4,99 €
"Ein Meisterwerk! Ich konnte es nicht aus der Hand legen und war bis zum Schluss im Ungewissen über die Identität des Mörders!"– Leserkommentar zu "Mord und nichts anderes"⭐⭐⭐⭐⭐ In einem luxuriösen Penthouse an der Upper East Side widmet sich Aria Brandt akribisch der Restaurierung eines Meisterwerks aus den Goldenen Zwanzigern – nur um sich plötzlich in einen Skandal der Moderne verstrickt zu finden. Ihr neuester Auftrag führt sie mitten in polizeiliche Ermittlungen, als der Ehepartner ihres Auftraggebers, dem Untreue vorgeworfen wird, wie vom Erdboden verschluckt scheint. Je tiefer Aria in die Angelegenheit eintaucht, desto unheimlichere Parallelen entdeckt sie zwischen der dekadenten Vergangenheit und der gefährlichen Gegenwart, die ihren Verstand auf eine harte Probe stellen. Sie muss sich fragen: Ist das alles nur Zufall? Oder wiederholt sich die Geschichte – und kann sie den Betrug aufdecken, bevor sie selbst spurlos verschwindet? DER GEHEIMNISVOLLE GAST ist der vierte Band einer packenden Psychothriller-Reihe der Bestsellerautorin Rylie Dark, deren Werke bereits über 2.000 Fünf-Sterne-Bewertungen erhalten haben. Weitere Bände der Reihe sind in Vorbereitung! "Dieser Thriller hat mich in seinen Bann gezogen! Ich habe ihn in einem Rutsch verschlungen. Voller überraschender Wendungen, und ich lag bis zum Schluss falsch mit meinen Vermutungen ... Ich habe den zweiten Band schon vorbestellt!"– Leserrezension zu "Mord und nichts anderes"⭐⭐⭐⭐⭐ "Der Auftakt dieses Buches ist atemberaubend ... Eine fesselnde Lektüre, ich kann den nächsten Band kaum erwarten!"– Leserrezension zu "Sieh sie rennen"⭐⭐⭐⭐⭐ "Ein fantastisches Buch! Ich konnte es kaum aus der Hand legen. Ich bin schon ganz gespannt, wie es weitergeht!"– Leserrezension zu "Sieh sie rennen"⭐⭐⭐⭐⭐ "Überraschende Wendungen am laufenden Band. Ich kann es kaum abwarten, den nächsten Teil zu lesen!"– Leserrezension zu "Sieh sie rennen"⭐⭐⭐⭐⭐ "Ein Muss für alle Fans von actiongeladenen Geschichten mit durchdachter Handlung!"– Leserrezension zu "Sieh sie rennen"⭐⭐⭐⭐⭐ "Diese Autorin begeistert mich, und diese Reihe startet mit einem Knalleffekt. Man bleibt bis zur letzten Seite dran und will mehr."– Leserrezension zu "Sieh sie rennen"⭐⭐⭐⭐⭐ "Ich finde kaum Worte, um diese Autorin zu beschreiben! Wie wäre es mit 'außergewöhnlich'? Diese Autorin wird noch von sich reden machen!"– Leserrezension zu "Mord und nichts anderes"⭐⭐⭐⭐⭐ "Dieses Buch hat mich wirklich begeistert ... Die Charaktere waren lebendig und die Wendungen grandios. Man liest bis zum Ende und will mehr."– Leserrezension zu "Kein Ausweg"⭐⭐⭐⭐⭐ "Diese Autorin kann ich nur wärmstens empfehlen. Ihre Bücher machen süchtig."– Leserrezension zu "Kein Ausweg"⭐⭐⭐⭐⭐
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 297
Veröffentlichungsjahr: 2025
DER GEHEIMNISVOLLE GAST
EIN ARIA BRANDT PSYCHOTHRILLER – BAND VIER
Rylie Dark
Die Bestsellerautorin Rylie Dark ist Autorin der sechs Bücher umfassenden SADIE PRICE FBI SUSPENSE THRILLER-Reihe; der sechs Bücher umfassenden CARLY SEE FBI SUSPENSE THRILLER-Reihe; der sechs Bücher umfassenden MIA NORTH FBI SUSPENSE THRILLER-Reihe; der fünf Bücher umfassenden MORGAN STARK FBI SUSPENSE THRILLER-Reihe; der HAILEY ROCK FBI SUSPENSE THRILLER Reihe, bestehend aus acht Büchern; der TARA STRONG MYSTERY Reihe, bestehend aus sechs Büchern; der ALEX QUINN FBI SUSPENSE THRILLER Reihe, bestehend aus fünf Büchern; der MAEVE SHARP FBI SUSPENSE THRILLER, bestehend aus fünf Büchern; der KELLY CRUZ FBI SUSPENSE THRILLER, bestehend aus fünf Büchern; der JESSIE REACH FBI SUSPENSE THRILLER, bestehend aus sieben Büchern (Tendenz steigend); der BECCA THORN FBI SUSPENSE THRILLER, bestehend aus fünf Büchern (Tendenz steigend); der CASEY FAITH SUSPENSE THRILLER, bestehend aus fünf Büchern (Tendenz steigend); der ARIA BRANDT SUSPENSE THRILLER mit fünf Büchern (und mehr); der HAYDEN SMART SUSPENSE THRILLER mit fünf Büchern (und mehr); und des neuen SLOANE RIDDLE SUSPENSE THRILLER mit fünf Büchern (und mehr).
Als begeisterte Leserin und lebenslange Liebhaberin des Krimi- und Thriller-Genres freut sich Rylie auf Ihre Nachricht. Besuchen Sie www.ryliedark.com, um mehr zu erfahren und in Kontakt zu bleiben.
