Das Berghotel 252 - Verena Kufsteiner - E-Book

Das Berghotel 252 E-Book

Verena Kufsteiner

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Beschreibung

Seit dem frühen Tod ihrer Mama hat Rosalie unter ihrer herrschsüchtigen Stiefmutter leiden müssen. Trost hat sie immer bei Alexander gefunden. Schon in ihrer Kindheit war er ihr bester Freund, und viele Jahre später wurde aus inniger Freundschaft die große Liebe. Bloß darf von dieser Liebe niemand etwas wissen. Alex ist der einzige Sohn und Erbe des reichen Lentner-Bauern. Wenn es nach dem Willen seines Vaters geht, soll er eine gute Partie machen, statt sich mit einem armen Madel wie Rosalie abzugeben.
Nur heimlich können sich die beiden Verliebten treffen. Trotzdem ist Rosalie glücklich. Die wenigen Stunden, die sie mit ihrem Freund verbringen kann, erfüllen ihr Herz auch in den Tagen dazwischen, und die Arbeit als Serviermadel im Berghotel macht ihr große Freude.
Doch dann passiert etwas, was alles verändert: Eine Gruppe Schauspieler kommt nach St. Christoph, und in Rosalie wird eine lange gehütete Sehnsucht wieder wach. Auf einmal erscheint es ihr unmöglich, länger in dem kleinen Bergdorf zu bleiben ...


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Inhalt

Cover

Geheime Sehnsucht

Vorschau

Impressum

Geheime Sehnsucht

Warum Rosalie in St. Christoph nicht mehr glücklich war

Von Verena Kufsteiner

Seit dem frühen Tod ihrer Mama hat Rosalie unter ihrer herrschsüchtigen Stiefmutter leiden müssen. Trost hat sie immer bei Alexander gefunden. Schon in ihrer Kindheit war er ihr bester Freund, und viele Jahre später wurde aus inniger Freundschaft die große Liebe. Bloß darf von dieser Liebe niemand etwas wissen. Alex ist der einzige Sohn und Erbe des reichen Lentner-Bauern. Wenn es nach dem Willen seines Vaters geht, soll er eine gute Partie machen, statt sich mit einem armen Madel wie Rosalie abzugeben.

Nur heimlich können sich die beiden Verliebten treffen. Trotzdem ist Rosalie glücklich. Die wenigen Stunden, die sie mit Alex ver‍bri‍n‍g‍en kann, erfüllen ihr Herz auch in den Tagen dazwischen, und die Arbeit als Serviermadel im Berghotel macht ihr stets große Freude.

Doch dann passiert etwas, was alles verändert: Eine Gruppe Schauspieler kommt nach St. Christoph, und in Rosalie wird eine lange gehütete Sehnsucht wieder wach. Auf einmal erscheint es ihr unmöglich, länger in dem kleinen Bergdorf zu bleiben ...

»Es tut mir wirklich sehr leid, aber wir sind bis auf das letzte Zimmer ausgebucht.« Trotz des herrlichen Wetters draußen sah die Hotelchefin Hedi Kastler mit düsterem Blick auf ihren Reservierungskalender. »Ich könnte nicht mal mehr ein Mauserl unterbringen.«

Die Bürotür stand halb offen. In der Hotellobby ging es zu wie in einem Taubenschlag, aus dem Restaurant war das Klappern von Besteck und Geschirr zu hören. Durch das gekippte Fenster wehte ein Lachen, Platschen und Kreischen vom Pool ins Büro hinein.

Hedi liebte dieses bunte Treiben. Ihr konnte es gar nicht hoch genug hergehen, und normalerweise zauberten diese Geräusche ein Lächeln auf ihre Lippen. Diesmal musste sie jedoch ein Seufzen unterdrücken. Sie verabschiedete sich von dem Anrufer und hatte kaum aufgelegt, als das Telefon schon wieder klingelte. Hedi stöhnte.

»Sporthotel am Sonnenhang«, meldete sie sich, um gleich darauf die nächste Reservierungsanfrage abzulehnen.

Nach vielen arbeitsreichen Jahren machten sich die Bemühungen der Hotel-Familie bezahlt, die sich aufopfernd und leidenschaftlich um das Wohl der zahlreichen Gäste kümmerte. Besonders die Zahl der Stammgäste wuchs von Jahr zu Jahr. Kein Wunder, bot das Hotel »Am Sonnenhang« doch alle Annehmlichkeiten, die sich Erholungssuchende wünschten.

