Tom Prox 97 - Frank Dalton - E-Book

Tom Prox 97 E-Book

Frank Dalton

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Beschreibung

So aufgeklärt die Menschen im Westen längst sein mögen - so sehr sind sie doch noch immer empfänglich für Aberglauben und die Angst vor dem vermeintlich Unerklärlichen.
Diese Erfahrung müssen Tom Prox und seine beiden Sergeanten, Snuffy Patterson und Ben Closter, wieder einmal machen, als sie zufällig in einen mysteriösen Fall geraten. Das Auftauchen eines geheimnisvollen, edlen Hengstes, der sich scheinbar in Luft auflösen kann, scheint großes Unglück über zwei seit Jahrzehnten befreundete Rancher zu bringen. Geht es anfangs "nur" um eine Scheune, die plötzlich Feuer fängt, oder um an Rinderpest erkrankte Tiere, so geraten die beiden Männer schon bald selbst in allerhöchste Lebensgefahr. Und auch die Ghosts scheinen das drohende Verderben nicht aufhalten zu können ...


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Inhalt

Cover

Der Satan geht um

Vorschau

Impressum

Der Satan geht um

Von Frank Dalton

So aufgeklärt die Menschen im Westen längst sein mögen – so empfänglich sind sie immer noch für Aberglauben und Geistergeschichten.

Diese Erfahrung müssen Tom Prox und seine beiden Sergeanten, Snuffy Patterson und Ben Closter, wieder einmal machen, als sie zufällig in einen mysteriösen Fall geraten. Das Auftauchen eines geheimnisvollen, edlen Hengstes, der sich angeblich in Luft auflösen kann, scheint großes Unglück über zwei seit Jahrzehnten befreundete Rancher zu bringen. Geht es anfangs »nur« um eine Scheune, die plötzlich Feuer fängt, oder um an Rinderpest erkrankte Tiere, so geraten die beiden Männer schon bald selbst in allerhöchste Lebensgefahr. Und auch die Ghosts scheinen das drohende Verderben nicht aufhalten zu können ...

Sie lagen am Rande einer großen Talmulde. Von ihrem Platz aus senkte sich das Gelände, bis es den Servace River erreichte, der in der Mitte dahinfloss. Auf der anderen Seite stiegen in einiger Entfernung die Berge der Selvryn Mountains bis zu mehreren hundert Metern Höhe empor. Das Tal war von üppigem Gras bewachsen, über dessen großen Flächen in grauweißen Schwaden der Abendnebel lag.

»Halten wir einen Augenblick«, schlug der Ghostchef vor. »Ich möchte gern einen Blick auf die Karte werfen. Ich glaube, wir erreichen die Sieben-Steine-Ranch am schnellsten, wenn wir am Rand der Mulde entlangreiten.«

»Was mir ungemein sympathisch wäre!« Der lange Patterson grinste. »Gegen Waschküchen jeglicher Art habe ich eine Abneigung, seit ich als Kind einmal in eine Wanne mit heißer Seifenlauge fiel.«

»Wahrscheinlich das erste Mal in den ersten zehn Jahren deines unnützen Lebens, dass du gründlich gesäubert wurdest!«, spottete sein Kollege Ben Closter.

Snuffy würdigte ihn keiner Antwort, dafür bedachte er ihn mit einem Blick, von dem er meinte, er würde tödlich wirken.

»Falls du glaubst, dass ich mit den Ohren schlackere, wenn du Kalbsaugen machst, bist du verdammt im Irrtum, Langer!«, stichelte der Dicke.

Der aber gab nur ein verächtliches »Ha!« von sich. Dann begann er sich eine Zigarette zu drehen, und da er das konnte, ohne hinzusehen, schaute er gelangweilt über den Servace River hinweg.

»Was ist denn das dort?«, murmelte er plötzlich verwundert. »Sieht ja verdammt gespensterhaft aus!«

»Das ist vielleicht ein Gaul!«, entfuhr es Ben verblüfft. »Ich gäbe was drum, wenn ich den hätte!«

An der tiefsten Stelle der Mulde, dicht am Ufer des Flusses, war ein Schimmelhengst aufgetaucht, ein Tier, dessen Anblick das Herz jedes Pferdeliebhabers höher schlagen lassen musste. Ganz ohne Fehl gebaut, bewegte sich der Hengst mit spielerischer Lautlosigkeit. Seine Bewegungen waren formschön und edel. Ab und zu wandte er sichernd den Kopf nach rechts oder links.

