Das Berghotel 301 - Verena Kufsteiner - E-Book

Das Berghotel 301 E-Book

Verena Kufsteiner

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Beschreibung

Es geht Schlag auf Schlag im Berghotel: Erst steigt ein Filmteam ab, um eine Dokumentation über das Leben eines berühmten Bergsteigers zu drehen, dann erscheint ein Schlagerstar, der seine besten Tage trotz seiner noch jungen vierunddreißig Jahre bereits hinter sich zu haben scheint, samt Agent und zu guter Letzt noch eine Skirennläuferin Mitte zwanzig, die mit ihrem Manager nach einem traumatischen Erlebnis nur noch Erholung sucht und wohl vor dem Interesse der Öffentlichkeit flieht. So weit der Schein - doch Hedi Kastler wäre keine lebenserfahrene Hotelchefin, wenn ihr nicht gleich ein wenig unwohl bei so vielen Zufällen wäre. Als sich dann auch noch Schlagerstar und Sportlerin bei "zufällig" laufender Kamera "zufällig" begegnen und mit ihrer "Liebesgeschichte" wenig später die Klatschpresse füllen, ist es für Hedi sonnenklar: Hier wird ein Schmierentheater aufgeführt, um die Kassen der Beteiligten zu füllen und sie wieder interessant zu machen. Doch ganz so einfach ist es dann doch wieder nicht, und Hedi muss schon bald ihrem Erfahrungsschatz noch einige neue Erkenntnisse hinzufügen ...


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Inhalt

Cover

Schenk mir heut Nacht dein ganzes Herz

Vorschau

Impressum

Schenk mir heut Nacht dein ganzes Herz

Knisternde Liebesgeschichte aus dem Berghotel

Von Verena Kufsteiner

Es geht Schlag auf Schlag im Berghotel: Erst steigt ein Filmteam ab, um eine Dokumentation über das Leben eines berühmten Bergsteigers zu drehen, dann erscheint ein Schlagerstar, der seine besten Tage trotz seiner noch jungen vierunddreißig Jahre bereits hinter sich zu haben scheint, samt Agent und zu guter Letzt noch eine Skirennläuferin Mitte zwanzig, die mit ihrem Manager nach einem traumatischen Erlebnis nur noch Erholung sucht und wohl vor dem Interesse der Öffentlichkeit flieht. So weit der Schein – doch Hedi Kastler wäre keine lebenserfahrene Hotelchefin, wenn ihr nicht gleich ein wenig unwohl bei so vielen Zufällen wäre. Als sich dann auch noch Schlagerstar und Sportlerin bei »zufällig« laufender Kamera »zufällig« begegnen und mit ihrer »Liebesgeschichte« wenig später die Klatschpresse füllen, ist es für Hedi sonnenklar: Hier wird ein Schmierentheater aufgeführt, um die Kassen der Beteiligten zu füllen und sie wieder interessant zu machen. Doch ganz so einfach ist es dann doch wieder nicht, und Hedi muss schon bald ihrem Erfahrungsschatz noch einige neue Erkenntnisse hinzufügen ...

»Als nächste Skiläuferin geht nun Österreichs größte Medaillenhoffnung ins Rennen um den Weltmeistertitel im Super-G: die fünfundzwanzigjährige Lisa Steininger aus dem Großarltal. Drücken wir der sympathischen Rennläuferin die Daumen! Jetzt stößt sich Lisa auch schon kraftvoll ab und geht sofort in eine tiefe Hocke. Man sieht der jungen Salzburgerin an, dass sie es heute unbedingt wissen will. Ein zweiter Platz kommt für diese Siegläuferin nämlich gar nicht infrage. Für eine Vollblutathletin wie Lisa gibt es nur eine Farbe: Gold! Jetzt kommt Lisa zum Mausgrabensprung, da hat es zuvor ja leider schon einige Stürze gegeben – und auch Lisa Steininger kommt kurz ins Straucheln – Obacht, Lisa! Aber was für ein Husarenritt! Mit akrobatischer Geschicklichkeit rettet sich die Athletin und nimmt weiter Fahrt auf! Ja, so kennen wir unsere Lisa, die mutig immer bis ans Äußerste geht! Die Zuseher am Pistenrand, ganz gleich welcher Nationalität, jubeln ihr zu, die ganze Welt ist begeistert. Nun kommt Lisa Steininger zur Zwischenzeit – eins zweiundvierzig, eins dreiundvierzig – ja! Lisa ist auch hier klar voran. Auf geht's jetzt in den anspruchsvollen Kurventeil, aber da machen wir uns keine Sorgen, unsere Lisa ist ja eine der technisch besten Fahrerinnen im gesamten Skizirkus. Wagemutig stürzt sie sich in den Steilhang, rast kompromisslos über die Eisplatten und wirft sich in die lang gezogene Kurve vor dem Zielhang. Nun noch einmal alles geben, und da ist sie auch schon durch – Bestzeit!« –

