Tom Prox 95 - Frank Dalton - E-Book

Tom Prox 95 E-Book

Frank Dalton

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Beschreibung

Es ist das Gesetz der Natur: Wenn Leben stirbt, kommen die Geier. Und die müssen keine Flügel haben ... Das zumindest erleben die Männer der Ghost Squad nach dem Tod des schwerreichen Ranchers Gilmoore. Nicht nur, dass plötzlich unerwartet gleich zwei Nachkommen auftauchen und das Erbe beanspruchen. Auch zwei rivalisierende Gangsterbanden wollen ein großes Stück vom Kuchen und gehen dafür über Leichen. Einer der beiden Bosse macht dabei selbst vor den eigenen Männern nicht Halt, wenn die ihre Schuldigkeit getan haben.
Tom Prox und seine Sergeanten, die zunächst angetreten sind, um die potenziellen Erben zu schützen, geraten jetzt in ein lebensgefährliches Kreuzfeuer ...


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Inhalt

Cover

Das Erbe der Gilmoores

Vorschau

Kleines Wildwest-Lexikon

Impressum

Das Erbe der Gilmoores

Von Frank Dalton

Es ist das Gesetz der Natur: Wenn Leben stirbt, kommen die Geier. Und die müssen keine Flügel haben ...

Das zumindest erleben die Männer der Ghost Squad nach dem Tod des schwerreichen Ranchers Gilmoore. Nicht nur, dass plötzlich unerwartet gleich zwei Nachkommen auftauchen und das Erbe beanspruchen. Auch zwei rivalisierende Gangsterbanden wollen ein großes Stück vom Kuchen abhaben und gehen dafür über Leichen. Einer der beiden Bosse macht dabei selbst vor den eigenen Männern nicht Halt, wenn die ihre Schuldigkeit getan haben.

Tom Prox und seine Sergeanten, die zunächst angetreten sind, um die potenziellen Erben zu beschützen, geraten jetzt in ein lebensgefährliches Kreuzfeuer ...

»Seltsamer Mann!« Ghostsergeant Ben Closter winkte den langen Patterson an seine Seite. »Sieht sich um, als befürchte er, verfolgt zu werden!«

Die beiden standen am Fenster des Zimmers, das sie mit ihrem Freund und Vorgesetzten zusammen im Hotel ›Red Rattle‹ des Städtchens Pearson City im Staate Montana gemietet hatten.

»Siehst wohl Gespenster, Dickerchen?« Der Lange lachte. »Dein neuestes Hobby, was? Irgendein Urgroßvater von 'ner Ranch, der einen hinter die Binde gießen will. Wo bleiben denn die Verfolger mit den Colts in den Fäusten?«

Gleich darauf stieß Patterson jedoch ein erstauntes »Damned!« aus. »Der Kleine scheint ausnahmsweise mal recht zu haben!«, brummte er vor sich hin, und an seinen Chef gerichtet: »Sieh dir bloß mal diese beiden finsteren Gestalten an, die da um die Straßenecke biegen, Tom!«

»Geht in die Bar und verlötet einen«, schlug der Ghostchef vor. »Dort stört ihr mich wenigstens nicht. Der Bericht über den eben abgeschlossenen Fall Geyerstone muss noch heute zur Post – aber ehe ich ihn abschicken kann, hat er fertig zu sein!«

»Der Alte hat das Hotel eben betreten«, berichtete Snuffy weiter, ohne von der Aufforderung seines Chefs Notiz zu nehmen. »Die komischen Gestalten marschieren tatsächlich hinter ihm her. wenn das man nichts zu bedeuten hat ...«

Wenige Augenblicke später vernahmen sie Schritte auf dem Flur, an dem ihr Zimmer lag. Ein Schrei gellte auf ... ein Röcheln ... und dann ein lautes Poltern.

Als die Ghosts im Flur standen, sahen sie zwei Männer die Treppe hinunterflitzen. Der alte Mann, den sie vom Fenster aus beobachtet hatten, lag lang auf dem abgetretenen Flurläufer. Während Tom Prox sich über den Reglosen beugte, rannten die Sergeanten hinter den Flüchtenden her.

