Skull-Ranch 124 - Dan Roberts - E-Book

Skull-Ranch 124 E-Book

Dan Roberts

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Beschreibung

In den Rocky Mountains regiert Lester Ashcroft, der Silberking, mit eiserner Faust. Wie Sklaven schuften die drei Dutzend Männer, die er mit falschen Versprechungen lockte, in seiner Todesmine. Jede Unze Silber hat Blut und Schweiß gekostet. Und bislang ist es niemandem gelungen, dieser Hölle lebend zu entkommen ...
Als Cowboys von der Skull-Ranch in den Bergen einen furchtbar zugerichteten Verwundeten finden, kommen sie dem King der Todesmine auf die Spur ...


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Inhalt

Cover

Die Todesmine

Vorschau

Impressum

Die Todesmine

von Dan Roberts

In den Rocky Mountains regiert Lester Ashcroft, der Silberking, mit eiserner Faust. Wie Sklaven schuften die drei Dutzend Männer, die er mit falschen Versprechungen lockte, in seiner Todesmine. Jede Unze Silber hat Blut und Schweiß gekostet. Und bislang ist es niemandem gelungen, dieser Hölle lebend zu entkommen.

Als Cowboys von der Skull-Ranch in den Bergen einen furchtbar zugerichteten Verwundeten finden, kommen sie dem King der Todesmine auf die Spur...

Jimmy Twodance grinst, dass die Sommersprossen auf seiner Nase zu tanzen scheinen. Der junge Cowboy weiß nicht, was mit ihm los ist. Auf jeden Fall fühlt er sich rundherum zufrieden.

Der Frühling steckt ihm in den Knochen.

Er reitet zwischen Brazos und Shorty. Die beiden unzertrennlichen Freunde haben genau wie die anderen Männer der Skull Crew den harten Winter im Bluegrass Valley gut überstanden. Obwohl die Reiter der Stamm-Mannschaft jetzt schon den vierten oder fünften Winter im weiten Blaugrastal erlebt haben, sind sie doch immer froh, wenn die Sonne stärker wird, wenn der Schnee schmilzt und die weiße Pracht dem ersten zarten Grün des Frühlings weicht.

Denn Shorty, Brazos, Doc Smoky und auch John Morgan, der Boss, sind Männer des Südens.

Sicher, in Nordtexas ist der Winter auch hart. Wenn der eisige Blizzard über die brettflache Prärie sägt und eine Wand aus Schnee und Eis vor sich herschiebt, wickeln sich die Cowboys auch dort enger in ihre Kleidung.

Aber zum Ausgleich sind die Sommer länger, heißer und trockener.

»Männer, wir müssen den alten Smoky auf Trab bringen«, dröhnt Brazos auf einmal.

Shorty und Jim sehen den Bullen fragend an.

Der Dicke grinst und fährt fort: »Gestern, als sich der Alte im Hühnerstall rumgetrieben hat, habe ich seine Whiskyvorräte nachgezählt. Doc Smoky besitzt nur noch ein Dutzend Schraubgläser mit dem kostbaren Saft. Es wird Zeit, dass er seine Brennerei anwirft.«

Shorty verzieht sein Gesicht zu einer ungläubigen Maske und fragt: »Wo sind denn die zwanzig Gallonen Whisky geblieben, die unser guter Smoky als Vorrat gebrannt hat?«*

Brazos kratzt sich unter dem Hut am Kopf. Der schwere Cowboy, der einer der besten Rindermänner ist, schielt zu Shorty, seinem kleinen Freund.

»Nun«, sagt der Dicke zögernd, »immerhin war es ein harter Winter. Du kannst ja nicht viel vertragen, aber ein Mann wie ich braucht schon eine Menge, um innerlich warm zu bleiben.«

Shorty starrt seinen Freund an und schüttelt den Kopf. Jimmy Twodance hat den richtigen Einfall und sagt: »Vergiss nicht, dass Big Nose zweimal mit seinen Wolfskriegern bei uns war.«

Shorty forscht nicht weiter nach. Er weiß, dass der Chief der Kiowa kaum Alkohol verträgt. Und er weiß auch, dass er seine Krieger möglichst vom Schnaps fernhält. Also kann Big Noses Besuch nichts mit dem Verschwinden von Doc Smokys Selbstgebranntem zu tun haben.

