Das Berghotel 112 - Verena Kufsteiner - E-Book

Das Berghotel 112 E-Book

Verena Kufsteiner

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Beschreibung

Schon vor über fünf Jahren hat der in sich gekehrte Jannes jeglichen Kontakt zu seinem Vater abgebrochen. Er macht ihn nicht nur für den Tod seiner Mutter verantwortlich, sondern kann ihm auch etwas anderes nicht verzeihen: Jahrelang hat sein Vater ein Doppelleben mit einer Geliebten geführt. Aus dieser heimlichen Beziehung ist damals ein uneheliches Kind hervorgegangen, Jannes' fast gleichaltriger Halbbruder Daniel.

Seitdem er das Elternhaus verlassen hat, lässt der junge Mann niemanden an sich heran. Den Preis der Einsamkeit zahlt er gern, wenn er dafür die Gewissheit hat, nicht noch einmal verletzt zu werden.

Beim Wandern lernt er dann jedoch die gefühlvolle Zahnarzthelferin Martha kennen. Die beiden kommen sich langsam näher, und fast scheint es, als würde Jannes' Panzer langsam aufbrechen. Vielleicht gibt es ja doch wenigstens einen Menschen, dem er sein Herz anvertrauen kann?

Aber plötzlich tritt Jannes' Vater mit einer flehentlichen Bitte an seinen Sohn. Es geht um Daniel, den ungeliebten Halbbruder. Brüsk weist Jannes seinen Vater zurück, ohne zu ahnen, dass er damit nicht nur das Glück seiner Familie zu vernichten droht, sondern auch sein eigenes. Denn am nächsten Morgen ist Martha plötzlich fort ...

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Inhalt

Cover

Impressum

Mit Martha kam das Glück zurück

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: iStockphoto / wernerimages

Datenkonvertierung E-Book: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam

ISBN 978-3-7325-2811-0

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Im idyllischen St. Christoph, dort, wo auch der »Bergdoktor« lebt und praktiziert, liegt das Hotel »Am Sonnenhang«. Es ist ein Haus, in dem sehr viel Wert auf Tradition und Gastlichkeit gelegt wird – und sich für die Gäste so mancher Traum erfüllt.

Mit Martha kam das Glück zurück

Lernt der enttäuschte Jannes, wieder zu vertrauen?

Von Verena Kufsteiner

Schon vor über fünf Jahren hat der in sich gekehrte Jannes jeglichen Kontakt zu seinem Vater abgebrochen. Er macht ihn nicht nur für den Tod seiner Mutter verantwortlich, sondern kann ihm auch etwas anderes nicht verzeihen: Jahrelang hat sein Vater ein Doppelleben mit einer Geliebten geführt. Aus dieser heimlichen Beziehung ist damals ein uneheliches Kind hervorgegangen, Jannes’ fast gleichaltriger Halbbruder Daniel.

Seitdem er das Elternhaus verlassen hat, lässt der junge Mann niemanden an sich heran. Den Preis der Einsamkeit zahlt er gern, wenn er dafür die Gewissheit hat, nicht noch einmal verletzt zu werden.

Beim Wandern lernt er dann jedoch die gefühlvolle Zahnarzthelferin Martha kennen. Die beiden kommen sich langsam näher, und fast scheint es, als würde Jannes’ Panzer langsam aufbrechen. Vielleicht gibt es ja doch wenigstens einen Menschen, dem er sein Herz anvertrauen kann?

Aber plötzlich tritt Jannes’ Vater mit einer flehentlichen Bitte an seinen Sohn. Es geht um Daniel, den ungeliebten Halbbruder. Brüsk weist Jannes seinen Vater zurück, ohne zu ahnen, dass er damit nicht nur das Glück seiner Familie zu vernichten droht, sondern auch sein eigenes. Denn am nächsten Morgen ist Martha plötzlich fort …

Abrechnungen! Hedi Kastler stand am Empfangspult des Berghotels und malte sich tausend Dinge aus, die sie gerade lieber tun würde, als sich um die leidige Buchführung für das Finanzamt zu kümmern: Sämtliche Zimmer ihres Hotels eigenhändig putzen. Sich mit dem Computer beschäftigen, von dem sie immer Kopfschmerzen bekam. Eine Bergwanderung machen, obwohl ihr verflixtes Hühnerauge sie wieder plagte …

Ja, es gab zahlreiche Beschäftigungen, die sie jetzt vorgezogen hätte, aber da half alles nichts. Sie musste die Zähne zusammenbeißen und die Zahlen zusammensuchen. So durchforstete sie Quittungen und Kassenbücher und nippte zwischendurch an einer Tasse Kaffee – dem einzigen Getränk, das sie so spät am Abend noch wachhalten konnte.

