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Die Protagonisten dieses Meisterwerkes von Richard Wagner kennen die meisten Menschen von der Bühne oder vom Hörensagen. Doch worum geht es eigentlich in der Geschichte von Tristan und Isolde? Hier kommt endlich eine verständliche Fassung in Prosa : Ist doch kein Drama!
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Seitenzahl: 101
Veröffentlichungsjahr: 2025
Anno Stock
Tristan & Isolde - Kein Drama nach Richard Wagner
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Inhaltsverzeichnis
Titel
Table of Contents
Kapitel 1: Die Überfahrt
Kapitel 2: Erinnerungen an Morold
Kapitel 3: Der Entschluss
Kapitel 4: Der Trank
Kapitel 5: Ankunft in Cornwall
Kapitel 6: Die Hochzeit
Kapitel 7: Heimliche Sehnsucht
Kapitel 8: Der Plan
Kapitel 9: Nacht der Liebe
Kapitel 10: Der Verrat
Kapitel 11: Die Wunde
Kapitel 12: Liebestod
Epilog: Jahre später
Impressum neobooks
Tristan und Isolde
Ein Roman nach Richard Wagners Musikdrama
Das Schiff kämpfte sich durch die aufgewühlte See. Graue Wellen schlugen gegen den Bug, als wollten sie das Gefährt zurück nach Irland treiben. Doch nichts konnte diese Fahrt aufhalten – nicht der Sturm, nicht das Meer, und schon gar nicht der Wille einer einzelnen Frau.
Isolde stand an der Reling und starrte in die Gischt. Ihre Finger umklammerten das feuchte Holz so fest, dass die Knöchel weiß hervortraten. Cornwall. Der Name ihres Ziels schmeckte bitter auf ihrer Zunge. Dort wartete König Marke auf sie – ein Mann, den sie nie gesehen hatte, dem sie aber bereits gehörte wie ein Stück Land, das man vererbt.
Der Wind zerrte an ihrem goldenen Haar, das sie heute nicht geflochten hatte. Warum auch? Für wen sollte sie sich schön machen? Für den König, der sie gekauft hatte wie eine Stute auf dem Markt? Oder für seinen Neffen, der dort drüben im Schatten des Mastes stand und so tat, als würde er sie nicht beobachten?
Tristan. Allein sein Name ließ ihre Wut auflodern wie Feuer, das man mit Öl übergießt. Er wagte es nicht einmal, ihr in die Augen zu sehen. Dabei hatte er vor nicht allzu langer Zeit noch vor ihr gekniet – blutend, dem Tod näher als dem Leben. Damals hatte er sich Tantris genannt, ein harmloser Spielmann aus fernen Landen. Was für eine Lüge.
Sie drehte sich abrupt um und ihre Blicke trafen sich für einen Moment. In seinen dunklen Augen lag etwas, das sie nicht deuten konnte. Schuld? Sehnsucht? Oder war es nur die Reflexion des grauen Himmels? Er wandte sich ab, wie er es immer tat, wenn sie ihn ansah. Der große Held von Cornwall, der Drachentöter, der Bezwinger Morolds – ein Feigling, wenn es darum ging, einer Frau gegenüberzutreten.
„Herrin, Ihr solltet unter Deck gehen." Brangänes sanfte Stimme riss Isolde aus ihren Gedanken. Ihre treue Dienerin stand neben ihr, das braune Haar ordentlich unter einem Schleier verborgen, die Hände besorgt gefaltet. „Der Sturm wird stärker. Es ist nicht sicher hier oben."
„Sicher?" Isolde lachte bitter auf. „Nichts an dieser Reise ist sicher, Brangäne. Wir segeln direkt in mein Verderben."
„Herrin, bitte. König Marke ist ein ehrenwerter Mann. Man sagt, er sei gütig und gerecht."
„Man sagt viel, wenn der Tag lang ist." Isolde blickte wieder aufs Meer hinaus. Die Küste Cornwalls war noch nicht zu sehen, aber sie wusste, dass sie sich näherten. Sie konnte es spüren – wie ein Tier, das die Falle wittert. „Weißt du, was das Schlimmste ist, Brangäne? Nicht, dass ich einen Fremden heiraten muss. Nicht einmal, dass ich meine Heimat verlasse. Das Schlimmste ist, dass er mich dorthin bringt. Der Mann, der Morold getötet hat. Der Mann, dem ich das Leben gerettet habe."
Brangäne schwieg. Was sollte sie auch sagen? Sie kannte die Geschichte. Ganz Irland kannte sie. Wie Tristan im Zweikampf Morold besiegt und seinen Kopf als grausige Trophäe nach Irland geschickt hatte. Wie er später, von Morolds vergiftetem Schwert verwundet, unter falschem Namen nach Irland gekommen war. Wie Isolde, die beste Heilerin des Königreichs, ihn gepflegt hatte, ohne zu wissen, wen sie da vor dem Tod bewahrte.
„Ich hätte ihn sterben lassen sollen", flüsterte Isolde. „Als ich die Scharte in seinem Schwert sah und wusste, dass sie zu dem Splitter passte, den ich aus Morolds Schädel gezogen hatte – ich hätte ihm mein Messer ins Herz stoßen sollen."