Brazos schaut weiterhin unschuldig durch die Gegend. Auch der Bulle freut sich über den Frühling.

Es war wirklich ein harter Winter; so hart, dass Big Nose nicht wagte, ausreichend Rinder zu stehlen, sondern John Morgan um Hilfe bat. Dieses Mal hatte der Medizinmann des Stammes versagt. Bisher waren seine Voraussagen über Stärke und Dauer des Winters immer eingetroffen. Aber dieses Mal hatte sich der Schamane verschätzt.

Rancher John Morgan half gerne. Denn er weiß, dass die Ranch und die Indianer aufeinander angewiesen sind. Zum Dank hielten die Krieger des Stammes die Banditen der Diggercamps fern, die im Winter in den Rindern des Bluegrass Valleys leichte Beute sahen.

Brazos grinst behaglich. Er denkt an die langen Nachmittage und Abende, an denen sie gemütlich im Bunkhouse zusammensaßen, Kaffee mit Whisky tranken und Doc Smokys endlosen Geschichten lauschten. Der alte Koch ist einer der besten Erzähler, die es gibt. Aber die meisten seiner Storys sind erfunden. Wenn nur ein wenig Wahrheit darin enthalten ist, bläst der eisenharte Oldtimer diese Tatsachen zu einer gigantischen Erzählung auf, in der er meistens die Hauptrolle spielt.

Aber der Winter ist vorbei.

Die Bäche treten über die Ufer, überschwemmen das fruchtbare Land und tränken das Bluegrass, dessen wunderbare Eigenschaften Pferde und Rinder zu Prachtexemplaren heranwachsen lässt.

Nur auf den höchsten Gipfeln der Rocky Mountains liegen noch weiß glänzende Schneekappen.

Die drei Cowboys reiten nach Norden, in den äußersten Zipfel des langen Tales, das John Morgan einst in Besitz nahm. Es gilt, die Canyons und Hohlwege nach Longhorns abzusuchen, die Tiere den Herden zuzuführen, damit sie nicht zu Einzelgängern werden und verwildern.

»Es ist doch 'ne verdammt große Menge«, murmelt Shorty halblaut. »Mann, fast zwanzig Gallonen Schnaps während des Winters. Damit kann man ja einen ganzen Indianerstamm ausrotten.«

Brazos wendet den Kopf, sieht den Kleinen unfreundlich an und sagt: »Ich trinke zehn Indianerstämme unter den Tisch, du Zwerg. Was kann ich dafür, dass du nichts verträgst? Wenn du nur an einem Whisky riechst, verbiegen sich schon deine Augen. Und schnupperst du an einem Bier, wirst du bewusstlos und fällst in das Glas. Würde ich dich nicht regelmäßig vorm Ertrinken retten, kämen wir endlich ohne dich aus.«

Shorty grinst nur. Er will seinem Freund das Trinken nicht versauern. Bedenken hat der Kleine nur dann, wenn Brazos zu viel einfährt. Dann kann es nämlich passieren – wie schon oft in der Vergangenheit – dass Brazos einen Saloon zu Brennholz zerlegt.

»Schaut mal dort«, sagt Jimmy Twodance.

Er deutet mit ausgestrecktem Arm genau nach Norden. Eine Reitergruppe zieht ostwärts. Die Männer lassen die Pferde ganz langsam gehen.

»Kiowa«, sagt Brazos, der mit zusammengekniffenen Lidern gegen die weiß reflektierenden Schneefelder blickt, die sich von den Hängen der Berge herabschieben.

»Reiten wir hin?«, fragt Shorty.