Der Platzsprecher im Südtiroler Alta Badia jubelte so laut, dass sich seine Stimme überschlug. Die ganze Ski-Arena tobte. Lisa Steininger hatte wieder einmal eine unbezwingbare Bestzeit vorgelegt.

»Jetzt heißt es warten, liebe Zuseherinnen und Zuseher. Noch steht Lisas einzige ernst zu nehmende Konkurrentin im Starthaus. Babsi Höferer kommt nicht nur aus dem eigenen Lager, sondern ist auch Lisas beste Freundin. Und wenn es eine Skirennläuferin gibt, die Lisas Bestzeit noch gefährden kann, dann ist es Babsi. Und nun macht sich die vierundzwanzigjährige Oberösterreicherin auch schon bereit. Ihr Verlobter und Physiotherapeut Sven Larsson ruft ihr noch aufmunternde Worte zu, dann geht es los. Start! Gebannt schaut die Führende, Lisa Steininger, im Zielraum auf den Bildschirm. Nun kommt Babsi zu der gefährlichsten Stelle des Hangs, zum berüchtigten Mausgrabensprung. Wie schon zuvor Lisa Steininger, wirft sie sich mit vollem Einsatz nach vorn – und – um Gottes willen! Was für ein schrecklicher Sturz! Erst nach mehreren Überschlägen bleibt Babsi Höferer im Fangnetz liegen. Los, Babsi, zeig uns, dass es dir gut geht! – - Anscheinend hat die Athletin das Bewusstsein verloren, sie bewegt sich nicht. Und ihr Bein – oh je, was für ein erschreckender Anblick: Der rechte Fuß ist völlig verdreht, offenbar hat sich die Skibindung nicht rechtzeitig gelöst. Meine Damen und Herren, das wird sicherlich eine längere Unterbrechung geben. Ich verbinde ins Studio.«

Schon in dem Augenblick, als ihre Freundin und Konkurrentin Babsi Höferer etwas zu hoch in den Mausgrabensprung eingefahren war, hatte Lisa Steininger ihre Augen geschlossen. War es ein Reflex – oder eine Ahnung? Denn noch bevor die Menschenmenge entsetzt aufschrie, wusste Lisa Steininger schon, dass Babsi schwer stürzen würde.

In den folgenden Minuten, die ihr vorkamen wie Stunden, fühlte Lisa die auf sie gerichteten Kameras wie eisige Pfeile auf ihrem Gesicht. Während über der Rennstrecke der Hubschrauber abhob, um Babsi ins Krankenhaus zu transportieren, wandte sich Lisa ab und verließ mit gesenktem Kopf den Zielraum. Es war ihr, als wäre in ihr etwas zerbrochen.

Die Siegerehrung fand erst mit Verspätung statt. Wie ferngesteuert nahm Lisa ihre Goldmedaille entgegen, und sie verspürte nur wenige Momente der Rührung, als das Orchester für sie die österreichische Bundeshymne spielte. Davor und danach war sie völlig leer und nickte den anwesenden Würdenträgern mechanisch zu.

Mit monotoner Stimme sagte sie ein ums andere Mal dieselben Worte in die vorgehaltenen Mikrofone: »Danke. Ja, es freut mich sehr. Es war ein lang gehegter Wunsch. Danke.« Wurde sie auf Babsis Sturz angesprochen, verzog sie nur das Gesicht und erklärte: »Es ist schrecklich. Leider wissen wir noch nichts Genaues, aber wir hoffen alle, dass Babsi bald wieder auf Skiern stehen wird. Ich wünsche ihr das Allerbeste.«

Es war praktisch, als sie diese wenigen Sätze erst einmal auswendig wusste. Dann konnte sie an etwas anderes denken, während sie sprach.

