Das Berghotel 212 - Verena Kufsteiner - E-Book

Das Berghotel 212 E-Book

Verena Kufsteiner

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Beschreibung

Das gesamte Hotelpersonal spricht nur von ihr: Hanni Pielmeyer. Seit ein paar Tagen ist die Mittvierzigerin nun im Berghotel zu Gast, und man ist sich einig: So eine fröhliche und lebenslustige und vor allem gönnerhafte Person hat man selten gesehen.
Hanni stattet jeder Abteilung im Haus einen Besuch ab, lässt sich vor allem bei Gerti Wachter im Rosenstübl nach Strich und Faden verwöhnen, frönt den leckeren Schmankerln von Koch Leo Hofbacher und spart vor allem nicht mit Trinkgeldern. Keinen Ausflug lässt sie aus und zögert auch nicht, mit dem charmanten Sportlehrer Lukas Einrieder zu flirten.
Während Andi Kastler und auch der Rest des Teams sich von der Herzlichkeit und Lebensfreude Hannis՚ anstecken lassen, ahnt Hedi Kastler jedoch, dass hinter all dem Lachen etwas anderes, etwas Tieferes steckt. Und Hedis gute Menschenkenntnis hat sie noch nie im Stich gelassen ...

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Inhalt

Cover

Impressum

Die Tränen hinter ihrem Lachen

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Bastei Verlag / Wolf

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7325-9175-6

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Die Tränen hinter ihrem Lachen

Sie wollte noch einmal glücklich sein

Von Verena Kufsteiner

Das gesamte Hotelpersonal spricht nur von ihr: Hanni Pielmeyer. Seit ein paar Tagen ist die Mittvierzigerin nun im Berghotel zu Gast, und man ist sich einig: So eine fröhliche und lebenslustige und vor allem gönnerhafte Person hat man selten gesehen.

Hanni stattet jeder Abteilung im Haus einen Besuch ab, lässt sich vor allem bei Gerti Wachter im Rosenstübl nach Strich und Faden verwöhnen, frönt den leckeren Schmankerln von Koch Leo Hofbacher und spart vor allem nicht mit Trinkgeldern. Keinen Ausflug lässt sie aus und zögert auch nicht, mit dem charmanten Sportlehrer Lukas Einrieder zu flirten.

Während Andi Kastler und auch der Rest des Teams sich von der Herzlichkeit und Lebensfreude Hannisʼ anstecken lassen, ahnt Hedi Kastler jedoch, dass hinter all dem Lachen etwas anderes, etwas Tieferes steckt. Und Hedis gute Menschenkenntnis hat sie noch nie im Stich gelassen …

„Ausgebucht. Bis auf das letzte Zimmer!“ Gemeinsam mit der Hausdame Gerda Stahmer stand die Hotelchefin Hedi Kastler in aller Herrgottsfrüh schon an der Rezeption des Sporthotels „Am Sonnenhang“ und beugte sich über den Computerbildschirm. Die Tür öffnete sich. „Noch net mal ein Mauserl hätt noch Platz“, fügte sie hinzu und sah hinüber zu den beiden Männern, die mit einem Schwung frischer Luft hereingekommen waren.

Einer von ihnen war Hedis Ehemann Andi, der andere der Heizungsbauer Georg Bartl. Die Pelletheizung des Hotels zeigte eine Störung an, die schnellstmöglich behoben werden musste, sollten die Gäste nicht frieren. Der Bartl-Georg kannte den Weg und machte sich gleich auf Richtung Keller. Andi dagegen trat an den Tresen.

„Das ist doch eine gute Nachricht! Warum machst denn so ein Gesicht, Spatzl?“ Er rieb die Hände aneinander.

In der Nacht waren die Temperaturen unter null gesunken, doch nun kletterte die Sonne über die Berggipfel und vertrieb die letzten Schatten der Nacht. Nur hier und da segelte eine Wattewolke über den hellblauen Himmel. Es versprach, ein herrlicher Frühlingstag zu werden.