Der Nebel geriet in Bewegung, und die grauen Schwaden reichten dem Tier bis an den Leib, und dort, wo sie dichter wurden, verschwand es mitunter völlig darin. Obwohl von edler Schönheit war, wirkte seine Erscheinung doch irgendwie bedrückend, ja, gar bedrohlich.

»Sieh dir das nur an, Chef! Die Karte läuft dir nicht davon, aber das Tier könnte weg sein, ehe du es zu Gesicht bekommen hast.«

Tom Prox schaute auf, Staunen im Blick.

»Allerhand!«, stieß er bewundernd hervor, und sofort, als hätte es ihn verstanden, ließ das Pferd ein weithin schallendes Wiehern ertönen. Dann trabte es auf den Fluss zu, schien ins Wasser zu steigen und war verschwunden.

»Schade«, meinte Ben Closter. »Das war ein Anblick, den ich gern noch länger genossen hätte.«

In seine Worte hinein scholl ein Schrei, der die Männer aufhorchen ließ.

»So schreit nur ein Mensch in höchster Not!«, stellte Ben fest.

»Es kam von der Stelle, an der der Hengst verschwunden!« ist, erwiderte Snuffy.

Der Ghostchef steckte die Karte wieder in die Satteltasche und ritt die Böschung zum River hinunter. Die Sergeanten folgten. Die Nebelschwaden reichten ihnen jetzt bis an die Brust. Am Ufer hielten sie und spähten angestrengt über das Wasser. Der Fluss war an dieser Stelle sehr breit, aber flach. Mitten darin lag eine Insel, auf der einige Bäume standen, von denen jetzt jedoch nur die Kronen zu sehen waren, alles andere hatte der über dem Wasser besonders dichte Nebel unsichtbar gemacht.

»Ob dieses Satanspferd zur Insel ist?« Snuffy äugte angestrengt hinüber. »Von oben her sah es so aus. Versuchen wir doch, es einzufangen!«

»Die Sieben-Steine-Ranch ist mir wichtiger«, entgegnete Tom, hatte aber noch nicht ausgesprochen, als der Schrei, der sie an den Fluss gelockt hatte, von Neuem erscholl.

»Das kam drüben von der Insel!«, erklärte Ben Closter bestimmt. »Der Teufel mag wissen, was dort vorgeht!«

»Also hinüber!« Vorsichtig ritt Tom ins Wasser.

Der Fluss war zwischen Ufer und Insel nicht besonders tief, selbst an der tiefsten Stelle reichte das Wasser den Pferden kaum bis an den Leib. Die Tiere traten sehr vorsichtig auf, denn der Flussgrund war mit Felsgeröll bedeckt. Sie freuten sich, als sie auf der Insel an Land steigen konnten.

»Jetzt haben wir, was wir brauchen!«, knurrte Snuffy erbost. »Hier ist überhaupt nichts mehr zu sehen.«

Sie waren in derart dichte, grauweiße Schwaden geraten, dass sie kaum weiter als drei Schritte sehen konnten.

»Hallo!«, rief Tom, und seine Stimme klang, vom Nebel verändert, seltsam fremd und gepresst. »Braucht jemand Hilfe?«

»Hilfe!«, kam es sofort zurück, doch die Freunde glaubten, es handle sich um ein Echo. Behutsam ritten sie weiter, gerieten an dichtes Gesträuch, hörten die Stimme noch einmal, und nun aus nächster Nähe.

»Wir steigen am besten ab. Falls der arme Kerl am Boden liegt, zertrampeln wir ihn am Ende.« Tom holte seine elektrische Stablampe hervor und ließ sie aufstrahlen, steckte sie aber sofort wieder weg, da sich das Licht als machtlos gegen diese dichte Watte erwies.

»Hier!«, hörten sie es noch einmal, und zwar so nahe vor ihren Füßen, dass sie sofort stehenblieben.

Ben beugte sich nieder, und gleich darauf rief er erstaunt: »Ein Mann ...!«

»Verletzt?«, fragte Tom sachlich.