Neben einer reichen Auswahl an Sportmöglichkeiten sorgten ein Pool, das Hallenbad im Souterrain und eine kleine Saunalandschaft für Entspannung. Gegen den Muskelkater half eine Massage, die die Kosmetikerin und Physiotherapeutin Gerti Wachter in ihrem Rosenstüberl anbot. Und wen das alles noch nicht richtig überzeugte, der verfiel dem Charme des Berghotels spätestens während einem von Hedis Festen, die sie zu jeder Gelegenheit im Berghotel feierte.

Ein ums andere Mal gelang es ihr mit ihren ausgefallenen Ideen, die Gäste in Stimmung zu bringen und ihnen unvergessliche Momente zu bescheren.

Angesichts dieses Erfolges hätte Hedi also der glücklichste Mensch der Welt sein können. Doch an diesem Vormittag stand ihr die Unzufriedenheit ins Gesicht geschrieben.

»Ich verstehe diesen Ansturm gar net«, seufzte sie, als sie zu Gerda Stahmer an den Tresen trat. Neben den üblichen Aufgaben kümmerte sich die Hausdame auch um den Empfang und ging ihrer Freundin und Chefin zur Hand, wo immer sie gebraucht wurde. »Wir haben keine besondere Attraktion geplant, und bis Erntedank gibt es auch kein Fest mehr zu feiern.«

»Es ist doch schön, wenn die Leute auch ohne Grund gerne zu uns kommen«, hielt Gerda dagegen und hakte zwei Namen auf der Liste der bereits angereisten Gäste ab.

»Natürlich. Aber jede Absage tut mir im Herzen weh. Um alle Besucher unterzubringen, die zu uns kommen wollen, bräuchten wir einen Anbau.«

Gerda lachte. »Es gibt bestimmt einen Haufen Hoteliers, die dir deine Sorgen liebend gerne abnehmen würden.«

»Du hast ja recht«, räumte Hedi ein und schenkte ihr ein schiefes Lächeln.

Andi Kastler kam heran. Er hatte gerade eine Besprechung mit einem Lieferanten gehabt, der dafür sorgte, dass die Putzmittel im Berghotel niemals ausgingen.

»Nanu, Spatzl, ist was passiert oder warum machst du so ein Gesicht?«, fragte er besorgt.

»Deine Frau überlegt gerade, ob sie in eurem Wohnhaus Gästezimmer einrichten soll«, scherzte Gerda Stahmer gut gelaunt, als das Telefon im Büro schon wieder klingelte.

Hedi verschwand in ihrem Reich. Während sie telefonierte, verriet Gerda ihrem Chef, wo der Hund begraben lag. Als Hedi kurz darauf zurückkehrte, wirkte sie verstört.

»Stellt euch vor, das war das Busunternehmen Reisacher. Herr Heinzl musste leider die Gruppenreise für übernächste Woche absagen. Da jammere ich herum, dass wir die Leute nicht mehr unterbringen können, und plötzlich haben wir wieder zehn Zimmer frei.«

»Das klingt so, als hättest du einen direkten Draht in den Himmel«, scherzte Gerda.

»Schon ein bisserl unheimlich«, gestand Hedi zerknirscht.

»Ach wo! Du bist einfach ein Glückskind.« Mit einer Geste wischte Andi sämtliche Bedenken weg. »Der Herrgott hat deine Gebete erhört, und du kannst wieder Reservierungen entgegennehmen.«

Hedi lächelte tapfer. Ganz überzeugt schien sie trotzdem nicht zu sein.

»Irgendwie hat mir die Idee mit den Gästezimmern in unserem Haus ganz gut gefallen«, sagte sie scherzhaft.

Andi legte den Kopf in den Nacken und lachte schallend.

»Dann hat sich der liebe Gott mit der Stornierung net um dich, sondern um mich gesorgt.« Er zog seine Frau an sich und strich ihr eine Strähne aus der Stirn, die sich aus dem blonden Zopf gelöst hatte. »Denn eines ist mir noch lieber als ein ausgebuchtes Haus, und das ist die Zweisamkeit mit meiner Traumfrau.«

Selbst nach so vielen gemeinsamen Jahren kam dieses Kompliment aus tiefstem Herzen und sorgte dafür, dass Hedi in seinen Armen dahinschmolz.