Draußen hatte sich die Nacht bereits über das Zillertal gesenkt. Die meisten Gäste waren bereits in ihrem Zimmer und schliefen oder schauten sich einen Fernsehkrimi an. Hedi ahnte jedoch, dass ihr Feierabend noch lange auf sich warten lassen würde. Sie musste die Abrechnungen endlich fertigmachen. Ihr Steuerberater hatte sie schon angemahnt.

Hedi liebte ihren Beruf. Sie leitete das Berghotel seit vielen Jahren zusammen mit ihrem Mann und hätte sich keine schönere Aufgabe vorstellen können. Sie kümmerte sich gern um die Gäste und den reibungslosen Ablauf in ihrem Haus. Nur die Abrechnungen waren ihr ein Gräuel …

Sie war so in ihre Arbeit vertieft, dass sie den Gast nicht gleich bemerkte, der mit kalkweißem Gesicht die Treppe heruntergestürmt kam. Erst, als seine Schritte auf dem Holzfußboden wiederhallten, blickte sie hoch.

Ein silberhaariger Urlauber stürmte mit langen Schritten durch die Lobby. Sein Hemd war zerknittert und hing halb aus der Hose. Seine Augen waren weit aufgerissen, als hätte er sich soeben zu Tode erschreckt.

»Ein Geist!«, rief er völlig außer sich.

»Was sagen Sie da?« Ratlos sah Hedi ihren Gast an.

»Die weiße Frau! Im Korridor vor meinem Zimmer! Ich habe sie mit eigenen Augen gesehen! Sie müssen etwas unternehmen!«

Ein Gespenst? Bei uns im Hotel? Hedi fuhr zurück. Hatte ihr Gast zu viel getrunken? Aber so sah er eigentlich nicht aus. Er wirkte nicht betrunken, sondern zutiefst verängstigt! Und er schien fest davon überzeugt zu sein, dass es in ihrem Hotel spukte. Hedi schlug die Hände vor der Brust zusammen.

Was hatte es damit nur auf sich?

***

Wenige Tage vorher …

»Ist das net ein bisserl unbequem?«

Die freundliche Männerstimme riss Martha aus dem Schlaf. Erschrocken fuhr sie hoch und rutschte dabei von dem Hocker, der vor dem Röntgengerät stand. Unsanft landete sie auf ihrem Hintern und blickte in das besorgte Gesicht ihres Chefs. Oh nein! Das durfte doch nicht wahr sein! War sie etwa bei der Arbeit eingeschlafen?

Wie hatte das nur passieren können? Sie hatte nur die Röntgenaufnahme von Herrn Prankl holen wollen. Schließlich saß ihr Patient nebenan auf dem Zahnarztstuhl wie auf glühenden Kohlen und wartete auf die Auswertung der Röntgenaufnahme. An einen Mittagsschlaf hatte sie nun wirklich nicht gedacht!

Erschrocken rappelte sich Martha auf und strich ihren Kittel glatt.

»Tut mir leid«, stammelte sie mit brennenden Wangen. »Ich weiß gar net, wie das passieren konnte.«

»Geht es Ihnen net gut?« Ihr Chef wirkte eher beunruhigt als verärgert. Thorsten Rieder leitete eine Zahnarztpraxis in der Münchner Innenstadt. Mit seiner gewissenhaften Arbeit hatte er sich einen ausgezeichneten Ruf aufgebaut. Selbst Schauspieler, die in den nahen Bavaria Filmstudios drehten, vertrauten ihm ihr Lächeln an. Martha gehörte seit vier Jahren zu seinem Team.

Aber nimmer lange, wenn ich jetzt auch noch bei der Arbeit einschlafe, wirbelte es durch ihren Kopf.