»Kann ich nicht sagen – man sieht ja nichts! Aber da er eben noch um Hilfe rufen konnte ...« Der Dicke griff zu und bekam eine Schulter zu fassen. »He, Gent! Ist Ihnen etwas? Warum stehen Sie nicht auf?«

»Silbervogel!«, kam es völlig verängstigt. »Ich glaube, es ist nur der Schreck, aber verletzt bin ich auch – am Kopf!«

Ben tastete ihn vorsichtig ab. »Eine tüchtige Beule, mehr nicht! Daran ist noch niemand gestorben. Wie haben Sie das Ding denn bekommen, Mann?«

»Ich nehme an, dass Silbervogel ...«

»Silbervogel? Das soll wohl der Schimmelhengst sein, right? Also, wenn der Sie mit den Hufen bearbeitet hätte, sähe Ihr Kopf jetzt anders aus! Allerhand Steine hier auf dem Boden. Wahrscheinlich sind Sie gestolpert und auf einen davon aufgeschlagen? Augenblick, ich helfe Ihnen auf die Beine!«

»Was tun Sie denn hier?«, fragte Tom Prox, als der Mann stand. Viel war nicht von ihm zu sehen, aber er glaubte, es mit einem mindestens sechzigjährigen Mann zu tun zu haben. »Wie kommen Sie auf die Insel?«

»Sie gehört doch mir!«, erwiderte der andere stolz. »Ich wollte diesen Gespensterhengst doch einmal aus der Nähe sehen ...«

»Nachdem Sie ihn nun beguckt haben – ist er ein Gespenst oder nicht?«

Tom bekam keine Antwort. Stattdessen fragte der andere misstrauisch: »Wer sind Sie eigentlich, und wie kommen Sie in diese Gegend? Ich kenne Sie nicht.«

»Das beruht wohl auf Gegenseitigkeit. Wir kennen Sie nämlich auch nicht. Sind auf der Durchreise und wollten zunächst bis Silverhill. Aber der Weg erwies sich doch als sehr weit, und so beschlossen wir, die Sieben-Steine-Ranch als Nachtquartier zu wählen.«

»Sie brauchen nicht erst bis dahin«, meinte der Mann nach kurzem Überlegen. »Sie können bei mir übernachten.«

»Und wo wohnen Sie, wenn ich fragen darf?«

»Auf der Holborne-Ranch. Ich bin ihr Besitzer.«

»Nach der Karte aber liegt die Holborne-Ranch doch ein ganzes Stück weiter als die Sieben-Steine-Ranch? Wir müssen doch an der vorüber, um auf Ihre Besitzung zu kommen.«

Der Mann lachte kurz auf. »Natürlich haben Sie recht, Gent. Aber auch das Servace-Tal gehört mir. Ich benutze es als Weide, und nicht weit von hier habe ich eine Hütte. Es wird heute sowieso unmöglich sein, noch weiterzukommen. Ich kenne mich in der Gegend aus. In spätestens einer halben Stunde ist der Nebel so dick, dass man nicht mal mehr die Hand vor den Augen sehen kann.«

»Mr. Holbornes Vorschlag hat etwas für sich, Tom!«, meinte Snuffy. »Wir wären sehr rasch unter Dach und Fach, und da morgen bekanntlich auch noch ein Tag ist ...«

»Sie werden nichts vermissen«, versprach der Rancher. »Die Hütte ist mit Lebensmitteln versehen, sodass Sie ein anständiges Abendessen bekommen, und die Bettstellen sind mit frischem Heu gefüllt.«

»Wie sieht es in puncto Whisky aus?« Snuffy fuhr sich mit der Zungenspitze schon genießerisch über die Lippen.

»Auch dafür ist gesorgt!«, erklärte Holborne.

»Nun – worauf warten wir dann noch?«, drängte der Lange.

»Sind Sie ohne Pferd?«, fragte Tom Prox den Rancher. »Ist das nicht ein bisschen unvorsichtig von Ihnen?«

»Mein Pferd steht bei Dolly Dull, bei der Blockhütte, von der ich sprach. Folgen Sie mir bitte, ich bringe Sie halbwegs trocken von der Insel.«

Er wusste eine Furt, an der sie, über große Felsblöcke balancierend, tatsächlich ohne nass zu werden, das Ufer erreichten. Eine Zeitlang wanderten sie geradeaus, bis Holborne erklärte: »Hier ist es gleich – nur noch ein paar Schritte, und wir sind da.«

Sie aber sahen die Blockhütte erst, als sie beinahe dagegen rannten. Holborne stieß die Tür auf, nötigte die Freunde ins Innere und zündete eine Petroleumlampe an. Ben machte Feuer, während der Rancher sich um das Abendessen kümmerte. Als er die Pfanne auf den Herd setzte, um Speck zu braten, wandte er sich an Tom.

