Skull-Ranch 114 - Dan Roberts - E-Book

Skull-Ranch 114 E-Book

Dan Roberts

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Golden City, die kleine Goldgräberstadt im Herzen Colorados, steht Kopf. Wie ein Lauffeuer hat es sich herumgesprochen, dass ein Wanderzirkus in die Stadt gekommen ist. Schwertschlucker, Dompteure und eine Bauchtänzerin werden für ein paar Tage das Einerlei zwischen Diggercamps und Saloons ablösen. Eine Attraktion ist Mexico-Joe, der Messerwerfer.
Als John Morgan, der Boss der Skull-Ranch, bei einem Besuch des Zirkus einen Blick hinter die Kulissen wirft, macht er eine folgenschwere Entdeckung. Und schon bald ist in Golden City die Hölle los...


Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 142

Veröffentlichungsjahr: 2023

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Totentanz in Golden City

Vorschau

Impressum

Totentanz in Golden City

von Dan Roberts

Golden City, die kleine Goldgräberstadt im Herzen Colorados, steht Kopf. Wie ein Lauffeuer hat es sich herumgesprochen, dass ein Wanderzirkus in die Stadt gekommen ist. Schwertschlucker, Dompteure und eine Bauchtänzerin werden für ein paar Tage das Einerlei zwischen Diggercamps und Saloons ablösen. Eine Attraktion ist Mexico-Joe, der Mes‍ser‍werfer.

Als John Morgan, der Boss der Skull-Ranch, bei einem Besuch des Zirkus einen Blick hinter die Kulissen wirft, macht er eine folgenschwere Entdeckung. Und schon bald ist in Golden City die Hölle los...

»Wohin fahren wir, Boss?«, fragt der schlanke Mann, der sein Pferd neben dem ersten Wagen zügelt.

Auf dem Kutschbock sitzt der Boss der Truppe, Oliver Bickerstaff. Er blickt Joe Pareda an und lächelt schwach.

»Nach Golden City«, antwortet der Boss. »Die Stadt liegt mitten im Goldland. Dort haben die Leute Geld, Joe.«

Joe Pareda lacht hart und humorlos auf. Er fährt sich mit dem Zeigefinger der Linken über den schmalen, schwarzen Schnurrbart.

»Hoffentlich geht es uns nicht so wie in Cripple Creek«, sagt er. »Wir bekamen kaum genug Dollars rein, um essen zu können. Mann, Boss, wir haben zwei Mavericks gestohlen, um die Tiere satt zu bekommen!«

Bickerstaff zuckt etwas zusammen. Er möchte am liebsten nicht daran erinnert werden. Denn er ist eigentlich ein anständiger Mann. Nur in höchster Not vergreift er sich am Eigentum anderer. Und das auch nur, um die Tiere satt zu bekommen.

Für sich selbst oder für seine Leute hat Oliver Bickerstaff noch niemals etwas gestohlen.

»Joe, verlass dich drauf«, sagt der Boss mit einer Zuversicht in der Stimme, die er selbst nicht fühlt, »in Golden City machen wir einen Haufen Dollars.«

Pareda blickt den Chef der Show lange an und murmelt: »Wird auch Zeit, Boss. Du schuldest mir noch über hundert Dollar für die letzten Auftritte.«

Bevor Bickerstaff antworten kann, gibt Joe seinem Pferd die Zügel frei.

Der Schimmelhengst stürmt davon. Weit vor den langsam dahinzuckelnden Zirkuswagen galoppiert der Messerwerfer.

Joe Pareda ist ein halber Mexikaner. Darum kündigt ihn Ollie, wie ihn die meisten seiner Künstler nennen, auch als Mexico-Joe an, wenn Pareda an der Reihe ist, sein Können zu zeigen.

»Verdammt, warum habe ich nicht die Finger von dem Kerl gelassen?«, fragt sich Ollie bitter.

Aber er kennt die Antwort genau. Er brauchte einfach einen neuen Messerwerfer. Denn im Norden New Mexicos trat Joes Vorgänger betrunken zu seiner Vorstellung an. Und dabei verletzte er einen Mann aus dem Publikum. Es ging alles ziemlich schnell: Ein Colt wummerte, und der betrunkene Zirkuskünstler war tot.

Ollie erwog damals, ob er den Zuschauern nicht verbieten sollte, das Zelt mit Waffen zu betreten.

Aber diese Idee ist hier im Westen nicht durchzusetzen.

Eine seltsame Melodie klingt vom dritten Wagen her auf.

