Das Berghotel 234 - Verena Kufsteiner - E-Book

Das Berghotel 234 E-Book

Verena Kufsteiner

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Beschreibung

Elisa gibt ihre Karriere als Eiskunstläuferin auf, nachdem sie sich den Knöchel verletzt hat und ihr Eiskunstlauf-Partner und Freund Viktor sie daraufhin für eine andere verlässt. Am Boden zerstört kehrt sie nach St. Christoph zurück, das ihr nun, nachdem sie die Welt bereist hat, beengt und provinziell erscheint. Einen Plan B hat Elisa nicht. Eislaufen war immer ihr Traum, und jetzt weiß sie nicht, was sie mit ihrem Leben anfangen soll.
Statt sich trösten zu lassen, zieht sich Elisa zurück und lässt niemanden an sich heran. Auf dem zugefrorenen Kuckuckssee dreht sie einsam ihre Pirouetten und hängt ihren Erinnerungen an das verlorene Glück nach. Die Dorfbewohner versuchen immer wieder, Kontakt aufzunehmen und sie in die Gemeinschaft zu integrieren, doch Elisa macht deutlich, dass sie mit niemandem etwas zu tun haben will. Schon bald erhält sie den Spitznamen "Eisprinzessin", denn böse Zungen behaupten, sie habe ein Herz aus Eis. Ob es jemandem gelingen wird, dieses kalte Herz wieder zu erwärmen?


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Inhalt

Cover

Impressum

Die Eisprinzessin vom Kuckuckssee

Vorschau

BASTEI LÜBBE AG

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Volodymyr TVERDOKHLIB / shutterstock

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7517-0640-7

www.bastei.de

www.luebbe.de

www.lesejury.de

Die Eisprinzessin vom Kuckuckssee

Bezaubernder Winterroman aus St. Christoph

Von Verena Kufsteiner

Elisa gibt ihre Karriere als Eiskunstläuferin auf, nachdem sie sich den Knöchel verletzt hat und ihr Eiskunstlauf-Partner und Freund Viktor sie daraufhin für eine andere verlässt. Am Boden zerstört kehrt sie nach St. Christoph zurück, das ihr nun, nachdem sie die Welt bereist hat, beengt und provinziell erscheint. Einen Plan B hat Elisa nicht. Eislaufen war immer ihr Traum, und jetzt weiß sie nicht, was sie mit ihrem Leben anfangen soll.

Statt sich trösten zu lassen, zieht sich Elisa zurück und lässt niemanden an sich heran. Auf dem zugefrorenen Kuckuckssee dreht sie einsam ihre Pirouetten und hängt ihren Erinnerungen an das verlorene Glück nach. Die Dorfbewohner versuchen immer wieder, Kontakt aufzunehmen und sie in die Gemeinschaft zu integrieren, doch Elisa macht deutlich, dass sie mit niemandem etwas zu tun haben will. Schon bald erhält sie den Spitznamen »Eisprinzessin«, denn böse Zungen behaupten, sie habe ein Herz aus Eis. Ob es jemandem gelingen wird, dieses kalte Herz wieder zu erwärmen?

Energisch griff Anna Althöfer nach einem Bierkrug und polierte ihn. Ihre Bewegungen waren abrupt und abgehackt, ihre Miene verriet Unzufriedenheit. Ihr Mann Joschi seufzte schicksalsergeben. Er konnte sich schon denken, was das für ihn bedeutete. Wenn seine Anna so dreinschaute, würde er gleich sein Fett wegkriegen.

»Also ich weiß net, Joschi.« Sie musste laut sprechen, um die Geräuschkulisse im Gasthaus zu übertönen. Der Ochsenwirt, der ihnen beiden gehörte, war wie üblich gut besucht. Einheimische aus St. Christoph saßen an der Theke und tranken ihre Maß. An einigen Tischen hatten es sich Urlauber gemütlich gemacht, die den Winterurlaub im Zillertal verbrachten.

»Was weißt du net, Haserl?« Joschis sonst eher raue Stimme klang weich und beschwichtigend, vielleicht konnte er die Wogen so glätten.