»Wäre es nicht an der Zeit, mir zu verraten, wer Sie sind, Gents?«

»Entschuldigen Sie – es war nicht gerade höflich von uns, Sie darauf so lange warten zu lassen. Ich bin Captain Prox von der Ghost Squad, und diese Herren sind meine Sergeanten Patterson und Closter.«

Holborne machte ein überraschtes Gesicht.

»Ghost Squad – bei uns?«, fragte er ungläubig. »Der Servace-Distrikt ist doch einer der ruhigsten im ganzen Westen.«

»Wir sind auch nicht dienstlich hier. Hatten einen Auftrag oben im Gebirge und wollen nun nach Silverhill weiter, weil sich dort die nächste Bahnstation befindet.«

»Gott sei Dank!«, murmelte der Rancher aufatmend. »Wir haben nämlich im Augenblick genug mit uns selbst zu tun und können Banditen hier nicht gebrauchen.«

»Wer liebt die schon?«, entgegnete Tom lächelnd. »Aber Sie sagten ›wir‹? Wen meinen Sie damit?«

»Henry Benson von der Sieben-Steine-Ranch, mein nächster Nachbar, und mich!«

Nachdem sie gegessen hatten, holte der Rancher die Whiskyflasche aus dem Schrank. Sie tranken und plauderten, aber weder dem Ghostchef noch seinen Sergeanten entging, dass der Mann immer wieder gespannt den Kopf hob und lauschte. Er wurde merklich nervöser. Schließlich stand er auf, trat ans Fenster und öffnete die Laden.

Tom Prox trat neben ihn. »Nanu?«, stellte er überrascht fest. »Der Nebel ist ja verschwunden! Wir haben die herrlichste Nacht, die man sich denken kann.«

»Das kommt hier öfters vor«, erklärte Holborne. »Leider weiß man nie im Voraus, wie lange der Nebel anhält, und muss sich immer auf das Schlimmste einrichten.« Er trat wieder an den Tisch, schenkte noch einmal ein, lauschte jedoch weiterhin nach draußen und wurde immer unruhiger und fahriger.

»Wovor fürchten Sie sich eigentlich, Mr. Holborne?«, fragte Tom Prox dann. »Sie haben ja jetzt drei handfeste Männer bei sich, die es sogar mit dem Teufel aufnehmen, wenn's sein muss.«

»Es ist ...« Holborne schwieg wieder, als hielte er das für besser. Dann aber brach es aus ihm heraus. »Wovor ich mich fürchte? Auch Männer, die es mit dem Teufel aufnehmen, können mich nicht retten. Es ist dieser verdammte Silbervogel, der mich durcheinanderbringt. Begreifen Sie das?«

Tom sah ihn verwundert an. »Ich habe noch nie etwas davon gehört, dass sich alte, ehrliche Westmänner vor einem Pferd fürchteten!«

Des Ranchers Gesicht nahm einen scheuen Ausdruck an. »Auch auf die Gefahr hin, dass Sie mich für nicht ganz richtig im Kopf halten, Sir, dieses Pferd ist kein Wesen aus Fleisch und Blut! Es ist ...« Er suchte nach dem passenden Ausdruck. »Es ist eine Erscheinung!«

»Wie?« Tom war nun doch verblüfft.

Snuffy lachte laut auf. »Sie behaupten allen Ernstes, dass dieser Hengst ein Gespenst ist?«

»Es gibt mehr Dinge zwischen Himmel und Erde, als unsere Schulweisheit sich träumen lässt«, dozierte Ben Closter und musste dafür einen verweisenden Blick seitens seines langen Kameraden einstecken.

»Für dich vielleicht! Für mich nicht! Ich bin in meinem langen Leben zwar schon einige Male Gespenstern begegnet, das gebe ich zu, aber alle erwiesen sich als verdammt natürliche Realitäten, sobald ich näher hinsah.«

Er hatte noch nicht ausgesprochen, als sie alle die Köpfe hoben. Plötzlich war Pferdegetrappel zu vernehmen. Es kam vom Fluss her.

»Er treibt sich Nacht für Nacht draußen herum, und immer passiert dann etwas Böses!«, murmelte Holborne verstört.

