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Mit stampfenden Rädern rollt der Zug der Denver & Rio Grande Railway durch die Rocky Mountains. John Morgan ist von Fort Collins unterwegs nach Denver.
Noch ahnt der Boss der Skull-Ranch nicht, dass es eine Höllenfahrt werden wird, denn in einem der Waggons befindet sich ein Gefangenentransport. Roddy Holcomb, der berüchtigte Bandenchef, und zwei seiner Kumpane sind auf dem Weg nach Denver, wo der Galgen bereits auf sie wartet. Aber ein Mann wie Halcomb gibt dem Henker keine Chance ...
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Seitenzahl: 142
Veröffentlichungsjahr: 2024
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Höllenfahrt nach Denver
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Impressum
Höllenfahrt nach Denver
von Dan Roberts
Mit stampfenden Rädern rollt der Zug der Denver & Rio Grande Railway durch die Rocky Mountains. John Morgan ist von Fort Collins unterwegs nach Denver.
Noch ahnt der Boss der Skull-Ranch nicht, dass es eine Höllenfahrt werden wird, denn in einem der Waggons befindet sich ein Gefangenentransport. Roddy Holcomb, der berüchtigte Bandenchef, und zwei seiner Kumpane sind auf dem Weg nach Denver, wo der Galgen bereits auf sie wartet. Aber ein Mann wie Halcomb gibt dem Henker keine Chance...
Dampf zischte aus den Ventilen der schweren Lokomotive.
John Morgan lehnte in dem Winkel zwischen Sitzbank und Außenwand des Wagens.
Bald wird es losgehen, dachte der Rancher zufrieden. Er hatte sich den Hut über das Gesicht geschoben und hielt die Lider geschlossen. Er war froh, die Strecke von Fort Collins nach Denver mit der Bahn fahren zu können. Denn der Ritt zur Skull-Ranch zurück führte durch die Rockies und würde noch lange genug dauern.
Morgans Pferd stand in einem Güterwagen. Zufrieden dachte der Boss der Skull darüber nach, welchen Erfolg er gehabt hatte.
In Zukunft brauchten die Cowboys nicht mehr jedes Jahr eine Herde nach Kansas, nach Dodge City zu bringen. Die Kavallerie im Norden des Territoriums kaufte Rinder und Pferde. Die Kommandeure wollten nicht nur die Soldaten damit versorgen, sondern auch die Fleischzuteilung für die Indianer besser organisieren.
Morgan schlief nicht. Er döste und hoffte einzuschlafen, wenn der Zug erst mal rollte.
Irgendwo knallte eine Wagentür ins Schloss. Ein Mann fluchte laut und rief: »Seht zu, dass ihr gesund zurückkommt, Leute. Geht kein Risiko ein.«
Ein greller Pfiff klang draußen auf. Der Lokführer ließ die Signalpfeife aufschrillen. Schwer stampfte die Maschine, und ratternd setzte sich der Zug in Bewegung.
Im Wagen war es ziemlich still. Der Maschinist gab mehr Dampf. Schneller und schneller rollte der Zug dahin. Die letzten Häuser von Fort Collins blieben zurück.
Morgan veränderte seine Haltung nicht. Er saß mit dem Rücken zum ersten Wagen, in dem die Eisenbahner ihr Dienstabteil hatten. Eine Tür klappte. Stiefelabsätze knallten auf den Boden.
Morgan spürte, dass er beobachtet wurde, rührte sich jedoch nicht.
»Mister, ich will nicht unhöflich sein«, sagte ein Mann, »aber ich hätte gern Ihren Colt.«
Morgan nahm mit der Rechten den Hut vom Gesicht und blinzelte einen Moment in das gelbliche Licht der Kerosinlampen, die den Wagen erhellten.
Prüfend musterte der Rancher den Mann, der im Gang zwischen den Sitzbankreihen stand.
Er war noch jung, vielleicht Mitte der zwanzig. Trotz dieses geringen Alters ging etwas von dem Burschen aus, das erfahrene Männer zur Vorsicht gemahnte.
Er wirkte hart und unbeugsam. Seine ganze Haltung drückte aus, dass er von sich überzeugt war und seine Fähigkeiten genau einzuschätzen wusste.
»Sonst fehlt Ihnen nichts?«, erkundigte sich der Rancher gleichmütig. »Wie kommen Sie auf die Idee, dass ich meinen Colt abgeben würde?«
Der Fremde seufzte, schlug die ärmellose Lederweste zurück und zeigte Morgan den Stern eines Deputy-Sheriffs.