»Natürlich, was denn sonst?«, erwidert der Bulle.

Er presst seinem mächtigen Pferd die Absätze in die Flanken. Das schwere Tier fällt in einen raumgreifenden Galopp. Shorty und Brazos geben ihren Pferden ebenfalls die Zügel frei.

Die Indianer verhalten ihre Tiere. Sicher haben die Kiowa die Cowboys schon bemerkt. Aber was transportieren die Kämpfer des Stammes so behutsam zu ihrem Dorf, das nordöstlich des Tales liegt?

Minuten später verhalten die drei Weißen ihre Pferde vor Big Nose, der auf seinem Apfelschimmel eine Länge vor seinen Wolfskriegern sitzt. Die Wolfskrieger sind die Elite des Stammes, die Leibgarde des Chiefs, so etwas wie die besten Kämpfer, die auch eine Art Ordnungsfunktion beim Stamm haben.

»How, Brazos, Shorty, Jimmy«, sagt Big Nose ernst.

Der Häuptling trägt seinen Namen zu Recht. Die Nase ist riesig, ein mächtiger Zinken, der bei manchen Gelegenheiten zuckt, als führe er ein Eigenleben.

Den richtigen Namen des Chiefs kennt niemand, nicht mal seine eigene Frau. Denn der wahre Name ist einem Krieger heilig. Erfährt ein Feind ihn, so kann er böse Medizin machen und den Träger des Namens so verfluchen, ihm alle Kraft rauben und sterben lassen.

»How, Big Nose«, antworten die drei Reiter der Skull-Ranch.

Sie blicken auf den Travois, die Schleppbahre, der hinter einem kräftigen Pferd mit den Enden über den Boden schleift.

Die Cowboys schlucken trocken. Sie verspüren ein merkwürdiges Gefühl, als sie den eingeschrumpft wirkenden Kopf des Indianers sehen, der auf der Bahre liegt. Der Krieger steht kurz vor dem Hungertod. Die Haut spannt sich wie Pergamentpapier über die Knochen, die scharfkantig hervortreten. Der Mann ist bewusstlos. Seine Lider sind geschlossen, und die Decken über seinem Brustkorb heben sich nur schwach unter den kaum merklichen Atemzügen.

Brazos räuspert sich und fragt überraschend leise mit belegter Stimme: »Was ist denn mit dem passiert?«

Big Nose hebt nach Art der Weißen beide Hände und zieht die Schultern hoch.

»Niemand weiß es«, antwortet der Häuptling, »aber wir finden es heraus, Brazos. Der gelbe Puma ritt vor Beginn des Winters nach Norden. Er sollte bei Vettern des Stammes einen Pferdehandel besprechen. Seitdem haben wir nichts mehr von ihm gehört.«

»Wo habt ihr ihn gefunden?«, will Shorty wissen. »Es muss doch Spuren geben. Irgendwo muss sich der Mann doch aufgehalten haben.«

Big Nose lächelt düster, als er antwortet: »Nichts, mein kleiner Freund. Der Samen des Winters hat alles fortgewischt, als er zu Wasser wurde. Wir fanden gelben Puma, als wir jetzt selbst zu unseren Vettern reiten wollten. Er lag in einer Felsnische und war so gut wie tot. Wir haben ihn daran gehindert, in das Tal des Bären zu wandern. Der Medizinmann wird ihn wieder gesund machen.«

Shorty sitzt auf Rosinante, dem knochigen Pferd, das der Kleine einst von Big Nose als Dank zum Geschenk bekam. Der kleine Cowboy hatte dem Chief mal einen Gefallen getan. Zuerst dachte Shorty natürlich an offenen Hohn, als er die hässliche Stute sah. Aber Rosinante ist das beste Pferd, das der Kleine jemals unter dem Sattel hatte.

Und jetzt geht das knochige Tier ein paar Schritte vor, senkt den Kopf und zieht dicht über dem Körper des bewusstlosen Kiowa die Luft ein.