KAPITEL EINS
KAPITEL ZWEI
KAPITEL DREI
KAPITEL VIER
KAPITEL FÜNF
KAPITEL SECHS
KAPITEL SIEBEN
KAPITEL ACHT
KAPITEL NEUN
KAPITEL ZEHN
KAPITEL ELF
KAPITEL ZWÖLF
KAPITEL DREIZEHN
KAPITEL VIERZEHN
KAPITEL FÜNFZEHN
KAPITEL SECHZEHN
KAPITEL SIEBZEHN
KAPITEL ACHTZEHN
KAPITEL NEUNZEHN
KAPITEL ZWANZIG
KAPITEL EINUNDZWANZIG
KAPITEL ZWEIUNDZWANZIG
"Jetzt oder nie, Aria", murmle ich vor mich hin. "Wenigstens bin ich diesmal nicht zu spät."
Die Straße liegt im Dunkeln, welke Blätter tanzen über den Asphalt – geisterhafte Überbleibsel des Herbstes, die mich zu verfolgen scheinen. Ein paar Blocks weiter dringt das stetige Rauschen des Verkehrs durch die Abendluft, doch für eine Großstadt ist es hier erstaunlich still. Nur vereinzelte Straßenlaternen säumen die gewundenen Bürgersteige und tauchen alles in ein schummriges Licht.
Ich schlage den Kragen meines Mantels hoch und versuche, den kühlen Windhauch abzuwehren, der mir über den Rücken kriecht. Vor mir erhebt sich das Carswell Building, ein Wohnhaus aus den Goldenen Zwanzigern. Berühmt für seine glamouröse Vergangenheit und die Prominenz aus Unterhaltung, Politik und Kunst, die hier ein und aus ging. Sein Anblick verschlägt mir den Atem. Verschnörkelte Messingornamente ranken sich wie blütenlose Blumen über die imposanten Glastüren. Die weiß-graue Steinfassade ragt mindestens vierzig Stockwerke in den Himmel. Doch dunkle Flecken zeugen von einem Jahrhundert Großstadtschmutz und Witterung.
Als ich auf den Eingang zugehe, stellen sich meine Nackenhaare auf. Instinktiv drehe ich mich um und nehme etwas Seltsames wahr. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite huschen vereinzelt Passanten vorbei, doch unter ihnen steht regungslos eine Frau. Ihr Gesicht liegt im Schatten, der lange Mantel flattert leicht im Wind. Mit unheimlicher Intensität starrt sie zum Dach des Gebäudes hinter mir hinauf, zum Penthouse. Ihre Haltung ist angespannt, als würde sie auf etwas warten. Ich kann ihre Gesichtszüge nicht erkennen, was sie beinahe unwirklich erscheinen lässt. Bevor ich einen genaueren Blick erhaschen kann, läuft ein junges Paar vor ihr vorbei und sie ist verschwunden, wie von der Nacht verschluckt. Einen Moment lang frage ich mich, ob sie überhaupt je da war.
Ein seltsames Unbehagen beschleicht mich, doch ich schiebe es beiseite. Wahrscheinlich nur die übliche Nervosität vor einem neuen Restaurierungsauftrag. Während ich weitergehe, erinnere ich mich an die letzten Aufträge, die mich an Orte geführt haben, an die ich lieber nicht gekommen wäre. Ich habe es satt, in den Verbrechen und Geheimnissen anderer Leute herumzustochern.
"Diesmal wird es anders", rede ich mir ein. "Es geht nur um ein Gemälde. Keine Geheimnisse, keine Ablenkungen. Nur Arbeit."
Als ich die Tür des Carswell Buildings erreiche, vibriert mein Handy in der Tasche. Ich ziehe es heraus, das Display leuchtet schwach im gedämpften Licht.
Eine Nachricht von einer unbekannten Nummer: *Unfall gehabt? Wir können helfen.*
Stirnrunzelnd wische ich mit dem Daumen über das Display, bevor ich das Telefon wieder einstecke.
"Verdammte Kaltakquise", murmle ich. Trotzdem bleibt ein flaues Gefühl in meinem Magen, wie eine Vorahnung von etwas Kommendem, als ich den Eingang betrete.
Die Glastüren gleiten auf und die Wärme der Lobby umfängt mich, hüllt mich ein und vertreibt rasch die Kälte von draußen. Der Raum ist prachtvoll, aber dezent: polierte Marmorböden, hohe Decken, sanfte Beleuchtung, die alles in einen goldenen Schimmer taucht. Der Duft von Lilien liegt in der Luft, subtil, aber beständig, und vermischt sich mit dem schwachen Geruch von Bohnerwachs.
Ein Mann in einer akkurat gebügelten Portieruniform steht am Empfang, kerzengerade, den Hut unter den Arm geklemmt. Er ist älter, Ende fünfzig, mit ergrautem Haar, das ordentlich zur Seite gekämmt ist. Sein Gesicht ist faltig, aber freundlich, obwohl seine Augen wachsam und aufmerksam wirken. Als ich näher komme, tritt er vor und schenkt mir ein höfliches Lächeln.
"Guten Abend, gnädige Frau. Sie müssen Frau Brandt sein?" Er spricht mit einem schweren osteuropäischen Akzent, der durch das Leben in Amerika etwas abgeschliffen klingt.
Ich nicke. "Ja, genau. Aria Brandt."
Er greift in seine Tasche, holt eine Schlüsselkarte heraus und reicht sie mir. Ich nehme sie entgegen und spüre die glatte, kühle Oberfläche in meiner Hand.
"Danke", sage ich und werfe einen Blick auf sein Namensschild. "Frank, richtig?"
"Ganz recht, gnädige Frau", erwidert er. Seine Stimme klingt warm, doch da ist noch etwas anderes – eine gewisse Anspannung vielleicht. Er wirkt leicht abgelenkt, sein Blick huscht zwischen mir und einem Monitor hinter seinem Tresen hin und her.
Ich sehe ihn einen Moment lang neugierig an. "Störe ich Sie bei Ihrer Lieblingssendung?"
Sein Blick flackert kurz zu dem Sicherheitsmonitor hinter dem Tresen, auf dem ich gerade noch ein körniges Schwarz-Weiß-Bild erkennen kann. Es zeigt einen Mann, der aus einem – wie ich annehme – Hinterausgang des Gebäudes stürmt. Ich kann sein Gesicht nicht richtig sehen, aber seine Körperhaltung ist angespannt, als er aus dem Bild verschwindet.
