Das Berghotel 242 - Verena Kufsteiner - E-Book

Das Berghotel 242 E-Book

Verena Kufsteiner

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Beschreibung

Seit der Affäre von Hannes vor über einem Jahr befindet sich die Ehe zwischen ihm und seiner Frau Annemie in einer schweren Krise. Während Hannes seinen Fehltritt schwer bereut, sucht Annemie Zuflucht in ihrer Handwerkskunst und zieht sich in ihr Atelier zurück. Tiefgreifende Gespräche über ihre Ehe sind Mangelware. Annemie schweigt sich aus.
Eines Tages steigt der Maler Jochen Geiger mit Kind im Berghotel ab. Er bewundert Annemies Kissenbezüge und Lampenschirme, die im ganzen Hotel zu finden sind. So kommen die beiden schnell ins Gespräch. Annemie erzählt, dass ihr Mann ebenfalls malt und macht die beiden Männer miteinander bekannt. Die sechsjährige Mia, die immer mit dabei ist, erobert Annemies trauriges Herz im Sturm.
Die Bekanntschaft mit dem extrovertierten Künstler und dem süßen Kind belebt die Ehe neu. Das Paar fühlt, wie die Leidenschaft wieder aufflammt und sich die alte Vertrautheit endlich wieder einstellt. Dabei bemerkt Annemie nicht, dass sich Jochen in sie verliebt hat ...


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Inhalt

Cover

Im Tal des Schweigens

Vorschau

Impressum

Im Tal des Schweigens

Eine Ehe droht zu zerbrechen

Von Verena Kufsteiner

Seit der Affäre von Hannes vor über einem Jahr befindet sich die Ehe zwischen ihm und seiner Frau Annemie in einer schweren Krise. Während Hannes seinen Fehltritt schwer bereut, sucht Annemie Zuflucht in ihrer Handwerkskunst und zieht sich in ihr Atelier zurück. Tiefgreifende Gespräche über ihre Ehe sind Mangelware. Annemie schweigt sich aus.

Eines Tages steigt der Maler Jochen Geiger mit Kind im Berghotel ab. Er bewundert Annemies Kissenbezüge und Lampenschirme, die im ganzen Hotel zu finden sind. So kommen die beiden schnell ins Gespräch. Annemie erzählt, dass ihr Mann ebenfalls malt und macht die beiden Männer miteinander bekannt. Die sechsjährige Mia, die immer mit dabei ist, erobert Annemies trauriges Herz im Sturm.

Die Bekanntschaft mit dem extrovertierten Künstler und dem süßen Kind belebt die Ehe neu. Das Paar fühlt, wie die Leidenschaft wieder aufflammt und sich die alte Vertrautheit endlich wieder einstellt. Dabei bemerkt Annemie nicht, dass sich Jochen in sie ver‍liebt hat ...

Wie jeden Morgen, seit sie hier heraufgezogen waren, erwachte Hannes Urgibl früh am Morgen. Mit geschlossenen Augen lag er im Bett und lauschte auf die Geräusche seiner neuen Heimat. Auf das Vogelkonzert draußen vor dem Fenster, das Blöken der Schafe im Stall nebenan, auf das heimelige Knacken der Holzböden im ersten Stock des kleinen Bauernhofs. Nur eines hörte er nicht.

»Annemie?« Hannes ließ seine Hand auf die andere Bettseite wandern.

Die Laken waren kühl.

Mit einem Schlag war er hellwach, und eine tiefe Traurigkeit erfüllte ihn, als er das zerwühlte Bettzeug anstarrte. Wieder einmal hatte seine Frau die Flucht ergriffen. Hannes wusste, dass Annemie – wie immer, wenn er nicht rechtzeitig erwachte – entweder in ihrer Werkstatt war oder bei ihren geliebten Schafen im Stall. Sie dort zu stören, hatte Hannes inzwischen aufgegeben, auch wenn das bedeutete, dass ein weiterer, schweigsamer Tag vor ihm lag.

Nach einem einsamen Frühstück würde er hinunter nach Schwaz fahren, um seinen Schülern die Beschäftigung mit künstlerischen Objekten und Bildern nahezubringen und sie mit den unterschiedlichsten Materialien und Werkzeugen bekannt zu machen. Nach Schulschluss würde Hannes unterwegs einen Happen essen und später in sein Atelier verschwinden. Schon jetzt – am frühen Morgen – wusste er, dass er seine Frau wahrscheinlich erst am Abend zu Gesicht bekommen würde.

