Essays über Politik, Kultur und die Macht der Worte - Adam Scharrer - E-Book
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Essays über Politik, Kultur und die Macht der Worte E-Book

Adam Scharrer

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Beschreibung

Adam Scharrer, unbeugsamer Chronist des revolutionären Proletariats und kämpferischer Zeitzeuge des 20. Jahrhunderts, legt mit diesen Aufsätzen eine kraftvolle Sammlung literarischer, politischer und autobiografischer Reflexionen vor. Mit analytischer Klarheit, bissigem Humor und unerschütterlicher Haltung seziert er das Verhältnis von Kultur, Ideologie und Klassenkampf – von der expressionistischen Kunstdebatte bis zur literarischen Aufarbeitung von Faschismus und Exil. Ob er als Kritiker bürgerlicher Theaterformen auftritt, mit Ehm Welk über Realismus streitet oder über seine Rückkehr in das zerstörte Bayern schreibt: Scharrer bleibt stets aufrichtig, kämpferisch und radikal menschenfreundlich. Seine Texte sind ein leidenschaftliches Plädoyer für eine Literatur im Dienst der Befreiung – konkret, parteilich und den einfachen Menschen verpflichtet. Diese Sammlung ist ein authentisches Dokument proletarischen Denkens von seltener Dichte und ein eindringlicher Ruf nach gesellschaftlicher Verantwortung in der Kunst – aktueller denn je.

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Seitenzahl: 120

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Impressum

Adam Scharrer

Essays über Politik, Kultur und die Macht der Worte

ISBN 978-3-68912-493-9 (E–Book)

Die Erzählung erschien 1979 im Aufbau Verlag Berlin und Weimar.

Das Titelbild wurde mit der KI erstellt.

© 2025 EDITION digital®

Pekrul & Sohn GbR

Godern

Alte Dorfstraße 2 b

19065 Pinnow

Tel.: 03860 505788

E-Mail: [email protected]

Internet: http://www.edition-digital.de

PROLETARISCHE KULTUR UND REVOLUTION

Im Heft 2 des „Proletarier“ ist ein Aufsatz des Genossen Steinhauer über das Thema „Proletarische Ideologie“ enthalten, der am Schluss die Forderung enthält, dass die Partei Kräfte frei machen müsse zur Pflege der proletarischen Ideologie. Als Begründung wird angeführt, dass eine proletarische Kultur schon vor dem Siege des Proletariats möglich wäre, und dabei auf die Solidarität der Arbeiter gegenüber dem Bürgertum als Basis verwiesen. Ferner auf die Tatsache, dass auch schon im Schoße der feudalistischen Ordnung die Kultur der modernen Bourgeoisie sich entwickelte, noch bevor das Bürgertum die politische Macht besaß, und dies als weiterer Beweis der Möglichkeit angeführt. Angesichts der Haltung der Gewerkschaften, die die Arbeiterklasse aus Selbsterhaltungstrieb zum bürgerlichen Denken erziehen und die Arbeitersolidarität untergraben, gelte es, diesem Beginnen einen Damm entgegenzusetzen. Das wäre eine einfache proletarische Ideologie, gepflegt durch Literatur, Vorlesungen, Rezitationen, Theater usw. und durch die Arbeit in der Union und Jugend, „damit Proletarier nicht mehr der bürgerlichen Ideologie verfallen können. Wir müssen die Menschen einordnen in den Kampf der Zeit.“

Es ist nicht die Aufgabe dieses Aufsatzes, die Ausführungen des Genossen Steinhauer lediglich zu zerhacken. Doch sei gleich am Anfang auf eine Redewendung hingewiesen, die dem Artikel zugrunde liegt und auf die sich die Anregungen stützen: „Wir müssen und wir wollen.“ „Wollen“ kann man natürlich sehr viel. Und man muss auch, marxistisch betrachtet, „Unmögliches“ wollen, um das Mögliche zu erreichen. Aber dieser letzte Satz ist nur in dem Sinne richtig, dass die Partei trotz der Unmöglichkeit, den Kapitalismus nach ihrem Willen zu stürzen, den Sturz desselben trotzdem anstreben muss, weil es eben die einzige Möglichkeit ist, das Proletariat vor dem Untergang in die Barbarei zu bewahren, und weil die objektive Entwicklung nach dieser Richtung sich bewegt. Es ist in Anbetracht der Geistesverfassung des Proletariats eine momentane Unmöglichkeit und trotzdem die einzige Möglich- und deshalb Notwendigkeit; keine Utopie, das ist entscheidend! Nach der Interpretation des Begriffes „Wollen“ im revolutionären Sinne sei nun der Versuch unternommen, den Nachweis zu führen, dass die in dem Artikel Steinhauers enthaltenen Forderungen nicht realisierbar und deshalb eine Utopie sind.