»Das genügt nicht«, sagte John. »Wir leben in einem freien Land. Ich behalte meinen Revolver, Mister.«
Er schob sich den Hut wieder übers Gesicht.
»Moment bitte«, sagte der Deputy, »wir haben im ersten Wagen Roddy Holcomb und zwei seiner Kerle. Sagt Ihnen das etwas?«
Morgan schob den Hut zur Seite und nickte. Ja, er hatte in Fort Collins von diesem Mann gehört. Er war einer der übelsten Schufte, die im letzten halben Jahr Colorado heimgesucht hatten.
Holcombs Bande war sehr erfolgreich gewesen. Mehr als zwei Dutzend Überfälle gingen auf ihr Konto. Alleine dreimal hatten die Halunken die Anschlussstrecke der Railway überfallen. Von Holdups auf Postkutschen und Banken ganz zu schweigen.
»Was habe ich mit diesem Banditen zu schaffen?«, erkundigte sich John.
Seufzend erwiderte der Deputy: »Wahrscheinlich nichts, Mister. Aber ich möchte jedes Risiko ausschalten. Der Zug hat vier Waggons. Zwanzig hartgesichtige Männer fahren mit. Ich verwette meinen Hut, dass ein paar der Passagiere zu Holcomb gehören. Darum will ich die Waffen einsammeln und nach vorne bringen. In Denver erhalten Sie Ihren Colt zurück.«
Nachdenklich musterte Morgan den Deputy. Er schien von seinen Worten überzeugt zu sein und würde sicher alles daransetzen, sämtliche Waffen unter Verschluss zu bekommen.
Stiefel scharrten über den Boden. Ein Mann stand auf, sah auf John hinab und sagte mit rauer Stimme: »Mann, geben Sie schon Ihren Colt ab. Holcomb und seine Kerle gehören zu den wildesten Teufeln, die Sie sich vorstellen können. Ich verstehe, dass der Sheriff kein Risiko eingehen will.«
Der Bursche schnallte seinen Waffengurt auf und reichte ihn dem jungen Deputy, der sich das Leder über den linken Arm legte.
Morgan passte das alles nicht. Unschlüssig dachte er daran, sich endgültig zu weigern. Er verspürte eine Unruhe in sich, die er noch nicht zu erklären vermochte.
»Wenn es wirklich heiß wird«, sagte er zu dem Sternträger, »sind Sie vielleicht auf einen guten Schützen angewiesen.«
Der Deputy lächelte hart und sparsam. Sorgfältig studierte John das Gesicht des Mannes und kam zu dem Schluss, dass dem Gesetzeshüter Erfahrung fehlte.
Er schien etwas zu selbstsicher, rechnete überhaupt nicht mit Ärger. Trat er doch ein, würde er schon alleine damit fertig werden.
Morgan zog den Colt, warf ihn hoch und fing ihn am Lauf wieder auf. Der Rancher hielt dem Deputy die Waffe entgegen. Aus leicht zusammengekniffenen Lidern sah er die abgewetzten Griffschalen an und fragte halblaut: »Sie sind kein Anfänger mehr, stimmt's, Mister?«
»Ich kann mit meiner Waffe umgehen«, erwiderte Morgan. »Und passt mir nicht, dass ich jetzt schutzlos hier sitze.«
»Was ist mit Ihrem Gurt?«, wollte der Sternträger wissen.
John richtete sich auf, blickte den Mann scharf an. Die pulvergrauen Augen des Skullbosses, sein Gesicht und seine Stimme strahlten Autorität aus als er erwiderte: »Jetzt reicht's, Deputy. Sie können gehen.«
Der junge Mann hatte Mühe, nicht zusammenzuzucken. Er schien diesen Tonfall schon zu kennen, denn er ging sofort weiter und sammelte die Waffen der übrigen Fahrgäste ein.
Nur einmal gab es Schwierigkeiten. Ein Betrunkener wollte sich auf keinen Fall von seinem Revolver trennen. Starrsinnig beharrte der nach Whisky stinkende Kerl darauf, dass ein Mann in einem freien Land das Recht besitze, eine Waffe tragen zu dürfen.
Abermals griff der Kerl mit der rauen Stimme ein und brachte den starrköpfigen Burschen dazu, seinen Colt rauszurücken.
Morgan stülpte sich den Filz wieder übers Gesicht und schloss die Lider. Er dachte über diesen Kerl nach, der so daran interessiert war, dem Sternträger zu helfen.
Welchen Grund hatte der Mann?