"Nur eine Angelegenheit des Carswell Buildings", sagt Frank hastig und richtet sich mit einem höflichen Lächeln auf. "Nicht jeder, der hierher kommt, hat Gutes im Sinn."
Ich werfe noch einen Blick auf den Monitor, dann wieder zu ihm. "Sieht aus, als hätte jemand keinen guten Abend."
Er räuspert sich und wirkt sichtlich unwohl. "Das kommt schon mal vor."
Ich beschließe, nicht weiter nachzuhaken. Was auch immer da los war, es geht mich nichts an. Und dabei möchte ich es belassen. "Danke, Frank", sage ich und nicke ihm kurz zu.
"Gern geschehen, Frau Brandt", erwidert er, als ich zum Aufzug gehe. "Drücken Sie einfach die Taste P für Penthouse. Mrs. Ashcroft wird Sie sicher schon erwarten. Falls Sie länger bei uns bleiben und etwas brauchen, zögern Sie nicht zu fragen."
"Danke, Frank", sage ich. "Ich werde in den nächsten Tagen öfter kommen und gehen, während ich im Penthouse an etwas arbeite. Aber ich habe eine Wohnung in der Stadt gemietet."
"Ach ja, stimmt."
Ich spüre, wie er mich einen Moment zu lange mustert, als würde er mich einschätzen. Vermutlich wirke ich an einem Ort wie diesem fehl am Platz. Die Tür gleitet hinter mir zu und schließt mich in dem stillen, verschnörkelten Messingaufzug ein.
Der Aufzug kriecht nach oben, und ich frage mich, ob das wirklich schneller geht als die Treppe zu nehmen. Wie um mich eines Besseren zu belehren, ruckelt er kurz und die Türen öffnen sich mit einem leisen Klingeln zum Foyer des Penthouses. Ich trete hinaus, und das erste, was mir auffällt, ist die schiere Größe. Die Lobby ist sogar noch geräumiger als die im Erdgeschoss. Sie lässt erahnen, dass das Penthouse dahinter riesig sein muss. An einer Wand stehen ein paar Stühle, was vermuten lässt, dass die Ashcrofts ihre Gäste oft warten lassen, bevor sie sie ins eigentliche Penthouse bitten.
Die Böden sind aus poliertem Marmor, der im Schein des Kronleuchters über dem Raum glänzt - ein kompliziertes Kristallstück, das das Licht wie Glasscherben streut. An den Wänden hängen Kunstwerke, eine Mischung aus modernen abstrakten Gemälden und klassischen Stücken, eine ungewöhnliche, aber sorgfältig kuratierte Auswahl, die von Reichtum und Geschmack zeugt. Mein Blick bleibt an einem bestimmten Gemälde hängen - einer zarten impressionistischen Landschaft mit weichen, traumhaften Farben. Ein anderes Werk zieht meine Aufmerksamkeit auf sich, ein scharfkantiges kubistisches Porträt, das fast deplatziert wirkt, da seine fragmentierten Linien mit der Ruhe der übrigen Sammlung kollidieren. Die Gegenüberstellung scheint bewusst, als wolle jemand den Wartenden eine Botschaft vermitteln, auch wenn ich mir noch nicht sicher bin, welche.
Mein Blick wandert in die Ecke des Foyers, wo etwas anderes fehl am Platz wirkt. Eine zerbrochene Vase, deren Porzellanscherben sich auf dem Marmorboden stapeln. Ich runzle die Stirn und gehe näher heran. Es ist nicht irgendeine Vase; sie ist zart, blau-weiß, ein Moore-Stück, wenn mich mein Gefühl nicht trügt. Teuer. Tausende wert, und doch liegt sie jetzt in Scherben, als hätte sie nie eine Bedeutung gehabt.
Ich gehe in die Hocke, meine Finger schweben knapp über den Scherben. Sie sind zerklüftet, scharfkantig, als wären sie im Zorn geworfen oder hastig von einem nahestehenden Tisch gestoßen worden. Ich verspüre den Drang, sie aufzuheben und wieder zusammenzusetzen, aber ich ziehe mich zurück. Das ist nicht meine Aufgabe. Ich entferne mich davon.
Eine junge Hausangestellte erscheint, den Blick auf den Boden gerichtet, schnell und effizient, während sie sich hinkniet, um die zerbrochene Vase aufzuräumen. Ihr Gesichtsausdruck ist neutral, fast distanziert, als wäre sie an solche Vorfälle gewöhnt. Ich frage mich kurz, wie oft sie das schon getan hat, immer unsichtbar, immer schweigend. Ihre Hände arbeiten mit geübter Sorgfalt und sammeln die zarten Scherben in einer kleinen Schaufel auf. Ich öffne den Mund, um etwas zu sagen, zögere aber. Die Angestellte hält ihren Kopf gesenkt, konzentriert auf ihre Arbeit. Ich fühle einen Stich von Unbehagen - wer bin ich, dass ich sie bei ihrer Arbeit störe? Sie beendet schnell ihre Aufgabe und verschwindet lautlos zurück ins Penthouse, während ich mit dem Unbehagen, das immer noch nachhallt, allein gelassen werde. Es ist, als wäre ich ein Geist.
Ich atme aus und versuche, das Unbehagen abzuschütteln. Es ist nichts. Nur die Nerven. Ich erinnere mich daran, dass ich wegen des Gemäldes hier bin, sonst nichts. Ich richte mich auf, justiere den Gurt meiner Tasche und lasse mich vom sanften Schein der Lichter zur Penthousetür führen.
Die Tür steht einen Spalt offen.
"Hallo?" sage ich schließlich. Dann klopfe ich und füge hinzu: "Ich bin Aria Brandt, ich möchte zu Mrs. Ashcroft."
Aber es kommt keine Antwort. Ich werde nicht hineingehen, ohne eingeladen zu werden, aber ich stoße die Tür weiter auf, um erneut zu sprechen, in der Hoffnung, dass mich diesmal jemand hört.
Ich öffne den Mund, um etwas zu sagen, aber die Stille wird zuerst von anderen Stimmen durchbrochen - einem Mann und einer Frau, deren scharfe und laute Worte die sonst so ruhige Atmosphäre durchschneiden.