Ein Vergleich der bürgerlichen kulturellen Entwicklung mit der proletarischen ist nicht denkbar. Die Kultur einer herrschenden Klasse ist stets ein Ausfluss der Eigentumsverhältnisse und des Wirtschaftssystems, auf denen die Ordnung der herrschenden Klasse beruht. Die Herrschaft der modernen Bourgeoisie verlangt nicht eine Änderung der kapitalistischen Eigentumsverhältnisse, sondern lediglich eine politische Anerkennung und Realisierung der innerhalb der kapitalistisch-feudalistischen Eigentumsverhältnisse herangereiften kapitalistischen Klasse und eine Teilung der Macht mit derselben. Der äußere Ausdruck ist die bürgerliche Revolution, ein Vorgang, der sich bei genügender Ausreifung ganz gemütlich vollziehen kann. Die aufstrebende Bourgeoisie als Vorderreiter der Arbeiterklasse sucht entweder den feudalistischen Widerstand mit Hilfe der Arbeiterklasse zu überwinden, um nach dem Sieg sich gegen die Proletarier zu wenden, oder der Feudalismus bricht an äußeren Erschütterungen – wie in Deutschland – selbst zusammen und gibt den Prügelknaben ab bereits für die vom modernen Kapitalismus diktierte Politik. Oder er dient noch als Dekoration wie in England. Aber bürgerliche Kultur und Ideologie und feudalistische sind keine unvereinbaren Gegensätze, weil die ihnen zugrunde liegenden Eigentumsverhältnisse dies ebenfalls nicht sind. Bei allen Klassenvorrechten des Feudalismus, die dieser oft bis zuletzt verteidigt, vollzieht sich diese Entwicklung auf dem Boden des Privateigentums. Der Kapitalismus sprengt lediglich feudalistische Fesseln. Die Kultur des Bürgertums ist keine grundsätzlich andere als die des Feudalismus, sie ist lediglich der Ausdruck der jeweiligen kapitalistischen Entwicklung. Vom Feudalismus bis zum Kapitalismus ist eine Linie, von der sich schlecht feststellen lässt, wo die feudalistische aufhört und die kapitalistische anfängt. Es erfolgt bei einem gewissen Grad der Entwicklung lediglich eine den veränderten Eigentumsverhältnissen (auf Grund der Herausbildung der modernen Industrie) entsprechende Verteilung der Machtverhältnisse.

Die proletarische Revolution, die proletarische Klasse erstreben nicht eine Änderung der Eigentumsverhältnisse, sondern Aufhebung des Privateigentums an Produktionsmitteln überhaupt! Diese „Expropriation der Expropriateure“ kann nicht unter den bürgerlichen Eigentumsverhältnissen und innerhalb derselben vor sich gehen. Proletarische Kultur als Ausdruck des Geisteslebens der Klasse, die sich die Aufgabe stellt, der herrschenden Klasse das Privateigentum zu entreißen, zum Ausdruck zu bringen auf künstlerischem und allgemein propagandistischem Gebiet, ist entweder der Reflex des Willens der Arbeiterklasse zur Tat, dann geht die Tat voraus. Oder er ist eine Fata Morgana, ein Luftgebilde, eine in sentimental-schwärmerisch angekränkelten Köpfen entstandene fixe Idee, aber keine proletarische Kultur und Ideologie. Proletarische Kultur kann nur entstehen, wenn eine proletarische Ideologie vorhanden ist, und diese kann nur vorhanden sein, wenn dieser Ideologie, dieser Erkenntnis die Tat auf dem Fuße folgt. Ist dies der Fall, dann gibt es keine großartige Pflege dieser Ideologie oder Kultur, sondern dann gibt es fürs erste einmal eine ganz „unkultivierte“ Revolution und durch die Revolution die ersten Schritte für eine neue Kultur. Der Wille breiter Massen, die gigantischen Aufgaben der proletarischen Revolution unter den schwierigsten Verhältnissen in Angriff zu nehmen mit dem unerschütterlichen Willen zum Siege, erfordert ein solches Maß von Selbstverleugnung, Solidarität, Todesverachtung, Wagemut und Heroismus, dass dies vordem gar nicht in irgendwelchen schönen Gedichten beschrieben werden kann. Und diese Eigenschaften zur Tat sind eine solch kulturelle Höhe, wie man dies nie durch „Pflege“ erreichen wird. Der erste ernste Waffengang der Arbeiterschaft gegen seine Henker ist der erste Schritt zur moralischen Wiedergeburt der Arbeiterklasse und zur Befreiung aus der bürgerlichen „Kultur“. Und ohne diesen Willen zum Kampf und den Kampf selbst nützt alle schöne Pflege nichts, werden die Kräfte, die das Proletariat diesem Ziel näher bringen sollen, nur zersplittert und an Stelle der Weckung des harten Willens die Prosa der Revolution gesetzt, Taten besungen, die nicht getan.