Nach der Siegerehrung und den von den Sponsoren eingeforderten Interviews, in denen Lisa und ihre Kolleginnen brav ihre auf die Anoraks genähten Werbesprüche vorführten, leerte sich das Fernsehstudio allmählich. Die Kameramänner packten ihr Equipment zusammen, die Assistentinnen und Assistenten rollten Kabel zusammen, die Visagistinnen verstauten Puderquasten und Make-up-Tuben in ihren Köfferchen, und der Sportmoderator telefonierte mit seiner Freundin.

Keiner sah mehr zu Lisa herüber. Aber das war ihr nur recht. Sie schaute sich nach ihrem Manager um.

Charly Wagner war in der Betreuung von Spitzensportlern ein alter Fuchs. Ob Tenniscrack oder Fußballstar – er schaffte es immer, die besten Werbeverträge für seine Schützlinge auszuhandeln. Nebenbei verstand er sich darauf, die empfindsamen Sportlerpersönlichkeiten zu hätscheln. In Lisas Fall war das nie wirklich notwendig gewesen, sie war ein resches Bauerndirndl, das frei von Allüren war.

»Wenn ich da an unser Tennisgenie denke, ...«, sinnierte Charly mitunter lachend, »... dann würde ich mir wünschen, der Junge hätte ein wenig von deiner Robustheit!«

Lisa brauchte nicht lange zu suchen. Charly war wie immer gleich hinter ihr.

»Fahren wir?«, fragte er. »In der Bergkristall-Bar sind die Sektflaschen schon eingekühlt. Alle wollen mit dir auf deinen Erfolg anstoßen!«

Lisa zögerte. »Ich bin müde und hab' keine Lust aufs Feiern«, erwiderte sie leise.

Charly hob seine Schultern. Ihm war anzusehen, dass er sich schon darauf gefreut hatte, den einen oder anderen Humpen Bier auf Lisas Wohl zu leeren.

»Magst du ins Zimmer?«, wollte er wissen.

Wieder schüttelte Lisa den Kopf.

»Nein, ich will nicht ins Hotel. Ich will ins Krankenhaus. Zu Babsi.«

»Das machen wir morgen. Babsi wird noch operiert«, berichtete Charly.

In gewohnter Manier schob er dabei Lisa vor sich her zum Wagen. Für ihn war mit dieser Aussage alles geklärt. Immerhin war er der Manager, der bestimmte, wo es lang ging, und dass Lisa ihm widersprach, kam so gut wie nie vor.

Lisa blieb jedoch stehen.

»Nein, Charly«, sagte sie mit fester Stimme, und sie wusste, dass ihr Manager sie von nun an nicht mehr als »unproblematisch« bezeichnen würde. Egal. »Nein«, wiederholte sie. »Wenn du mich nicht fährst, nehme ich ein Taxi. Ich will ins Spital.«

Charly Wagner seufzte demonstrativ und sehr laut. Aber er wusste aus Erfahrung mit seinen anderen Schützlingen, wann es sinnvoll war, nachzugeben.

»Gut, gut«, murmelte er und zwirbelte die weißen Spitzen seines Schnurrbarts. »Dann fahre ich dich eben ins Krankenhaus.«

Abschließend gähnte er ausführlich, damit Lisa wenigstens ein schlechtes Gewissen hatte, weil sie ihn so herumkommandierte, wenn sie schon nicht gehorchte. In seinen Augen hatte sein unkompliziertes Landmädel soeben dasselbe Niveau an Zickigkeit erreicht wie die männliche Tennisdiva.

***

Babsis Atem ging gleichmäßig, das war gut. Allerdings hörte er sich an wie das Flattern eines kleinen Vogels. Noch lag Lisas beste Freundin in tiefer Bewusstlosigkeit. Noch wusste sie nicht, dass sie nie wieder an einem Skirennen teilnehmen würde.

In einer mehrstündigen Operation war es den Ärzten gelungen, Babsis Leben zu retten – aber sie hatten das rechte Bein unterhalb des Knies amputieren müssen. Das Auffangnetz, in das sich Babsi bei ihrem schweren Sturz verheddert hatte, hatte die Arterie oberhalb des Knöchels durchtrennt. Um ein Haar wäre Babsi auf dem Hang verblutet.