»Ich wollte mich kurz ausruhen. Dabei muss ich eingenickt sein.«

»Das sieht Ihnen gar net ähnlich. Sind Sie krank?«

»Ich glaube net. Ich bin in letzter Zeit nur häufig müde.«

»Vielleicht sollten Sie sich in Ihrer Freizeit mehr Ruhe gönnen. Ich brauche Ihren vollen Einsatz, das wissen Sie. Net nur fünfzig Prozent.«

»Natürlich. Das kommt net wieder vor.« Martha beeilte sich, die Röntgenaufnahme nach nebenan zu bringen und an die Leuchttafel zu klemmen. Dabei unterdrückte sie ein Gähnen. Grundgütiger! Warum war sie nur dauernd so müde?

Ihr Vater war Zahnarzt gewesen. Als Kind war sie nach der Schule nachmittags in seiner Praxis gewesen und hatte zwischen Zahnbohrern und Prothesen ihre Hausaufgaben gemacht. Die Atmosphäre und der Geruch der Praxis waren ein wichtiger Teil ihrer Kindheit gewesen. Vielleicht mochte sie ihren Beruf deshalb so sehr.

Natürlich war die Arbeit anstrengend, aber das war keine Erklärung für ihre Schläfrigkeit. Warum war sie ständig müde? Sie ging abends vor zweiundzwanzig Uhr ins Bett. Meist schaute sie sich nur eine Folge ihrer Lieblingsserie an und verschwand nach erfolgreicher Mörderjagd in den Federn. Und morgens stand sie erst um sieben auf. Kein Grund, müde zu sein!

Ihre Freundin hatte sie schon ermahnt, sich von einem Arzt untersuchen zu lassen, aber dazu hatte sie sich noch nicht aufraffen können. Ihr fehlte ja nichts. Nur Schlaf. Oder Kaffee. Am besten gleich eine Badewanne voll. Oder intravenös.

Martha verdrängte den Gedanken an ein Heißgetränk und wandte sich Herrn Prankl zu, der unruhig auf dem Zahnarztstuhl herumrutschte und die Hände dabei so fest verschränkt hatte, dass seine Knöchel weiß hervortraten. Er war Busfahrer, ein Hüne von einem Mann, aber auf dem Zahnarztstuhl wirkte er kleiner.

»Alles in Ordnung, Herr Prankl?«

»Das kann ich net behaupten.« Er strich sich seufzend über die linke Gesichtshälfte. Sie war angeschwollen und verriet, dass er sich mit einem entzündeten Zahn herumplagte. »Glauben Sie, ich werde den Zahn verlieren?«

»Das muss der Chef entscheiden.«

»Hoffentlich ist das net nötig. Bis jetzt habe ich noch alle meine Zähne, wissen Sie?«

»Falls der Quälgeist gezogen werden muss, werden Sie auf keinen Fall mit einer Lücke herumlaufen müssen. Dann bekommen Sie ein Implantat oder eine Brücke.«

»Wäre das net furchtbar aufwendig?«

»Nun, für die Brücke müssten die beiden Nachbarzähne beschliffen werden, damit sie fest verankert werden kann. Das dauert seine Zeit, aber später wird man nimmer sehen, dass die Zähne künstlich sind. Unsere Zahntechniker bemalen sie so, dass sie absolut echt aussehen.«

»So viel Aufwand für mich? Das lohnt sich net. Wer schaut bei mir schon hin?«

»Oh, die Frauen wissen ein schönes Lächeln zu schätzen.«

»Ach, mich alte Dampflok will gewiss keine haben.«

»Sagen Sie das net. Sie wissen doch, was man sagt: Unter einem schneebedeckten Schornstein brennt das Feuer besonders heiß.« Martha zwinkerte ihm zu.

Der Busfahrer schmunzelte.

»Sie sind ein Engel, Schwester Martha. Wenn ich fünfzehn Jahre jünger wäre, würde ich Sie zum Essen einladen.«

Martha wurde einer Antwort enthoben, weil ihr Chef hereinkam. Er betrachtete die Röntgenaufnahmen, zog seinen Hocker heran und erläuterte seinem Patienten, dass der Zahn nicht mehr zu retten war. Die Entzündung war bereits zu weit fortgeschritten. Die Gefahr, dass die Infektion in den Blutkreislauf geriet, war zu groß.

Der Zahn wurde an Ort und Stelle gezogen. Das ging ohne Probleme vonstatten. Herr Prankl bekam einen Termin für das Ziehen der Fäden und nuschelte einen Dank, als er die Praxis mit dem Mund voller Watte verließ.

