Das Berghotel 211 - Verena Kufsteiner - E-Book

Das Berghotel 211 E-Book

Verena Kufsteiner

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Beschreibung

Seit Helena zu ihrem Lebensgefährten Magnus gezogen ist, herrscht in der Villa am Wiener Stadtrand keine Ruhe mehr. Schuld ist Lori, Magnus՚ Tochter aus erster Ehe, die sich vehement weigert, die neue deutlich jüngere Freundin ihres Vaters zu akzeptieren. Während Helena ihr Möglichstes tut, um Vertrauen zu dem Mädchen aufzubauen, tanzt ihr die Zehnjährige auf der Nase herum und denkt sich ständig neue Gemeinheiten und Streiche aus.
Magnus, der die Streiche zunächst als Kindereien abtut, bemerkt mit der Zeit besorgt, wie sehr Helena und auch Lori unter der Situation leiden. Vor allem Helena ist mit ihren Nerven am Ende. Da kommt Magnus die Idee zu einem gemeinsamen Urlaub: Das Berghotel im schönen Zillertal soll es sein, dort hat Lori sich in den vergangenen Urlauben immer sehr wohlgefühlt. Einen Tag vor der Abreise durchkreuzen jedoch wichtige berufliche Verpflichtungen die Familienpläne. Magnus ist gezwungen, nach Asien zu fliegen, und Helena und Lori müssen wohl oder übel zu zweit ins Berghotel aufbrechen ...

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Inhalt

Cover

Impressum

Ihre junge Stiefmutter

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Bastei Verlag / Anne von Sarosdy

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7325-9174-9

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Ihre junge Stiefmutter

Ein Urlaub im Berghotel soll Lori und Helena einander näherbringen

Von Verena Kufsteiner

Seit Helena zu ihrem Lebensgefährten Magnus gezogen ist, herrscht in der Villa am Wiener Stadtrand keine Ruhe mehr. Schuld ist Lori, Magnusʼ Tochter aus erster Ehe, die sich vehement weigert, die neue deutlich jüngere Freundin ihres Vaters zu akzeptieren. Während Helena ihr Möglichstes tut, um Vertrauen zu dem Mädchen aufzubauen, tanzt ihr die Zehnjährige auf der Nase herum und denkt sich ständig neue Gemeinheiten und Streiche aus.

Magnus, der die Streiche zunächst als Kindereien abtut, bemerkt mit der Zeit besorgt, wie sehr Helena und auch Lori unter der Situation leiden. Vor allem Helena ist mit ihren Nerven am Ende. Da kommt Magnus die Idee zu einem gemeinsamen Urlaub: Das Berghotel im schönen Zillertal soll es sein, dort hat Lori sich in den vergangenen Urlauben immer sehr wohlgefühlt. Einen Tag vor der Abreise durchkreuzen jedoch wichtige berufliche Verpflichtungen die Familienpläne. Magnus ist gezwungen, nach Asien zu fliegen, und Helena und Lori müssen wohl oder übel zu zweit ins Berghotel aufbrechen …

„Wo soll denn dieses Kisterl hin, mein Haserl?“, fragte Magnus Beckmann und deutete auf einen massiv aussehenden Umzugskarton, den die Möbelpacker mitten in sein bislang so ordentliches Wohnzimmer gestellt hatten.

Wenn das seine Haushälterin sähe …

„Ich mag’s net, wenn du mich Haserl nennst, das weißt du doch“, antwortete Helena Tellner, die gerade im Begriff war, in seine Villa am Wiener Stadtrand einzuziehen.

„Freilich, mein Rehlein, das weiß ich doch“, neckte Magnus und duckte sich, als sie eines ihre Zierkissen nach ihm warf.

Magnus liebte es, Helena zu necken. Dann schaute sie erst empört, bevor sie doch lächeln musste und gar nimmer so grantig war, wie sie gern täte. Es war eines der Dinge, die er an Helena besonders mochte: Dass sie jedem alles verzeihen konnte. Sie war ein so herzliches Madel, dass man gar nicht anders konnte, als sie gernzuhaben.

Außerdem war sie auch noch die Schönste weit und breit, dachte er stolz, während er das Zierkissen zurück aufs Sofa warf und die Kiste in die angegebene Richtung trug. Da waren zum einen ihre wunderschönen blonden Haare, die sie bei der Arbeit meist praktisch hochsteckte und in ihrer Freizeit offen oder zu einem lockeren Knoten zusammengefasst trug. Zum anderen hatte sie ganz fabelhafte weiche, leicht gebräunte Haut, die er am liebsten ständig küssen wollte, und hellwache blaue Augen, die ihm tief in die Seele blicken konnten. Und ihre Figur … geradezu umwerfend!