Sven Larsson saß neben Lisa an Babsis Krankenbett und knetete verzweifelt seine Hände. Der gebürtige Schwede war vor drei Jahren als Physiotherapeut für das österreichische Frauen-Skiteam engagiert worden, und keine zwei Wochen später hatte Lisa gewusst, dass ihre Freundin Babsi ihr Herz an den großen Mann mit der blonden Haarmähne verloren hatte. Es hatte keine weiteren zwei Wochen gebraucht, da hatten die beiden ihre Verlobung bekannt gegeben.

Sven hatte der quirligen Oberösterreicherin gutgetan. Babsi neigte dazu, allzu viel zu grübeln, wenn es mal nicht so gut lief. Während Lisa im Wettkampf ihren Kopf ausschaltete und sich einfach todesmutig in den Hang warf, saß Babsi nach einem Rennen stundenlang vor dem Fernseher und studierte die Videoaufnahmen ihrer Fahrt. Dank Sven hatten sich diese Selbstzweifel verflüchtigt, und Babsi war im Begriff, eine Siegläuferin zu werden. Falsch: Sie war das alles gewesen. Denn nun musste sie wohl einen anderen Kampf ausfechten, einen Kampf, der viel härter war als jedes Rennen.

Lisa legte ihre Hand auf Svens Arm. Der junge Schwede hob kurz den Kopf und rang sich ein Lächeln ab.

»Gratuliere«, sagte er leise und deutete dabei auf die Medaille, die Lisa immer noch um den Hals trug.

»Danke«, antwortete Lisa so mechanisch, wie sie das schon den ganzen Abend lang gemacht hatte. »Wie geht es dir?«

Sven zuckte ratlos mit den Schultern. Eine Träne bahnte sich ihren Weg über seine Wange und sickerte dann in den dunkelblonden Vollbart. Lisa drückte seine Hand, dann lehnte sie sich vor, um ihre Freundin zu betrachten. Diese Momente kamen ihr vor wie die Ruhe vor einem Sturm. Wie würde Babsi reagieren, wenn sie die Wahrheit erfuhr?

Es dauerte lange, bis sich Babsi endlich regte. Zwischendurch stand Lisa auf und ging nach draußen, wo ihr Manager Charly auf einem Plastiksessel lehnte und leise schnarchte. Sie rüttelte ihn an der Schulter.

»Du brauchst nicht auf mich zu warten, Charly«, murmelte sie leise. »Ich werde noch länger hierbleiben. Babsi ist noch nicht aufgewacht, und ich will bei ihr sein, wenn sie die Wahrheit erfährt.«

Charly Wagner schüttelte unwirsch den Kopf.

»Das bringt doch nichts, Lisa«, brummte er schlaftrunken. »Du kannst dem armen Mädel ja sowieso net helfen. Und ihr Verlobter ist eh bei ihr. Lass uns ins Hotel zurückkehren, morgen steht dir ein anstrengender Tag bevor. Du hast viele Termine.«

»Kann man die nicht absagen?«, flehte Lisa ihn geradezu an.

»Kommt nicht infrage. Du darfst nicht vergessen, was du deinen Sponsoren schuldig bist. Vor allem die große Sportversicherung erwartet nach all der finanziellen Unterstützung, die sie dir gegeben hat, dass du morgen ordentlich die Werbetrommel rührst. Das ist eben auch ein Teil deines Jobs. Und glaub mir: Du kannst es dir nicht leisten, dich davor zu drücken.«

Lisa verzog das Gesicht. Sie wusste ja, was sie der Sportversicherung verdankte – aber vieles von dem »Luxus«, der ihr geboten wurde, hätte sie von sich aus nie verlangt. Sie brauchte kein großes Auto mit Vierradantrieb, sie musste auch nicht erster Klasse fliegen, und sie brauchte weder einen Pelzmantel noch eine persönliche Schminkberaterin.