Er war der letzte Patient für diesen Tag gewesen, deshalb schaltete Martha ihren Computer aus. Anschließend desinfizierte sie die Instrumente und goss die Orchideen auf dem Fensterbrett. Danach vertauschte sie ihre Arbeitskleidung mit Jeans und einer Regenjacke und verabschiedete sich von ihrem Chef und ihren Kolleginnen am Empfang.

Feierabend! Mit beschwingten Schritten verließ Martha die Praxis und lief den Fußweg am Ufer der Isar entlang. Es war ein regnerischer Frühlingsabend. Die Luft roch nach feuchter Erde und frischem Grün. Seit einer Woche zeigte sich der Himmel über München grau und verhangen.

Längst waren die Fußwege mit Pfützen übersät, und die Isar rauschte brodelnd durch ihr Flussbett. Regen tropfte von den Bäumen.

Das unfreundliche Wetter konnte Marthas Vorfreude auf diesen Abend nicht trüben. Ihre Freundin Kira und sie trafen sich mehrmals in der Woche, um zusammen zu kochen. Kira studierte Medizin und hatte vor einiger Zeit die vegane Küche für sich entdeckt. Seitdem probierte sie mit Feuereifer neue Rezepte aus.

Die Abende mit ihr waren Lichtblicke in Marthas ansonsten recht einsamem Alltag. Eine Familie hatte sie nicht mehr. Ihre Eltern waren bei einem Zugunglück ums Leben gekommen, als sie vier gewesen war. Danach war sie bei ihren Großeltern aufgewachsen, aber auch die lebten nicht mehr.

Nach zehn Minuten tauchte die weiße Jugendstilvilla vor Martha auf, in deren Erdgeschoss Kira wohnte. Auf Marthas Klingeln öffnete sie die Tür und umarmte sie stürmisch.

»Komm rein, komm rein! Wir haben allerhand Schnippelarbeit vor uns!«

Martha schlüpfte aus ihren Gummistiefeln, ehe sie ihrer Freundin in die Küche folgte. Hier wartete bereits ein Glas mit frisch gepresstem Orangensaft auf sie. Sie nippte daran und leckte sich über die Lippen.

»Hm, lecker! Das ist genau das Richtige bei dem Schmuddelwetter da draußen.«

»Eben. Im Augenblick kann man die Vitamine besonders gut gebrauchen. Wenn du wüsstest, was ich an der Uni über grippale Infekte und Bakterien erfahre …« Kira winkte vielsagend ab.

»Was kochen wir denn heute?«

»Dinkelnudeln mit Fenchel und Feldsalat. Das ist gesund und lecker. Zum Nachtisch gibt es Rhabarberkompott.« Kira warf ihre blonden Haare über die Schultern zurück und begann, Fenchelknollen kleinzuschneiden. Ihre blauen Augen blitzten. »Stell dir vor, Sven hat mich heute zum Joggen eingeladen.«

»Dein Kommilitone?«

»Genau, der mit den süßen Grübchen.« Kira strahlte.

»Er will also mit dir joggen gehen. Und das ist gut?«

»Das ist sogar sehr gut. Ich hatte schon befürchtet, er würde sich nie trauen, mich um eine Verabredung zu bitten. Dabei finde ich ihn wirklich süß.«

»Würdest du net lieber mit ihm essen gehen? Oder ins Kino?«

»Nö, warum denn?«

»Weil ich beim besten Willen nichts Romantisches daran finden kann, gemeinsam durch die Gegend zu rennen und sich die Seele aus dem Leib zu schwitzen.«

»Also, gemeinsam zu schwitzen, kann durchaus romantisch sein.« Kira zwinkerte ihr zu. »Außerdem gehen wir beide gern joggen. Da haben wir schon mal etwas gemeinsam. Nach dem Sport können wir immer noch etwas unternehmen.«

»Da ist was dran. Wann wollt ihr euch treffen?«

»Gleich morgen früh! Ich werde mein neues Top anziehen. Das mit der Stickerei am Ausschnitt.« Kiras Augen blitzten vergnügt. »Und wie war dein Tag?«

»Net so besonders.«

»Kein netter Typ in Sicht?«

»Niemand zum Ausgehen. Das Romantischste, was ich heute zu hören bekommen habe, war: ›Tut mir leid, dass ich Ihnen auf den Kittel gespuckt habe.‹»