Die Bergluft hatte Andis Wangen rot gefärbt. Sie leuchteten mit seinen Augen um die Wette. Das lag beileibe nicht nur an der Morgenfrische. Obwohl die beiden schon seit vielen Jahren ein Paar waren, schlug sein Herz beim Anblick seiner Frau noch immer schneller. Wenn sie glücklich war, war er es auch. Umgekehrt waren ihre Sorgen auch die seinen.

„Gibt‘s ein Problem?“

Hedi sah nur kurz hoch, ehe sie sich wieder auf den Monitor konzentrierte.

„Wir haben zwei Gruppen mit Halbpension, die alle zur selben Zeit essen wollen. Da wird der Platz für die übrigen Gäste knapp, zumal auch eine allein stehende Dame dabei ist. Ich kann ihr doch schlecht den Katzentisch neben der Küche herrichten lassen.“

Andi kam um den Tresen herum. Er legte den Arm um die Hüfte seiner Frau. Das hellblaue Dirndl mit den weißen Rosen schmeichelte ihrem Teint. Sein Blick streifte ihren Ausschnitt, der wie so oft gewagt, aber nicht geschmacklos tief war. Was für ein Anblick, wie übrigens die ganze Frau! Es fiel ihm schwer, sich auf die Buchungssituation zu konzentrieren. Doch nicht umsonst hieß es, dass Gott die Arbeit vor das Vergnügen gestellt hatte. Schweren Herzens konzentrierte er sich auf den Bildschirm und studierte den Belegungsplan.

„Warum setzt du Frau Pielmeyer nicht zur Familie Horten an den Tisch? Die haben einen allein stehenden Herrn dabei. Und wer weiß …“

„An was du schon wieder denkst, Anderl!“ Hedi stieß ihren Mann in die Seite. „Das hier ist ein anständiges Hotel und keine Partnervermittlung.“

„Ein bisserl Vergnügen hat noch niemandem geschadet. Die zwei müssen ja nicht gleich heiraten“, erwiderte er und zwinkerte seiner Frau fröhlich zu.

„Ich finde die Idee eigentlich gar nicht so schlecht“, mischte sich Gerda in das Gespräch ein. „Mal abgesehen davon, dass alleine essen keinen Spaß macht. Und Hanni Pielmeyer soll sich doch wohlfühlen im Berghotel. Sie ist zum ersten Mal Gast bei uns.“

Hedi sah von einem zum anderen.

„Ich sehe schon, heut steh ich auf verlorenem Posten.“ Dabei lachte sie vergnügt und klatschte in die Hände. „Dann bereiten wir uns mal auf den Ansturm vor!“

Hedi machte sich auf den Weg in die Küche, um mit dem Koch Leo Hofbacher das Menü zu besprechen. Immer öfter gab es Gäste, die an Allergien und Nahrungsmittelunverträglichkeiten litten. Ein Jammer angesichts der Schmankerl, die täglich im Restaurant serviert wurden. Leo kochte alles auf unvergleichlich schmackhafte Weise, angefangen bei bodenständigen Gerichten bis hin zu französischen Spezialitäten.

Köchin Rosi stand ihm in nichts nach. Um Zusammenstöße mit Leo zu vermeiden, hatte sie sich allerdings auf Wiener Mehlspeisen und Desserts spezialisiert. Natürlich bemühten sich beide darum, auf die Bedürfnisse ihrer Gäste Rücksicht zu nehmen. Aber was waren Millirahmstrudel und Topfenpalatschinken ohne Milch und Eier oder die berühmten Kasspatzln ohne den typischen Tiroler Bergkäse?

Andi sah seiner Frau nach, bis sie um die Ecke verschwunden war. Was für ein Geschenk, Leben und Arbeit mit diesem Prachtweib zu teilen! Und selbst, wenn ihr größter Wunsch – ein eigenes Kind – nicht in Erfüllung gegangen war, hätte er mit niemandem auf der Welt tauschen wollen. Mit diesem Gedanken machte auch er sich an die Arbeit, damit die Gäste keinen Grund für Klagen haben würden.