Mit ihren achtundzwanzig Jahren war Helena ein Stückerl jünger als Magnus – ganze zwölf Jahre – und manchmal konnte er sein Glück kaum fassen, dass sie ausgerechnet mit ihm zusammen sein wollte. Kam er sich neben ihr doch alt, langweilig und herrisch vor.

Vor allem aber hatte er ihr anfangs sehr wenig Anlass gegeben, darauf zu hoffen, dass zwischen je etwas Ernsteres entstehen konnte. Und nun zog sie sogar bei ihm ein!

„Mei, Helena, das hast ja prima hinbekommen.“

Überrascht blickte sie von einem Stapel Decken auf, den sie soeben einem Karton entnommen hatte.

„Was meinst du?“

„Na, wie du mich um den Finger gewickelt hast. Nie und nimmer hab ich mich noch einmal binden wollen, nachdem es mit der Franka und mir solch ein unrühmliches Ende genommen hat. Und jetzt verteilst du Zierkissen und Decken auf meinem schönen, grauen Sofa, das der Innenarchitekt ganz leer lassen wollte.“

Helena bedachte ihn mit einem Blick, der ihn zum Schweigen brachte. Zunächst dachte er, er hätte ihre Zierkissen beleidigt. Doch dann deutete sie mit einem Nicken in Richtung Küchentür, und als Magnus sich umdrehte, sah er dort seine Tochter stehen.

In dem hübschen, zartrosa-geblümten Dirndl und mit der aufwändigen Flechtfrisur, die sie sich im Internet abgeschaut hatte, hätte man sie für einen kleinen, blonden Engel von zehn Jahren halten können. Wenn sie nicht so böse dreingeschaut hätte.

„Lori-Mauserl, gibst du uns heut auch noch die Ehre?“, scherzte er und beobachtete, wie sich Loris Augenbrauen zusammenzogen. Richtiggehend gewittrig blickte die Kleine – ein Ausdruck, den Magnus in letzter Zeit häufig bei ihr sah.

Lori war Magnus’ Tochter aus erster Ehe und eindeutig Frankas Kind. Franka Stockheim, Magnus‘ erste Frau, konnte genauso stur und nachtragend sein wie die Zehnjährige, und wenn er Lori wütend machte – egal, ob unabsichtlich oder durch eine kleine Neckerei – erkannte er in ihrem Gesichtsausdruck zu hundert Prozent ihre Mutter wieder. Die Ähnlichkeit war frappierend. Doch während Magnus Frankas aufbrausendes Wesen irgendwann nicht mehr ertragen hatte, liebte er Lori über alles, und er verwöhnte sie nach Strich und Faden.

„Ich kann’s net leiden, wenn du mich Mauserl nennst“, knurrte Lori und starrte Helena an.

Ein trockenes Lachen entfuhr Magnus.

„Na immerhin darin seid ihr euch einig. Keine Kosenamen in diesem Haus. Großes Pfadfinderehrenwort.“

Dabei kreuzte er zum Spaß die Finger hinter dem Rücken.

Sowohl Lori als auch Helena schenkten ihm ihre bösesten Blicke – wobei der von Lori wesentlich finsterer ausfiel als der von Magnus‘ freundlicher Helena. Vermutlich lag es an der nahenden Pubertät.

„Ha, wenn Blicke töten könnten …“

Doch Magnus ahnte, dass er den Bogen nicht überspannen durfte. Auch für Lori würde es eine Umstellung werden, wenn Helena bei ihnen wohnte. Und Magnus wusste selbst, wie viel Überwindung es ihn gekostet hatte, Helena dieses Angebot zu machen.

Dabei hatten seine Bedenken nichts mit Helena selbst zu tun. Seit einem Jahr waren sie ein Paar. Er hatte sie bei seiner Arbeit für eine große Wiener Privatbank kennen gelernt, und sie hatte ihm gleich gefallen. Doch die desaströse Scheidung von Franka hatte noch nicht lange zurückgelegen, und Magnus war wild entschlossen gewesen, sich nie wieder zu binden.