Auf der Straße sahen sie sie ungefähr hundert Schritt vor sich. Die beiden gingen wie harmlose Spaziergänger, fingen jedoch sofort wieder zu laufen an, als sie merkten, dass man hinter ihnen her war. Plötzlich bogen sie in eine Seitengasse ein, die sich zwischen Feldern und Weiden verlor.

»Aufgepasst, Dicker!«, rief Snuffy dem Freund zu. »Wahrscheinlich soll das ein Hinterhalt werden!«

Aber er hatte sich getäuscht, die beiden hatten nur ihre Pferde in dieser Gasse stehen. Snuffy und Ben erreichten eben die Straßenecke, als die Verfolgten, jetzt zu Pferd, auch schon wieder zurückkamen und ihre Gäule in schneller Gangart auf die Ghosts zu antrieben, um diese über den Haufen zu reiten. Die aber warfen sich im letzten Augenblick zur Seite, und die beiden Kerle fegten an ihnen vorüber.

»Kümmere dich um die Richtung, die sie nehmen!«, rief der Lange seinem Gefährten zu. »Ich hole schnell unsere Pferde!«

Es dauerte nicht lange, dann preschte Snuffy heran, Bens Pferd am Zügel.

»Sie sind in Richtung Breazonville davon!« Der Dicke sprang in den Sattel, und nur wenige Augenblicke später lagen die letzten Häuser des Ortes bereits hinter ihnen. Zu beiden Seiten der Straße dehnte sich hier Weideland, und in der Ferne wurde die Hügelkette der Porter Mountains sichtbar. Die Flüchtenden waren kaum noch zu sehen.

»Nun wollen wir ihnen zeigen, was reiten heißt! Hurry up!«

»Hurry up! Diesmal sind wir uns ausnahmsweise mal einig!« Ben gab seinem Gaul die Sporen.

Es erwies sich bald, dass die Ghosts die besseren Pferde hatten. Sie holten so rasch auf, dass die Flüchtenden nach kurzer Zeit einsahen, den Verfolgern nicht mehr entkommen zu können. Eine Zeit lang schlugen sie zwar noch wild auf ihre Gäule ein, dann aber ließen sie ihre Tiere in Schritt fallen und schienen die hinter ihnen her Preschenden erwarten zu wollen.

»Nun fangen die Bleihummeln bald an zu summen!«, meinte Ben, und auf sein Gesicht legte sich eiserne Entschlossenheit.

In der Ferne tauchte ein größeres Besitztum auf. Ein Haus, nicht wie eine Ranch aussehend, eher der Sommersitz eines reichen Mannes. Es war ebenerdig, machte einen sauberen, gut gehaltenen Eindruck, stand mitten in einem parkartigen Garten und war von einer mannshohen Mauer umgeben.

»Anscheinend wollen sie dahin«, überlegte Patterson laut. »Ich glaube nicht, dass wir herausbekommen, worum es geht, wenn wir uns vorzeitig in ein Feuergefecht mit ihnen einlassen. Siehst du das Waldstück dort drüben? Sobald die ersten Schüsse bellen, machen wir kehrt und reiten zurück, als hätten wir die Nase schon jetzt voll!«

»Das passt mir aber gar nicht. Warum wollen wir sie denn entkommen lassen?«

»Weil ich das für strategisch richtiger halte!«, belehrte ihn der Lange.

Ben grinste. »Seit wann hältst du's mit der Strategie? Fällst doch sonst immer gleich mit der Tür ins Haus ...«

»Wir müssen das Waldstück erreicht haben, ehe der Feuerzauber losgeht. Wir ziehen uns, wie ich schon sagte, rasch zurück – natürlich nur bis an den Waldrand. Das Wäldchen ist nicht groß, leicht zu umgehen, und die Bäume sorgen dafür, dass wir nicht gesehen werden.«

»Unser Langer fängt tatsächlich an, Geist zu entwickeln!«, stichelte der Dicke. »Na ja, manche Menschen sind eben Spätzünder, und meine selige Tante pflegte immer zu sagen: Besser spät als nie!«

Sie erreichten das Wäldchen. Der Abstand zwischen ihnen und den Verfolgten war auf ungefähr fünfzig Schritte zusammengeschrumpft. Kurz darauf fielen die ersten Schüsse.

