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Als die Leiche eines Surfers an Land gespült wird, scheinbar Opfer eines Haiangriffs, spürt die örtliche Polizistin Casey Faith instinktiv, dass mehr dahintersteckt. Mit jedem Hinweis, der unter den Geheimnissen und Lügen einer Kleinstadt verborgen liegt, liegt es an Casey, die Wahrheit ans Licht zu bringen, bevor ein weiteres Leben in den Strudel gezogen wird. "Ein meisterhaftes Buch. Ich konnte es nicht aus der Hand legen und habe den Mörder nie erraten!"– Leserrezension zu Only Murder⭐⭐⭐⭐⭐ HINTER SEINEM LÄCHELN (Ein Casey Faith Suspense Thriller – Buch 2) ist der zweite Band einer mit Spannung erwarteten neuen Reihe der Bestsellerautorin Rylie Dark, deren Erfolgsroman SEE HER RUN (als kostenloser Download erhältlich) über 700 Fünf-Sterne-Bewertungen und Rezensionen erhalten hat. Die Reihe beginnt mit HINTER SEINEN AUGEN (Buch 1). Die Mystery-Reihe CASEY FAITH ist eine packende Thriller-Saga, die die Leser auf eine atemberaubende Reise voller unerwarteter Wendungen und intensiver Spannung mitnimmt. Im Mittelpunkt steht eine brillante weibliche Protagonistin, die Ihre Zuneigung gewinnt und Sie bis tief in die Nacht fesselt. Fans von Teresa Driscoll, Kendra Eliot und Melinda Leigh werden begeistert sein. Weitere Bände der Reihe erscheinen in Kürze! "Ich habe diesen Thriller verschlungen, las ihn in einem Rutsch durch. Viele Wendungen und ich habe den Täter überhaupt nicht erraten ... Das zweite Buch habe ich bereits vorbestellt!"– Leserrezension zu "Only Murder"⭐⭐⭐⭐⭐ "Dieses Buch startet mit einem Paukenschlag ... Eine hervorragende Lektüre, und ich kann das nächste Buch kaum erwarten!"– Leserrezension zu "SEE HER RUN"⭐⭐⭐⭐⭐ "Fantastisches Buch! Es war kaum aus der Hand zu legen. Ich bin schon sehr gespannt, was als Nächstes passiert!"– Leserrezension zu "SEE HER RUN"⭐⭐⭐⭐⭐ "Die Wendungen kamen Schlag auf Schlag. Ich kann es kaum erwarten, das nächste Buch zu lesen!"– Leserrezension zu "SEE HER RUN"⭐⭐⭐⭐⭐ "Ein Muss für alle Fans von actiongeladenen Geschichten mit ausgeklügelter Handlung!"– Leserrezension zu "SEE HER RUN"⭐⭐⭐⭐⭐ "Ich bin ein großer Fan dieser Autorin und diese Reihe beginnt fulminant. Man blättert bis zur letzten Seite und will mehr."– Leserrezension zu "SEE HER RUN"⭐⭐⭐⭐⭐ "Ich finde kaum Worte, um diese Autorin zu beschreiben! Wie wäre es mit 'außergewöhnlich'? Diese Autorin wird noch von sich reden machen!"– Leserrezension zu "ONLY MURDER"⭐⭐⭐⭐⭐ "Ich habe dieses Buch wirklich genossen ... Die Charaktere waren lebendig und die Wendungen großartig. Man liest bis zum Ende und will mehr."– Leserrezension zu "NO WAY OUT"⭐⭐⭐⭐⭐ "Diese Autorin kann ich nur wärmstens empfehlen. Ihre Bücher machen süchtig."– Leserrezension zu "NO WAY OUT"⭐⭐⭐⭐⭐
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Seitenzahl: 252
Veröffentlichungsjahr: 2025
HINTER SEINEM LÄCHELN
EIN CASEY-FAITH-THRILLER – BAND 2
Rylie Dark
Rylie Dark, die Bestsellerautorin, hat eine beeindruckende Palette an Thrillern geschaffen. Ihr Werk umfasst mehrere fesselnde Reihen, darunter die sechsteilige SADIE PRICE FBI SUSPENSE THRILLER-Serie, die ebenfalls sechsteilige CARLY SEE FBI SUSPENSE THRILLER-Serie und die MIA NORTH FBI SUSPENSE THRILLER-Serie. Hinzu kommen die fünfteilige MORGAN STARK FBI SUSPENSE THRILLER-Reihe, die achtteilige HAILEY ROCK FBI SUSPENSE THRILLER-Serie und die sechsteilige TARA STRONG MYSTERY-Reihe.