Helenas Charme hatte ihn irgendwann einknicken lassen, und es hatte diesen Moment nach einer Betriebsfeier gegeben, als er sie einfach hatte küssen müssen. Sehr romantisch unterm Sternenzelt, nur sie zwei allein, weil er sie sicher nach Hause begleitete.

Und nun zog sie bei ihm ein. Magnus wusste freilich, dass Helena sich mehr vorstellen konnte. Sie war ein Madel zum Heiraten, und er kam sich schäbig vor, dass er sie an sich band, obwohl er nie wieder heiraten würde. Einmal war ihm reichlich genug gewesen. Aber wer hätte bei Helenas strahlend blauen Augen schon Nein sagen können?

„Sonst haben wir aber nix gemeinsam“, brummte Lori und zog dasselbe miesepetrige Gesicht, dass sie schon in dem Moment gezogen hatte, als Helena und Magnus ihr schonend beigebracht hatten, dass Helena künftig in der Villa wohnen würde.

„Platz genug ist freilich für alle“, war Magnus über Loris offensichtlichen Widerstand hinweggegangen. Das Madel würde sich schon wieder einkriegen.

„Sag das net“, antwortete er nun und ging zu Lori hinüber, um ein bisserl jovial den Arm um ihre Schultern zu legen. „Die Helena und du, ihr habt’s schon noch etwas anderes gemeinsam. Nämlich eure große Liebe zu mir.“

Er grinste frech und blickte zu Helena hinüber, die zu seiner großen Freude errötete. Das Leben mit ihr würde schön werden, und an dem Funkeln in ihren Augen erkannte er, dass sie sich genauso sehr darauf freute wie er.

Lori würde sich mit der neuen Situation arrangieren müssen, auch wenn sie sich jetzt von ihm losmachte und so wütend in ihr Zimmer stapfte, dass vom Türenknallen die Fenster vibrierten.

Das Haus war groß und vom Innenarchitekten in Sachen Möbel ziemlich leer gelassen worden, was wohl dem aktuellen Schick entsprach und nun hervorragend zu Pass kam, da Helenas Sachen alle bei Magnus unterkommen konnten. Freilich passten ihre romantisch bestickten Kissen und knallbunten Dekoartikel nicht ideal zu seiner nüchtern-maskulinen Einrichtung, aber das würde sich mit der Zeit finden.

Und genauso würde auch Lori nach einer Phase der Anpassung ganz schnell einsehen müssen, dass Helena eine liebenswerte Person war. Das konnte war nicht zu übersehen. Wenn sie einmal zu dieser Erkenntnis gelangt war, würde Lori sie wie alle anderen ins Herz schließen. Man konnte ja gar nicht anders.

Magnus bemerkte Helenas enttäuschtes Gesicht nach Loris stürmischem Abgang und eilte zu ihr, um ihr ein herzhaftes Busserl auf die Wange zu drücken.

„Das Madel kommt nach seiner Mutter. Aber letztendlich wird sie schon einsehen, dass ich dich lieb. Und was kann man dagegen schon machen?“

Helena lächelte zaghaft. „Ich lieb dich auch, Magnus. Ich werd mir alle Mühe geben, es der Lori so einfach wie möglich zu machen.“

„Das weiß ich doch, Spatzl. Und die Lori wird’s auch noch merken.“

Er wollte gerade darauf eingehen, wie sehr er Helena vergöttere und dass man eine große Liebe wie seine nur zeigen könne, indem man die frisch Eingezogene ins gemeinsame Schlafzimmer trüge, als plötzlich sein Handy klingelte.

Unwillig zog er es aus der Hosentasche und las den Namen auf dem Display. Es war die Bank.

„Du hast versprochen, dass du heut net arbeitest“, mahnte Helena.

Magnus seufzte. „Freilich hab ich das. Heut steht dein Einzug an, aber …“

„Die Möbelpacker sind grad erst fort. Hier steht noch alles voller Kisten …“

Bedauernd hob er die Schultern. „Ich hab dir doch von diesem schwierigen Deal in Südostasien erzählt …?“

Helena stöhnte und verdrehte die Augen. Doch dann wurde ihr Gesicht wieder weich, und er wusste, dass er auf ihr Verständnis hoffen durfte.

„Na los, nun geh schon. Aber wenn du net pünktlich zum Abendbrot zurück bist, essen Lori und ich auf deiner schicken Couch und kleckern alles voll.“

Abermals drückte Magnus ihr einen dicken Schmatzer auf die Wange.