John fühlte, dass etwas auf ihn zukam, witterte die Gefahr und den Verdruss förmlich und beschloss, so wachsam wie möglich zu sein.
Während der Deputy den Wagen verließ, überlegte sich der Rancher, wie die Kumpane des Bandenführers ihren Boss wohl befreien könnten. Selbst wenn Angehörige der Outlaws im Zug saßen, mussten sie doch ihre Waffen abgeben, wollten sie nicht auffallen.
Also erfolgte die Aktion von außen. Wo bestand die Möglichkeit, den Zug gefahrlos anzuhalten und zu stürmen?
Morgan fiel die Steigung vor den Rockies ein. Auf der Fahrt von Denver nach Fort Collins hatte er eine Wasserpumpe gesehen. Vor ein paar Tagen war der Zug vorbeigerauscht. Es ging bergab. Sicher hatte der Maschinist genug Wasser im Kessel gehabt. Aber jetzt, auf der Rückfahrt, würde er dort vielleicht anhalten, um zu tanken. Denn die Steigung erstreckte sich über ein langes Stück und führte ziemlich steil bergauf.
John stand auf, hielt sich an einem Haltegriff fest, als der Zug in eine Kurve fuhr und ging langsam auf die Tür des ersten Wagens zu.
Der Rancher spürte die misstrauischen Blicke der übrigen Passagiere.
Hatte er sich doch zuerst geweigert, seinen Colt abzugeben! Und jetzt marschierte er auf den Dienstwagen der Eisenbahner zu, in dem die Gefangenen hockten!
John klopfte und wartete. Nach langer Zeit schwang die Tür einen Spalt weit auf. Morgan starrte in eine Coltmündung.
»Was ist los, Mann? Verschwinde, wir haben Ärger genug«, sagte der Bursche, der die Waffe hielt.
»Ich möchte mit dem Deputy reden«, erwiderte der Rancher ruhig.
»Ich bin Scott Tilton«, sagte der andere, »der zweite Deputy. Mein Kollege Josh sammelt noch Colts ein. Was wollen Sie?«
Morgan dachte, dass der Bursche verdammt unhöflich war. Vielleicht saß ihm die Angst im Nacken, fürchtete er um sein Leben!
»Ich habe mir was überlegt«, sagte der Rancher. »Vor Denver, vor den Rockies beginnt eine mächtig lange Steigung. Dort steht 'ne Pumpe, wie ich auf der Fahrt nach Fort Collins sah. Hält der Zug, um Wasser aufzunehmen?«
Das Misstrauen im Blick des zweiten Sternträgers flammte offen auf.
»Pech für dich und deine Kumpane, Mann«, erwiderte der Deputy gehässig. »Wir halten dort nicht. Der Kessel ist randvoll, und der Maschinist hat geschworen, dass er damit bis Denver kommt. Euer feiner Plan ist im Eimer. Und jetzt verschwinde, ehe ich dich zu deinen Dreckskerlen an die Kette lege.«
John schüttelte den Kopf, als er diesen Ausbruch hörte. Der zweite Deputy schien die Hose voll zu haben. Zudem war er ein schlechter Menschenkenner.
Langsam marschierte der Rancher zu seiner Sitzbank zurück. Immer stärker schwang die Unruhe in ihm. Fast körperlich verspürte er die Gefahr, die irgendwo auf ihn und alle anderen Fahrgäste wartete.
Es schien fast sinnlos, den beiden Gesetzeshütern Hilfe anzubieten. Sie verfolgten ihren Plan, den sie sich wohl vor Abfahrt des Zuges zurechtgelegt hatten.
Und sie schienen davon auszugehen, dass jeder Passagier ein Freund der Gefangenen sein könnte.
Schön und gut, überlegte sich Morgan, aber wenn der Angriff doch von außen erfolgte, sieht es ziemlich schlecht für die beiden Ordensträger aus. Sie sind nur zu zweit. Die Burschen von der Railway werden sich ruhig verhalten und nicht eingreifen. Ihnen geht es um den Zug und darum, die Passagiere gesund ans Ziel zu bringen.
Der Deputy, der sein Kollege vorhin Josh genannt hatte, stieß die Abteiltür auf. Mit zwanzig Gurten und Colts beladen stapfte der Mann zum Wagen der Gefangenen.