Kira lachte. »Da ist noch Luft nach oben, was?«

»Das kannst du laut sagen. Am schlimmsten war, dass mein Chef mich heute beim Schlafen erwischt hat.«

»Nein! Im Ernst?«

»Hm-m. Kurz vor dem Feierabend.«

»Das passt gar net zu dir. Was war denn los?«

»Ich weiß auch net. Ich bin ständig müde und könnte immerzu schlafen.«

»Das ist kein gutes Zeichen. Schläfst du nachts schlecht?«

»Im Gegenteil. Ich schlafe wie ein Murmeltier.«

»Hm. Ständige Müdigkeit kann eine körperliche Ursache haben. Es gibt ungefähr hundert Erkrankungen, die dafür verantwortlich sein können. Von Depressionen und Pfeifferschem Drüsenfieber bis hin zu Nierenschäden und Lupus.«

»Lupus? Was ist denn das?«

»Das willst du lieber gar net wissen.« Kira winkte ab. »Jedenfalls solltest du dich wirklich untersuchen lassen.«

»Mir fehlt aber nichts, Frau Doktor. Schmerzen habe ich keine, und mein Appetit ist geradezu beängstigend. Ehrlich.«

»Bist du vielleicht schwanger?«

»Schwanger? Ich? Nein, das ist völlig unmöglich. Na ja, vielleicht net völlig … Doch, völlig unmöglich.« Martha seufzte leise. Sie war schon viel zu lange allein.

Ihre letzte Beziehung war in die Brüche gegangen, weil ihr Freund zum Studium in die Staaten gezogen war und alle Brücken hinter sich abgebrochen hatte. Im Gegensatz zu Martha hatte er sich noch nicht fest binden wollen. Seitdem herrschte in ihrem Liebesleben Flaute. Dabei wünschte sie sich eine Familie …

»Ich weiß, was dir fehlt!«, riss Kira sie aus dem Grübeln. »Ein Urlaub! Du musst mal raus aus dem regnerischen Großstadtwetter. Du brauchst Sonne, frische Luft und ein paar nette Burschen.«

»Gleich ein paar?« Martha lächelte schief.

»Dann eben nur einen. Wichtig ist nur, dass du mal rauskommst. Du hattest ewig keinen Urlaub mehr.«

»Da ist was dran.«

»Siehst du!« Kira fuchtelte mit dem Messer durch die Luft. »Ich würde liebend gern mitkommen, aber daraus wird leider nichts, weil ich mich auf das Physikum vorbereiten muss.«

Ein Urlaub? Der Gedanke hakte sich in ihrem Kopf fest wie ein kleiner Vogel an einem Holunderzweig. Die Aussicht, morgens auszuschlafen und ein paar Tage die Seele baumeln zu lassen, war verlockend … Aber wohin könnte sie fahren? Ans Meer? Das war zu weit weg. Wohin dann?

Ihr Blick fiel auf eine Postkarte, die an der Korktafel über dem Tisch festgepinnt war – zwischen einer Notiz mit einem hingekritzelten Rezept für ein Linsen-Curry und einer Rechnung vom Optiker. Auf der Karte war ein grünes Tal zu sehen. Ein einsames Gehöft schmiegte sich an einen Hang. Dahinter weideten Kühe.

Wie idyllisch, dachte Martha. Ihr Herz klopfte plötzlich schneller, als wollte es ihr etwas mitteilen. Sie streckte die Hand aus, nahm die Karte von der Wand und drehte sie um.

»Dieses Tal ist wunderschön. Weißt du, wo es liegt?«

***

»Nächste Station: St. Christoph!«

Die Durchsage im Bus ließ Martha unwillkürlich aufatmen. Nur noch wenige Minuten, dann war sie am Ziel!

Seit einer gefühlten Ewigkeit klammerte sie sich an ihren Sitz und wagte kaum, aus dem Fenster zu sehen. Die Fahrt führte über eine Serpentinenstraße bergauf. Steil ging es zu ihrer Rechten hinunter. Weder ein Zaun noch Leitplanken würden den Bus vor einem Absturz schützen, wenn er von der Fahrbahn abkäme.

Der Fahrer jagte die engen Kurven hinauf, als hätte er eine vierspurige Autobahn für sich allein. Dabei war die Straße kaum breit genug, dass zwei Fahrzeuge aneinander vorbeigelangen konnten. Hoffentlich wusste er, was er tat, sonst würde ihr Urlaub ein rasches Ende nehmen!