Sheila übt den Text des Liedes, den sie immer noch nicht genau kennt. Sie tritt in »Ollies größter Supershow« als Bauchtänzerin auf. Roja, die Dame aus dem fernen Ägypten, nennt der Zirkusboss sie.

Aber Sheila stammt aus England. Ihre ersten Kindheitsjahre verbrachte sie in den dreckigen Kohlestädten. Aber als Roja, die Blume des Orients, macht sie sich sehr gut auf der Bühne.

Oliver Bickerstaff denkt an die anderen Mitglieder seiner Truppe.

Er weiß, dass es längst größere Zirkusunternehmen gibt. Aber die sind zu unbeweglich. Sie brauchen Unmengen von Transportraum und können nur in der Nähe der Bahnlinien auftreten.

Das ganze Land dazwischen ist für Leute wie Ollie.

Aber dieses Jahr war schlecht. Überhaupt hat sich das Geschäft mächtig verschlechtert, seit der Bürgerkrieg zu Ende ist. Im besiegten Süden haben die Leute kein Geld, sich zu amüsieren.

Es ist nicht mehr so wie früher, als die reichen Baumwollpflanzer und Rancher die ganze Truppe zu Privatvorstellungen verpflichteten.

Die guten Zeiten sind vorbei.

Aber Ollie gibt nicht auf. Er ist zäh und starrsinnig. Er nimmt Rückschläge hin, rappelt sich auf und macht weiter.

Denn er kann sich kein anderes Leben vorstellen.

»Heee, Onkel Ollie«, ruft eine Kinderstimme, »kann ich zu dir raufkommen?«

Bickerstaff lächelt. Als er an die Mengen denkt, die dieser elfjährige Junge beim Essen verdrückt, wirkt das Lächeln auf einmal etwas gezwungen.

Sim Jackson ist lang aufgeschossen, eigentlich ziemlich groß für seine elf Jahre. Aber er futtert, als wolle er die doppelte Länge erreichen.

Sim und seine Mutter pickte Ollie in Cripple Creek auf. Die beiden standen lange bei den Tieren und sahen zu, wie das Zelt aufgebaut wurde.

Doch in der Vorstellung waren sie nicht.

Später sah Ollie die schöne Frau und ihren Sohn abermals zwischen den Wagen und sprach sie an.

Sie hatten kein Geld. Mrs. Jackson verdiente mit Näharbeiten und Waschen gerade so viel, dass sie davon kärglich leben konnten. Sie und Sim schliefen in einem verlassenen Bretterhaus im ehemaligen Diggergebiet. Das kostete nichts, aber es war zugig und kalt in den Nächten.

Alles, was Bickerstaff aus der Frau herausbekam, war, dass sie jemanden suchte.

Er lud sie und ihren Jungen ein, mit dem Zirkus weiterzuziehen. Denn weiter nach Westen wollte Donna Jackson. Aber in Cripple Creek war der letzte Dollar verbraucht gewesen.

Sim schwingt sich auf den Kutschbock und setzt sich neben den Boss der Supershow.

»Na, Mr. Jackson«, sagt der Direktor, wie er sich nennen lässt, »wann hast du dir eine gute Nummer ausgedacht?«

Sim grinst, dass die Sommersprossen auf Stirn und Nase eine einzige bräunliche Fläche bilden.

»Ich bleibe erst mal bei Ma«, erwidert er. »Es ist nicht gut, wenn in diesen Zeiten 'ne Frau alleine reist.«

Ollie lächelt leicht, als er feststellt: »Das ist okay. Du wirst sie schon beschützen. Aber was ist, wenn ihr euer Ziel erreicht habt? Werdet ihr dann siedeln oder ranchen?«

Der Junge nagt an seiner Unterlippe. Er blickt auf das herrliche Land ringsherum und zieht die Schultern hoch.

»Ich weiß es nicht«, murmelt er unsicher. »Darüber haben Ma und ich noch nicht gesprochen. Aber ich würde gerne hierbleiben. Es ist schön.«

O ja, es ist wirklich schön in der Bergwildnis der Rocky Mountains. Überall gibt es Wasser genug. Douglasfichten und Drehkiefern wachsen bis zur Baumgrenze. Immer wieder leuchten sattgrüne Grasflächen zwischen den Stämmen auf. Die Blüten von Silberwurz und Gelbhonig bilden schimmernde Farbtupfer inmitten dieses Grüns.

»Das ist nichts für mich«, sagt Ollie halblaut. »Ich kann mir gar nicht vorstellen, für immer an einem Ort zu bleiben. Nach einem halben Jahr würden mir die Füße so jucken, dass ich einfach davonlief.«

Sim hat eine Antwort bereit.