»Und da sag noch einer, Männer hätten keinen Sinn für Romantik«, seufzte sie und gab ihrem Anderl ein Busserl.

***

Auch wenn tagsüber noch nichts davon zu spüren war, neigte sich der Hochsommer langsam, aber sicher seinem Ende entgegen.

Über dem dunkelgrünen Wald schwangen sich mächtige Gipfel empor, die das Bergdorf St. Christoph umstanden wie steinerne Wächter. Vom Goldton der untergehenden Sonne gefärbte Wolken zogen über den Himmel, zerteilten sich an den Felskanten und zogen getrennt weiter wie Schafe, die es eilig hatten, der Kühle der einsetzenden Nacht zu entfliehen.

Immer länger wurden die Schatten der Berge und nahmen den Wiesen zu ihren Füßen das Leuchten. Auch das Dorf war schon halb davon verschlungen. Nur der goldene Hahn auf der Kirchturmspitze funkelte noch im Sonnenlicht. Und auch die Wiesen, die sich außerhalb des Dorfes emporzogen, badeten noch in den letzten Strahlen.

»Die Abrechnung ist fertig«, teilte Rosalie Kammerer ihrer Chefin mit und reichte ihr eine schwarze Geldmappe. »Ich habe sie auch schon abgespeichert. Wenn du sie kontrollieren willst ...«

»Nicht nötig«, erwiderte Hedi und lächelte warm. »Ich weiß, dass ich mich hundertprozentig auf dich verlassen kann.« Tatsächlich war sie so stolz auf die Tochter des Holzhändlers, als wäre sie ihr eigenes Kind.

Als Rosalie vor drei Jahren als Serviermadel im Berghotel angefangen hatte, war sie still und unscheinbar gewesen, ihre Talente versteckt unter einer großen Portion Unsicherheit. Doch wie das sprichwörtliche Entlein hatte sich die junge Frau in einen wunderschönen, stolzen Schwan verwandelt.

»Das hab ich nur dir und den lieben Menschen hier zu verdanken«, erwiderte Rosalie bescheiden, wann immer Hedi sie lobte. Und das tat sie oft und gerne.

»Das stimmt doch gar net. Wir haben nur aus dir herausgeholt, was schon immer da war.«

Diese wohltuenden Worte klangen Rosalie auch an diesem Abend in den Ohren, als sie auf dem Weg nach Hause war.

Kaum ein Laut war in der Stille zu hören. Nur der Bach rauschte sein immerwährendes Lied, und hin und wieder wehte das Läuten einer Kuhglocke zu Rosalie herüber.

Wie so oft nutzte sie den Heimweg, um sich davonzuträumen. Sie wanderte über die Wiesen Richtung Holzfällerhaus und ließ die Augen über ihre geliebte Heimat schweifen, bis sich ihr Blick im Nirgendwo verlor, an einen Ort, den nur sie selbst sehen konnte.

Dort war sie nicht die verhasste Stieftochter, sondern eine berühmte Schauspielerin. Je nach Laune verwandelte sich Rosalie in eine Superheldin oder eine Detektivin. Manchmal träumte sie sich auch in die Rolle einer einflussreichen Bankiersfrau und dann wieder in eine Umweltschützerin, die einen Skandal aufdeckte.

Mitten auf dem Feldweg blieb sie stehen, warf den Zopf in den Nacken und sah ihr unsichtbares Gegenüber mit blitzenden Augen an.

»Er hat Ihnen fünf Millionen zugesprochen. Das wird reichen für alles, was Sie brauchen. Und was Ihre Töchter brauchen. Und die Töchter Ihrer Töchter.«

Ein Lachen riss Rosalie aus ihren Träumen. Sie fuhr herum und funkelte den Lentner-Alex an.

»Du sollst mich net immer so erschrecken!«

»Was kann ich denn dafür, dass du so tief in deinem Traum steckst, dass du mich net hörst.« Alexander umfing seine Liebste und schwenkte sie durch die Luft. »Sei net so streng mit mir. Freu dich lieber, dass ich hier bin. Um ein Haar hätt ich net entwischen können. Der Viehhändler war so lange da, und der Vater wollte mich net gehen lassen.« Statt sie wie sonst zu küssen, stand Alex vor seiner Rosalie und sah ihr in die Augen.