»Ich werde morgen da sein«, versprach sie ihrem Manager. »Aber ich werde auch heute da sein, wo ich gebraucht werde. Wenn du hierbleiben willst, ist das okay, aber das musst du nicht. Ich kann später mit dem Taxi ins Hotel zurückfahren.«

Charly blinzelte, dann streckte er seine Beine so lang aus, dass sie den Krankenhausgang blockierten.

»Ich bleibe, wo du bist«, sagte er schlicht und schnarchte augenblicklich weiter.

***

Am nächsten Tag hatte nicht nur Charly Wagner einen steifen Nacken. Auch Lisa, die an seiner Seite zur Pressekonferenz mit anschließendem Sponsorentreffen schritt, sah übernächtigt aus. Ihre Augen wurden von dunklen Ringen überschattet, die nicht nur der schlaflosen Nacht geschuldet waren. Viel schlimmer war Babsis Reaktion gewesen, als sie das Unvermeidliche erfahren hatte.

Nach einem schrecklichen Entsetzensschrei hatte sich die Freundin abgewandt, tränenlos und ohne Worte. Es war Lisa so vorgekommen, als hätte sich Babsi einfach ausgeklinkt, weil sie mit dieser Welt nichts mehr zu tun haben wollte. Erschüttert hatte die neue Weltmeisterin im Super-G gespürt, wie Sven neben ihr erstarrte, und sie hatte in diesem Moment mehr Mitleid für ihn als für die Freundin empfunden. Ganz allein saß er auf der Bettkante wie ein verwaistes Kind.

Das Schlimmste aber konnte Lisa gar nicht aussprechen, und sie wagte kaum, darüber nachzudenken: Zum ersten Mal in ihrem ganzen Leben verspürte sie Angst. Seit sie als kleines Kind mit winzigen Skiern hinter ihrem Vater her über den verschneiten Dorfanger gerutscht war, hatte sie immer nur Spaß und Freude am Skifahren gehabt. Nun erweckten die Vorstellung an einen eisigen Steilhang, der Gedanke an den peitschenden Fahrtwind, die Idee von in wildem Tempo ratternden Skiern in ihr Übelkeit.

Was hatte das zu bedeuten?

Zögerlich ging Lisa neben ihrem Manager her über den Flur, der sie zu jenem Podium führte, auf dem sie Platz nehmen sollte. Sie war geübt darin, Pressekonferenzen abzuhalten, es war ein nicht besonders spannender, aber notwendiger Teil ihres Berufes. Das Beantworten der immer gleichen Fragen war ähnlich wie das Stemmen von Hanteln in der Kraftkammer: Es musste halt einfach sein.

Heute war es aber anders. Je näher das Stimmengemurmel der sie erwartenden Reporter kam, umso mulmiger fühlte es sich an. Zaghaft nahm Lisa, von Charly sachte gestupst, am Kopfende des großen Saals Platz. Ihr Manager zupfte schnell noch an ihrer Jacke herum, damit auch alle Werbeschildchen gut platziert waren. Er drückte ihr eine mit Wasser gefüllte Dose mit der Aufschrift eines Energy-Drinks in die Hand und nötigte sie mit den Augen, sofort einen Schluck zu nehmen. Ein weiterer Blick, und Lisa nestelte an ihrem Kragen, so lange, bis alle Blicke den Schriftzug der Versicherung erfassten. Sie verrichtete all diese Bewegungen automatisch, aber die Blitzlichter und das Surren der Kameras kamen ihr dabei vor wie Insekten, die sie am liebsten verscheucht hätte. Sie schloss für einen Moment die Augen.

»Wie geht es Ihrer Freundin Babsi Höferer?«, rief da schon einer der Männer.

Lisa kannte ihn, er arbeitete für einen jugendlichen Radiosender.

Bevor Lisa antworten konnte, sprach Charly Wagner mit ruhiger Stimme: »Sie werden noch früh genug erfahren, wie es Lisas Kollegin geht – sobald Babsis Ärzte Näheres bekannt geben und vor allem Babsi selbst bereit ist, darüber zu sprechen. Bitte bleiben Sie mit Ihren Fragen bei unserer Weltmeisterin!«

Er hatte das alles streng und unmissverständlich gesagt, nur am Schluss lächelte er freundlich, als wolle er seinen Worten die Schärfe nehmen.

»Lisa, wie fühlen Sie sich?«, fragte nun eine andere Stimme.