Ich versuche, nicht zu lauschen, aber die Worte prallen im Flur an mir ab. Die Stimme des Mannes ertönt zuerst, von Wut durchzogen. "Ich werde nicht zulassen, dass Sie alles ruinieren", faucht er, und sein Ton hat etwas Bedrohliches.
Die Antwort der Frau kommt prompt, ihre Stimme zittert, ist aber fest. "Das haben Sie ganz allein geschafft."
*Warum gerate ich immer in ein Drama?*, denke ich.
Ich sollte das nicht hören.
*Das geht dich nichts an, Aria*.
Der Streit scheint kurz davor zu eskalieren, bereit, jeden Moment zu explodieren.
Ein dumpfer Knall hallt durch den Flur und lässt die Luft erzittern. Glas zersplittert – etwas wird gegen die Wand geschleudert, gefolgt von einem schweren Aufprall. Wie angewurzelt bleibe ich stehen, unschlüssig, ob ich mich nähern oder zurückziehen soll. Außer dem Aufzug gibt es keinen Fluchtweg. Ich frage mich, ob gerade eine weitere unbezahlbare Antiquität das gleiche Schicksal erlitten hat wie die Moore-Vase.
Die Stimmen sind mittlerweile zu einem Flüstern abgesunken, doch ich kann immer noch Bruchstücke des Gesprächs verstehen. Die Stimme des Mannes ist leise, aber eindringlich. "Wir können das nicht ewig unter den Teppich kehren", murmelt er, und die Worte sickern durch die Ritzen der nun brüchigen Stille.
Es folgt eine Pause, eine Spannung, in der ich erwarte, dass die Frau antwortet, doch stattdessen liegt eine bedrückende Stille in der Luft. In diesem Moment schweifen meine Gedanken unwillkürlich zu ähnlichen Augenblicken ab, die ich zu verdrängen versucht habe. Lange Nächte zu Hause, meine Eltern hinter verschlossenen Türen, die mit gedämpften Stimmen stritten, von denen sie glaubten, ich könne sie nicht hören. Geheimnisse, unausgesprochene Dinge, bis es zu spät war.
Ich schüttle die Erinnerung ab und konzentriere mich auf die Gegenwart.
Schritte. Sie kommen näher, hastig. Ich habe kaum Zeit, mich zum Aufzug zurückzuziehen, bevor der Mann energisch im Flur auftaucht. Er ist groß und schlank, sein maßgeschneiderter Anzug sitzt tadellos, trotz der Anspannung, die sich in jeder seiner Bewegungen zeigt. Sein Kiefer hat eine harte Linie, die die markanten Wangenknochen unter dem gepflegten Bart betont, der seinem sonst so makellosen Äußeren einen Hauch von Rauheit verleiht. Das dunkle Haar, das er akkurat zurückgekämmt hat, umrahmt ein Gesicht, das Autorität und Kontrolle ausstrahlt, auch wenn seine sturmgrauen Augen einen Anflug von Verzweiflung verraten.
Er stürmt aus der Tür des Penthouses und steuert direkt auf den Aufzug zu, in dem ich mich gerade befinde. Ich trete zur Seite, aber seine Schulter streift meine, als er vorbeirauscht. Sein Gesicht ist eine Maske der Wut, die Zähne zusammengebissen, seine Augen glühen vor einer Mischung aus Zorn und etwas anderem, das ich nicht einordnen kann.
Er würdigt mich keines Blickes, geht einfach vorbei und hinterlässt nichts als den verweilenden Duft von Eau de Cologne und die schwache Spur von etwas, das wie Blut an seiner Hand aussieht, als er den Aufzug betritt und verschwindet. Wenn er sich an einer Antiquität geschnitten hat, würde ich sagen, sie sind quitt...
"Na, das nenne ich mal einen herzlichen Empfang", seufze ich.
Ich werfe einen Blick auf meinen Mantel, wo seine Schulter meine berührt hat, und bemerke einen schwachen Fleck – rot, dunkel, unverkennbar Blut.
"Fabelhaft."
Ich versuche, ihn wegzuwischen, aber der Fleck bleibt hartnäckig. Ich bin noch damit beschäftigt, als jemand anderes an der Tür zum Penthouse erscheint.
Eine Frau, von der ich annehme, dass es sich um Vivian Ashcroft handelt, tritt in das gedämpfte Licht, ihre Silhouette hebt sich deutlich von den Schatten ab. Ihr dunkles Haar ist makellos zu einer kunstvollen Hochsteckfrisur frisiert und umrahmt ihre scharfen Gesichtszüge wie eine Krone. Ihre stechend blauen Augen, die eine Mischung aus Entschlossenheit und Verletzlichkeit ausstrahlen, suchen den Flur mit einer Intensität ab, die nichts auslässt.
Dann erkenne ich sie von einem Foto, das ich bei der Recherche für diesen Auftrag im Internet gesehen habe. Sie wirkt gefasst, aber kaum – ihre Haltung ist steif, ihr Gesicht sorgfältig ausdruckslos.
Sie bleibt ein paar Meter entfernt stehen und schaut mir in die Augen. Einen Moment lang hält die Spannung zwischen uns an, unausgesprochen, aber spürbar, als wäre sie besorgt, ich hätte den Streit mitbekommen. Dann zwingt sie sich zu einem Lächeln.
"Frau Brandt?"
"Ja", sage ich. "Sind Sie Mrs. Ashcroft?"
Sie nickt.
"Es tut mir leid, dass Sie diesen Aufruhr miterleben mussten", sagt sie mit sanfter Stimme, die aber eine gewisse Anspannung in sich trägt, die sie nicht ganz verbergen kann.
"Es ist wirklich in Ordnung", erwidere ich.
Vivian streicht sich eine lose Haarsträhne hinters Ohr und bringt sich mit einer geübten Leichtigkeit in Position, die mir verrät, dass sie das nicht zum ersten Mal tun muss. "Sollen wir anfangen?", fragt sie, ihr Tonfall ist jetzt leichter, als wäre nichts geschehen.