»Warum schaust du mich denn so an?«, fragte sie, und ihr Herz klopfte so laut, dass sie fürchtete, er könnte es hören.

»Sogar am Abend ...«, antwortete er und stockte.

»Was ist am Abend?«

»Deine Augen. Sogar am Abend leuchten sie. Wie die Sterne droben am Himmel.«

Rosalie lachte an seinen Lippen. Es war ein glückliches Lachen, das in die kühle Abendluft hinauftanzte. Dabei hatte sie außer ihrer Liebe zu Alex nicht viel Grund zum Glücklichsein.

Schon als Kinder waren sie gemeinsam barfuß über die Wiesen gelaufen, um Äste für ein Lagerfeuer zu sammeln. Sie hatten Höhlen im Heu gebaut und Baumhäuser in den nahen Wäldern. Im Sommer hatten sie sich mit dem kalten Wasser aus dem Gebirgsbach bespritzt. Im Winter waren sie mit ihren Holzschlitten kreischend um die Wette den Abhang hinuntergesaust.

Und dann war plötzlich alles anders geworden. Nie würde Rosalie den Augenblick vergessen, als Alex nach einer Schlacht im Heu lachend und keuchend und mit geröteten Wangen neben ihr gelegen hatte. Nach und nach war ihnen beiden das Lachen vergangen, als er sich über sie gebeugt und ihr den ersten Kuss ihres Lebens gegeben hatte.

Das war jetzt sieben Jahre her, und außer Alex und Rosalie selbst wusste noch immer niemand von dem Versprechen, das sie einander gegeben hatten.

Die Kirchturmuhr schlug sieben Mal. Rosalie zuckte zusammen. Mit einem letzten Busserl löste sie sich aus Alexanders Armen.

»Ich muss los, sonst schimpft die Mutter wieder. Bis morgen. Aber dann wieder droben am Wald.«

Alex blieb alleine zurück und sah seinem Madel nach, bis sich die anmutige Gestalt in den Schatten auflöste und nichts mehr zu hören war als ihre flüchtigen Schritte.

Bald, bald würde er seinem Vater die Wahrheit sagen und beim Kammerer-Jockel um die Hand seiner Tochter anhalten. Schließlich lebten sie nicht mehr im neunzehnten Jahrhundert, sondern in modernen Zeiten, in denen Standesdünkel längst der Vergangenheit angehören sollten.

***

»Einmal Tiroler Gröstl mit Spiegelei als Hauptgericht und dreimal Forellenmousse auf Blattsalat als Vorspeise.«

In der Küche des Berghotels zischte und brodelte es. Besteck klapperte, und der Kochlehrling Stefan Weininger musste die Stimme heben, um sich Gehör zu verschaffen.

»Es kommen neu: Tisch acht, zwei Appetizer«, las er von dem Bon ab, den das Serviermadel am Tresen abgegeben hatte. »Außerdem brauchen wir einmal Gamsmedaillons mit Steinpilzsoße und zwei Hirschragouts mit Rotweinblaukraut und sautierten Kartoffeln.« Seine Stimme übertönte die Geräuschkulisse.

Der Chefkoch Leo Hofbacher eilte zum Kühlraum und öffnete die Tür. Kalte Luft schlug ihm entgegen. Für einen kurzen Moment schloss er die Augen und genoss die willkommene Erfrischung.

Besonders im Sommer war das Berghotel ein Publikumsmagnet. Die Gäste reisten in Scharen an, um mit dem Sporttrainer Lukas Einrieder in der herrlichen Natur zu wandern, Tennis zu spielen oder sich anderweitig körperlich zu betätigen. Anschließend wollten sie nach Herzenslust schlemmen. Welcher Ort hätte dafür besser sein können als das Restaurant des Berghotels?

Der Hofbacher-Leo und seine Kollegin Rosi Stadler kochten auf unvergleichlich schmackhafte Weise alles, was die Herzen ihrer Gäste begehrten. Inzwischen hatte es sich herumgesprochen, dass es sich im Sporthotel »Am Sonnenhang« trefflich speisen ließ. Vom bodenständigen Gericht bis zur französischen Spezialität gab es nichts, was die beiden Köche und ihre Mitstreiter nicht auf den Tisch brachten.