»Du bist ja auch ein Zirkusmann«, meint er. »Dir liegt das Wandern im Blut.«

Bickerstaff blickt den Jungen aus den Augenwinkeln an und fragt: »Und das würde dir nicht gefallen, das Umherziehen? Du siehst eine Menge von Gottes eigenem Land.«

Der Junge lässt sich Zeit mit seiner Antwort. Er überlegt sich sorgfältig, was er sagen will.

»Was kann ich bei dir machen, Onkel Ollie?«, fragt er. »Ich kann die Tiere füttern und sauber halten. Ich kann helfen, wenn das Zelt aufgebaut wird, weiter nichts. Das ist mir nicht genug, verstehst du? Ma sagt immer, ein Mann muss was aufbauen, für sich selbst sorgen.«

Bickerstaff lächelt nicht, als er die Antwort hört. Stattdessen sagt er: »Weißt du, wie ich angefangen habe? Genauso. Zuerst half ich überall. Dann beschäftigte ich mich mit den Bären und Pumas. Und eines Tages war ich so weit, dass ich die Tiere vorführen durfte. So ging es immer weiter. Und du siehst ja selbst, was ich aufgebaut habe.«

Sim weiß es. Aber er weiß auch, dass es ein hartes Leben ist, das die Gaukler führen. Oft genug haben sie zu wenig Dollars, um satt zu werden. Denn die Tiere gehen vor.

Er will das nicht so direkt sagen. Darum schweigt er lieber.

Der schnurrbärtige Messerwerfer reitet wieder heran.

Er beachtet den Jungen gar nicht. Der ist für ihn Luft. Aber Sims Mutter interessiert Joe Pareda sehr. Sie ist die einzige Frau, die nicht mit einem Mann zusammenlebt.

»Alles frei«, sagt Joe, »wann machen wir Mittag, Boss?«

»Heute überhaupt nicht«, antwortet Ollie. »Ich will so schnell wie möglich nach Golden City. Dort haben wir Zeit genug, uns auszuruhen und zu essen.«

Missmutig reißt Pareda am Zügel. Das passt dem Messerwerfer überhaupt nicht. Aber er hält den Mund. Denn wenn er mit Ollie Bickerstaff zu hart umspringt, wird ihn der Boss rauswerfen. Und das kann Joe gar nicht gebrauchen.

Denn seine Pläne haben mit dem kleinen Wanderzirkus zu tun.

Shorty stöhnt halblaut und dreht sich um. Der Kleine spürt etwas sehr Hartes im Rücken. Ächzend versucht der Cowboy, sich aufzurichten. Es geht nicht.

»O verdammt«, murmelt er, »wo bin ich eigentlich?«

Er öffnet die Augenlider. Alles ist dunkel.

»Gestern Abend war ich noch in Golden City«, sagt Shorty mit krächzender Stimme. »Und jetzt bin ich im Bauch eines Grizzlys. Denn nur da kann es so finster sein. Wo ist denn der Dicke?«

Brazos, Shortys schwergewichtiger Freund, lässt auf einmal ein lautes Schnarchen hören.

Der Kleine zuckt zusammen, als er das sägende Geräusch dicht neben ihm aufklingt.

Brazos gibt unverständliche Laute von sich. Es knirscht, Bretter poltern durcheinander, und ein Stück Holz streift Shortys Kopf.

Mit einem Schrei springt der Kleine hoch. Sofort presst er sich beide Hände an die Schläfen.

»Menschenskinder«, jammert er, »was ist nur mit meinem Kopf los? Da hat irgendein hinterhältiger Kerl 'ne Dampfmaschine eingebaut. Das rumpelt und wummert wie 'ne Lokomotive.«

Brazos' Schnarchen verwandelt sich in ein Gurgeln. Und dann verschluckt sich der massige Cowboy an der eigenen Spucke. Ein gewaltiger Hustenanfall schüttelt den Dicken durch.

»He, wer hat das Licht ausgemacht?«, fragt er. »Es ist finster wie in 'nem Bärenhintern. Shorty, bist du irgendwo in der Nähe, du Zwerg?«

»Halt den Mund«, sagte der Kleine mit jämmerlicher Stimme, »sei doch nicht so laut.«

»Ha, da bist du ja!«, dröhnt der Dicke.

»Wenn du nicht die Klappe hältst«, droht Shorty, »stopfe ich sie dir.«

»Hohoho, womit denn?«, fragt Brazos und lacht dröhnend.

Shorty tastet umher und greift sich ein Stück Holz, das sich handlich anfühlt.