Ich nicke, folge ihr über die Schwelle und den Flur entlang und frage mich, worauf ich mich diesmal eingelassen habe.
Ich folge Vivian durch eine Tür in den Hauptwohnbereich des Penthouses, und augenblicklich verändert sich die Atmosphäre. Der Raum strahlt eine klinische Perfektion aus, makellos poliert. Mein Blick schweift über die scharfen Linien der eklektischen, überwiegend modernen Möbelstücke - elegant, minimalistisch, jedes mit Präzision platziert. Hier und da finden sich antike Akzente, als hätte jemand versucht, dem Raum Wärme zu verleihen, was jedoch nicht ganz gelungen ist. In einer Ecke steht unberührt ein Flügel, dessen schwarze Oberfläche im sanften Licht schimmert. Unweit davon befindet sich ein verzierter Marmorkamin, der trotz seiner Pracht kalt wirkt, wie ein Relikt aus einer anderen Zeit.
Die bodentiefen Fenster bieten einen atemberaubenden Blick auf die Skyline der Stadt. Doch anstatt offen und weitläufig zu wirken, fühlt sich der Raum seltsam beengt an. Schwere Samtvorhänge sind halb über die Scheiben gezogen, als wollten sie den Raum vor neugierigen Blicken schützen. Es scheint, als wolle Vivian kontrollieren, was verborgen bleibt. Der Effekt ist beinahe klaustrophobisch, als würde die Außenwelt bewusst ausgesperrt, um nur die kuratierte Perfektion im Inneren zu bewahren.
Bevor ich all das verarbeiten kann, erhellt Vivian mit geübter Anmut das Licht im Raum. Sie verkörpert das Bild einer eleganten Dame der Gesellschaft - dunkles Haar, tadellos frisiert, ein edles Kleid, das ihre Figur betont.
"Frau Brandt", sagt sie mit sanfter Stimme. "Ich habe schon so viel über Ihre Arbeit gehört. Man hat Sie mir wärmstens empfohlen."
Ich nicke und erwidere ihr Lächeln. "Vielen Dank. Das Penthouse ist wirklich beeindruckend."
Vivian lässt ihren Blick durch den Raum schweifen, mit einem Hauch von Wehmut in den Augen, als erinnere sie sich an etwas oder fühle sich fehl am Platz. "Vorerst ist es unser Zuhause", antwortet sie mit einem flüchtigen, fast abfälligen Achselzucken. Ihr Blick verweilt jedoch nicht lange. "Heutzutage verbringen wir viel Zeit hier. So sind wir immer im Zentrum des Geschehens, aber ich vermisse einige unserer Landsitze. Ich muss gestehen, dass ich einen guten Waldspaziergang liebe, und der lässt sich hier nur schwer finden."
Mit einer Geste bedeutet sie mir, ihr weiter ins Penthouse zu folgen. Ihre Schritte gleiten sanft über den abwechselnd polierten und mit Teppich ausgelegten Boden. Der Wohnbereich geht in einen kleineren, intimeren Raum über, in dem das Licht zu einem sanften Schein gedimmt ist und lange Schatten an den Wänden zu tanzen scheinen.
In der Mitte des Raumes, unter einem gezielt platzierten Scheinwerfer, steht das Gemälde. Das Flapper-Girl, sichtlich verblasst.
Ich trete näher heran und lasse mich von ihrem Blick fesseln. Dunkle Augen, umrahmt von einer glatten, tiefschwarzen Haarpracht, die Lippen zu einem angedeuteten Lächeln geschwungen. Sie trägt ein schimmerndes Kleid, das sich an ihre schlanke Figur schmiegt, und der Stoff ist mit zarten Pinselstrichen gemalt, die sich bei Bewegung zu kräuseln scheinen. In ihrer Hand hält sie ein klassisches, halb gefülltes Champagnerglas. Sie hat etwas Faszinierendes an sich, etwas, das den Blick gefangen hält. Ihr Ausdruck - rätselhaft, fast eindringlich - deutet auf Tiefen hin, die sich direkt unter der Oberfläche und im Funkeln ihrer Augen verbergen.
"Sie ist fesselnd", murmle ich und nehme die feinen Details wahr, die Art, wie die Schatten über die Konturen ihres Gesichts spielen. "Ihr Ausdruck hat viel Charakter. Sie fängt wirklich den Überschwang und den Stil der Flapper-Girls der 1920er Jahre ein. Es war eine sehr romantische Zeit. Das Tanzen in Flüsterkneipen, die Eleganz und das Ausreizen der Grenzen dessen, was für Frauen möglich war."
Vivian steht neben mir, den Blick auf das Gemälde gerichtet. "Es ist seit Generationen im Besitz unserer Familie", sagt sie leise, ihre Stimme klingt distanziert. "Mein Urgroßvater hat es in Auftrag gegeben."
Ihr Tonfall hat etwas fast Ehrfurchtgebietendes, als ob das Bild für sie mehr als nur ein Erbstück wäre. Es ist etwas Persönliches. Ich sehe sie an und bemerke, wie ihre Finger leicht über den Rand des Rahmens streichen. Die Berührung ist zart, zögernd, als hätte sie Angst, etwas Zerbrechliches zu stören.
"Wissen Sie viel über den Künstler?", frage ich neugierig.
Vivians Blick verweilt noch einen Moment auf dem Gemälde, bevor sie ihre Hand zurückzieht. "Nur, dass es in der Blütezeit der Goldenen Zwanziger gemalt wurde", sagt sie, ihre Stimme immer noch sanft. "Der Künstler war ein Einsiedler... ein Rätsel für sich."
Ihre Worte verstummen, und sie schweigt, in Gedanken versunken. Ich betrachte das Gemälde und vermute, dass die Verblassung auf etwas Bestimmtes zurückzuführen ist, um das ich mich kümmern muss, aber das kann ich nur bei genauer Untersuchung feststellen. Es ist besser, wenn ich es nicht erwähne, ohne mir sicher zu sein.
Vivian bricht ihr Schweigen mit einem kleinen Lächeln. "Sie hat viel durchgemacht, aber ich vertraue darauf, dass du dich gut um sie kümmerst und sie wieder auf Vordermann bringst."