Soviel nur ganz allgemein. Bei näherer Betrachtung der Entwicklung der Revolution innerhalb der demokratischen Republik finden wir die Bestätigung der alten Wahrheit, dass es auch in diesem Sinne eben keinen Kompromiss mit dem Kapitalismus geben kann und gibt. Der Weg, auf dem Boden der kapitalistisch-demokratischen Republik einen Fortschritt in Bezug auf den kulturellen Aufstieg der Arbeiterklasse und des proletarischen Nachwuchses zu erreichen, ist noch nicht abgeschlossen, aber schon in seinem Resultat jedem Einsichtigen klar. Nehmen wir die „weltliche Schule“. Mögen viele sich der Illusion hingeben, dass sie im Sinn der Klasse ein „Kulturersatz“ auf dem Gebiete der Allgemeinbildung ist – man sehe nur nicht tiefer hinein! Es ist gewiss im dialektischen Prozess der Irrungen und Wirrungen der proletarischen Revolution ein Fortschritt, aber einer von den vielen „Fortschritten“, der zwei Schritte rückwärts deswegen zur Folge haben kann, weil viele Proletarier von dieser Illusion, von dieser „Errungenschaft“ so geblendet sind, dass sie um so länger zögern, das Übel an der Wurzel zu packen.

Der ideologische Inhalt der christlichen Schule ist die Religion. Diese ist aus der weltlichen Schule verbannt. Die Religion ist für die Proletarier im Interesse der Profitwirtschaft die Erklärung der Dinge. Ein Mittel zur Stabilisierung und einer erneuten Reproduktion der Dummheit der Menschen, hauptsächlich der Kinder. Aber sie trägt dem primitiven Verlangen der nach einer Methode, die jede Kritik ausschließt, erzogenen Kinder nach einer Erklärung der Vorgänge im Leben und in der Geschichte Rechnung. Welche Erklärung, welche Methode der Erforschung, welches Resultat setzt die „weltliche Schule“ an Stelle der Religion? Keine! Sie ist inhaltlich hohl und leer. Sie macht bei allen Gelegenheiten, wo sie zu bestimmten Dingen (Weihnachten, Schulentlassungsfeiern usw.) Stellung nehmen muss zu bestimmten Vorgängen auf dem Gebiete der Moral, des Rechts, des allgemeinen Verhaltens der Entlassenen, Anleihen bei der Religion und streicht aus dem aufgewärmten schwärmerischen Brei sorgfältig das Wort „Gott“ heraus. Das ist dann „Kampf gegen die Religion“. Die gepredigte Moral ist die Moral der bürgerlichen Klasse, das gepredigte Recht das Recht innerhalb des Gesetzes. Das empfohlene Verhalten das der demokratischen Untertanen. Die angewiesene Stätte zur Weiterbildung Gewerkschaften und Volksschule.

Kann es anders sein? Nein! Es kann deswegen nicht anders sein, weil der demokratische Staat die „weltlichen Schulen“ nur duldet, wenn sie als willfährige Dirnen dieses Staates ihre Pflicht erfüllen. Es kann ferner nicht anders sein, weil die Methode der Erklärung für die Vorgänge im Leben und in der Geschichte nur der historische Materialismus sein kann. Man verstehe hier nicht falsch. Dass man den Kindern nicht unverdauliche Vorträge aufpfropft in einer Zeit, wo der Drang nach Wahrheit noch nicht zu wecken ist, weiß jeder Laie. Aber bei den ersten Tastversuchen nach Orientierung müsste die Antwort folgen. Die Methode der Einführung ist lediglich eine Frage der Praxis. Erfolgt sie? Von wem? Wo die Lehrer selbst Kleinbürger und ihnen Klassenkampf und materialistische Geschichtsauffassung selbst ein Buch mit sieben Siegeln sind? Jedem Einsichtigen wird hier der geistige Bankrott offenbar. Jedem Einsichtigen wird klar, dass die Menschenkinder, die dort ihre erste geistige und allgemein wissenschaftliche Ausrüstung erhalten, rettungslos verloren sind, wenn sie im Vater, in der Mutter nicht die Stütze haben, die ihnen über die Klippen hilft, in ihnen politisches Verständnis weckt und sie dann den Organisationen zuführt, die sie einreihen in die Klassenkampfarmee. Und wie viele Eltern gibt es, die in ihren spärlichen Stunden diesen Anforderungen genügen? Man versuche einmal in einer Elternversammlung eine Diskussion, und man wird erfahren, dass die kleinbürgerlichen Lehrer tatsächlich der Ausdruck kleinbürgerlicher Eltern sind, die – nicht immer aus bösem Willen, sondern aus reinem Unverständnis – ihrem Unwillen Ausdruck geben über eine derartige „Stänkerei“. Und wo der geistige Schlüssel fehlt zur Bewältigung eines Problems, da hilft alles nichts. Da bleibt die Methode des Lernens im Grunde die alte, trotz einiger Stunden „Arbeitsunterricht“. Da erschöpft sich der Kampf gegen die Pfaffenschule in der durch den Ausfall von Religionsunterricht frei gewordenen Zeit und darüber hinaus gegebenen noch größeren Überbürdung der Kinder, zum großen Teil mit unnötigem Ballast, und so mehr zu „leisten“.