»Ich bin's, Josh!«, rief er. »Mach auf, ich hab alles eingesammelt.«
Scott öffnete und sagte halblaut: »Vorhin war so ein Schlaumeier hier. Ein älterer Bursche mit grauen Fäden im Bart. Behauptete, uns helfen zu wollen. Weißt du, welche Idee dieser Knabe hatte...?«
John verstand nichts mehr, denn Josh drehte sich durch die Öffnung, und der zweite Mann verschloss die Tür wieder.
Für ein paar Sekunden fühlte Morgan Zorn. Verdammt, sollten diese großmäuligen Narren doch selbst mit ihren Problemen fertigwerden. Er hatte eine Fahrkarte nach Denver, ein gutes Geschäft in Fort Collins gemacht und sollte sich nicht um fremde Angelegenheiten kümmern.
»Also, passt auf«, sagte Lester, »es muss alles klappen, sonst hängen sie Roddy in ein paar Tagen auf.«
Die zwanzig Reiter murmelten zustimmend. Sie fühlten sich wohl unter Holcombs Führung. In den letzten Monaten hatten sie eine Menge Dollars erwischt. Sämtliche Überfälle waren glattgegangen, und nur ein Mann bekam von einem verrückten Bankclerk eine Kugel und war gestorben.
»Es gibt zwei Möglichkeiten«, fuhr Lester fort. »Entweder hält der Zug an der Wasserpumpe oder er fährt weiter. Hält er, ist alles einfach. Lässt der Maschinist die Karre weiterdampfen, sieht es schlechter aus. Wir teilen uns also. Zehn von euch bleiben in der Nähe der Pumpe. Die anderen reiten entlang der Steigung. Ich zeige euch die Stelle. Dort liegen halb umgestürzte Bäume über fast eine Meile zu beiden Seiten der Schienen. Ich schwinge mich auf einen Wagen und laufe zur Lok. Habt ihr verstanden?«
»Sicher, Lester«, rief einer der Outlaws mit heller Stimme, »du ziehst den Kerlen auf der Lok den Colt über die Birnen und hältst das Ding an! Wir stürmen die Wagen, nehmen den Kerlen die Colts ab und die Sache ist erledigt.«
Lester Growers nickte zufrieden. Nur gut, dass sie rechtzeitig herausgefunden hatten, wann die drei Kumpane von Fort Collins nach Denver gebracht wurden.
In der Garnisonsstadt wären die Chancen der zwanzig Halunken verschwindend gering gewesen. Sie hätten es niemals geschafft, ihren Boss und die beiden Gefährten zu befreien.
Denn die Pfeffersäcke dieser Stadt drehten durch, wenn sie nur den Namen Holcomb hörten. Dreimal hatte Roddy die Bank überfallen lassen, und dreimal war alles glattgegangen.
So ließ denn Lester Growers das Gerücht ausstreuen, die Bande würde auf jeden Fall ihren Boss aus dem Jail in Fort Collins befreien.
Natürlich sausten die Stadtfräcke wie ein Schwarm aufgescheuchter Hühner durcheinander. Sie schleppten Schrotflinten mit sich herum und warteten nur auf den Angriff der Banditenhorde und schworen, die verdammten Halunken in Stücke zu schießen.
Lester grinste, als er an die Berichte dachte, die er bekommen hatte.
Nach drei Tagen lagen vier Bürger in ihren Betten. Zwei hatten nachts Kugeln und die beiden anderen Schrotladungen eingefangen, als eifrige Wächter auf sie feuerten. Denn sie glaubten, Holcombs Männer griffen an!
Dem Richter war es zu viel geworden. Er verfügte, dass Roddy Holcomb, Marsh Pickard und Robin Quayle in Denver der Prozess gemacht werden sollte.
Genau das war Lesters Absicht gewesen.
Ein Glück nur, dachte er, dass ich nicht erwischt wurde. Ohne Roddy oder mich sind die Kerle hilflos. Sie rennen in jede Falle. Die Burschen haben den Verstand in der Colthand, nicht im Kopf.
Lester Growers blickte zum Nachthimmel. Am Stand der Sterne schätzte er, dass der Zug jetzt in Fort Greely abfuhr. Es wurde Zeit, die Männer auf ihre Posten zu schicken.
Wenn alles glatt ablief, mussten sie aus dieser Gegend verschwinden. Das Land nördlich von Denver wurde zu heiß. Was kümmerte Growers das schon? Dollars lagen überall umher.
Er stand auf und rief halblaut: »Löscht die Feuer, packt eure Sachen zusammen. Wir reiten in ein paar Minuten.«
Er sah zu, wie die Kerle sorgfältig die Glut mit Erde bedeckten und sich um die Pferde kümmerten. Selbst Lesters Pferd nahm sich ein Mann vor, denn der Unterführer der Bande verrichtete keinen Handschlag Arbeit.