Auch die Ghosts griffen nun zu den Colts, knallten jedoch nur ein- oder zweimal, fluchten mörderisch laut, machten kehrt und preschten in wilder Hast zurück. Lautes Hohngelächter scholl noch hinter ihnen her. Dann setzten die Verfolgten zufrieden ihren Weg fort.

Snuffy und Ben verhielten im Schutz eines großen Baumes und beobachteten, wohin die beiden ritten. Der Weg, den sie verfolgten, schlängelte sich auf das in der Ferne sichtbare Anwesen zu, aber plötzlich bogen plötzlich ab und schlugen einen Seitenpfad ein, der anscheinend in weitem Bogen um das Gehöft herumführte.

»Wollen doch nicht ins Haus!«, stellte Ben fest. »Legen sogar Wert darauf, nicht von dort gesehen zu werden.«

»Kann auch Absicht sein. Vielleicht wollen sie sich dem Haus von der Rückseite her nähern – aber das werden wir sofort haben!«

Die Freunde umgingen das Wäldchen, und als sie wieder auftauchten, waren ihnen die Reiter so weit voraus, dass keine Gefahr mehr bestand, gesehen zu werden. Die Verfolgten hielten tatsächlich auf die Rückseite des Anwesens zu.

»Wir lassen unsere Gäule am besten hier zurück«, schlug Snuffy vor. »Auf diese Weise kommen wir heran, ohne gesehen zu werden.«

Ben ging nicht gern zu Fuß, sah aber ein, dass der Rat gut war. Die Reiter verschwanden durch ein Tor in der Rückfront der Mauer. Kurze Zeit später waren auch Snuffy und Ben heran, fanden das Tor jetzt aber verschlossen.

»Hinüber!« Snuffy stellte sich bereit, und Ben konnte, als er auf den Schultern des Langen stand, über die Mauer hinwegsehen. »Kein Mensch im Hof!«, meldete er. »Haus und Gehöft scheinen wie ausgestorben.« Gleich darauf zog er sich über die Mauer.

Snuffy hörte, wie der Freund innerhalb des Hofes auf dem Boden aufkam. Wenig später schwang dann das Tor einen Spalt weit zurück, sodass sich Patterson hindurchquetschen konnte. Lautlos huschten sie auf das Haus zu.

Türen und Fenster waren geschlossen. Nach einigem Suchen fanden sie die nur angelehnte Tür einer an das Haus angebauten Wagenremise. Snuffy schlüpfte hinein. Ben wollte hinter ihm her.

»Du bleibst am besten draußen. Nicht nötig, dass wir uns beide in die Höhle des Löwen wagen! Nimm hinter dem Gebüsch dort drüben Deckung. Falls ich schieße oder dir ein Zeichen gebe oder nach angemessener Frist nicht zurück bin, trittst du in Aktion!«

Sergeant Closter zog sich hinter das Gesträuch zurück. Patterson huschte durch die Remise, passierte die weiterführende Tür und gelangte in einen schmalen, halbdunklen Flur, von dem aus er in eine gut eingerichtete, hallenartige Diele kam, von der sechs Räume abzweigten. In einem wurde gesprochen. Vorsichtig öffnete er die Tür einen Spalt breit. Da erkannte er die beiden Reiter, die mit einem dritten, den Snuffy noch nie gesehen hatte, sprachen.

Er entdeckte nun auch einen Mauerbogen, der der durch einen Vorhang getarnt war und dem Raum mit einem angrenzenden Zimmer verband. Wenn es ihm gelang, ins dieses Nachbarzimmer zu gelangen, hatte er einen besseren Stand. Kurz entschlossen öffnete er die nächstliegende Tür und war gleich darauf hinter dem Vorhang. Nun vernahm er jedes Wort, das gesprochen wurde.

»Jack und ich kamen zur rechten Zeit«, erklärte einer der beiden Reiter gerade. »No, Boss, Old Binnie konnte nichts mehr ausplaudern!«

»Trotzdem müssen wir uns auch noch um Stan Ferris kümmern«, entgegnete der Mann, dem die beiden Bericht erstatteten. Es handelte sich um einen würdevoll aussehenden Herrn von ungefähr vierzig Jahren, mit glatt nach hinten gekämmtem Haar und goldgeränderter Brille. »Er kann diesen Ghosts ja jederzeit einen anderen Boten schicken!«

»Augenblick, Boss!«, unterbrach einer der beiden Männer, der Sherman hieß, seinen Chef. »Mir ist, als hätte ich etwas gehört!«

Snuffy glaubte, er sei gemeint, und machte sich schon zur Verteidigung bereit. Doch Sherman schlich auf das zum Garten führende, offene Fenster zu. Der Mann schnellte wie eine Feder gegen die Fensterbrüstung an, als draußen ein Schuss aufbellte.

