen der Heckflossen kontrollierten den Neigungswinkel nach dem Abwurf und wurden über die Funkverbindung gesteuert, was dem Bombenschützen der Fritz-X im abwerfenden Flugzeug die Möglichkeit gab, die Reichweite des Abwurfs zu kontrollieren, eine Fähigkeit, über die die alliierte Azon-Gleitbombe nicht verfügte. Die in den vertikalen Leitwerken untergebrachten Gierspoiler wurden ebenfalls über die Funkverbindung gesteuert und verfügten über ähnliche Flächen, um den Luftstrom über sie zu leiten.
Kommentiertes Standbild aus einem 1946 von der USAAF veröffentlichten Film über Fritz X, das die Lage der Steuerklappen und des autonomen Rollkreisels zeigt
Alle drei Spoiler-Sets ragten im ausgefahrenen Zustand kaum aus der Oberfläche heraus, wobei die beiden extern gesteuerten Spoilersysteme eine gewisse "Proportionalität" in ihrem Betrieb aufwiesen, indem sie die "Verweildauer" auf der einen oder anderen Seite während ihrer schnellen Oszillationsrate von einer Seite zur anderen variierten, wenn ein Steuersignal an sie gesendet wurde.
Vorgehensweise beim Angriff
Die Fritz-X wurde vom Bombenschützen im Abschussflugzeug über eine Funkverbindung zwischen dem Sender „Kehl“ des Flugzeugs und dem Empfänger „Straßburg“ in der Waffe gesteuert. Der Bombenschütze musste das Ziel dabei jederzeit sehen können, und wie die Azon-Bombe hatte die Fritz-X-Bombe eine Leuchtrakete im Heck, so dass sie vom kontrollierenden Flugzeug aus beobachtet werden konnte. Dieser Sichtkontakt war notwendig, damit die Gleitbombe richtig ins Ziel gelenkt werden konnte. Der Nachteil - im Vergleich zu völlig autonom gesteuerten Gleitbomben wie der radargesteuerten Gleitbombe Bat der US-Marine, die 1944-45 gegen Japan eingesetzt wurde - bestand darin, dass das Flugzeug auf einem gleichmäßigen Kurs weiter auf das Ziel zugeflogen werden musste und dass die Rakete bei Annäherung an ihr Ziel durch feindliche Störung des Funkkanals fehlgesteuert werden konnte.
Im Gegensatz zur Hs 293, die gegen Handelsschiffe und leichte Geleitschiffe eingesetzt wurde, war die Fritz-X für den Einsatz gegen schwer gepanzerte Schiffe wie Kreuzer und Schlachtschiffe vorgesehen. Die Mindestabwurfhöhe betrug 4.000 Meter, wobei bei ausreichender Sicht eine Abwurfhöhe von 5.500 Metern bevorzugt wurde. Die Fritz-X musste in einer Entfernung von mindestens 5 Kilometern vom Ziel abgeworfen werden. Der Beobachter bestimmte während dem Zielanflug mit einem herkömmlichen Lotfe-7D-Bombenzielgerät („Lotfernrohr“) den idealen Zeitpunkt des Abwurfs. Der Bombenschütze musste danach die Waffe nach dem Abwurf über einen sogenannten „Kommandogeber mit einem beweglich gelagerten Lenkstab“ (ähnlich den heutigen Joysticks) stets mit dem Ziel in Deckung halten. Dies hatte, wie bereits angesprochen, den Nachteil, dass im Gegensatz zu Gleitbomben wie der Henschel Hs 293, das Ziel überflogen werden musste.
Nach dem Ausklinken der Fritz-X musste der Flugzeugführer zunächst in einen steilen Steigflug übergehen, um das Flugzeug entsprechend zu verlangsamen, damit es bis zum Moment des Einschlages – ca. 30–40 Sekunden nach Abwurf – über dem Ziel flog und der Beobachter den Leuchtsatz zur Nachführung optimal verfolgen konnte.
Der Bombenschütze konnte eine maximale Korrektur von 500 Metern in der Entfernung und 350 Metern in der Richtung vornehmen. Nach dem Auspendeln und nach Beendigung des Steigfluges musste der Bomber dann auf das Angriffsziel zuhalten. Der Bomber war dabei aber verwundbar gegenüber Angriffen von Kampfflugzeugen und Luftabwehrwaffen von Schiffen, während er den langsamen, gleichmäßigen Kurs beibehielt, so dass der Bombenschütze Sichtkontakt halten konnte, um die Bombe zu lenken. Wenn die Rakete richtig auftraf, dann konnte sie immerhin eine Panzerung von bis zu 200 mm durchschlagen.