Seufzend schlug er die Bettdecke zurück und stand auf, um den Tag in Angriff zu nehmen. Er machte sich in der Kuchl zu schaffen. Bad bald brannte ein lustiges Feuer im Emaille-Ofen, Kaffeeduft erfüllte den holzvertäfelten Raum. Mit dem Becher in der Hand trat Hannes ans Fenster und blickte hinaus in seine neue Heimat.

Die Morgensonne schien von einem blitzblauen Himmel und ließ den goldenen Wetterhahn auf der Kirchturmspitze drunten im Dorf glitzern und funkeln. Hannes' Blick wanderte weiter zu den Bauernhäusern, die sich um die weiße Dorfkirche mit dem Zwiebelturm scharten. Er bewunderte die sanft geschwungenen Wiesen und Wälder und die stolzen Gipfel, die das weltabgeschiedene Dorf St. Christoph wie steinerne Wächter einrahmten. Als leidenschaftlicher Bergsteiger hatte er ihre Namen schon vor dem Umzug hierher gekannt. Hexenkopf und Frauenhorn, Rautenstein und Achenkegel beschützten die Dorfbewohner vor allzu rauen Wetterspielen und der Hektik der übrigen Welt unten im Tal.

Kein Wunder, dass sich diese Landschaft auch bei Touristen großer Beliebtheit erfreute. Zu jeder Jahreszeit mieteten sie sich im Sporthotel »Am Sonnenhang« ein. Genau wie der kleine Bauernhof lag das im alpenländischen Stil erbaute Hotel etwas oberhalb von St. Christoph. Im Winter hatte Hannes das ferne Leuchten der Lichterketten bewundert, das in den Nächten wie ein freundlicher Gruß herüberblinkte.

Das Hotel gehörte zu den Motiven, die Hannes in den vergangenen Wochen und Monaten für sich entdeckt hatte. In seinem ganz eigenen Stil verewigte er seine Umgebung in Öl und Acryl. Die Kunden waren begeistert und rissen ihm die modernen Bergmotive förmlich aus den Händen. Glücklich war Hannes trotzdem nicht. Genauso wenig wie seine Frau.

Das fröhliche Lachen und Kreischen der Schulkinder riss ihn aus seinen Gedanken. Dass ihr Schulweg ausgerechnet hier vorbeiführen musste! Abrupt wandte sich Hannes ab. Er stellte den Kaffeebecher in die Spüle. Auf dem Weg nach oben fiel ihm die Tür ins Auge, die vom Flur direkt in den Stall führte. Sollte er ...? Er konnte der Versuchung nicht wiederstehen und drückte leise die Klinke herunter. Der Duft nach Heu und Stroh und der Anblick der Schafe zauberte ihm trotz seines Kummers ein Lächeln ins Gesicht. Dort stand Annemie, umringt von ihren Tieren. Jede wollte die Erste sein.

»Guten Morgen, Schnucki. Hallo Liesl. Grüß dich, Vroni.«

Nichtahnend, dass sie beobachtet wurde, begrüßte Annemie jeden einzelnen ihrer zehn Lieblinge und ließ die Hand durch dir raue Wolle gleiten. Am schönsten aber war es, wenn die Schafe ihre weichen Nasen auf der Suche nach Leckereien in ihre Hand drückten.

Angeschafft als Wolllieferanten für Annemies Textilkunst hatten sich die Bergschafe schnell in ihr Herz geschlichen. Jeden Morgen, wenn sie die dunklen Gedanken nicht mehr ertrug, floh sie aus dem Bett in die heimelige Gemütlichkeit des Stalls. Sie fütterte und tränkte die Tiere und untersuchte sie auf Krankheiten, ehe sie sich auf eine der riesigen Weiden hinter dem Hof brachte. Von ihrer Werkstatt aus hatte Annemie ihre Lieblinge ständig im Blick.

Nachdem Hannes sich mit einem Kuss von ihr verabschiedet hatte, holte sie sich eine Tasse Kaffee und ging in die Werkstatt und machte sich an die Arbeit. Während ihre Hände über die seifige Wolle glitten, sie drückten und walkten, ließ sie ihre Gedanken schweifen.