Oliver Coldwell, der mit der Goldbrille, fuhr aus seinem Sessel auf, und Jack, der zweite Reiter, zog seinen Colt. Der andere taumelte vom Fenster zurück, als hätte er einen Schlag gegen die Brust erhalten, griff nach dem Herzen, drehte sich um seine Achse und brach dann zusammen.

Unter dem Fenster hatte jemand gehockt und das Gespräch belauscht. nach dem Schuss setzte er in weiten Sprüngen quer durch den Garten auf die Mauer zu, um sich in Sicherheit zu bringen. Während Coldwell noch reglos dastand und nicht wusste, was er tun sollte, sprang Jack durchs Fenster und rannte hinter dem Flüchtenden her.

Snuffy sah von dem, was sich draußen tat, nichts, aber Ben konnte jede Einzelheit verfolgen. Der Flüchtende sprang die Mauer an, um sich hinaufzuziehen, verfehlte jedoch ihren Rand, blickte sich um, erkannte sofort, dass es für einen zweiten Sprung zu spät war, lehnte sich mit dem Rücken gegen das Ziegelwerk und erwartete seinen Gegner.

Jack stieß den Colt ins Holster zurück und griff den anderen mit den Fäusten an, wurde jedoch mit einem so gewaltigen Hieb gegen seine Kinnlade empfangen, dass er hintenüberkippte und einige Minuten ganz benommen war. Der Verfolgte zog sich daraufhin hastig an der Mauer hoch und war im nächsten Augenblick verschwunden.

Mühsam rappelte sich Jack wieder auf die Beine, massierte sein Kinn und kehrte fluchend ins Haus zurück. Hier stand Oliver Coldwell immer noch vor dem reglosen Sherman und starrte betroffen auf ihn nieder.

»Er ist doch nicht etwa tot?«, fragte Jack bestürzt. »Wo hat's ihn denn erwischt?«

Coldwell blickte hilflos vor sich hin. »Das hätte nicht passieren dürfen«, murmelte er. »Und auf gar keinen Fall hier!«

Jack kniete sich nieder. Ein Blick genügte.

»Tot!«, flüsterte er betroffen. »Glatter Herzdurchschuss! Wer mag das gewesen sein?« Als er keine Antwort bekam, fuhr er den Mann mit der Brille wütend an. »Wenn ich gewusst hätte, dass diese Sache so heiß ist, hätte ich mich nicht darauf eingelassen! Sherman auch nicht – aber dem ist's jetzt natürlich gleich, ihn bedrückt die Welt nicht mehr!«

»Ich habe keine Ahnung«, murmelte nun der andere ganz verdattert. Dann wurde er plötzlich lebendig. »Schaffen Sie ihn fort!«, verlangte er auf einmal aufgeregt. »Schließlich ist er ja Ihr Freund!«

»Mein Freund, ja – aber Ihretwegen starb er!«, erwiderte Jack erregt. »Wo können wir ihn unterbringen?«

»Das ist Ihre Sache!«, kreischte Coldwell, plötzlich von Panik geschüttelt. »Das geht mich nichts an. Er muss so schnell wie möglich aus dem Haus!«

»Ich schaffe ihn schon fort«, versprach Jack erbost. »Allerdings kostet es Sie noch einmal eine Kleinigkeit, und auch erst, wenn es dunkel ist. Bis dahin muss er irgendwo hingebracht werden, wo ihn niemand sieht.«

Snuffy hielt es für geraten, sich jetzt zurückzuziehen. Wenige Minuten später stand er bei dem Strauch, hinter dem sein Freund Deckung genommen hatte. Aber von Ben war nichts mehr zu sehen. Snuffy machte sich darum aber wenig Sorgen, waren sie doch gewohnt, auf eigene Verantwortung zu handeln, wenn die Verhältnisse dies erforderten.