Darüber hinaus hat Dark weitere spannende Serien ins Leben gerufen: die fünfteilige ALEX QUINN FBI SUSPENSE THRILLER-Reihe, die MAEVE SHARP FBI SUSPENSE THRILLER-Serie mit fünf Bänden und die gleichfalls fünfteilige KELLY CRUZ FBI SUSPENSE THRILLER-Reihe. Ihre JESSIE REACH FBI SUSPENSE THRILLER-Serie umfasst bereits sieben Bände mit Aussicht auf weitere. Auch die BECCA THORN FBI-SUSPENSE-THRILLER, die CASEY FAITH SUSPENSE-THRILLER und die ARIA BRANDT SUSPENSE-THRILLER-Reihen, jeweils mit fünf Bänden, versprechen weitere Fortsetzungen.
Als leidenschaftliche Leserin und lebenslange Verehrerin des Krimi- und Thriller-Genres freut sich Rylie über jede Zuschrift ihrer Leser. Besuchen Sie www.ryliedark.com, um mehr zu erfahren und in Kontakt zu bleiben.
Copyright © 2024 Rylie Dark. Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil dieses Werkes darf ohne ausdrückliche schriftliche Genehmigung der Autorin in irgendeiner Form oder mit irgendwelchen Mitteln – elektronisch, mechanisch, durch Fotokopien, Aufzeichnungen oder andere Verfahren – reproduziert, in einem Datenbanksystem gespeichert oder übertragen werden, es sei denn, dies ist im Rahmen der Bestimmungen des US-amerikanischen Copyright Act von 1976 gestattet. Dieses E-Book ist ausschließlich für den persönlichen Gebrauch lizenziert und darf nicht weiterverkauft oder an Dritte weitergegeben werden. Sollten Sie dieses Buch mit jemandem teilen wollen, erwerben Sie bitte für jeden Empfänger ein eigenes Exemplar. Falls Sie dieses Buch lesen, ohne es gekauft zu haben, oder es nicht ausschließlich für Ihren eigenen Gebrauch erworben wurde, geben Sie es bitte zurück und kaufen Sie Ihr eigenes Exemplar. Vielen Dank, dass Sie die Arbeit der Autorin respektieren.
PROLOG
PROLOG
KAPITEL EINS
KAPITEL ZWEI
KAPITEL DREI
KAPITEL VIER
KAPITEL FÜNF
KAPITEL SECHS
KAPITEL SIEBEN
KAPITEL ACHT
KAPITEL NEUN
KAPITEL ZEHN
KAPITEL ELF
KAPITEL ZWÖLF
KAPITEL DREIZEHN
KAPITEL VIERZEHN
KAPITEL FÜNFZEHN
KAPITEL SECHZEHN
KAPITEL SIEBZEHN
KAPITEL ACHTZEHN
KAPITEL NEUNZEHN
KAPITEL ZWANZIG
KAPITEL EINUNDZWANZIG
KAPITEL ZWEIUNDZWANZIG
KAPITEL DREIUNDZWANZIG
KAPITEL VIERUNDZWANZIG
KAPITEL FÜNFUNDZWANZIG
KAPITEL SECHSUNDZWANZIG
Das würde eine mörderische Welle werden.
Mit seinem abgenutzten Surfbrett in der Hand paddelte Mace Redwood weiter hinaus aufs Meer. Sorgfältig suchte er sich seinen Platz, während er die herannahende Brandung beobachtete.