»Mit dem Knüppel hier«, sagt er böse. »Sicher liegen wir unter den Trümmern eines Saloons. Wie ich dich kenne, bist du wieder durchgedreht, als du genug hattest. Diesmal waren die Burschen sicher schlauer. Statt sich von dir durchprügeln zu lassen, sind sie einfach verschwunden. Und du hast alles zu Brennholz verarbeitet. O Mann, Brazos Rockwell lässt uns nie wieder aus dem Käfig raus.«

Jetzt ist der Bulle noch unsicher. Er kann sich noch dumpf an den Anfang der fürchterlichen Trinkerei erinnern. Aber es ging alles viel zu schnell. Auf einmal riss der Faden. Und von diesem Moment an ist in Brazos' Gedächtnis alles dunkel; so schwarz wie ihre Umgebung, in der sie aufgewacht sind.

»Mensch, Kleiner, du lässt mich doch nicht im Stich, oder?«, fragt er.

»Ich sollte es wahrhaftig«, giftet Shorty. »Aber dann bist du ja verloren.«

»Was machen wir jetzt?«

»Wir versuchen, uns freizuschaufeln«, verkündet Shorty. »Los, fang an. Ich bleibe dicht hinter dir.«

Brazos holt tief Luft, ignoriert das Klopfen in seinem Schädel und räumt Bretter und Balken zur Seite.

»Wir liegen nirgendwo drunter«, sagt er auf einmal. »Wir lagen auf 'nem Haufen Holz drauf.«

Es dauert nicht lange, bis die beiden eine Wand erreichen. Brazos tastet die Bretter ab und murmelt: »Scheint nicht sehr stabil zu sein.«

Der Bulle stemmt die Füße ein und drückt mit Händen und Oberkörper die Bretterwand nach außen.

Die beiden Cowboys kneifen die Lider zu, als grelles Tageslicht in den Schuppen fällt.

Erst ein paar Sekunden später wagen sie, die Lider wieder vorsichtig zu öffnen.

Brazos sieht sich kurz um und dröhnt: »Von wegen Saloon zertrümmert. Nichts hab' ich gemacht. Wir sind im Schuppen der Sägemühle, du übergeschnappter Zwerg.«

Shorty sieht sich um. Außer Brazos kann er keinen Menschen entdecken. Der Kleine schüttelt den Kopf. Er weiß überhaupt nicht, wie sie in diesen Schuppen geraten sind.

Aber das wird wohl für immer ein Geheimnis bleiben.

»Gehen wir«, sagt Brazos mit seiner vom Alkohol rauen Stimme, »hast du eigentlich noch die Dollars?«

Shortys Gesicht sieht auf einmal mächtig besorgt aus. Sie brachten gestern eine Ladung Fleisch nach Golden City. Dieses Mal braucht die Ranch nur wenige Vorräte. Also zahlte Jerry Multing die Ladung mit baren Dollars.

Der kleine Cowboy tastet unter seinem grünkarierten Flanellhemd auf der nackten Brust umher und atmet erleichtert auf.

»Es ist noch da«, sagt Shorty, als er das Leder des Brustbeutels zwischen den Fingern spürt.

Auch Brazos ist erleichtert. Denn sie hatten ja einen richtigen Kanonenrausch, und nur der Teufel weiß, auf welche Einfälle sie gekommen sind, als der Faden riss.

»Okay, gehen wir«, meint der große Mann. »Wir besorgen uns ein ordentliches Frühstück und machen uns dann auf den Heimweg. Aber schön langsam, damit das Gehoppel des Wagens nicht unser Gehirn durcheinanderbringt.«

Langsam marschieren die beiden Männer zur Ecke des großen Schuppens, in dem Bauholz, Bretter und Stempel für die Bergwerkstollen aufbewahrt werden.

Eigentlich könnte das Zeug ja im Freien liegen. Aber es gibt zu viele Digger hier, die zugeschnittenes Holz gut gebrauchen können.

Sie kommen bis zur Ecke.

»Ein richtiges Frühstück«, murmelt Brazos. »Mit einem Dutzend Eier, ein Pfund Speck und einem saftigen Steak.«

Er geht weiter. Für eine Sekunde passt Shorty nicht auf. Er bemerkt nicht, dass sein massiger Freund wie erstarrt stehenblieb und läuft ihm gegen den Rücken.

»Was ist denn, Dicker?«, will der Kleine wissen. »Hat dich der Schlag getroffen oder steht der Barkeeper vor dir und zeigt die die Rechnung von gestern Abend?«

Brazos rührt sich nicht.

Shorty wird die Sache zu dumm. Er schafft es nicht, den Bullen zur Seite zu schieben, und darum streckt der Kleine den Kopf an Brazos' Arm vorbei und schnappt erschrocken nach Luft.