Hannes und sie waren erst vor ein paar Monaten in den kleinen Bauernhof gezogen, ein Erbe von Hannes' Onkel, der seine letzten Jahre in einem Seniorenheim in Innsbruck verbracht hatte. In dieser Zeit war der kleine Hof sich selbst überlassen gewesen. Nicht zu seinem Besten, wie eine erste Bestandsaufnahme gezeigt hatte. Die Küche an der Rückseite des Hauses hatte einen furchtbaren Anblick geboten. Ihr einziger Vorzug war ein wunderschöner, uralter Holzboden und eine Tür mit Sprossenfenstern, die in den verwilderten Bauerngarten führte. In der Speisekammer hatten Kartoffeln vor sich hin gefault und das Dach war löchrig wie ein Schweizer Käse gewesen. Doch trotz des desolaten Zustands hatte sich Annemie sofort in das kleine Haus verliebt. Ein Glück, dass ihnen Onkel Toni auch noch einen Batzen Geld vererbt hatte, sodass sie die Renovierungsarbeiten in Angriff nehmen konnten.

Während Annemie die Wolle walkte, dachte sie an ihre Träume, die sie seit frühester Jugend mit ihrem Hannes teilte. Schon immer hatten sie auf dem Land leben wollen und das Erbe kam zu einer Zeit, in der ein Neuanfang wie der heiß ersehnte Rettungsanker schien. Aber was war aus dieser Hoffnung geworden?

***

»Also Gerda, du meinst also, wir können die Ostereiersuche zur Not auch ins Hotel verlegen?« Die Hotelchefin Hedi Kastler sah hinüber zu ihrer Hausdame, die gemeinsam mit den engsten Hotelmitarbeitern am Tisch saß.

Höchste Zeit, nach dem langen Winter wieder einmal ein ordentliches Fest zu feiern. Und was eignete sich dazu besser als das anstehende Osterfest! Zu dumm nur, dass das Wetter in dieser Jahreszeit alles andere als stabil war. Schien an einem Tag noch die Sonne vom blankpolierten Himmel, konnte es am nächsten Morgen schon wieder stürmen und schneien. Schon deshalb war eine sorgfältige Planung unerlässlich.

»Natürlich«, beantwortete Gerda Stahmer die Frage ihrer Chefin. »Solange der Osterhase seine Eier net in den Zimmern der Gäste versteckt, habe ich nichts dagegen einzuwenden.«

Ihr warnender Blick wanderte hinüber zum Einrieder-Lukas. Auch wenn sich der fesche Sporttrainer den Anschein gab, als könnte ihn kein Wässerchen trüben, wusste jeder, dass ihm der Schalk im Nacken saß.

»Warum schaust du mich so an?«, fragte er denn auch mit Unschuldsmiene. »Bin ich etwa der Osterhase?«

Seine Kollegin Gerti Wachter lachte.

»Eher der Wolf im Schafspelz.« Diese Anspielung galt seinem Talent, den weiblichen Hotelgästen mit Charme und gutem Aussehen den Kopf zu verdrehen. Gerti zog eine Augenbraue hoch. »Meine Kosmetikstube ist übrigens auch tabu. Die ganzen Flascherl und Instrumente, die dort herumstehen und liegen, sind nichts für Kinderhände. Die Gefahr ist viel zu groß, dass was passiert.«

Obwohl die hübsche Gerti nur in Teilzeit als Kosmetikerin und Physiotherapeutin im Hotel arbeitete, war sie mit ihrer fröhlichen Art schnell ein fester Bestandteil des engsten Mitarbeiterkreises geworden.

Die Gedanken des Hotelchefs Andi Kastler waren inzwischen weitergewandert.

»Wenn alle Stricke reißen und das Wetter wirklich net mitspielt, könnten wir den Edelweiß-Saal in einen Stall verwandeln«, machte er einen Vorschlag. »Mit Strohballen und einem Verschlag für Plüschtiere.«

Seine Idee fand begeisterten Zuspruch.