„Aber Ihr habt es nicht getan."
„Nein." Isoldes Stimme war kaum mehr als ein Hauch. „Ich habe es nicht getan."
Warum nicht? Diese Frage quälte sie seit Monaten. Sie hatte das Messer in der Hand gehalten, hatte auf den wehrlosen Mann hinabgeblickt, der im Fieber vor sich hin murmelte. Ein Stoß, und Morold wäre gerächt gewesen. Stattdessen hatte sie das Messer fallen lassen und war aus dem Raum geflohen. Und als ihr Vater verkündete, dass Frieden mit Cornwall geschlossen werden sollte, besiegelt durch ihre Ehe mit König Marke, da hatte ausgerechnet Tristan als Brautwerber vor ihrer Tür gestanden.
Das Schiff schaukelte heftig, und Isolde musste sich an der Reling festhalten. Am anderen Ende des Decks sah sie Kurwenal, Tristans Diener, der seinem Herrn etwas zuflüsterte. Ein treuer Hund, dachte sie verächtlich. Genau wie sein Herr – König Markes treuer Hund, der brav apportierte, was man ihm befahl. Sogar eine Braut.
„Wir sollten wirklich nach unten gehen", drängte Brangäne erneut. „Ihr seid ganz blass."
Isolde wollte widersprechen, doch in diesem Moment erfasste eine gewaltige Welle das Schiff. Das Deck neigte sich gefährlich, und sie verlor den Halt. Schon sah sie sich über Bord gehen, da packten starke Arme sie und zogen sie zurück.
Es war Tristan.
Einen Herzschlag lang standen sie so da – er hielt sie fest, ihr Gesicht an seiner Brust, seine Arme um ihre Taille. Sie konnte sein Herz schlagen hören, schnell und unregelmäßig. Dann, als hätte er sich verbrannt, ließ er sie los und trat zurück.
„Verzeiht", murmelte er und verbeugte sich steif. „Ich wollte nicht... Es war nur..."
„Ihr wolltet nicht, dass Eure kostbare Fracht über Bord geht", sagte Isolde kalt. „Schließlich müsst Ihr mich heil bei Eurem König abliefern."
Seine Kiefermuskeln spannten sich an. „Ihr solltet unter Deck gehen, Herrin. Der Sturm—"
„Der Sturm ist mir gleichgültig." Sie trat einen Schritt auf ihn zu, und er wich zurück. „Aber Ihr, Lord Tristan, Ihr solltet mir nicht gleichgültig sein. Schließlich habt Ihr mein Leben zerstört."
„Isolde..." Ihr Name auf seinen Lippen klang wie ein Gebet und eine Qual zugleich.
„Prinzessin Isolde für Euch", korrigierte sie scharf. „Oder bald Königin Isolde, wenn es nach Eurem Willen geht."
Er schloss die Augen, als könnte er so ihrem Blick entkommen. „Es ist nicht mein Wille. Es ist—"
„Eure Pflicht. Ich weiß." Sie lachte bitter. „Die große, heilige Pflicht. Dafür habt Ihr Morold getötet. Dafür habt Ihr mich belogen. Und dafür bringt Ihr mich jetzt zu einem Mann, der alt genug ist, mein Vater zu sein."
„König Marke ist ein guter Mann", sagte Tristan leise. „Er wird Euch mit Respekt behandeln."
„Respekt?" Isolde spürte, wie ihre Beherrschung schwand. „Ich will keinen Respekt! Ich will..." Sie brach ab. Was wollte sie? Freiheit? Rache? Oder etwas ganz anderes, etwas, das sie nicht einmal sich selbst eingestehen konnte?
Tristan sah sie an, und wieder war da dieser Ausdruck in seinen Augen – wie ein Ertrinkender, der nach Luft ringt. „Ich weiß, was Ihr von mir denkt", sagte er rau. „Und Ihr habt recht. Ich bin ein Mörder und ein Lügner. Aber glaubt mir, wenn ich es ungeschehen machen könnte—"
„Könnt Ihr aber nicht." Ihre Stimme war hart wie Eis. „Nichts könnt Ihr ungeschehen machen. Also hört auf, so zu tun, als würde es Euch kümmern."
Sie drehte sich um und ging, Brangäne folgte ihr hastig. Doch an der Luke, die unter Deck führte, konnte Isolde nicht widerstehen, sich noch einmal umzudrehen. Tristan stand noch immer dort, wo sie ihn verlassen hatte, eine einsame Gestalt gegen den stürmischen Himmel. Der Wind zerrte an seinem dunklen Haar und seinem Umhang, und für einen Moment sah er aus wie ein Mann, der bereits verloren war.
Unten in ihrer Kabine war es dunkel und stickig. Das Schiff schwankte, und Isolde musste sich setzen, um nicht zu fallen. Brangäne zündete eine Lampe an und begann, Isoldes nasse Haare zu trocknen.
„Er liebt Euch", sagte Brangäne plötzlich.