Ein klagendes Wiehern, leise, wie unter Schmerzen, stößt das Pferd aus. Mit gesenktem Kopf bleibt es stehen.

Big Nose lächelt düster und sagt: »Gelber Puma hat dein Pferd großgezogen Shorty. Er war sein erster Herr.«

»Wenn der Krieger nicht zu schwach ist, kommt er schon wieder auf die Beine«, sagt Brazos. »Ihr dürft ihm nur nicht zu viel auf einmal zu essen geben.«

Big Noses schwarze Augen blicken leer, wie tot. Der Chief schaut nach Norden, in Richtung des Winters.

»Es ist nicht nur der Hunger«, sagt der Chief. »Gelber Pumas Rücken ist eine einzige Narbe, eine Wunde von Peitschenhieben. Und seine Hände sehen aus, als hätte er lange Zeit im Gestein gearbeitet. Mehr weiß ich nicht. Aber ihr seid unsere Freunde. Ich erzähle euch, wenn Gelber Hund geredet hat.«

Der Häuptling hebt die Rechte und reitet an. Die Wolfskrieger bringen ihre Tiere in den Schritt. Langsam gehen die Pferde auf das Dorf der Indianer zu.

»Da ist was faul«, sagt Shorty, der hinter den Kiowa herschaut.

»Mehr als faul«, grollt Brazos Stimme, »ich möchte nur wissen, wer den Krieger so zugerichtet hat. Ich würde ihm den Schädel knacken, als sei er 'ne taube Nuss.«

Die Cowboys reiten weiter. Sie haben ihre Aufgabe. Aber während des Rittes unterhalten sie sich über den Kiowa, den seine Stammesgefährten den Gelben Puma nennen.

»Seht euch das mal an!«, ruft Jimmy Twodance, als die Sonne ihren höchsten Stand erreicht hat.

Der junge Cowboy schaut sich um. Brazos und Shorty reiten links und rechts von ihm, sind aber jeder gut zwei Dutzend Pferdelängen entfernt. Sofort bringen die beiden ihre Tiere in Jimmys Richtung. Der sommersprossige Weidereiter verhält sein Pferd und blickt zu Boden.

Jims Gesicht wirkt gar nicht mehr freundlich und lustig. Ein harter Schatten hat sich über seine Züge gelegt.

Shorty pfeift schrill, als er die Fährten sieht.

»Mindestens sechzig Rinder«, sagt Brazos grimmig, »na, denen werden wir mal auf den Pelz rücken.«

»Den Rindern?«, erkundigt sich Jimmy.

»Den Rustlern, du Narr«, erwidert der Bulle, »oder denkst du, wir lassen uns ungestraft eine kleine Herde abnehmen?«

Jim schüttelt den Kopf. Shorty leitet Rosinante in immer größeren Kreisen um die zerwühlte Erde herum und sitzt schließlich ab. Das knochige Pferd bleibt stehen, als sein Reiter zu Fuß weitergeht. Shorty ist am Boden ein kurzgewachsener, krummbeiniger Bursche, aber er steht zu Fuß genauso seinen Mann wie im Sattel.

»Vier Reiter waren es!«, ruft der Kleine.

»Damit werden wir fertig«, grollt Brazos. »Die Kerle können nur ungefähr zehn oder zwölf Stunden Vorsprung haben. Los, hinterher.«

Nebeneinander folgen die Cowboys der deutlich sichtbaren Fährte. Die Rustler haben die Longhorns in einen der schmalen Canyons getrieben, die im nördlichen Gebiet des Bluegrass Valleys in alle Himmelsrichtungen verlaufen. Diese Schluchten durchziehen das gesamte Gebirge im Norden des Tales. Schon oft mussten die Weidereiter Rinderrudel aus diesen Canyons holen. Mehr als ein Jungstier versuchte schon, sich in einem der Einschnitte einen eigenen Harem aufzubauen.

Die Fährte bleibt deutlich. Shorty sieht seine Waffen nach. Jimmy blickt den erfahrenen Cowboy an und folgt dessen Beispiel.