"Das werde ich", versichere ich ihr. "Ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, um sie wiederherzustellen."
Vivian nickt, doch ihre Aufmerksamkeit scheint erneut abzuschweifen. Sie verweilt bei dem Gemälde, ihre Finger schweben noch einmal in die Nähe des Rahmens, bevor sie sich zurückzieht, als hätte sie Angst davor, was passieren könnte, wenn sie zu nahe kommt.
"Jetzt, wo ihr beide einander vorgestellt wurdet", sagt sie. "Darf ich dir einen Drink anbieten? Komm mit."
Vivian richtet sich auf und bedeutet mir, ihr zurück in den Wohnbereich zu folgen. Während wir gehen, bemerke ich eine Veränderung in ihrem Verhalten. Ihre selbstbewusste Haltung bröckelt, ihre Schritte werden unsicher. Sie atmet tief ein, hält kurz die Luft an und stößt sie dann hastig wieder aus. Sie führt mich in einen Raum mit einer Bar und tritt dahinter.
"Was darf's denn sein?", lächelt sie und zeigt sich von einer verspielten Seite.
"Gin Tonic, bitte", antworte ich.
"Für mich wird's ein Sherry sein", sagt sie.
Schweigend beginnt sie, die Getränke zuzubereiten.
Als sie wieder spricht, ist ihre Stimme sanft, aber es liegt ein Hauch von etwas Unausgesprochenen in der Luft.
"Mein Mann, Maxwell, kommt und geht wegen... geschäftlicher Angelegenheiten...", sagt sie beiläufig, fast zu beiläufig, aber ihre Worte haben ein Gewicht, das ich nicht ignorieren kann. In ihrem Tonfall liegt etwas - eine Mischung aus Resignation und Verbitterung -, das mich vermuten lässt, dass mehr hinter der Geschichte steckt, als sie zugibt. "Er ist in letzter Zeit ziemlich oft weg. Vielleicht ist er hier, vielleicht auch nicht, das ist schwer zu sagen. Nur für den Fall, dass du ihm hier über den Weg läufst."
"Und ihr habt ein paar Bedienstete?", frage ich und denke an die Frau, die die zerbrochene Vase aufräumte.
"Ja", sagt sie. "Aber nur ein oder zwei. Wenn wir Gäste haben, stellen wir gerne ein paar mehr ein. Wie gesagt, es ist nicht mehr wie früher in unseren Landhäusern."
Sie tritt hinter der Bar hervor und reicht mir mein Getränk, während sie ihr eigenes in der Hand hält.
"Danke."
"Gern geschehen."
Die Anspannung in ihrer Stimme ist subtil, aber sie ist da. Sie sieht mich nicht an, als sie es sagt. Stattdessen dreht sie sich um und fingert an der Kante eines der Samtvorhänge herum, um eine Falte zu glätten, von der ich bezweifle, dass sie überhaupt existiert. Die Bewegung wirkt wie eine Ablenkung, ein Weg, ihre Hände zu beschäftigen.
Ich beschließe, vorsichtig zu sein. "Es wird nett sein, Mr. Ashcroft und die Bediensteten kennenzulernen", sage ich in neutralem Ton und beobachte sie aus dem Augenwinkel.
Vivian zuckt mit den Schultern, eine schnelle, abweisende Geste. "Wie gesagt: Vielleicht, vielleicht auch nicht. So ist das Leben eben", sagt sie mit belegter Stimme. Ich spüre, dass sie versucht, sich selbst genauso zu überzeugen wie mich. "Nach einer Weile gewöhnt man sich daran. Bist du verheiratet, meine Liebe?"
"Nein", sage ich.
"Freund?"
"Nein", wiederhole ich, aber meine Gedanken kreisen für einen Moment um Jay im Ellington House und Carter Sterling in Charleston. Zwei Männer, zu denen ich mich auf unterschiedliche Weise hingezogen fühle, und doch zwei Männer, denen ich in letzter Zeit aus dem Weg gegangen bin, weil ich nicht weiß, was ich will. Als Teenager dachte ich, ich wäre längst verheiratet, aber jetzt bin ich Anfang dreißig und habe mich ans Alleinsein gewöhnt.
"Ein hübsches Ding wie du sollte sie reihenweise abwehren müssen", lächelt sie. "Aber wenn es um die Ehe geht, müssen wir bald akzeptieren, dass die Realität anders ist als die Fantasie. Es ist kein Märchen, aber es kann trotzdem Glück bedeuten. Nur auf eine andere Art."
Ich spüre etwas Seltsames in der Art, wie Vivian spricht. Es ist, als ob sie nicht oft den Trost eines Freundes hat und sich selbst bei einem Fremden Luft machen möchte. Ich habe Mitleid mit ihr. Sie scheint einsam zu sein.
Ein Knarren im Flur veranlasst Vivian, ihre Aufmerksamkeit für einen Moment auf die Tür zu richten, bevor sie zu mir zurückkehrt. Es kommt mir so vor, als würde sie ständig auf jemanden warten, der nicht da ist. Ihre im Raum umherschweifenden Augen verstärken diesen Eindruck nur noch.
"Ich habe einen Artikel gelesen, in dem stand, dass Maxwell seine Unternehmen verkauft hat", sage ich. "Was macht er denn jetzt?" Sofort verspüre ich einen Stich der Unsicherheit und frage mich, ob ich zu weit gegangen bin.
Das war's. Ich klinge schon wieder so, als wäre ich neugierig.
"Er hat noch wichtige... Geschäfte. Was glaubst du, wie lange es dauern wird, bis die Farbe wiederhergestellt ist?", sagt sie nach einem Moment, ihre Stimme ist jetzt leichter, als würde sie versuchen, die frühere Anspannung zu verdrängen. "Deshalb bist du ja schließlich hier."
"Ein paar Tage", sage ich. "Vielleicht eine Woche. Sobald ich den Schaden richtig eingeschätzt habe, kann ich dir einen genaueren Termin nennen."
Ein weiteres Knarren ertönt aus dem Türrahmen.