Isolde fuhr herum. „Was?"
„Lord Tristan. Er liebt Euch. Das sieht ein Blinder."
„Unsinn." Isolde spürte, wie ihr Herz schneller schlug. „Er tut nur seine Pflicht."
„Kein Mann sieht eine Frau so an, wenn es nur um Pflicht geht." Brangäne kämmte sanft Isoldes Haar. „Und Ihr... Ihr hasst ihn auch nicht so sehr, wie Ihr vorgebt."
„Ich hasse ihn", beharrte Isolde, aber die Worte klangen hohl. „Er hat Morold getötet."
„Morold, den Ihr nie geliebt habt."
„Das spielt keine Rolle. Er war mein Verlobter."
„Ein Verlobter, den Euer Vater für Euch ausgesucht hatte. Genau wie jetzt König Marke." Brangäne seufzte. „Herrin, ich kenne Euch, seit wir Kinder waren. Ich weiß, wann Ihr lügt – auch wenn Ihr Euch selbst belügt."
Isolde schwieg. Was sollte sie auch sagen? Dass sie nachts von dunklen Augen träumte? Dass sie sich manchmal dabei ertappte, wie sie Tristan beobachtete, wenn er nicht hinsah? Dass ihr Hass und ihre... was auch immer es war... so eng beieinander lagen, dass sie sie nicht mehr unterscheiden konnte?
„Es spielt keine Rolle", sagte sie schließlich müde. „In wenigen Tagen werden wir Cornwall erreichen. Ich werde Marke heiraten, und Tristan wird wieder der treue Neffe sein. Was auch immer zwischen uns ist oder nicht ist – es hat keine Zukunft."
Brangäne sagte nichts, aber ihr Blick war voller Mitleid. Sie ging zu ihrer Truhe und holte ein kleines Fläschchen hervor, das in ein Seidentuch gewickelt war.
„Was ist das?", fragte Isolde.
„Eure Mutter hat es mir gegeben", antwortete Brangäne vorsichtig. „Für Eure Hochzeitsnacht. Es ist ein... Liebestrank."
Isolde lachte bitter. „Ein Liebestrank? Wie in den alten Geschichten? Soll ich Marke damit verzaubern, damit er mich liebt?"
„Es soll Euch beiden helfen, zueinander zu finden", sagte Brangäne. „Eure Mutter meinte, manchmal braucht die Liebe einen kleinen Anstoß."
„Die Liebe." Isolde nahm das Fläschchen und betrachtete die rubinrote Flüssigkeit darin. „Was weiß meine Mutter schon von Liebe? Sie hat meinen Vater auch nicht geliebt, als sie ihn heiratete."
„Aber sie hat gelernt, ihn zu lieben."
„Nach zwanzig Jahren und fünf Kindern vielleicht." Isolde stellte das Fläschchen auf den Tisch. „Bewahr es auf, wenn du willst. Aber ich werde es nicht brauchen."
Draußen heulte der Sturm, und das Schiff ächzte unter der Gewalt der Wellen. Isolde legte sich auf ihr Lager und schloss die Augen. Noch drei Tage, vielleicht vier, dann würden sie Cornwall erreichen. Drei Tage, in denen sie Tristan aus dem Weg gehen musste. Drei Tage, in denen sie sich auf ihre Rolle als zukünftige Königin vorbereiten musste.
Aber als sie einschlief, träumte sie nicht von Kronen und Thronen. Sie träumte von dunklen Augen und starken Armen, die sie vor dem Sturm retteten. Und in ihrem Traum ließ Tristan sie nicht los.
Das Schiff kämpfte sich weiter durch die Nacht, dem Schicksal entgegen, das in Cornwall auf sie alle wartete. Keiner der Passagiere ahnte, dass diese Überfahrt nicht nur eine Prinzessin zu ihrem zukünftigen Gemahl brachte, sondern auch den Anfang vom Ende markierte – das Ende von Ehre und Pflicht, von Treue und Vernunft. Denn manchmal sind die stärksten Stürme die, die im Inneren toben, und gegen die gibt es keinen sicheren Hafen.
Die Nacht senkte sich wie ein schwarzer Schleier über das Meer. In ihrer Kabine lag Isolde wach und starrte an die niedrige Decke. Das Schiff schaukelte sanft, der Sturm hatte nachgelassen, aber in ihrem Inneren tobte es weiter. Jedes Mal, wenn sie die Augen schloss, sah sie Morolds Gesicht vor sich – nicht wie er gelebt hatte, sondern wie er zurückgekommen war.
Der Kopf. Allein der Kopf, in einer Kiste aus Eichenholz, das Siegel Cornwalls darauf geprägt wie ein Brandzeichen. Ihr Vater hatte geschrien vor Wut, ihre Mutter war in Ohnmacht gefallen, und sie selbst? Sie hatte nur dagestanden, unfähig zu begreifen, dass der Mann, der vor drei Monaten noch neben ihr gesessen und von ihrer gemeinsamen Zukunft gesprochen hatte, nun tot war. Ermordet von einem Ritter aus Cornwall, der sich Tristan nannte.