Snuffy beschloss, nach Pearson City zurückzukehren, dem Chef Bericht zu erstatten und dafür zu sorgen, dass Coldwell und Jack verhaftet wurden, ehe es ihnen gelingen konnte, den Toten fortzuschaffen.

Ben Closter befand sich bereits ein ganzes Stück vom Anwesen entfernt und ritt hinter dem Täter her, der es gar nicht so eilig hatte. Gemächlich strebte der Mann einer Hügelkette zu, die sich weit ins Grasland hineinschob. Ben brauchte keine besondere Sorgfalt darauf zu verwenden, ungesehen zu bleiben. Der Reiter blickte sich nicht ein einziges Mal um.

Langsam wurde das Land wellig. Breite Schluchten, allmählich enger und tiefer werdend, zogen sich hindurch. Die Vegetation war jetzt schon spärlicher, das Gras hart und schlecht. Gesträuch und niederes Strauchwerk machten die Landschaft unübersichtlich. Der Bursche konnte Ben nicht entkommen. E gab nur einen einzigen Weg, und ein Ausweichen nach der Seite hin war nicht möglich.

Schließlich wurde die Gegend felsig, und die Straße stieg steil bergan. Vor einer der vielen Biegungen, die sie jetzt machte, hielt der Dicke an. Dicht vor ihm lag rechts ein einsames Haus, aus alten, verwitterten Bruchsteinen gebaut, düster und unheimlich, mit kleinen Fenstern und einer Tür, die jedem Rammbock standhalten würde. Ben ließ sein Pferd hinter einer Felsgruppe zurück und ging zu Fuß auf das Anwesen zu, bemüht, nicht gesehen zu werden, ehe er das Gebäude erkundet hatte.

Ein verblichenes Schild über der Tür wies es als Wirtshaus aus. Ben wunderte sich, woher hier die Gäste kommen sollten. Wahrscheinlich war die Bude noch aus der Zeit übrig geblieben, in der Transporte mit Pferd und Wagen durchgeführt wurden. Vielleicht hatte sich oben in den Bergen auch einmal eine Mine befunden, die unrentabel und dann stillgelegt worden war.

Die Tür war nicht abgeschlossen, obwohl das Haus aussah, als sei es unbewohnt. Ben trat in eine unheimlich wirkende Schankstube, klopfte auf die Theke, und es dauerte nicht lange, da erschien wirklich jemand: eine alte Frau mit grauem, zotteligem Haar, die den Besucher misstrauisch musterte. Der Dicke grinste sie liebenswürdig an.

»Besteht das Schild über Ihrer Tür noch zu Recht, Madam?«, fragte er höflich. »Wenn ja, dann hätte ich gern ein Viertelchen Whisky, falls es Ihnen nicht allzu viel Mühe macht.«

Das Misstrauen schwand sofort aus den Augen der Alten, die Anrede schien sie für ihren Besucher einzunehmen.

»Setzen Sie sich, Gent!«, forderte sie mit knarrender Stimme. »Tische sind genug da – Sie haben noch die Auswahl!«

Ben nahm so Platz, dass er durch beide Fenster, das zur Straße und das zum Hof, blicken konnte. Die Wirtin verschwand und kam mit einem Viertelliterfläschchen und einem Glas wieder.

»Selten, dass heute noch jemand bei uns einkehrt«, begann sie ein Gespräch, aus dem Ben die Neugierde heraushörte. »Früher war das anders! Da hatten wir jeden Abend die Stube voll – auch unsere Fremdenzimmer waren alle besetzt! Was führt Sie in die Gegend, Gent?«

»Ich suche einen Freund«, log Ben nach kurzem Überlegen. Die Frau schien ihm unverdächtig. »Sollte mich in Pearson City erwarten, aber ich war zu spät daran, und er verlor wohl die Lust, länger zu bleiben. Nun reite ich hinter ihm her. Kann nicht allzu viel Vorsprung haben – vielleicht kehrte er sogar bei Ihnen ein!«

»Wie sieht er denn aus?« Ben glaubte plötzlich Misstrauen in den Augen der Frau aufblitzen zu sehen, konnte sich aber auch getäuscht haben. Arglos gab er eine eingehende Beschreibung des Mannes, den er verfolgte.

Die Alte hörte aufmerksam zu, dann schüttelte sie den Kopf.