Anna runzelte die Stirn. »Das Gerät stört ja schon ein bisserl, findest du net? Es zerstört die Stimmung! Die Leute gaffen ja nur noch hoch auf die Mattscheibe.«

Joschi grinste. Daher wehte also der Wind. Anna war von Anfang an skeptisch gewesen, als er den Fernseher hinter der Theke aufgehängt hatte.

»Der läuft ja nur hin und wieder, net andauernd«, versuchte er, seine Frau zu beruhigen. »Ist's net fein, wenn die Leute gemeinsam ein wichtiges Fußballspiel anschauen können? Das ist ja viel geselliger, als wenn jeder für sich daheim hockt.«

Sie verschränkte die Arme vor der Brust und sah ihn herausfordernd an.

»Und warum ist das Kastl dann jetzt grad an? Heut ist kein Fußballspiel«, stellte sie spitz fest und deutete dann anklagend hoch zum Fernseher, auf dem gerade Werbung lief.

Er grinste. »Weißt du's denn net? Gleich kommt doch Eiskunstlauf!«

»Eiskunstlauf?«, wiederholte sie verdattert. »Ja, seit wann schaust du denn so etwas? Das hat dich doch noch nie interessiert.«

»Jetzt zieh deine arme Frau doch net auf«, schaltete sich Hedi schmunzelnd ein. Die Hotelchefin saß mit ihrem Mann Andi und einigen Hotelmitarbeitern an einem der Tische, wo sie den Abend gemütlich ausklingen ließen. »Spann sie net auf die Folter! Anna, heut tritt die Weingartner-Elisa an. Du kennst sie sicherlich, gell? Das Madel ist ja eine tüchtige Eiskunstläuferin.«

»Die Elisa! Das ist ja was. Ich kann mich noch gut erinnern, wie sie als kleines Madel immer über die zugefrorenen Seen geflitzt ist. Und dass sie mittlerweile Karriere macht, hab ich freilich mitbekommen.« Anna klatschte in die Hände und wandte sich an Elisas Eltern, die heute auch hier waren und immer wieder aufgeregt zum Fernseher schauten. »Marlene, Theodor, ihr müsst's ja wahnsinnig stolz auf euer Madel sein.«

In dem Moment ging die Sportübertragung los. Joschi stellte den Fernseher lauter, damit die Kommentare des Sportmoderators hörbar waren. Alle Blicke richteten sich auf den Bildschirm. Jedermann wollte sehen, wie Elisa, ein Madel aus dem Dorf, auf einem internationalen Turnier brillierte. Sogar die Urlauber, die die junge Frau freilich nicht kannten, ließen sich von der Aufregung anstecken und fieberten mit.

»Wann kommt sie denn endlich dran?«, murrte Gerda Stahmer, die im Hotel als Hausdame arbeitete, ungeduldig.

»Mei, die kleine Elisa.« Die Jeggl-Alma, die im Dorf einen kleinen Laden hatte, seufzte. Ihre Apfelbäckchen wurden noch röter. »Auf die hab ich manchmal aufgepasst, als sie noch ein ganz kleines Madel mit zwei Zöpfen war. So ein herziges Ding. Sie werden so schnell groß.«

Lukas Einrieder, der Sporttrainer des Berghotels, betrachtete fasziniert, wie die Eislaufpaare über die Fläche glitten und akrobatische Figuren mit scheinbarer Leichtigkeit meisterten.

»Das find ich echt beeindruckend«, stellte er fest. »Was da für eine Körperspannung und Kraft dahinterstecken muss! Und dabei schaut alles immer so leicht aus.«

»Da kommt sie!«, rief Andi Kastler in die Runde und legte seiner Hedi den Arm um die Schultern.

Wie gebannt verfolgten alle, wie sich Elisa mit ihrem Partner Viktor aufs Eis begab. Ihr schneeweißes Kleid war mit unzähligen Strasssteinchen besetzt und glitzerte so herrlich wie Schnee im Sonnenschein.

Die Musik setzte ein, und Elisa und Viktor glitten anmutig übers Eis. Hedi hielt den Atem an und merkte, wie alle ringsumher es ihr gleichtaten, als Viktor Elisa herumwirbelte. Wie gefährlich das aussah! Aber die beiden schienen alles perfekt unter Kontrolle zu haben. Es wirkte fast so, als spielte die Schwerkraft für sie überhaupt keine Rolle. Ihre Darbietung war nicht von dieser Welt.