Denn genau vor ihnen stehen vier Pumas und starren die beiden an.

»Bleib hinter mir«, raunt der massige Mann, und diesmal ist seine Stimme so leise, dass Shorty wirklich kaum etwas versteht. »Gib mir deinen Colt. Wenn ich mich bewege, hüpfen sie mir auf die Figur.«

Shorty holt vorsichtig den Revolver aus dem Holster, spannt den Hahn und drückt dem Dicken den Colt in die Rechte.

Das metallische Schnappen des einrastenden Hahns hatte die Köpfe der Raubkatzen herumzucken lassen.

»Hoffentlich erwische ich wenigstens zwei sofort«, murmelt Brazos zwischen den zusammengebissen Zähnen heraus. »Sonst sehe ich mächtig schwarz.«

Langsam hebt er die Waffe. Inch für Inch lässt er den Arm hochgleiten. Er ist kein Revolvermann wie Chet Quade. Der würde aus der Hüfte feuern und alle vier Pumas erwischen.

Brazos ist ein Cowboy, ein Mann der Weide, der harten Arbeit. Wie fast alle Weidereiter kann er mit dem Revolver verdammt gut umgehen, aber für blitzschnelle Schnappschüsse reicht es nicht. Hat er Zeit zum Zielen, schießt er aus einem As das Herz auf zwanzig Schritt Entfernung raus.

Aber das sind keine vier Asse vor ihm. Das sind vier der gefährlichsten Tiere Nordamerikas.

Jetzt hat der Dicke den Colt in Augenhöhe. Die Biester rühren sich nicht. Sie beobachten die beiden Männer aufmerksam.

Brazos hat das Gefühl, dass sie genau wissen, was passieren wird.

Er will abdrücken.

Ein Schwirren in der Luft lenkt ihn ab. Licht reflektiert von Metall. Ein Dolch senkt sich in rasendem Wirbel und schlägt in die Bretter des Schuppens ein.

Die Pumas rühren sich nicht.

Vor Schreck reißt Brazos durch. Er stößt einen wilden Fluch aus, denn die Kugel saust harmlos in den Himmel.

Als der Dicke aber wieder zu den Raubkatzen schaut, fällt ihm der Unterkiefer herab.

Einer der Pumas liegt auf dem Boden und rührt sich nicht mehr!

»Das, d-das gibt es nicht«, stößt Brazos hervor.

Er holt tief Luft und spannt den Hahn. Die nächste Kugel muss im Ziel sitzen. Sonst ist es aus. Denn es kann nur noch Sekunden dauern, bis die anderen drei Pumas angreifen.

Schritte klingen auf. Ein Mann rennt, so schnell er kann. Und dann biegt er um die Ecke, sieht den Puma, den riesigen Fremden und brüllt laut: »Du verdammter dicker Narr! Hast du King erschossen?«

»Nein Ollie«, sagt eine geschmeidig klingende Stimme, »ich habe ihn abgelenkt. Als ich ein Messer warf, verriss der Bursche den Schuss.«

Brazos blinzelt und versteht überhaupt nichts mehr.

Aber Shorty ahnt etwas. Er nimmt seinem Freund den Colt aus der Hand und ersetzt die verschossene Kugel, bevor er die Waffe holstert.

»Heee, und wenn sie jetzt durchdrehen«, protestiert Brazos.

Der kleine, breitschultrige Bursche vor dem Dicken streckt angriffslustig den Kopf vor.

»Mister, wenn ich durchdrehe«, sagte er, »nutzt Ihnen auch der Colt nichts mehr. Und wenn eine meiner Katzen auch nur 'nen Kratzer hat, dann drehe ich durch.«

»Sie sind zahm, Dicker«, sagt Shorty sanft. »Verstehst du, Brazos, dieser Mister hat die vier Pumas gezähmt.«

Brazos schüttelt den Kopf. Er kann es kaum fassen.

Der untersetzte Fremde lächelt, als er die Verwirrung des schweren Cowboys sieht.

»Mein Name ist Oliver Bickerstaff«, stellt er sich vor. »Ich bin der Direktor von Ollies Supershow. Die Pumas und die Schwarzbären führe ich selbst heute vor. Joe Pareda ist mein Messerwerfer. Die erste Vorstellung findet heute Abend statt. Der Eintritt kostet einen Dollar, Gentlemen. Ich hoffe, ich sehe Sie heute Abend.«

Der untersetzte Mann wendet sich seinen Katzen zu und ruft: »Los, auf, hopp, der Spaß ist vorbei. Zurück mit euch.«