»Oh ja!« Gerti klatschte in die Hände wie ein kleines Madel. »Die Ostereier könnten wir in Milchkannen und Melkeimern verstecken.«

»Und einen Jagerstand aufbauen zum Heuspringen«, meldete sich Lukas zu Wort. »An den Dachbalken hängen wir einen Baumstamm zum Schaukeln auf.«

Alle waren mit Feuereifer bei der Sache. Ein Wort gab das nächste, und Gertis Stift flog nur so über das Papier. Denn so unterschiedlich die Mitarbeiter des Hotels auch sein mochten, so verfolgten sie doch ein gemeinsames Ziel: Die Hotelgäste sollten einen unvergesslichen Urlaub erleben. Dass sich ihre Bemühungen auszahlten, bewies die stetig steigende Zahl an Stammgästen, die Andi und Hedi Kastler Jahr für Jahr im heimeligen Berghotel begrüßen durften. Umso größer wurde allerdings auch die Herausforderung, sich jedes Jahr neue Attraktionen einfallen zu lassen, zu denen natürlich auch die Dörfler herzlich eingeladen waren.

Schmunzelnd saß Hedi am Tisch und verfolgte die lebhafte Diskussion. Für den Spaß der Kinder war gesorgt, sodass sie sich auf die Planung für die Erwachsenen konzentrieren konnte.

Andi bemerkte die Schweigsamkeit seiner Frau.

»Woran denkst du, mein Spatzl?«, raunte er ihr zu und schielte in ihren großzügigen Ausschnitt.

Selbst nach so vielen gemeinsamen Jahren gefiel ihm seine Hedi noch wie am ersten Tag. Kein Wunder! In ihren feschen Dirndlkleidern, mit der drallen Figur und den blond gefärbten Haaren war sie eine Augenweide, die nicht nur Andi zu würdigen wusste.

»An etwas anderes als du auf jeden Fall«, schmunzelte Hedi und zwinkerte ihm zu. »Ich habe gerade überlegt, wie ich die Tische für das Osterfest schmücken soll. Der Franz hat schon Flieder, Bauernhortensien und Mispeln geschnitten und lässt sie vortreiben, damit sie auf dem Fest blühen. Aber mir fehlt noch das gewisse Etwas.«

»Mit den Sachen auf dem Dachboden könnten wir das ganze Dorf mit bemalten Ostereiern, Nestern und Stoffhasen versorgen.«

Hedi lachte auf. »So schlimm ist es gar net, weil ich meistens Deko aus Naturmaterialien verwende, die nach dem Fest auf dem Kompost landet. Und die Stofftiere habe ich längst an arme Kinder gespendet.« Sie seufzte und blickte hinab auf ihren Notizblock. »Deshalb brauche ich für dieses Jahr wieder eine ausgefallene Idee.«

»Keine Sorge, Spatzl. Ich bin sicher, dass dich deine Kreativität auch diesmal net im Stich lässt. Und ein bisserl Zeit ist ja noch bis zum Osterfest«, sagte Andi mit so inniger Stimme, dass Hedis Herz warm wurde vor Liebe zu diesem Mann, mit dem sie schon so viel erlebt hatte, seit sie vor vielen Jahren das Sporthotel »Am Sonnenhang« übernommen hatten.

»Hauptsache, du glaubst an mich. Dann kann eigentlich gar nichts schiefgehen«, versicherte sie liebevoll. »Und gleich morgen früh mache ich mich auf den Weg zum Bauernmarkt. Da werde ich bestimmt fündig.«

***

Annemie bemerkte erst, wie spät es geworden war, als die Sonne schräg durch die Sprossenfenster fiel und die Figuren beschien, die – zum Trocknen aufgereiht – nebeneinander auf einem Holzregal standen oder saßen. Besonders gut gefielen ihr diesmal die Kantenhocker mit ihren langen Ohren, die die Beine baumeln ließen. Aber auch die gefilzten Blumentöpfe in Form einer aufgebrochenen Eierschale oder die kunstvoll verzierten Osternester waren allerliebst und würden Groß und Klein begeistern, wie sie aus den Kommentaren in ihrem Online-Shop wusste.

Annemie betrachtete noch die Ausbeute des Tages, als Hannes beschloss, sein Atelier im Anbau zu verlassen. Die Silhouette seiner Frau schimmerte durch die wellige Glasscheibe. Augenblicklich schlug sein Herz schneller, als wären sie noch ein ganz junges Paar und nicht schon seit vierzehn Jahren zusammen.