Viktor stemmte Elisa hoch, als sei sie federleicht. Grazil streckte sie sich und war dabei schön wie ein Engel. Nachdem er sie sachte abgesetzt hatte, wirbelte sie blitzschnell um die eigene Achse, stieß sich kraftvoll ab und drehte sich während des Sprungs in der Luft.

Elisas kastanienbraune Haare waren zu einem straffen Dutt hochgesteckt und mit funkelnden Spangen in der Form von Eiskristallen verziert. Die Frisur betonte ihren schlanken Hals und ihre zierliche Statur. Aber auch Viktor war ein Augenschmaus: schlank, hochgewachsen und sportlich. Seine hellblonden Haare glänzten im Scheinwerferlicht und umspielten seine feingeschnittenen Gesichtszüge. Als die Kamera näher heranzoomte, fielen seine eisblauen Augen auf.

»Wie wundervoll, das ist ja wie Magie«, murmelte Hedi ergriffen.

Es fiel ihr schwer, den Blick von der eindrucksvollen Darbietung loszulösen. Trotzdem schaute sie kurz zu Marlene und Theodor hinüber, und was sie da sah, erwärmte ihr Herz. Wie stolz und glücklich die beiden aussahen! Begeistert verfolgten sie den Auftritt ihrer Tochter und hielten einander an den Händen.

Eine weitere Figur entlockte den Ochsenwirt-Gästen ein beeindrucktes Seufzen. Viktor legte die Hände von hinten um Elisas Taille und hob sie empor.

Doch plötzlich ging etwas schief. Ein Straucheln, ein leichtes Schwanken. Es ging so schnell, dass Hedi und die anderen kaum begriffen, was geschah. Das Eiskunstlaufpaar geriet aus dem Gleichgewicht – und schon knallte Elisa zu Boden.

Marlene sprang auf und schlug sich mit einem Schrei die Hand vor den Mund. Sie lief auf den Fernseher zu, als könnte sie so irgendetwas tun, um ihrer Tochter zu helfen.

»Oh Gott.« Hedi wurde es ganz kalt. Hoffentlich hatte Elisa sich nicht ernsthaft verletzt! Eilig stand sie auf und legte Marlene tröstend den Arm um die Schultern.

Auf dem Fernseher war zu sehen, wie Viktor versuchte, Elisa aufzuhelfen. Sie kam auf die Knie, schüttelte etwas benommen den Kopf. Doch als sie das rechte Bein aufstellte und aufstehen wollte, verzog sich ihr Gesicht vor Schmerz und brach wieder zusammen.

Bekümmert presste Hedi die Lippen zusammen. Die arme Elisa! Das sah überhaupt nicht gut aus.

***

Scharf sog Elisa die Luft ein, als ein leichtes Stechen durch ihren Knöchel schoss. Vorsichtig drehte sie den Fuß hin und her und griff nach den Gymnastikbändern, die neben ihrer Sportmatte auf dem Boden lagen.

Frustriert seufzte sie. Unermüdlich machte sie die Übungen, die der Physiotherapeut ihr gezeigt hatte, aber sie merkte ganz deutlich, dass der verletzte Knöchel nicht ansatzweise so beweglich war wie vor den Unfall.

Und das würde er auch nie wieder sein.

Niedergeschlagen senkte sie den Kopf. Ganz gleich, wie fleißig sie die Übungen ausführte und wie eifrig sie trainierte: Es war doch aussichtslos. Sie würde nie wieder auf einem derart hohen Niveau eiskunstlaufen, daran hatten die Ärzte keinen Zweifel gelassen.

Die Tür ging auf. Viktor kam mit federnden Schritten herein, hauchte ihr einen Kuss auf die Lippen und überreichte ihr eine Lilie.

»Für dich, meine Schöne. Na, wie läuft es mit der Therapie?«

Seufzend nahm sie die Blume entgegen.

»Ach, es hilft doch alles nichts«, murmelte sie. »Es wird langsam besser, ja, aber wofür strenge ich mich überhaupt an? Ich kann vielleicht wieder einen normalen Alltag führen, aber meine Karriere ist vorbei! Ich habe noch einmal mit Doktor Anger geredet, aber er nimmt da kein Blatt vor den Mund. Mein Körper würde es nicht mitmachen, wenn ich so hart trainiere wie bisher. Niemals wieder werde ich so ein Niveau erreichen.«

Mit ausgestreckten Beinen saß sie auf der Sportmatte.