"Entschuldige mich einen Moment, Frau Brandt", sagt Vivian und stellt ihren Sherry ab.
Sie geht weg, verschwindet durch den Eingang und schließt die Tür hinter sich. In der Sekunde, in der sie das Penthouse verlässt, wird es stiller, als ob es den Atem anhalten würde. Ich sehe mich um, mein Blick schweift über die perfekt platzierten Möbel, die makellosen Oberflächen, die sorgfältig ausgewählten Kunstwerke. Alles ist tadellos, zur Schau gestellt.
Mein Blick verweilt auf den kleinen Details - der kaum wahrnehmbare Chip in der Ecke eines Glastischs, ein Weinglas, das auf einer Anrichte steht und von dem nur ein Schluck genommen wurde, ein Stuhl, der leicht schief steht, als hätte ihn jemand in Eile verlassen. All das ist unauffällig und passt nicht in ein Haus, in dem sonst alles so akkurat ist. Diese Unvollkommenheiten würden hier nicht natürlich vorkommen. Ich glaube, sie sind Hinweise auf etwas Tieferes. Irgendetwas stimmt hier nicht.
*Ach, hör schon auf, Aria*, ermahne ich mich selbst. Anscheinend habe ich mich daran gewöhnt, überall Geheimnisse zu wittern. Ich muss mir ins Gedächtnis rufen, dass manche Dinge einfach nur Privatsache sind und nicht gleich ein Geheimnis.
Ich trete vom Kamin zurück und wende mich den Fenstern zu. Die Aussicht müsste atemberaubend sein - kilometerweit glitzernde Stadtlichter, die sich bis zum Horizont erstrecken -, doch die schweren Samtvorhänge verdecken sie.
Vivian kehrt zurück, ihre Schritte hallen sanft auf dem Marmorboden, als sie den Raum wieder betritt. Sie lächelt noch immer, aber es wirkt jetzt gezwungen, als müsse sie sich zu sehr anstrengen, um ihre gewohnte Anmut zu bewahren. Irgendetwas hat sie aus der Fassung gebracht.
Sie steuert direkt auf ihr Getränk zu, ihre Bewegungen sind hastig, beinahe eilig, als versuche sie, das Gespräch in sichere Bahnen zu lenken, weg von allem Persönlichen.
"Wie gesagt", beginnt sie und gestikuliert mit den Händen. Ihre Stimme klingt einstudiert leichthin, doch ein unterschwelliges Zittern verrät sie. "Ich wollte dieses Gemälde schon seit geraumer Zeit restaurieren lassen. Es ist schließlich ein Familienerbstück."
Ich nicke und höre zu, kann aber nicht übersehen, wie ihre Hände beim Sprechen zittern. Sie versucht, sich abzulenken, konzentriert sich auf das Bild und füllt die Stille mit Worten, doch ihre nervöse Energie ist greifbar.
"Ich werde mein Bestes geben, um es wieder in Schuss zu bringen", verspreche ich.
"Ich danke dir. Er starb, als ich noch jung war. Ich stand meinem Großvater sehr nahe, und dieses Gemälde bedeutete ihm alles. Es ist eine der wenigen Verbindungen, die ich noch zu ihm habe, und es wäre schade, wenn das Werk weiter verfallen würde. Ich weiß nicht, warum es vor ein paar Jahren zu verblassen begann. Ich halte es vom Licht fern, genau wie er es getan hat, aber es scheint trotzdem seinen Glanz zu verlieren."
Ich werfe einen Blick auf die Vorhänge an den Fenstern. "Ja, direktes Sonnenlicht ist sehr schädlich, aber... Darf ich noch einmal einen Blick darauf werfen?"
Vivian lächelt. "Ich erkenne einen Workaholic, wenn ich einen sehe. Komm."
Wir gehen zurück zu der Stelle, an der das Gemälde steht.
"Lass mich mal genauer hinschauen...", murmle ich.
Ich öffne meine Tasche und hole eine Lupe heraus. Dann beuge ich mich vor und beginne, die oberste Schicht des Gemäldes zu untersuchen.
"Du hast das schon einmal gemacht, oder? Gemälde dieses Kalibers restauriert?", fragt sie, wobei ihr Blick kurz auf mir ruht, bevor sie sich wieder dem Gemälde zuwendet.
"Ja", antworte ich ruhig. "Viele Male. Ich weiß, wie wichtig es ist, sein ursprüngliches Aussehen zu bewahren."
Sie nickt, fast zu hastig. "Gut. Ich will nur sichergehen, dass alles richtig gehandhabt wird..."
"Das wird es", versichere ich ihr mit ruhiger Stimme, drehe mich um und lächle sie an. "Du kannst mir vertrauen."
Ihre Lippen verziehen sich zu einem schmalen Lächeln. "Das tue ich."
Doch schon während sie das sagt, verraten ihre Augen sie. Vertrauen braucht Zeit, und sie hat mich gerade erst kennengelernt, aber ich habe das Gefühl, dass Vertrauen in Vivians Leben generell Mangelware ist.
Ich lehne mich leicht zurück, mein Blick ruht auf dem Gemälde, während ich Vivian die Nachricht überbringe. "Ich hatte vorhin einen Verdacht... Es scheint, als hätten sich Bakterien unter die oberste Farbschicht geschlichen", sage ich und beobachte, wie sich Besorgnis in Vivians Augen schleicht.
"Es ist eine heikle Angelegenheit", fahre ich fort, "aber sei versichert, dass ich mit ähnlichen Fällen schon zu tun hatte. Es wird etwa eine Woche dauern, bis wir es richtig angehen können." Vivians Finger zucken nervös an ihrer Seite, ihre Sorge ist in der Luft zwischen uns spürbar.
"Die Entfernung der Bakterien ist mit Risiken verbunden", warne ich sie in ernstem Ton.
Vivian runzelt verzweifelt die Stirn, als sie diese Information verarbeitet. "Ich möchte nicht, dass das Gemälde beschädigt wird. Was wird passieren, wenn wir sie nicht entfernen?", fragt sie mit besorgter Stimme.