Während Leos Leidenschaft den deftigen Gerichten galt, bevorzugte Rosi die süßen Köstlichkeiten, wie der köstliche Duft nach Zitrone und Zucker bewies, der ihm in die Nase stieg. Schlagartig lief ihm das Wasser im Mund zusammen. Er öffnete die Augen und starrt auf die goldgelbe Tarte au citron, die vor seiner Nase schwebte.

»Die schaut ja köstlich aus.«

»Gell?«, triumphierte Rosi, und die Grübchen auf ihren runden Wangen tanzten. »Ich heb dir sogar ein Stückerl davon auf. Aber nur, wenn du net länger herumtrödelst und endlich die Gams-Medaillons machst.«

»Ich trödel net«, verteidigte sich Leo energisch. »Ich hab nur nach einem besonders schönen Stückerl Fleisch Ausschau gehalten.«

»Ach ja?« Mit hochgezogener Augenbraue betrachtete die Rosi das letzte Stück Filet, das an einem Haken von der Decke hing. »Bei so viel Auswahl würd mir die Entscheidung auch schwerfallen.«

Leo war so verdutzt, dass er den Seitenhieb gar nicht bemerkte.

»Was denn? Wir haben doch erst gestern drei Gamsen bekommen. Sind die schon wieder weg?«

»Hab ich dir net gesagt, dass das zu wenig ist?«, hielt Rosi dagegen. »Auch vom Hirsch ist nimmer viel da.«

»Ich wollt ja mehr kaufen, du Schlaumeier. Aber der Huppertz-Toni hat kein Wildfleisch mehr gehabt.«

»Dann müssen wir es von der Karte nehmen und obendrein mit der Hedi reden, falls die Gäste sich beschweren.« Rosi seufzte. »Da wird sie net erfreut sein.«

Leos Aufmerksamkeit kehrte zu der Tarte zurück, die Rosi noch immer in Händen hielt.

»Für ein Stückerl von der Tarte sag ich der Hedi selbst, wie es ist.«

Rosi lachte. Gelegentlich flogen zwischen ihr und dem Chefkoch die Fetzen, doch im Grunde genommen waren sie ein Herz und eine Seele.

»Einverstanden, du Schlawiner«, stimmte sie zu und stellte ein extra großes Stück beiseite.

***

Von einer Ausgelassenheit, wie sie im Berghotel herrschte, konnte Rosalie zu Hause nur träumen. Das wurde ihr wieder einmal schmerzlich bewusst, als am Waldrand das Haus ihres Vaters in Sicht kam.

Freundlich blinkte das Licht hinter den Fensterscheiben. Jeden Abend war das so, und obwohl es so schön aussah, zog es Rosalie jedes Mal das Herz zusammen, denn auf sie wartete noch eine Menge Arbeit.

Das Licht der Bogenlampe leitete sie über den Gartenweg Richtung Haustür. Es war ein hübsches altes Jägerhaus, das Jockel eigenhändig renoviert hatte. Sogar die grünen Fensterläden hatte er selbst angefertigt. Über der Tür war ein Schild angebracht.

Holzhandel Jockel Kammerer, stand dort in altdeutscher Schrift geschrieben. Das war im Grunde falsch. Eigentlich hätte es Holzhandel Magda Kammerer heißen müssen, denn Rosalies Vater hatte nicht mehr viel zu sagen, seit er seine zweite Frau ins Haus geholt hatte.

Jockel sorgte nur noch für die Holzbeschaffung. Um die Weitervermarktung, den Zahlungsverkehr und die Buchhaltung kümmerte sich Magda. Sie hatte es auch verstanden, sich alle Rechte einzuverleiben. Obendrein trug sie sich mit dem Gedanken, dass ihr Sohn – der zwölfjährige Sebastian – das Geschäft mitsamt dem Haus einmal erben sollte.

Es war genauso wie im Märchen – nur eben nicht der schöne Teil –, und wenn es nicht so traurig gewesen wäre, hätte Rosalie laut über diese Ironie des Schicksals gelacht.

Sie wollte gerade nach oben huschen, als ihre Stiefmutter ihr schon im Flur entgegenkam.