Die Wellen hätten an diesem Morgen nicht perfekter sein können. Es war Frühherbst, und zu dieser Jahreszeit brachte die Kombination aus Wetter und Wind stets die besten Brecher hervor. Gewaltig, lang und rollend. Eine Welle nach der anderen, ähnlich in der Größe, aber gerade unterschiedlich genug im Charakter, um das Adrenalin in die Höhe zu treiben - das Nirwana eines jeden Surfers.
Die Wellen waren den ganzen Tag über ideal, doch Mace zog die Einsamkeit vor, was auf der Halbinsel Greenpoint in New Jersey um diese Jahreszeit normalerweise unmöglich war. Da die Halbinsel von Jahr zu Jahr belebter wurde, empfand Mace die Menschenmassen als störend. Um ihnen aus dem Weg zu gehen, hatte er begonnen, in der Morgendämmerung hinauszufahren. Die frühen Morgenstunden waren zu dieser Jahreszeit zu kalt für den Durchschnittssurfer, der lieber wartete, bis die Sonne aufging.
Ihm persönlich gefiel das graue, schwache Licht, das den Horizont erhellte, der zu dieser Jahreszeit, wenn das Wetter umschlug, oft dicht bewölkt war. In einem Neoprenanzug stellte die Wassertemperatur kein Problem dar. Und das Beste war, dass er das Gefühl hatte, das Gebiet ganz für sich allein zu haben. Genau das wollte er. Von Natur aus war er ein Einzelgänger.
Er prüfte den Horizont um sich herum, strampelte mit den Beinen und stützte sich auf sein Brett, um so viel Höhe wie möglich zu gewinnen. Keine anderen wippenden Köpfe in Sicht, und niemand am Strand. Ein paar hundert Meter entfernt lag ein kleines Boot, aber er konnte niemanden darin erkennen. Ein Brummen von irgendwo über ihm lenkte ihn ab, aber er machte sich nicht die Mühe, nach oben zu schauen. Nicht, wenn er die Wellenlinien vor Augen hatte.
Es war ein gutes Gefühl, sich jetzt auf sie zu konzentrieren. Er wusste, dass er einige schwierige Entscheidungen zu treffen hatte.
Gestern Abend waren die Dinge so aus dem Ruder gelaufen, wie er es nie erwartet hätte.
Während er auf die Reihe der Brecher wartete, dachte er an die verrauchte Bar zurück und an den schwelenden Konflikt, der sich zu einem ausgewachsenen Krieg entwickelt hatte. Er wusste, dass sich das schon eine Weile angebahnt hatte. Alter Groll war wie eine Narbe. Er verschwand nie. Man lernte einfach, ihn zu ignorieren.
Er hatte auch ein paar Narben, hauptsächlich vom Surfen. Mit seinen achtundvierzig Jahren war er immer noch risikofreudig, aber nicht mehr so leichtsinnig wie drei Jahrzehnte zuvor. Die lange, zickzackförmige Narbe an seinem rechten Knöchel zeugte von der Zeit, als er geglaubt hatte, er könne einer Reihe von zerklüfteten Felsen ausweichen und sich durch Surfen den Weg aus den Strömungen bahnen, die im Spätwinter den Norden der Halbinsel durchzogen.
An seiner Schulter befand sich eine weitere Narbe, die von einem anderen Zusammenstoß mit Steinen stammte, und er hatte sich den rechten Knöchel einmal zu oft verstaucht. Morgens begann er zu schmerzen und steif zu werden. Alterserscheinungen, die sich in ein Leben einschlichen, von dem er immer angenommen hatte, es sei immergrün.
„Raus hier, alter Mann!”
Die beleidigenden Worte von gestern Abend brannten wieder in seinem Kopf. Er runzelte die Stirn und versuchte, die Erinnerungen zu verdrängen. Er hatte nicht vorgehabt, jetzt daran zu denken, und er wollte nicht, dass dieser boshafte, bittere Konflikt wieder in seinen Kopf eindrang, aber er war da.