Endlich war es soweit.
Growers saß auf und teilte die Bande in zwei Gruppen. Geschickt mischte er die Männer. Er wusste, was jeder einzelne zu leisten vermochte, wo seine Stärken und Schwächen lagen.
Eigentlich rechnete Lester nicht damit, dass der Zug an der Pumpe hielt. Er kannte sich mit Eisenbahnen aus, war selbst zwei Jahre lang als Heizer auf einer Maschine mitgefahren und hätte wohl heute noch diesen Job, wenn er nicht im Streit den Lokführer mit der Kohlenschaufel niedergeschlagen hätte.
Der Kerl konnte anschließend mit seinem zertrümmerten Schultergelenk nie wieder seinen Job ausführen. Growers war spurlos verschwunden und nach einiger Zeit auf Holcomb gestoßen.
Lester hatte die Strecke genau studiert. Die Entfernung von Denver bis Fort Collins kannte er auf hundert Yards genau.
Nein, dachte er, wenn ich die Sache zu leiten hätte, würde ich in Fort Collins so viel Wasser aufnehmen, dass ich durchfahren könnte. Es muss bis Denver reichen. Denn ein Stopp im freien Land fordert doch den Angriff geradezu heraus.
Growers dachte an den Trumpf, an das As in diesem Spiel und grinste. Ein paar Kerle würden sich mächtig wundern, wenn es so weit war.
»Also los, Männer«, rief er laut, »ihr wisst, was ihr zu tun habt! Keine unnötige Knallerei. Nehmt den Passagieren nur die Wertsachen ab. Wir besitzen zwar noch eine Menge Bucks, aber vielleicht müssen wir auf einen weiten Trail gehen.«
Die Pferde trabten los. Wie Schatten verschwanden Reiter und Tiere zwischen den Büschen und Coloradozedern, die den Schienenstrang säumten.
Growers ritt genau südwärts. Die Steigung begann in knapp zwei Meilen Entfernung. Ein gutes Stück weiter lagen die umgestürzten Bäume. Dort, ziemlich weit südlich, mussten die Kumpane warten.
Growers gab seinen Männern die letzten Anweisungen und zupfte am Zügel. Das Pferd bog nach rechts ab. Einer der Banditen folgte dem Unterführer und nahm die Zügel, als Lester absaß. Der Halunke nahm den Gaul mit zu den anderen. Denn Growers würde ja mit dem Zug kommen. Gelang die Befreiung, musste jeder sofort ein Pferd unter dem Hintern haben.
Lester kletterte auf einen starken Ast einer Kanadapappel und lehnte gegen den Stamm, während er sich eine Zigarette drehte. Das Schwefelholz riss der Bandit an der glatten Rinde des Baumes an. Tief sog Growers den Rauch ein und überdachte noch einmal seinen Plan.
Lief alles wie besprochen, besaßen die Passagiere im Zug keine Waffen mehr, wenn die Bande stürmte. Davon hatte Lester seinen Männern nichts erzählt. Sie durften auf keinen Fall leichtsinnig werden, mussten mit harter Verteidigung rechnen, damit nichts schief ging.
Growers schnippte den Zigarettenstummel auf den Bahnkörper und sah zu, wie Glut dunkler wurde und schließlich erlosch.
Bald musste es soweit sein. Er wandte den Kopf, blickte nach Norden. Gegen den helleren Nachthimmel zeichneten sich kaum Rauchwolken ab, wenn gute Kohle und trockenes Holz verfeuert wurden. Aber das Licht der Kerosinlaterne vorne an der Maschine würde zu erkennen sein.
Da! Lester spürte die jähe Anspannung, als er einen Lichtschimmer entdeckte. Die Strecke verlief nicht schnurgerade. Sie war dem Untergrund angepasst, und darum verschwand der Schein wieder.
Irgendwo schrillte das Fiepen einer Maus durch die Dunkelheit. Sie war wohl die Beute eines Fuchses oder einer Eule geworden.
Growers empfand Triumph. In wenigen Minuten war Holcomb frei, und dann zog die Bande wieder durch das Land.
In der Ferne klang ein Dröhnen und Zischen auf. Lester umklammerte mit der Linken einen Ast über seinem Kopf und schob vorsichtig den rechten Fuß weiter. Es dauerte nicht lange, bis der Unterführer der Banditen nur einen knappen Schritt vom Rand des Bahnkörpers entfernt war.