***

Linda klappte den Kofferdeckel zu und drückte zuerst auf das linke, dann auf das rechte Schloss. Genervt sah sie dabei zu, wie die andere Seite wieder aufsprang. Als sie in die Knie ging, stellte sie fest, dass die Jeans zu eng war. Der Bund schnürte ihr den Bauch ab. Doch es nützte nichts. Wenn sie das Ungetüm schließen wollte, musste sie Opfer bringen. Mit ihrem ganzen Gewicht kniete sie sich auf den Koffer. Vergeblich. Wo war Martin, wenn man ihn einmal brauchte? Eine Woge der Verzweiflung drohte sie zu überschwemmen.

Es gab viele Dinge, die ihr Mann wegen seiner anstrengenden Arbeit nicht tun konnte. Nie konnten sie zusammen ein Wochenende am Chiemsee verbringen. Sie machten keine Ausflüge und besuchten auch keine Kunstaustellungen in der Stadt. Sie waren noch nie zusammen tanzen gewesen. Nicht, dass Linda unbedingt großen Wert darauf gelegt hätte. Aber das tat ja nichts zur Sache. Es ging darum, dass sie immer alles alleine machen musste. Einen Koffer zu schließen und zum Taxi zu schleppen, war eindeutig Männersache, aber auch dabei ließ Martin sie alleine. Wie es wohl wäre, wenn sie zur Strafe seine Socken vergaß? Zehn Tage mit einem einzigen Paar Socken würden ihn vielleicht an seine partnerschaftlichen Pflichten erinnern.

Seufzend richtete sich Linda auf. Da gab es nur eine Lösung. Ihr Blick fiel aus dem geöffneten Fenster auf das Nachbarhaus. In der Wohnung gegenüber schenkte sich ein Mann eine Tasse Kaffee ein. Auch das taten Linda und Martin nur höchst selten miteinander. An das letzte gemeinsame Frühstück konnte sie sich kaum mehr erinnern. Schluss damit! Immerhin hatte sich Martin zu diesem Urlaub breitschlagen lassen. Im Laufe der verlängerten Woche würden sie bestimmt Gelegenheit haben, miteinander zu reden. Selbst wenn in den kommenden zehn Tagen ihr Vater dabei war, gäbe es bestimmt gemütliche Stunden in trauter Zweisamkeit.

Plötzlich hielt der Mann in der Wohnung gegenüber inne, hob den Kopf und sah aus dem Fenster, ganz so, als hätte er Siglindes Blick gespürt. Bei ihrem Anblick lächelte er. Er öffnete das Fenster.

„Du bist ja noch da, schöne Frau!“

„Solange ich den dummen Koffer nicht zubekomme, wird sich daran auch nichts ändern“, rief sie hinüber. „Könntest du kurz rüberkommen und mir helfen?“

„Eigentlich nicht. Ich möchte nämlich, dass du hierbleibst.“

„Simon, bitte …“

„Schon gut, schon gut, ich habe verstanden.“ Lachend stellte er die Tasse zur Seite und verließ die Küche.

Fünf Minuten später stand der Koffer an der Tür.

„Vielen Dank. Du hast gerade unseren Urlaub gerettet.“

Simon legte den Kopf schief. Sein Blick ging Linda durch und durch.

„Du versuchst immer noch, dir einzureden, dass du ein paar schöne Tage vor dir hättest, was?“

Wie ertappt senkte sie die Augen.

„Wenn Martin den Kopf erst einmal frei hat …“

„Ich will dir ja nicht zu nahetreten“, unterbrach Simon sie ungeduldig. „Es gab bestimmt einen Grund, warum du Martin geheiratet hast. Aber ist dir schon einmal aufgefallen, dass du mindestens die Hälfte deiner Freizeit damit verbringst, auf ihn zu warten? Für mich sieht das ganz danach aus, als ob die Arbeit für ihn an erster Stelle stünden. Das hast du einfach nicht verdient.“

„Oh.“ Mehr konnte Linda nicht dazu sagen. Lag es an ihr, oder war es auf einmal viel zu warm im Flur? Sie spürte die feinen Schweißperlen auf der Stirn.