»Tut mir leid, Gent, wäre Ihnen gern behilflich, aber Ihr Freund war nicht bei uns. Sah nicht einmal einen vorüberreiten.«

»Schade! Möglich, dass er einen anderen Weg genommen hat. Wollte ins Jacombe-Tal. Sicher gibt es noch andere Möglichkeiten, dorthin zu kommen.«

Die Alte schlurfte plötzlich aus dem Zimmer. Der Dicke schaute ihr nach, sah sie über den Hof gehen und stutzte im nächsten Augenblick. An einem Holm neben dem Pferdestall stand ein Gaul, von dem Ben hätte schwören mögen, dass es der des Verfolgten war.

Ben trank seinen Whisky aus, legte das Geld dafür auf den Tisch und schlug die Tür so kräftig hinter sich zu, dass man es im ganzen Haus hören musste.

Natürlich entfernte er sich nicht weit von dem Anwesen, zwängte sich zwischen großen Steinen und Felsbrocken hindurch, kroch an Hecken entlang und nahm hinter Bäumen Deckung – bis er an der Rückseite des Gehöftes stand. Durch ein windschiefes Türchen schlüpfte er in den Hof und huschte auf die Tür des Stallgebäudes zu. Drinnen verhielt er. Nicht allzu weit von ihm unterhielten sich zwei, vielleicht sogar drei Männer miteinander.

Vorsichtig schlich er weiter, an einer Reihe leerstehender Boxen vorbei, kam in einen völlig finsteren Nebenraum, ging noch einige Schritte und merkte plötzlich, dass er keinen Boden mehr unter den Füßen hatte.

Nach glücklich überstandenem Sturz blieb er leicht benommen liegen. Er war auf eine Falltür geraten, die er nicht bemerkt hatte, und befand sich jetzt in einem schmalen Gang, von dessen Ende her ein schwacher Lichtschimmer zu ihm drang. Vorsichtig schlich er darauf zu, bis er vor einer Lattentür hielt, hinter der die Stimmen hervorkamen. Um besser hören zu können, presste er sein Ohr an das Holz. Da sprang die Tür plötzlich auf und schwang mit misstönendem Kreischen in den dahinter liegenden Raum.

Hier sah es wie in einer Verschwörerhöhle aus. Auf einem klobigen Holztisch stand eine Kerze in einem alten Messingleuchter und warf ihr flackerndes Licht auf feuchte Steinwände. Um den Tisch herum saßen vier Personen, die sofort aufsprangen und den Fremden verblüfft anstarrten.

In der nächsten Sekunde gingen zwei der Männer auf den Eindringling los. Da Ben nicht wusste, wie er ohne Leiter hinauskommen konnte, sprang er mitten in den Keller hinein, ergriff den Leuchter und schleuderte ihn an die nächste Wand. Schlagartig erfüllte tiefe Dunkelheit den Raum. Nun schwang er sich auf den Tisch.

Ein Zündholz flammte auf. Sofort sprang er dem Mann, der es angerieben hatte, in den Nacken. Der Kerl ging mit einem Aufschrei zu Boden, und seine Komplizen stürzten sich auf die Stelle, an der er eben noch gestanden hatte. Ben aber lief bereits auf die Tür zu, verfehlte sie leider und rannte gegen die Wand.

An den Geräuschen stellten seine Gegner die Richtung fest, die er genommen, und plötzlich traf ihn ein heftiger Schlag an der Schulter. Wutentbrannt ging er den Feind an. Da er jedoch wusste, dass es nötig war, so rasch wie möglich zu verduften, schickte er seinen Gegner durch einen harten Schlag in den Schlaf und fegte zum Gang hinaus.

Hier brachte ihn ausgerechnet die Alte zu Fall, die auf den Lärm hin in den Keller gekommen war, indem sie ihm behände ein Bein stellte. Der Dicke stürzte, die Männer warfen sich über ihn. Als die Wirtin in aller Seelenruhe eine Petroleumlampe angezündet hatte, kürzte einer der vier alles weitere dadurch ab, dass er dem Kleinen den Messingleuchter gegen den Schädel knallte.

Ben sah Funken, kreisende Sonnen und tanzende Sterne, und als er wieder zu sich kam, war er gefesselt und in einen anderen Kellerraum geschleift worden, wo man ihn auf ein stinkendes Schilflager geworfen hatte.