Die Ghosts sprangen auf und stürzten wieder ans Fenster. Der Fluss lag wie ein silbergraues Band vor ihnen. Bäume und Strauchwerk säumten seine Ufer. Plötzlich trat ganz deutlich dieser geheimnisvolle Hengst aus einem Gebüsch hervor und äugte reglos zur Hütte herüber.

Tom Prox riss die Tür auf. Als er im Freien stand, hielt der Hengst noch an derselben Stelle. Er lief auf ihn zu, ohne dass das Tier Notiz von ihm nahm.

Auch der Sergeanten hatte sich eine seltsame Aufregung bemächtigt. Sie hatten schon ungefähr die halbe Entfernung zwischen Hütte und Pferd hinter sich, als das Tier sich abwandte und die Uferböschung hinuntertrabte. Bald darauf konnten sie es nicht mehr sehen, und als sie das Wasser erreichten, war keine Spur mehr von ihm zu entdecken.

»Man könnte tatsächlich annehmen, es hätte sich in Luft aufgelöst!«, erklärte Ben mit merklichem Stocken.

»Es hat den Fluss überquert und trabt nun wahrscheinlich aufs Gebirge zu«, mutmaßte der Lange.

»Die Gegend auf der anderen Seite des Flusses ist übersichtlich. Wir müssten es unter allen Umständen sehen können, wenn es sich tatsächlich so verhielte!«, wandte Tom ein.

Da wies der Lange triumphierend auf den Erdboden. Das Gras der Flussböschung war an verschiedenen Stellen niedergetreten, und dicht am Ufer, wo es Sand und Erde genug gab, zeichneten sich deutliche Hufspuren ab, die ins Wasser führten.

»Wenn der Gaul hier hineingelaufen ist, muss er ja auf der anderen Seite wieder herausgekommen sein«, brummte Patterson ungeduldig. »Zum Teufel, ich hab keine Lust, mich von so einem Viech narren zu lassen!« Ehe die anderen etwas erwidern konnten, watete er bereits in den Fluss.

»Gib Acht, du kennst den Servace River nicht!«

Aber die Mahnung war nicht nötig, das Wasser reichte dem Langen auch an den tiefsten Stellen nur bis zu den Hüften. Es dauerte nicht lange, da hatte er das andere Ufer erreicht und suchte es ab.

»Hol's der Satan!«, rief er zu den anderen hinüber. »Es sieht tatsächlich aus, als ob dieser Gaul ein Gespensterpferd ist! Hier gibt es weit und breit keine Spur, und doch müssten Hufabdrücke vorhanden sein. Der Boden ist ausgezeichnet geeignet, Spuren festzuhalten.«

Missmutig kehrte er zurück. Als die Freunde dann die Hütte betraten, saß der Rancher immer noch auf seinem Platz. Er hob nicht einmal den Kopf.

Snuffy betrachtete ihn missvergnügt. »Würde es Ihnen etwas ausmachen, uns ein wenig von diesem komischen Gaul zu erzählen, Rancher? Ich muss gestehen: Die Sache sieht seltsam aus, obwohl ich ... nee, Gespensterpferde gibt's nicht!«

»Was mag nur heute Nacht wieder passieren?«, murmelte Holborne verstört vor sich hin. »Trifft's wieder mich, oder ist diesmal Benson an der Reihe?«

»Ich glaube, Sie sollten sich ein Herz fassen und herausrücken, was Ihnen auf der Seele brennt, Mr. Holborne«, erwiderte Tom Prox. »Vielleicht können wir Ihnen helfen.«

Ungläubig schüttelte der Rancher den Kopf. »Helfen? Wie wäre das möglich? Sie sahen ja selbst, dass der Hengst verschwand, ohne eine Spur zu hinterlassen.«

»Wem gehört denn das Tier?«

»Niemandem. Es kommt und geht, wie es ihm gefällt. Erscheint immer nur in den späten Abend- und Nachtstunden, und jedes Mal müssen wir's büßen – entweder Benson oder ich!«

»Wollen Sie damit andeuten, dass sich jemand dieses Hengstes bedient, um Angst und Schrecken unter den Einwohnern des Distrikts zu verbreiten? Ich kenne den Volksschlag hier herum und weiß, wie abergläubisch die Leute sind – nehmen Sie es mir nicht übel! Haben Sie vielleicht Feinde?«

»Ich weiß von keinem Feind! Und auch von Benson kann ich nicht sagen, dass es Leute gibt, die ihm nicht wohlwollen. Wir sind von Kindheit an miteinander befreundet. Dieser Silbervogel aber ...«

»Woher stammt der Name?«

»Bensons Großvater nannte das Tier so.«

»Wollen Sie im Ernst behaupten, dass der Hengst bereits zu Lebzeiten Ihrer Großväter ...? Das ist doch ausgeschlossen!«

Holborne hob unbestimmt die Schultern. Dann griff er wieder nach der Flasche und schenkte ein.