Im Flur begegneten sie einander.

»Hallo, mein Schatz.« Er beugte sich zu ihr hinab, um ihr einen Kuss auf den Mund zu drücken. »Bist du fertig für heute?«

»Ich bin nie fertig, das weißt du doch.« Annemie legte ihre Hände auf die Hüfte ihres Mannes. Hannes' Herz hüpfte hoffnungsvoll. Statt sich aber an ihn zu schmiegen, schob sie ihn nur beiseite. Sie setzte sich auf die Garderobenbank und zog die Arbeitsschuhe aus, die sie in ihrer Werkstatt immer trug.

Doch so schnell wollte Hannes nicht aufgeben.

»Durch das Fenster habe ich deine neuen Figuren gesehen. Die Schafherde gefällt mir besonders gut.« Er setzte sich neben sie und rückte ein Stückerl näher. »Die würde sich gut in meinem Atelier machen«, schmeichelte er. »Vielleicht kann ich dich ja überreden, sie net zu verkaufen.«

»Zu spät.« Annemie stand auf und hängte die Strickjacke an einen der Haken, die oberhalb der Bank angebracht waren. »Ich hab sie schon ins Internet gestellt.«

Sie schenkte ihrem Mann ein abwesendes Lächeln, ehe sie sich abwandte und Richtung Küche davonging.

Keine Frage nach seinem Arbeitstag in der höheren Schule oder wenigstens nach seiner Malerei. Dabei war ihre gemeinsame Liebe zur Kunst einmal eine nie versiegende Quelle an Gesprächsstoff gewesen. Doch auch diese Zeiten schienen ein für alle Mal vorbei zu sein.

Nur mit Mühe konnte Hannes ein tiefes Seufzen unterdrücken. Jedes Mal, wenn er dachte, dass die Talsohle erreicht war und es von nun an bergauf ging, belehrte Annemie ihn eines Besseren. Daran hatte auch die romantische Trauung mit Pferdekutsche und Märchenhochzeitskleid nichts ändern können. Und auch der Umzug hatte ganz offensichtlich nicht den ersehnten Stimmungsumschwung gebracht. Noch immer stand seine Untreue zwischen ihnen wie ein unüberwindbares Tal.

Hannes wusste, dass Annemie auf Schritt und Tritt von den Gedanken an seine Affäre verfolgt wurde. Auch das war seine Schuld allein. Er hatte sich nicht mit einem einfachen Geständnis begnügt, sondern seiner Frau sein ganzes, übervolles Herz ausgeschüttet. Seither trug sie ständig eine Landkarte im Kopf mit Orten, an denen ihr ihre Konkurrentin begegnen konnte, wenn sie mit ihren Waren die Märkte der umliegenden Städte besuchte. Vor ihrem inneren Auge sah sie ihren Mann und seine Freundin hier in ein schummriges Café huschen oder dort Hand in Hand aus einem Hotel schlüpfen.

Hannes glaubte immer, dass Annemie es ihm eines Tages heimzahlen und sich ebenfalls auf eine Affäre einlassen würde. In der Zeit zwischen seiner Liebschaft und dem Umzug in die Zillertaler Alpen wartete er fast darauf, dass es passieren würde. Und auch jetzt zog sich sein Herz schmerzhaft zusammen, wenn er an die feschen Burschen im Dorf dachte, die seiner Frau schöne Augen machten, wann immer sie dort auftauchte. Kein Wunder! Sie war ja auch ein hübsches Madel und obendrein auch noch charmant und klug. Wie hatte er das nur vergessen können, als er sich mit Cynthia einließ?

»Kommst du auch in die Kuchl, oder willst du auf dem Flur Wurzeln schlagen?«

Annemies Stimme riss Hannes aus seinen Gedanken. Sie stand an der Küchentür und musterte ihn argwöhnisch. Ein Glück, dass er das Handy nicht in der Hand hielt. Jede noch so kleine Unbedachtheit schürte das mühsam in Schach gehaltene Misstrauen aufs Neue.

Während sie sich den Linseneintopf mit Butterbrot schmecken ließen, versuchte Hannes, ins Gespräch zu kommen.

»Wie läuft dein Internet-Geschäft?«

»Ganz gut.«

»Nur die Filzwaren oder auch Wolle und Stoffe?«