„Das war nicht immer so. Seine Firma macht eine schwierige Zeit durch.“

Simon musterte sie mit seinen dunkelblauen Augen.

„Das ist schon so, seit ich dich kenne. Also über zwei Jahre. Wie lange soll das noch so weitergehen?“

Linda senkte die Augen.

„Ich weiß auch nicht.“ Eine Welle unzusammenhängender Gedanken überschwemmte sie. „Ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass doch noch alles anders wird. Immerhin hat er sich auf den Urlaub eingelassen. Das ist doch schon einmal ein Anfang.“ Sie suchte nach einem Taschentuch und nahm das, das Simon ihr reichte. Ein frisch gebügeltes Stofftaschentuch, das nach Zitrone und Minze duftete.

Simone wartete, bis der Tränenstrom versiegte.

„Ich glaube, ich könnte dich glücklicher machen.“ Seine Stimme klang weder eingebildet noch besonders dramatisch. Er sagte diese Worte ganz leise.

Linda fiel trotzdem fast in Ohnmacht.

„Wie bitte?“

Er wich ihrem Blick aus und starrte auf die Spitzen seiner Turnschuhe.

„Ich wollte es dir schon lange sagen. Du bist eine verheiratete Frau, und ich hätte es niemals gewagt, wenn du glücklich wärst. Aber so muss ich es einfach tun.“

„Und ich dachte, wir wären nur gute Freunde.“

„Wir sind beste Freunde“, korrigierte er sie. „Wir passen einfach perfekt zusammen. Darüber hinaus finde ich dich sehr anziehend und unglaublich attraktiv.“

Linda machte einen Schritt zurück. Nicht, dass sie nicht genauso für Simon empfunden hätte. Aber dies war der falsche Zeitpunkt. Ihr ganzes Leben stand Kopf. Es ging nicht nur um ihre Ehe, es ging auch um ihren Vater. Da konnte sie nicht noch mehr Chaos brauchen. In ihre Gedanken hinein hupte es.

„Das ist bestimmt das Taxi, das mich zur Firma bringt. Martin hat es bestellt.“

„Oh, der tapfere Krieger hat eine Heldentat vollbracht“, ätzte Simon.

Das Taxi hupte wieder.

„Vielen Dank für deine Hilfe.“

Mit sanfter Gewalt schob Linda ihn zur Tür hinaus. Sie selbst verließ die Wohnung nur ein paar Minuten später. Zehn Tage, in denen alles anders werden sollte, lagen vor ihr. Und Simons Geständnis hatte es ihr nicht gerade leichter gemacht.

***

Vormittags hatte Kilian Garnreiter noch in Arbeitshosen Fleecejacke die Wege rund ums Hotel gefegt. Doch am frühen Nachmittag tauschte er die Arbeitskleidung gegen seine schicke Chauffeuruniform und stieg in den Wagen, um Hanni Pielmeyer vom Bahnhof abzuholen. Sie hatte zwar angekündigt, mit dem Taxi hinaufzufahren, doch angesichts ihrer Aufenthaltsdauer von drei Wochen hatte Hedi Kastler nichts davon wissen wollen.

„Eine Dame in ihrem Alter“, Hanni war Mitte vierzig, „hat sicherlich einiges an Gepäck dabei. Da ist man nicht mehr so unkompliziert wie ein junges Madel.“

Hedi sprach aus Erfahrung. Ein Glück, dass sie und ihr Mann dort lebten, wo andere Menschen Urlaub machten und sich deshalb selbst nicht auf große Reise begeben mussten. Allein ihre Dirndlsammlung hätte gut und gerne drei Koffer gefüllt.

Kilian Garnreiter erfüllte die Bitte der Chef gerne. Von St. Christoph führte nur eine einzige Bergstraße hinab nach Mayrhofen. Der Zug war pünktlich. Schon von Weitem entdeckte Hanni ihren Chauffeur und winkte mit beiden Armen, um ihn auf sich aufmerksam zu machen. Pflichtbewusst, wie Kilian war, eilte er ihr entgegen.