Ich schaue ihr direkt in die Augen. "Wenn wir sie nicht in den Griff bekommen, werden die Bakterien das Gemälde allmählich von innen heraus zersetzen", erkläre ich sanft. "Sie könnten das Kunstwerk mit der Zeit unwiederbringlich schädigen."
"Dann... Tu, was getan werden muss... Ich bin so froh, dass du hier bist", fährt Vivian fort, wobei ihre Stimme jetzt einen leicht manischen Ton annimmt. "Der Zustand dieses Gemäldes hat mich sehr belastet... Es hat so viel durchgemacht."
Ihre Stimme stockt, und ich sehe einen Anflug von Verletzlichkeit in ihrem Gesichtsausdruck - etwas, das sie schnell zu unterdrücken versucht.
"Das Gemälde ist in guten Händen", sage ich und versuche, die Spannung zu lindern, aber ich merke, dass meine Worte nicht ausreichen, um das zu beruhigen, was in ihr vorgeht. "Ich habe diese Art von Bakterien schon einmal behandelt. Ich werde alles tun, was ich kann, um das Gemälde wiederherzustellen."
"Ich hoffe, du kannst alles in Ordnung bringen. Manchmal", beginnt sie, ihre Stimme wird leiser, fast resigniert, "entwickeln sich die Dinge nicht so, wie man sie plant..."
Ich beobachte sie einen Moment lang und weiß nicht, ob sie über das Gemälde, ihre Ehe oder etwas ganz anderes spricht. In ihrem Tonfall liegt eine Traurigkeit, die sie zu verbergen versucht, die aber trotzdem durchscheint.
"Nein", stimme ich leise zu, meine Stimme passt sich ihrer an. "Das tun sie nicht immer."
"Aber wir tun, was wir können", fährt sie fort, ihre Stimme ist jetzt kontrollierter. "Wir gehen weiter vorwärts."
Ich nicke und beobachte, wie sie mit einer Hand über ihr Kleid streicht und mit den Fingern den Stoff glättet, als ob diese kleine Geste ihr irgendwie die Kontrolle über den Moment zurückgeben würde. Die Anspannung in ihren Schultern lässt nach, wenn auch nur geringfügig, und sie atmet leise, fast unmerklich aus.
Für einen kurzen Augenblick überlege ich, ob ich etwas Beruhigendes sagen sollte, aber ich halte mich zurück. Es ist nicht der richtige Zeitpunkt.
"Danke, Frau Brandt", sagt sie mit geübter Anmut. "Ich weiß Ihre Bemühungen sehr zu schätzen."
Ich bedecke das Bild behutsam mit einem Laken und spüre eine Mischung aus Beschützerinstinkt und Neugier. Das Kunstwerk hat etwas Verletzliches an sich, als ob es mich bräuchte, um es vor weiteren Schäden zu bewahren. Wir kehren in den Barbereich zurück.
Ich leere meinen Gin, die kühle Flüssigkeit hinterlässt eine brennende Spur in meiner Kehle. "Wenn es Ihnen recht ist, kann ich morgen früh wiederkommen und sofort mit der Arbeit beginnen", schlage ich vor und stelle das Glas auf einem nahegelegenen Tisch ab.
Vivians Augen funkeln mit einer Mischung aus Erleichterung und Vorfreude. "Ja, bitte tun Sie das. Aber bevor Sie gehen", sie zögert, ihr Tonfall ist fast flehend, "trinken Sie aus."
Wir nippen beide in relativer Stille und plaudern über die Aussicht - wie die Lichter der Stadt wie ein Meer aus Sternen funkeln - und andere belanglose Dinge. Vivian erwähnt ihre Lieblingsgalerie in der Innenstadt, und ich nicke und erzähle eine kurze Anekdote über einen Künstler, den ich dort einmal getroffen habe.
Als wir unsere Gläser gleichzeitig abstellen, sagt Vivian: "Ich begleite Sie zum Aufzug."
An den Aufzugtüren zum Penthouse angekommen, wendet sie sich mit einem nachdenklichen Blick an mich. "Weißt du, du hast Glück, dass du so viel Zeit mit ihr verbringen kannst."
"Mit wem?", frage ich, aufrichtig verwirrt von ihrer kryptischen Aussage.
Vivian macht eine subtile Geste in Richtung des Flapper-Girls auf dem Gemälde, das hinter uns zurückbleibt. Ihre Augen haben eine seltsame Intensität, als sie wieder spricht. "Mit dem Mädchen auf dem Gemälde."
Vivian spricht fast so, als ob das Mädchen auf dem Bild lebendig wäre. Aber auch die Superreichen haben ihre Marotten.
"Natürlich", antworte ich vorsichtig, denn ich möchte nicht ergründen, welche verborgene Bedeutung sich hinter Vivians rätselhaften Worten verbirgt.
"Dann gute Nacht", sagt Vivian mit einem knappen Lächeln, während sie den Knopf für den Aufzug drückt.
"Gute Nacht", erwidere ich leise, bevor ich in den Aufzug steige und beobachte, wie Vivian aus dem Blickfeld verschwindet. Ich bleibe mit meinen Gedanken und einem unangenehmen Gefühl in der Brust zurück, während ich ins Erdgeschoss hinabfahre.
Als ich den Aufzug verlasse, komme ich an Frank vorbei, der mir zuwinkt und mich anlächelt.
"Fahren Sie nach Hause?", fragt er.
"Nein, ich rufe mir ein Taxi."
"Ich kann dir eins besorgen", bietet er an.
"Nein, danke", antworte ich. "Ich glaube, die Nachtluft wird mir guttun."
Ich weiß, dass es so sein wird. Das Carswell Building und sein Penthouse haben etwas Beklemmendes an sich, und ich muss aufpassen, dass es mir nicht unter die Haut geht.
Der Morgen graut, als ich am Fuße des Carswell-Gebäudes aus dem Taxi steige. In meiner Umhängetasche befinden sich noch einige Restaurierungswerkzeuge.
"Danke", sage ich, nachdem ich den Fahrer bezahlt habe. Er fährt wortlos davon, die Abgase seines Wagens wie ein nebliger Atemzug in der Luft.