»Sie haben schnell getrieben«, sagt Jim. »Die Kerle hatten's eilig. Holen wir sie heute noch ein?«

Brazos schnaubt und erwidert: »Darauf kannst du dich aber verlassen, Jimmy. Und wenn die verdammten Rustler den Rindern die Schwänze anbrennen damit sie galoppieren, wir holen sie ein und nehmen ihnen die rennenden Steaks wieder ab.«

Shorty lacht meckernd, bevor er ruft: »Ich möchte nur wissen, wohin sie die Longhorns treiben. Nach Gushole und Hotdog City führen diese Canyons auf keinen Fall. Sie enden irgendwo in den Bergen.«

»Vielleicht gibt's so was wie 'nen Viehmarkt in den Rockies«, meint Jim. »Digger und Siedler aus der ganzen Umgebung kommen dahin und kaufen die guten Bluegrass-Rinder.«

»Ich schlage allen die Köpfe ein«, sagt Brazos grimmig, »die auch nur ein Horn von John Morgans Viechern verkaufen.«

Es wird später Nachmittag. Die Sonne steht schon weit im Westen, und die linke Seite des schnurgerade nach Norden verlaufenden Canyons liegt schon im Schatten.

Aus den Gelbkiefern lösen sich zwei Häher, steigen auf und stoßen ihre Warnschreie aus.

Shorty flucht unterdrückt.

»Wenn die Rustler Wächter zurückgelassen haben«, sagt der Kleine, »sind sie jetzt schon gewarnt. Verdammte Häher.«

Jimmy blickt zum Himmel hinauf, der sich in strahlendem Blau über die Berge spannt. Ein dunkler Punkt kreist in großer Höhe. Jetzt fällt der Vogel wie ein Stein herab. Sekunden später schrillt der Angstpfiff eines Waldmurmeltiers durch den Canyon. Der Goldadler hat seine Beute geschlagen.

»Sie haben keine Posten hinter der Herde reiten«, sagt Jimmy überzeugt.

Shorty und Brazos nicken. Sie haben den Adler gesehen. Er würde niemals zustoßen, wenn Menschen in der Nähe sind.

Die Schlucht wird immer enger. Zu beiden Seiten ragen die Wände steil und glatt in die Höhe. Kaum ein Vorsprung unterbricht das Gestein. Hier und da klammern sich Krüppelkiefern in Spalten fest, in die der Wind Erde hineingeweht hat.

»Bald hört die Fährte auf«, prophezeit Shorty düster. »Der Canyon wird immer enger.«

»Sicher, die Rinder haben sich dann Flügel wachsen lassen und sind statt zu laufen davongeflogen«, spottet Brazos.

Shorty schaut seinen Freund giftig an, antwortet aber nicht.

Der Kleine behält recht. Nach etwas mehr als einer Meile endet der Canyon blind. Eine gewaltige Geröllhalde, die mehr als fünf Yards hoch ist, versperrt den Weg.

»Na, vielleicht stimmt das mit den Flügeln wirklich«, sagt Shorty, als er auf die Hufspuren deutet.

Vor der Barriere ist der Boden zerstampft, als hätten dort tausend Longhorns herumgetrampelt.

Brazos Gesicht ist sehenswert. Er starrt lange auf die Fährte, die aufgetürmten Steine und schaut dann zum Himmel. Aber der Dicke schüttelt den Kopf. Es muss einen Trail geben, den die gehörnten Tanten genommen haben. Sie können sich nicht einfach in Luft aufgelöst haben oder davongeflogen sein.

»Ich hab's«, sagt Jimmy plötzlich.

Erwartungsvoll sehen ihn Shorty und Brazos an.