„Nur der eine Koffer?“ Er warf einen Blick über Hannis Schulter. Vergeblich. „Wo ist Ihr restliches Gepäck?“

Ein belustigtes Lachen perlte über ihre Lippen.

„In meinem Koffer ist alles drin, was ich für einen entspannten Urlaub brache. Und wenn es denn doch einmal was Besonderes sein muss, haben Sie hier doch sicherlich ein paar nette Geschäfte, oder?“

„Ja, schon … in Mayrhofen.“

„Dann ist ja alles in schönster Ordnung“, zwitscherte Hanni und hängte sich bei ihm ein. „Fesch sehen Sie aus, mein Guter.“

Kilian fühlte, wie ihm das Blut in die Wangen stieg. Nie zuvor hatte eine Frau ihn „mein Guter“ genannt. Augenblicklich straffte er die Schultern, hob das Kinn und richtete den Blick geradeaus. Am Wagen angekommen, hielt er Hanni die Tür auf.

„Sie sind nicht nur fesch, sondern auch noch äußerst zuvorkommend. Ihre Frau ist ein Glückspilz“, trällerte Hanni weiter, während sie auf den Rücksitz kletterte.

Inzwischen brannten Kilians Wangen lichterloh.

„Ich bin nicht verheiratet“, krächzte er.

Der Motor heulte auf, der Wagen machte einen Satz nach vorne. So etwas war ihm noch nie passiert! Dabei hatte der Tag doch ganz normal angefangen. Er gab Gas und konzentrierte sich auf den Verkehr.

In der Ortsmitte von Mayrhofen setzte Kilian Garnreiter den Blinker und bog nach rechts ab. Nur von hier aus führte die schmale Bergstraße hinauf nach St. Christoph, eine Serpentine nach der anderen schlängelte sie sich den Berg hinauf. Links und rechts flankierten hohe Bäume die Fahrbahn. Hin und wieder gab eine Lichtung den Blick frei auf Almwiesen, auf denen Reste von Schnee vor sich hinschmolzen. Sah man hinunter, wurden die Häuser im Tal immer kleiner, bis sie nur noch wie die Landschaft einer Spielzeugeisenbahn wirkten. Bei jeder Kurve wäre Hanni Pielmeyer von einer Ecke in die andere gerutscht, hätte sie sich nicht am Türgriff festgehalten.

„Das ist ja die reinste Achterbahnfahrt“, jauchzte sie wie ein junges Mädchen. „Können Sie noch ein bisschen mehr Gas geben?“

„Tut mir leid. Ich hab den Auftrag, Sie heil ins Hotel zu bringen.“

Krampfhaft vermied Kilian den Blick in den Rückspiegel. Was war das nur für eine Frau? Andere Gäste zitterten unterwegs vor Angst.

Doch Hanni konnte offenbar nicht genug bekommen. Ihr Kreischen und Quietschen begleitete jede Spitzkehre, bis nach einer weiteren Kurve schließlich St. Christoph auftauchte. Wie ein Ei in seinem Nest lag es da, beschützt von sechs hohen Gipfeln, die so früh im Jahr noch einen Mantel aus Schnee trugen.

Diesmal kreischte Hanni nicht. Sie begnügte sich mit einem ehrfürchtigen Seufzen. Ihr Blick schweifte von den Bergen hinunter zu den Bauernhäusern, manche krumm und schief, als wollten sie sich vor den Kapriolen des Wettergottes verstecken, der hier gerne sein Unwesen trieb. Andere dagegen boten ihm stolz und aufrecht die Stirn wie die weiße Dorfkirche. Der goldene Wetterhahn auf der Kirchturmspitze blitzte im Sonnenlicht, ganz so, als wollte er Hanni zuzwinkern. Ein ernstes Lächeln auf dem Gesicht, lehnte sie sich zurück. Ja, es war genau die richtige Entscheidung gewesen, diese wichtigen Wochen hier zu verbringen!

„Das ist ja noch viel schöner als auf den Bildern im Internet“, seufzte sie.

„Warten Sie, bis Sie das Hotel sehen!“