Die enorme Treffergenauigkeit war der Hauptgrund für die Entwicklung eines derartigen Waffensystems, anstatt weiterhin ungelenkte „dumme“ oder „Freifallbomben" zu verwenden. Ein geübter Bombenschütze konnte immerhin 50 % der Gleitbomben innerhalb eines Radius von fünfzehn Metern ins Ziel lenken, und etwa 90 % trafen innerhalb eines Radius von dreißig Metern (andere Quellen sprechen von 60 % innerhalb eines Radius von etwa fünf Metern).
Einsatz an der Front
Die einzige Einheit der Luftwaffe, die die Fritz-X einsetzte, war die Gruppe III des Kampfgeschwaders 100 Wiking (Viking) mit der Bezeichnung III./KG 100. Das Bombergeschwader selbst entstand Mitte Dezember 1941 als größerer Abkömmling der früheren Kampfgruppe 100. Diese Einheit setzte bei fast allen Angriffseinsätzen den Mittelstreckenbomber Dornier Do 217K-2 ein, gegen Ende des Einsatzes vereinzelt auch Dornier Do 217K-3 und M-11.
Dornier Do 217
Die Fritz-X war zunächst mit einem Heinkel He 111-Bomber erprobt worden, wurde aber nie von diesem Flugzeug in einem Kampfeinsatz abgeworfen. Einige spezielle Varianten des wegen der Motorenanordnung störanfälligen Langstreckenbombers Heinkel He 177A Greif wurden mit dem „Kehl“ -Sender und geeigneten Bombenabwurfgestellen ausgerüstet, um eine Fritz-X befördern zu können, und es wird vermutet, dass diese Kombination möglicherweise in begrenztem Umfang im Kampf eingesetzt wurde.
Fritz X kam erstmals am 21. Juli 1943 bei einem Angriff auf den Hafen von Augusta in Sizilien zum Einsatz. Es folgten eine Reihe weiterer Angriffe auf Sizilien und Messina, wobei jedoch keine bestätigten Treffer erzielt wurden und die Alliierten offenbar nicht wussten, dass es sich bei den abgeworfenen Großbomben um funkgesteuerte Waffen handelte.
Die Versenkung der Roma
Die Fritz-X war Ende Juli 1943 erstmalig zur Truppe ausgeliefert worden. Bereits am 9. September 1943 konnte die Deutsche Luftwaffe mit der Versenkung des italienischen Schlachtschiffs Roma ihren größten Erfolg mit dieser Waffe verbuchen.
An dem Tag, an dem Marschall Badoglio den italienischen Waffenstillstand verkündete, dem 8. September 1943, lag das Schlachtschiff im norditalienischen Flottenstützpunkt von La Spezia bereit, um gegen die Deckungsstreitkräfte der alliierten Invasionsflotte in Süditalien eingesetzt zu werden. Denn am folgenden Tag war von den Alliierten eine Landung in der Bucht von Salerno (südlich Neapel) geplant. Doch noch am selben Tag, dem 8. September, wurde Admiral Carlo Bergamini, der Befehlshaber der Seestreitkräfte, vom Generalstabschef der Marine Raffaele De Courten telefonisch über den nun bevorstehenden Waffenstillstand informiert.
Di Fulvio314 - Opera propria, CC BY 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=30292673
Übersetzungen:
Corazzata:Schlachtschiff
Incrociatore:Kreuzer
CT / TPZerstörer
Ricognitore inglese & tedesco:englische & deutsche Aufklärer Bombardiere tedescodeutscher Luftangriff
Affondamento:Versenkung
Bei diesem Waffenstillstand wurde vereinbart, dass die italienische Flotte an einen vom alliierten Oberbefehlshaber zu bestimmenden Ort überführt werden sollte. Sie sollte dort für den Rest des Krieges verbleiben, bis über ihre endgültige Verwendung entschieden war. Während der Überführung sollte die Flotte als Zeichen der Kapitulation schwarze Seezeichen an den Fahnenmasten hissen und zwei schwarze Kreise auf die Decks zeichnen. De Courten, der eine Selbstversenkung und die Möglichkeit eines letzten Gefechts (im Einvernehmen mit Bergamini) ausgeschlossen hatte, akzeptierte die Anweisungen des Chefs der britischen Mittelmeerflotte Andrew Cunningham, wonach die Flotte nicht versenkt werden sollte.