„Du bist ein Schatz! Punkt sieben Uhr bin ich daheim.“

***

Erleichtert öffnete Helena die Tür. „Ich bin so froh, dass du da bist.“

Jule Freising, Helenas Kollegin und gute Freundin stand davor. Sie trug wie meistens Jeans und Turnschuhe, dazu ein lässiges T-Shirt und eine abgeschabte Lederjacke. Jule arbeitete im IT-Bereich der Bank und hatte keinen Kundenkontakt. Deshalb war ihre Kleidung selbst bei der Arbeit eher flippig für die Verhältnisse einer seriösen Privatbank. Ihre gewellten hellbraunen Haare hatte sie zu einem Pferdeschwanz zusammengefasst.

Als Helena ihr um den Hals fiel, grinste Jule breit.

„Mei, erst zwei Tage in der Luxusvilla, und schon fällt dir die Decke auf den Kopf?“

„Das net grad“, erwiderte Helena verlegen. „Aber ich könnt ein paar helfende Hände brauchen, und die Lori …“

Jule trat ein und schaute sich neugierig um.

„Ist das Fräulein Tochter immer noch beleidigt?“, fragte sie beiläufig.

„Beleidigt ist gar kein Ausdruck. Sie meidet mich, wo sie nur kann. Und da der Magnus momentan ununterbrochen arbeitet, fühl ich mich hier ziemlich allein. Was net arg ist, es gibt genug zu tun. Aber manchmal wär’s halt schön, zwischendurch ein bisschen zu ratschen. Außerdem …“ Sie deutete auf einen schweren alten Koffer, den sie mit Ach und Krach in eine Ecke des Flurs bugsiert hatte. „Außerdem könntest du mir mit diesem Ungetüm helfen.“

Gemeinsam schafften sie es, den Schrankkoffer, der auch leer unglaublich schwer war, über die elegante, geschwungene Treppe auf die Empore im ersten Stock hinaufzuzerren.

Als sie oben angekommen waren, nutzte Jule die Verschnaufpause, um über den offenen Wohn-Esszimmerbereich im Erdgeschoss zu blicken. Sie pfiff leise durch die Zähne.

„Net zu fassen, dass du jetzt so feudal wohnst, Helena! In der Chefvilla! Und das, wo ich immer noch keine Chance hab, aus meinem WG-Zimmer auszuziehen.“

Jule wohnte mit zwei ehemaligen Kommilitoninnen aus ihrer Unizeit in einem abbruchreifen Haus an einer von Wiens Hauptverkehrsadern. Helena, die bisher in einer gemütlichen Zweizimmerwohnung in der Innenstadt gelebt hatte, hatte noch nie begreifen können, wie sie es dort so lange aushielt. Es war laut in Jules Wohnung, das Zimmer war winzig, und im Bad roch es so muffig, dass eine Mitbewohnerin den Verdacht geäußert hatte, irgendwo in einer der alten Wände sei eine Maus ums Leben gekommen.

Allein schon an der Wohnsituation erkannte man, wie unterschiedlich sie waren, überlegte Helena, als sie Jules Blick folgte. Während Helena sofort mit Beginn ihrer Bankausbildung – damals noch bei einer klitzekleinen Vorortfiliale – immer wieder Geld beiseitegelegt hatte, um sich Jahre später ihre Eigentumswohnung leisten zu können, gab Jule das Geld mit beiden Hände aus.

Nicht eigentlich für Unnützes, nur eben für Dinge, die für Helena keine große Bedeutung hatten. Anders als Helena, die gelernte Bankkauffrau, arbeitete Jule in der IT. Sie kümmerte sich vor allem um die Sicherheit der Bank. Wenn irgendein neues technisches Spielzeug in Form eines Computers auf den Markt kam, lief Jule sofort ins nächste Geschäft.

So kam freilich nie genug Kapital für Eigentum zusammen. Noch dazu im teuren Wien. Doch da sowohl Jule als auch Helena inzwischen ganz gute Posten in der Wiener Privatbank bekleideten, hätte Jule sich mit Sicherheit etwas Besseres als das schäbige WG-Zimmer leisten können.

Unauffällig ließ Helena ihren Blick an Jules T-Shirt, der Jeanshose und den unausweichlichen Turnschuhen hinuntergleiten. Man könnte meinen, das Madel mit dem dichten braunen Pferdeschwanz gehe noch immer zur Uni. Während Helena und Magnus stets in Anzug oder Kostümchen zur Arbeit gingen – Magnus als Vorstandsvorsitzender sowieso und Helena als persönliche Sekretärin seines engen Vorstandskollegen auch.

