Weintrauben - Adam Scharrer - E-Book
SONDERANGEBOT

Weintrauben E-Book

Adam Scharrer

0,0
0,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 0,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Ein Mann sitzt allein in seiner Wohnung. Der Sturm draußen scheint sein Innerstes zu spiegeln. Zwischen verstreuten Papieren, Erinnerungen und Schmerz beginnt er zu schreiben – seine Geschichte, die Geschichte eines Arbeiters. Adam Scharrer erzählt eindringlich vom Leben in den 1920er Jahren, von der Zerrissenheit zwischen politischem Engagement und familiärer Verantwortung, von Armut, Klassenkampf und einem unerbittlichen Schicksalsschlag, der alles verändert. Weintrauben ist mehr als ein persönlicher Rückblick – es ist ein erschütterndes Zeugnis proletarischer Lebensrealität, das auch heute noch durch seine Authentizität, Klarheit und emotionale Tiefe bewegt. Eine Geschichte über Liebe, Verlust und die Kraft, trotz allem weiterzugehen.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 34

Veröffentlichungsjahr: 2025

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Impressum

Adam Scharrer

Weintrauben

Erzählung eines Arbeiters

ISBN 978-3-68912-467-0 (E–Book)

Die Erzählung erschien 1979 im Aufbau Verlag Berlin und Weimar.

Das Titelbild wurde mit der KI erstellt.

© 2025 EDITION digital®

Pekrul & Sohn GbR

Godern

Alte Dorfstraße 2 b

19065 Pinnow

Tel.: 03860 505788

E-Mail: [email protected]

Internet: http://www.edition-digital.de

WEINTRAUBEN

Erzählung eines Arbeiters

Wie der Sturm durch die Straßen rast! – Wie der Regen an die Fenster klatscht! Als wollten beide, Sturm und Regen, Botschaft bringen – oder Botschaft holen. In einer einfachen Wohnung in einem Arbeiterviertel ist Licht. In der Wohnung selbst ein ziemliches Durcheinander. Aus allen Ecken grinst die Einsamkeit. Die ordnende Hand ist offenbar aus ihrem Element gerissen. Zeitungen, Geschirr, Kleidungsstücke, Bücher – alles liegt und steht verstreut umher.

Der dort hausende, auf den Sturm lauschende früh ergraute Mann blättert in Aufzeichnungen. Unschlüssig wendet er Blatt um Blatt und fasst einen Entschluss. Er geht daran, lose Hingeworfenes aufzuschreiben. Eine Geschichte – seine Geschichte. Ob später einmal sein Kind – das bei lieben Menschen eine Heimat fand – sie von vergilbten Bogen abliest oder ob die Zeilen den Weg in eine Zeitung finden werden, ist nebensächlich. – Wer sie einst lesen wird, darf keinen Schmus erwarten, sondern nur die Wahrheit, schlicht und einfach, die diesem dort oben der Sturm entriss. Vielleicht wird diesen Blättern auch später anvertraut werden, was weiter wurde.

Nun will ich die Geschichte erzählen, diesen Blättern erzählen. Sie sind nicht teilnahmsloser als die meisten Menschen und sind – verschwiegen!

Aber so einfach ist dies gar nicht. In meinem Hirn sind so viele Dinge durcheinandergekommen, die aber alle zusammengehören. Und die den Rahmen abgeben und auch den Schlüssel zu dem Kapitel, zu dem diese Geschichte gehört: Arbeiterehre.

Wenn zwei Menschen, Frau und Mann, nach Feierabend spazierengehen, beide gesund und – wenn man so sagen soll – auch „hübsch“, und wenn um sie herum ein kleiner Kobold springt, so fehlt – äußerlich gesehen – gewiss nichts an dem „Eheglück“ dieses Proletarierpaares. Aber wenn man hinzunimmt, dass der heutige Totentanz der kapitalistischen Gesellschaft die Menschen in Klassen spaltet, krasser denn je zuvor, das Gespenst der Arbeitslosigkeit seinen Einzug hält, die Dialektik der Geschichte den einen oder den anderen – meistens den Mann – den Klassenkampf lehrt und dadurch die Fälle von Entlassungen, Verhaftungen, Entbehrungen sich noch mehr häufen, die Not ständiger Gast ist – dann werden auch diese Menschen auseinandergerissen. Der Klassenkämpfer, der den Ausweg nur in der Beseitigung dieser „Ordnung“ sieht, wird – in den Augen einer schönen oder weniger schönen Frau, die die Grenze bürgerlicher Gedankenlosigkeit nicht zu durchbrechen vermag – zum „Verbrecher“ an der Familie. Daneben ist der Mann gezwungen, sein eigenes Geistesleben zu führen. Die Frau versteht ihn nicht. In den meisten Arbeiterehen klafft dieser Zwiespalt tief, oft unüberbrückbar. Die moralische Verpflichtung gegenüber den Kindern lässt den Schritt der Trennung meistens ungetan. So verkümmern viele Kräfte nebeneinander, geistig, körperlich, sexuell. Das Leben wird zur Qual, zur Hölle.

Wohl dem Arbeiter, der neben sich einen Kameraden hat, der Freud und Leid, gute und böse Tage, Not und Entbehrungen teilt, mit ihm geistig zusammenwächst, zu einer höheren Einheit verschmilzt und in dieser aufgeht. Da werden Stunden gemeinsamer Hingabe zum köstlichsten Lebensziele, Lebensglück und Lebensquell. – Und bewahre das Schicksal den Genossen davor, den Kameraden in der Schlacht des Lebens zu verlieren. Für ihn gibt es schlecht „Ersatz“, den es für den anderen so reichlich gibt: die in der Frau die Köchin und den sexuellen Schuttabladeplatz, umgekehrt in dem Manne lediglich den Ernährer sehen.

… „Musst du nun gerade fahren? Bedenke doch: auch für mich wäre ein klein wenig Ruhe sehr notwendig. Im Ruhrgebiet, diesem Hexenkessel von nationalistischen Brandungen, läufst du ohne Einreiseerlaubnis geradewegs und offenen Auges ins Zuchthaus hinein. Ich kenne dein Temperament. Du hast keine Gnade zu erwarten, weder von den deutschen noch von den französischen Machthabern. Und auch die Genossen sollten bedenken: Der Einsatz ist, gemessen an den Gewinnchancen, zu groß, ganz gleich, wer fährt. Im Übrigen kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass die anderen weit vorsichtiger sind und deiner Unerschrockenheit schmeicheln, um selbst verschont zu bleiben. Denke daran, dass die Sorge um dich für mich auf keinen Fall gut sein kann. Wenn es nicht anders ginge, würde ich gewiss keine Einwendungen machen. Aber gerade jetzt – du weißt, bei meinem Zustand.“

So sprach die werdende Mutter zum Kameraden. In ihren Worten zitterte ganz unmerklich ein leiser Vorwurf. Und wie dessen bewusst, legte sie bittend die Hand auf die Schulter des Mannes, der gesenkten Blickes vor ihr stand und ruhig zuhörte. „Hast mich doch noch lieb, bleibst bei mir?“