Viktor hockte sich vor sie. »Das ist wirklich blöd«, antwortete er unschlüssig und schien selbst zu merken, dass dieses Wort nicht ausreichte.

»Blöd?« Frust, Kummer und Wut schnürten ihr die Kehle zu. Wut auf diesen einen verhängnisvollen Moment, der all das zerschmettert hatte, was sie sich über viele Jahre mühsam aufgebaut hatte. »Viktor, das ist eine verdammte Katastrophe! Diese Karriere ist alles, worauf ich hingearbeitet habe, seit ich ein kleines Madel war und zum ersten Mal auf dem Eis stand. Alles, worauf wir hingearbeitet haben! Unsere gemeinsamen Träume sind gestorben.« Nur mühsam konnte sie die Tränen zurückhalten.

»Ja, darüber wollte ich mit dir reden«, sagte er gedehnt und wich ihrem Blick aus.

»Was?«, fragte sie leise. Sie konnte es sich schon denken.

Er wand sich ein wenig. Es war ihm sichtlich unangenehm.

»Es ist nur so, Elisa ... Es ist jetzt eigentlich dringend an der Zeit, das Training wieder aufzunehmen. Das nächste Turnier steht vor der Tür. Moskau rückt mit großen Schritten näher. Und dass du dort nicht dabei sein wirst, na ja, das ist mir bewusst.«

»Aber du schon«, murmelte sie.

Er starrte auf seine Hände hinab. »Jetzt mach mir bitte kein schlechtes Gewissen. Freilich wär's mir das Liebste, mit dir anzutreten. Aber wenn du nun einmal net kannst ...«

Sie seufzte tief. »Ich weiß doch. Und ich versteht das. Nur weil meine Karriere vorbei ist, musst du deine net auch beenden. Das wär Blödsinn.«

Aber die Vorstellung, dass sein Leben weiterging, während ihres in Bruchstücken vor ihr lag, tat weh. Sie wünschte, er würde sie in den Arm nehmen und trösten. Aus ganzem Herzen sehnte sie sich danach, sich an ihn zu kuscheln, seinen Duft einzuatmen, ihn zu küssen und dabei für einen Moment alle Sorgen zu vergessen.

Aber allmählich dämmerte ihr, dass er nicht deswegen hergekommen war. Er wollte sein Gewissen erleichtern und ihr beibringen, dass er von nun an ohne sie übers Eis gleiten würde.

Erleichtert atmete er auf. »Ich wusste ja, dass du es verstehst. Es ist ja auch nur logisch. Jetzt muss ich mir halt eine neue Partnerin für den Sport suchen.«

Sie wurde hellhörig. Irgendetwas hatte in seiner Stimme gelegen, was sie irritierte.

»Du hast da wohl schon jemanden im Blick?«, fragte sie geradeheraus.

Viktor druckste herum, bevor er mit der Wahrheit herausrückte.

»Mein Manager hat da den Kontakt hergestellt. Es wär sinnvoll, hat er gesagt. Sie läuft auf sehr hohem Niveau, hat eine großartige Technik. Nächste Woche wollen wir probeweise miteinander trainieren, dann schauen wir weiter, und ...«

»Wer ist es?«, fiel sie ihm ins Wort.

»Maja«, nuschelte er so undeutlich, als hoffte er, dass sie es nicht verstand.

Elisa riss die Augen auf, die Lilie fiel ihr aus den Händen.

»Das war so klar«, brauste sie auf. »Ausgerechnet die. Von wegen, der Manager hat den Kontakt hergestellt! Das kannst du mir net erzählen.«

Vor Wut und Empörung zitterte Elisa. Maja war ein wunder Punkt zwischen ihnen. Die schöne Blondine war vor vielen Jahren Viktors Trainingspartnerin gewesen. Viktor hatte Elisa gegenüber immer behauptet, mehr sei da nicht gelaufen. Doch wann immer sie Maja in den letzten Jahren auf einem Turnier getroffen hatten, hatte Viktor ganz eindeutig mit ihr geflirtet. Argwöhnisch hatte Elisa das beobachtet. Sie konnte sich nicht helfen: Wann immer sie an Maja dachte, stieg die Eifersucht in ihr auf.