„Da hinein?“, fragte Jule – gerade, als eine zündende Idee Helena ablenkte.

Und bevor sie sie daran hätte hindern können, stieß Jule die Tür zu Loris Zimmer auf, sodass Lori, die seit Tagen ständig in ihrem Zimmer hockte, empört aufschrie.

„Raus hier!“

„Hallo, wer bist du denn Freundliches?“, flötete Jule, bevor Lori von ihrem Bett aufsprang und ihr die Tür vor der Nase zuschlug.

„Ein wahres Herzerl“, kommentierte Jule lachend, während Helena sich fragte, warum sie gerade einen Wust von wild bekritzelten Zetteln um Lori herum gesehen hatte.

Es hatte ausgesehen, als konzipiere Lori ein kompliziertes Projekt für die Schule. Vielleicht irgendetwas für einen Wissenschaftstag oder so. Helena war sicher, dass sie auch so etwas wie rudimentäre technische Zeichnungen erkannt hatte. Sie nahm sich vor, Lori bei Gelegenheit darauf anzusprechen und sie zu fragen, ob sie helfen könne.

Ein gemeinsames Projekt konnte sie einander vielleicht näherbringen. Außerdem war Magnus zu viel unterwegs und stand nicht als Ansprechpartner zur Verfügung.

„Die Lori braucht noch ein bisserl, bis sie sich damit abgefunden hat, dass jetzt auch ich hier wohn“, erklärte Helena schulterzuckend. „Sie ist eigentlich nur an den Wochenenden da und so wie jetzt in den Ferien. Sonst lebt sie bei ihrer Mutter.“

„Na, da kannst dich ja schon darauf freuen, dass die Schule bald wieder losgeht.“

„Ach, ich weiß net. Ich tät wirklich gern ein Band zu ihr knüpfen.“ Wieder zuckte Helena ratlos mit den Schultern. „Aber davon will sie im Moment nix wissen.“

„Wer nicht will, der hat schon“, kommentierte Jule trocken. „Die Kleine kommt mir net grad hilflos vor, eher ein bisserl bärbeißig.“

„Vielleicht“, pflichtete Helena ihrer Freundin nachdenklich bei.

Dann fiel ihr wieder die Idee ein, die sie abgelenkt hatte.

„Sag einmal, Jule. Warum sind wir eigentlich gar net drauf gekommen, dass du doch prima in meine Wohnung ziehen könntest, wenn ich jetzt hier beim Magnus leb?“

Jule hielt so abrupt inne, dass Helena sich beinahe den schweren Schrankkoffer auf den Fuß hätte fallen lassen.

Mit großen Augen starrte sie sie an. „Ja, ginge das denn?“

„Freilich. Die Wohnung steht leer – bis auf ein paar wenige Möbel und alte Sachen, dich ich noch rausschaffen muss. Dann gibt’s noch ein oder zwei Dinge, die renoviert werden müssten – die Küche zum Beispiel. Mei, das Waschbecken ist schon lang nimmer in Ordnung, und bei den Dielen im Flur gibt’s ein paar recht abenteuerliche Stellen. Aber in ein oder zwei … na ja, vielleicht drei Monaten …“

Jule stellte ihre Seite des Schrankkoffers ab und stürmte zu Helena herum.

„Das wär ja spitzenmäßig!“ Fest drückte sie Helena an sich, die gerade noch rechtzeitig den Koffer loslassen konnte.

Helena lächelte insgeheim. Jules aufgekratzte, glückliche Reaktion gab ihr ein warmes Gefühl im Bauch. Eines, das sie bei Lori noch nie gehabt hatte, so sehr sie sich auch bemühte.

„Wärʼs denn okay für dich, wenn ich deine Vermieterin wär?“, fragte sie, als Jule sich ein bisserl beruhigt hatte. „Die Wohnung gehört schließlich mir.“

„Freilich wär das okay. Das wär genial. Noch nie hab ich so eine nette Vermieterin gehabt!“

Wieder musste Helena schmunzeln. „Also, wenn du jetzt mal net übertreibst …“

„Nein, nein, nein, ganz und gar net. Hab ich dir von dem Vermieter erzählt, der damals urplötzlich vor meiner Tür stand und mir die Kündigung überreicht hat? Eigenbedarf! Dass ich net lach …!“