»Die kräftigsten Rinder haben sich hier unten aufgestellt«, erklärt Jimmy todernst, »und die anderen sind über sie drüber geklettert. Oben auf der Kuppe der Halde haben sie sich aufs Hinterteil gesetzt und sind auf der anderen Seite runtergerutscht.«

Shorty atmet pfeifend aus. Brazos Gesicht verfinstert sich. Aber dann grinst er und fragt: »Wo sind denn die kräftigen Rinder geblieben, Jimmylein?«

Der sommersprossige Cowboy macht eine großzügige Handbewegung und fährt fort: »Die haben einen gewaltigen Anlauf genommen und sind rüber gehüpft.«

»Er hat zu lange bei Doc Smoky gehockt und seine Lügengeschichten angehört«, sagt Brazos traurig. »Unser Jimmy ist genauso ein verdammter Lügner geworden wie der Pfannenschwenker. Shorty, es wird Zeit, dass wir uns 'nen anderen Job suchen. Zwei Kerle, die pausenlos dumme Geschichten erzählen, das halte ich nicht aus.«

Der Kleine hörte gar nicht richtig zu. Er lenkt Rosinante bis dicht vor die Geröllbarriere und mustert aufmerksam die Spuren. Irgendwo muss es einen Durchgang geben. Ganz bestimmt haben sich die Longhorns nicht in Luft aufgelöst, und ganz sicher sind sie nicht über den gewaltigen Steinhaufen geklettert.

Shorty sitzt ab, kauert sich auf die Hacken und nimmt einen kopfgroßen Stein auf, den er zur Seite wirft. Nachdenklich betrachtet der Kleine die Lücke, bevor er weitere Brocken wegräumt. Auf einmal springt er auf, bückt sich und wühlt wie ein Wilder.

Brazos stiert seinen Freund an, als sei Shorty ein Kalb mit zwei Köpfen.

»Verrückt geworden«, sagt der Dicke leise zu Jimmy und tippt sich mit dem Finger an die Schläfe, »das hat sein armes kleines Gehirn nicht ausgehalten. Er ist übergeschnappt. Armer Shorty, hoffentlich taugt er auf der Ranch noch zum Wasserholen.«

»Meinst du, der Boss behält ihn?«, erkundigt sich Jimmy laut. »So ein übergeschnappter Bursche kann doch ganz plötzlich gefährlich werden, oder nicht?«

Brazos kratzt sich nachdenklich hinter dem Ohr.

»Tja, kann schon sein«, meint der Bulle, »aber bei so einem Hänfling wie Shorty, braucht man nur drauf zu achten, dass er kein Messer oder so was in die Finger bekommt. Dann genügt es, wenn du ihm 'nen vollen Wassereimer über den Kopf stülpst. Erst wird es nass, dann dunkel, das hält so ein matschiges Gehirn nicht aus.«

Jimmy Twodance lacht auf einmal laut los. Shorty dreht sich um. Giftig sieht er zu den beiden Freunden hinüber.

»Was lachst du so?«, fragt Brazos.

»Ich stelle mir nur vor, wie er sich anhört, wenn er unter dem Eimer losbrüllt«, antwortet Jimmy.

Brazos lacht dröhnend auf. Er blickt zu Shorty, und das Lachen des massigen Cowboys erstirbt wie abgeschnitten.

Auch Jimmy wendet den Kopf und verstummt abrupt.

Denn der Kleine hat gut zwei Quadratyard Steine abgeräumt und grinst triumphierend. Ein schräges Brettergestell, gut anderthalb Yards breit, steht in der Geröllbarriere.

»Nun, wer ist verrückt geworden?«, erkundigt sich Shorty.

Mitleidig betrachtet er Brazos und Jim, die verwundert grinsen.

»Ihr seid die Dummköpfe«, plustert sich Shorty auf. »Ihr habt so wenig Gehirn, dass ihr eigentlich verhungern müsstet. Denn ihr seid zu dumm zum Essen. Ich habe nachgedacht. Mann, es ist doch klar, dass die Rinder nicht geflogen oder zurückgerannt sind. Die Felswände sind zu steil. Es gibt nur einen Weg: über oder durch die Barriere.«