Und jetzt das! Ausgerechnet durch Maja wurde sie nun ersetzt. Beim Gedanken daran, wie viel Zeit die beiden nun miteinander verbringen würden, wurde es Elisa ganz übel.

Viktors Miene verschloss sich.

»Jetzt werde doch nicht gleich zickig. Es ist doch rein beruflich. Rein sportlich. Das kannst du ruhig mal ein bisschen professionell betrachten.« Schwungvoll stand er auf und wandte sich ab.

»Viktor«, murmelte sie und wusste selbst nicht genau, was sie ihm sagen wollte.

»Es ist ja wohl nicht meine Schuld, dass du in nächster Zeit nicht auf dem Eis stehen wirst.« Er klang kühl. »Ich muss auch auf mich schauen. Sorry, aber so läuft es nun mal. Finde dich damit ab.«

Mit diesen Worten verschwand er durch die Tür. Fassungslos blickte Elisa ihm hinterher. Keine Umarmung, keine Küsse. Nur diese Worte, die eine unglaubliche Leere in ihrem Herzen hinterließen.

***

Mit einem gleichmäßigen Rattern fuhr der Zug über die Gleise. Die Landschaft zog vorbei. Je weiter Elisa ins Zillertal vordrang, desto ländlicher wurde alles ringsumher, und desto imposanter die Kulisse.

Hinter endlosen, schneebedeckten Wiesen und dunklen Wäldern erhoben sich die Berge schier endlos hoch. Jeden von ihnen konnte Elisa benennen. Da war der Feldkopf, daneben die zwei Gipfel des Hexensteins. Auf der anderen Seite ragte das Frauenhorn aus dem Achenwald hervor.

Elisa lehnte den Kopf gegen die kühle, vibrierende Fensterscheibe und schloss die Augen. Heiße Tränen quollen unter ihren geschlossenen Augenlidern hervor und kullerten über ihre Wangen. Ein bitterer Kloß hatte sich in ihrer Kehle gebildet. Sie war heilfroh, dass sie das Zugabteil für sich hatte. So konnte sie ungestört ihrem Schmerz freien Lauf lassen.

Dass sie wieder hierher ins Zillertal ziehen würde, hätte sie sich bis vor Kurzem nicht träumen lassen. Gerade mal achtzehn Jahre alt war sie gewesen, als sie ihre Koffer gepackt und die Heimat verlassen hatte. Die Eltern hatten diesen Plan nur halbherzig unterstützt und sie schweren Herzens in die große, weite Welt ziehen lassen.

Aber es war nun einmal sinnvoll gewesen, das hatten auch Mama und Papa einsehen müssen. Elisas damalige Trainerin hatte in Wien gewohnt, außerdem war sie viel unterwegs gewesen, hatte an Turnieren in aller Welt teilgenommen. St. Christoph im tiefsten Tirol war einfach zu entlegen. Solange Elisa minderjährig war, hatte sie es geschafft, ihre Karriere von Tirol aus voranzutreiben; ihre Eltern hatten sie zu Turnieren gefahren und zu wichtigen Terminen begleitet. Doch sobald sie erwachsen war und die Matura in der Tasche hatte, hatte sie hier nichts mehr gehalten.

Es hatte sie hinaus in die Ferne gezogen. Sie hatte mal in Wien gelebt, dann in London, anschließend für ein Jahr in Prag. Es war ein atemberaubendes, aufregendes Leben gewesen – immer zwischen dem harten Training in der Eishalle und dem Glitzer der Großstädte. Ruhe hatte sie kaum gefunden, und das hatte sie auch gar nicht gewollt. An Viktors Seite hatte sie das Gefühl gehabt, die Welt erobern zu können. Der Erfolg hatte sie berauscht. Gemeinsam hatten sie hart trainiert, gewonnen, gefeiert.

Und nun war alles vorbei. Jetzt war Viktor auf einem Turnier in Moskau, wirbelte mit Maja über die Eisfläche und verschwendete mit Sicherheit keinen Gedanken an Elisa.