Wo der schöpferische revolutionäre Geist der Arbeiterklasse selbst fehlt, wo die Lokomotive der Geschichte wieder auf ihren Ausgangspunkt zurückkehrt, wird allen Versuchen kultureller Aufwärtsentwicklung die geistige Basis entzogen, und zurück bleibt ein leeres Quartier mit einem schönen Firmenschild. Mag ein Einzelindividuum als letzter Vertreter noch vorhandenen Klassenbewusstseins versuchen, noch die Stellung zu behaupten: Er wird durch die gegebenen Verhältnisse, durch die Machtverhältnisse entweder zu Kompromissen gedrängt oder „abgebaut“ im wahrsten Sinne des Wortes.

Die kulturellen Bestrebungen der Arbeiterklasse auf künstlerischem, vor allen Dingen musikalischem Gebiet haben eine lange Geschichte, mehr lang als letzten Endes rühmlich. Die „Arbeitergesangvereine“ sind größtenteils so überbürgerlich, dass sie sich kulturell vom Bürgertum selbst nur durch ihre bürgerliche Unkultur unterscheiden. Die Ursachen dafür liegen auf der Hand. Bei der „Kulturpflege“ muss die „Politik“ ausgeschaltet werden, um wenigstens auf „diesem Gebiet“ „vorwärts“ zu kommen. Die Kerls singen letzten Endes, wo sie gehen und stehen, und bei der „unpolitischen“ Haltung kommt es auf die im Gesang selbst ausgesprochenen unvereinbaren Gegensätze gar nicht an. Sie besangen im Kriege die schwarz-rot-gelbe Fahne und haben sogar noch etwas übrig für die russische Revolution. Wie es gerade verlangt wird. Versuche, diesem Sumpf zu entrinnen, waren während den ersten stürmischen Revolutionsmonaten und -jahren zu verzeichnen. Doch führte der Fetischglaube an die revolutionäre Musik ganz von selbst und ganz zwangsläufig zur Zersetzung der Ideologie. Nur der kann die ungeheure geistige Korruption richtig werten, der erschüttert ein revolutionäres und musik- und gesangstechnisch absolut auf der Höhe stehendes Stück hörte und – sich kaum oder noch gar nicht von der Erschütterung erholt – von denselben Menschen üble Zoten plärren sah. – Das alles hat und kann nichts mit proletarischer Kultur und proletarischer Ideologie gemein haben, und jeder Versuch, dieses Niveau zu heben, muss scheitern an der geschlossenen Ablehnung jeder prinzipiellen Diskussion. – Und wenn dennoch: Wo wäre das Milieu, aus dem zu schöpfen wäre, und wer sollte schöpfen? Immer wieder und von allen Seiten betrachtet ist das Resultat: Sowenig wie in politischer oder wirtschaftlicher Beziehung auf dem Wege des Reformismus ein Fortschritt zu erzielen ist, sowenig ist dies auf kulturellem Gebiet der Fall.