»Ich muss es Ihnen nun doch erzählen, Sie geben ja sonst keine Ruhe! Zu Großvaters Zeiten also lebten in den unteren Regionen des Gebirges noch viele Herden von Wildpferden. Die stattlichste davon wurde von einem Schimmelhengst angeführt, der das Schönste und Erhabenste war, was man sich nur vorstellen kann. Mein und Bensons Großvater waren noch jung, als Silbervogel zum ersten Mal in Erscheinung trat. Sie sahen ihn und waren von diesem Augenblick an wie besessen von ihm. Jeder wollte das prächtige Tier einfangen. Tage, Wochen und Monate verbrachten sie damit, dem Pferd nachzuspüren, immer gemeinsam. Sie hatten ausgemacht, der Wunderhengst sollte dem gehören, dem es gelänge, ihn zu zähmen. Ich kenne die näheren Umstände nicht, aber Benson wurde tatsächlich eines Tages stolzer Besitzer des Hengstes. Er gab ihm den Namen Silbervogel und hatte unsagbare Mühe, ihn so weit zu bringen, dass er einen Reiter auf seinem Rücken duldete. Einen anderen als ihn aber ließ er nicht an sich heran. Großvater Benson war vier Jahre im Besitz des kostbaren Tieres, dann starb er. In der Nacht nach seinem Tod brach Silbervogel aus seinem Korral aus und blieb verschwunden. Bis er jetzt wieder aufgetaucht ist.«

Die Freunde blickten den Rancher skeptisch an, aber er hatte mit großem Ernst gesprochen.

»Und nun passiert jedes Mal ein Unglück, wenn sich der sagenhafte Hengst zeigt?«, fragte Snuffy schließlich nach längerem Schweigen.

»Falls Sie glauben, die Dinge hingen nicht miteinander zusammen ...« Holborne machte eine unschlüssige Handbewegung. »Natürlich ist nichts so logisch beweisbar, dass man nicht doch sagen könnte, es wäre nur ein Zufall! Nachdem Silbervogel zum ersten Mal auftauchte, stürzte Bensons Sohn so unglücklich, dass er zwei Tage später seinen Verletzungen erlag. Als das Satansbiest dann zum zweiten Mal erschien, war ich an der Reihe, meine größte Scheune, bis obenhin mit Getreide gefüllt, dazu unversichert, brannte bis auf die Grundmauern nieder. Wollen Sie hören, was sonst noch geschah? Bensons Tochter erkrankte plötzlich schwer und liegt nun schon den zweiten Monat in Silverhill im Krankenhaus. Es ist noch nicht abzusehen, ob sie jemals wieder das sein wird, was sie früher war. Und weiter: Ein Sturmwind riss mir das Dach vom Ranchhaus. Der Setille-Bach, der Bensons Weiden am Teffy Pik bewässert, versiegte plötzlich und ließ das Land in seiner ganzen Weite austrocknen. In meiner Hauptherde brach dann die Rinderpest aus und kostete mich siebzig wertvolle Tiere. Reicht das Ihnen? Oder wollen Sie noch mehr hören? Es ist inzwischen so weit gekommen, dass sich in der ganzen Gegend kein Mensch mehr nachts heraustraut – aus Furcht, dem Schimmelhengst zu begegnen und in die Unglücksserie einbezogen zu werden, die bisher nur Benson und mich trifft. Natürlich sollte man weder an Gespenster noch an ähnlichen Unsinn glauben – aber ich komme einfach nicht davon weg!«

Die Sieben-Steine-Ranch war ein Anwesen, das sich sehen lassen konnte, alles zeugte hier nicht nur von Wohlstand, sondern sogar von Reichtum. Die Bensons, denen die Ranch gehörte, waren im Distrikt genauso geachtet wie die Holbornes, beide Familien gehörten zu den ältesten, angesehensten und reichsten der Gegend.