Es dürfte schon aus vorstehendem zu ersehen sein, dass der Begriff „Solidarität“, der dem Genossen Steinhauer als Basis für eine Herausbildung der proletarischen Ideologie vorschwebt, das Gegenteil von dem enthält, was es eigentlich sein müsste. Die vorhandene Solidarität hat nicht zur Grundlage die prinzipielle Basis des Klassenkampfes, sondern der Klassenkampfverneinung. Wir sehen ganz ab von den materiellen und physischen Möglichkeiten, die dort den Proletariern so beiläufig angedichtet werden, wo die Belastung des einzelnen schon heute eine fast unerträgliche ist. Wir glauben gezeigt zu haben, dass der Weg über die Revolutionierung der Köpfe gerade über die Zerstörung dieser Basis führt, wenn auch viele von den „Arbeiterkulturvereinen“ auch während des erbittertsten Ringens der Klassen, singend und „unpolitisch“ oben mitschwimmen werden. Aber die Kräfte, die den immer wieder erneuten Anstoß geben, liegen ganz woanders als auf dem Boden dieser Solidarität. Es sind die revolutionären Energien, die den Organisationsrahmen dieser Organisationen mit Einschluss der Gewerkschaften und parlamentarischen Parteien durch die ökonomischen Ereignisse zu sprengen gezwungen sind und nur ein Ziel kennen: den Kampf um die Macht. Das Reservoir, das diese Kräfte aufsaugt, ist die Allgemeine Arbeiter-Union, die Führerin der Klasse, die Partei!

Was bleibt dann noch übrig, was wir „pflegen“ können? Der Kreis der klassenbewussten Arbeiter, die bereits in Reih und Glied mit uns kämpfen? Diese brauchen nicht mehr durch besondere dichterische Erbauungen zusammengehalten und ermuntert zu werden. Sie werden je nach Kräften, der jeweiligen Notwendigkeit folgend, auch in Bezug auf die Propaganda, innerhalb des gegebenen Rahmens in dieser Richtung wirken und die Mittel dazu finden. Aber immer mit dem Ziel, das Klassenbewusstsein zu wecken und zu klären und auszusprechen, dass der Sieg der proletarischen Klasse erst die Tat zur Voraussetzung hat.

Denn, um noch eine, wenn auch nicht oft ausgesprochene Wahrheit festzuhalten: Ein revolutionärer Arbeiter, der dazu materiell in der Lage ist, wird in bürgerlichen Konzerten, Theatern mit dem ihm eigenen triebischen Verständnis den Kitsch von dem Gediegenen trennen und, wenn er Bedürfnis dafür hat, auch auf seine Art sich erbauen und stärken können. Ein Arbeiter jedoch, dem das Klassenbewusstsein fehlt, sieht in proletarischen Darbietungen nur die durch sie bedingte Armseligkeit, in dem Gebotenen selbst nur eine nichtssagende Geste und geht lieber ins Kino. Das „Proletarische Theater“ in Berlin hat dies in der Praxis gelehrt. Halten wir unsere Kräfte zusammen, bis der proletarische Riese sich wieder reckt, und sorgen wir dafür, dass er sich recht bald reckt und die Fesseln zerschlägt, die ihn für immer zur Knechtschaft verdammen sollen, dann arbeiten wir praktisch auch an der moralischen und kulturellen Wiedergeburt durch die proletarische Revolution.

POLITISCHES THEATER

Die letzten Reflexe revolutionärer Explosionen werden nicht nur in der Literatur, sondern auch auf der Bühne lebendig gemacht. Betrachtet man diese Versuche im Spiegel der Zeit, in die sie hineingeistern, wird das Krüppelhafte und Unzulängliche deutlich verständlich. Und das liegt weder an der Regie noch an dem Stoff, noch an dem „Dichter“. Das liegt daran, dass ein Theaterpublikum befriedigt werden muss, das die Revolution als Nervenkitzel gebraucht, die Revolution als Tat aber hasst wie die Pest. Es ist ganz selbstverständlich, dass ein Zeitstück, das die Brutalität und die Verworfenheit des Kapitalismus naturgetreu wiedergibt und daraus die Aktion der Arbeiterklasse gegen eine Ordnung des Grauens und Hungers als die erlösende Tat wachsen lässt, eine grandiose, hinreißende Handlung verkörpern könnte. Über diesen Versuch würde die gesamte Pressemeute herfallen wie die Wölfe über ein einsames Gespann. Das revolutionäre Proletariat hat nicht die Machtmittel, das Monopol der herrschenden Klasse auch auf dem Gebiete der Kultur zu brechen. Erst die Machtergreifung der Arbeiterklasse kann dafür die Voraussetzungen schaffen.

Von diesem Gesichtspunkt gesehen, soll hier von zwei Zeitstücken die Rede sein, die beide denselben Stoff behandeln: „Des Kaisers Kulis“ und „Feuer aus den Kesseln“. Ersteres nach dem Marineroman von Plivier, letzteres nach einem Manuskript von Toller. Beide haben als Mittelpunkt den Matrosenaufstand, die Hauptfiguren sind Reichpietsch und Köbis, die beiden erschossenen Matrosen.