Er quoll auf wie Blut aus einer alten Wunde.
Er musste irgendwie damit umgehen, aber wie genau, wusste er nicht. Letzte Nacht hatte er so viel ausgeteilt, wie er eingesteckt hatte. Er würde sich niemals unterkriegen lassen.
Wenn er nur besser mit Konflikten umgehen könnte. Er wusste, dass er in der Vergangenheit davor zurückgeschreckt war. Er war immer derjenige gewesen, der eine Person lieber mit Schweigen strafte, als sie zu konfrontieren. Er suchte lieber auf andere Weise Zuflucht, als sich mit seinen eigenen Dämonen auseinanderzusetzen.
Die letzte Nacht war eine Ausnahme gewesen, und er fragte sich, ob sie einen Wendepunkt in seinem Denken darstellte. Von nun an würde er nicht mehr nachgeben, und er würde genauso viel austeilen, wie er einsteckte. Sie sollten es ruhig noch einmal versuchen und sehen, wohin es sie führte.
Genug, dachte er.
Es war an der Zeit, sich auf seine Umgebung zu konzentrieren und nicht auf das Gefühl, dass sein Leben voller Enttäuschungen war, die er nur sich selbst zuzuschreiben hatte.
„Du hast sie dein ganzes Leben lang gut verdrängt”, erinnerte ihn eine spöttische innere Stimme. „Warum lässt du dich jetzt von ihnen stören?”
Er konzentrierte sich auf den Augenblick, auf die Brandung. Die dritte Welle von hier – er spürte, dass sie die richtige sein würde. Sie raste auf ihn zu, türmte sich immer höher auf und entwickelte sich perfekt. Seine Position war ideal. Er würde sie genau im richtigen Moment erwischen, wenn sie ihren Höhepunkt erreichte. Schon jetzt kribbelte es in ihm vor Aufregung bei dem Gedanken an den bevorstehenden Ritt. Das Brett unter ihm schien lebendig zu werden, sein Gleichgewicht war tadellos, und er glitt sanft übers Wasser, als würde er fliegen.
Mit etwas Glück würde es eine Monsterwelle sein, die sich über ihm zu brechen begann, während er auf ihr ritt. Das Gefühl, durch einen Wassertunnel zu rasen, der hinter ihm zusammenbrach und ihn mitreißen wollte, war unbeschreiblich.
Er war bereit. Noch wenige Sekunden, dann war es so weit.
Er paddelte mit den Beinen und machte sich zum Aufstehen bereit. Doch mitten in der Bewegung durchfuhr ihn ein tiefer, körperlicher Schock. Eine dunkle Gestalt, ein paar Blasen. Irgendetwas war da, unter ihm, und stieß gegen sein Brett.
Etwas packte seinen Knöchel mit brutaler Kraft und zog ihn unter Wasser.
Hai!
Das war sein erster, panischer Gedanke. Das Adrenalin schoss ihm so schnell durch die Adern, dass es ihm vorkam, als würde das Meer langsamer und die Wellen in einer seltsam schwebenden Zeitlupe auf ihn zukommen.
Ein Hai, ein Hai, ein Hai hatte ihn erwischt. Das Einzige, was er tun konnte, war, auf sein Brett zu klettern und zu hoffen, dass die Welle ihn retten würde. Wenn er es schaffte zu entkommen und sie zu reiten, hatte er vielleicht eine Chance zu überleben. Irgendwie musste er hier rauskommen.
Er stieß einen markerschütternden Schrei aus und zerrte an seinem Bein, so fest er konnte. Doch der Griff hielt stand, zog ihn nach unten, und er spürte einen messerscharfen Schmerz. Das Biest hatte ihn im Griff, und nun mischte sich in sein Adrenalin die dunkelste und ursprünglichste Angst.
Versuch es nochmal!, drängte ihn sein Verstand verzweifelt. Gib nicht auf!
Er biss die Zähne zusammen und zerrte erneut an dem, was sein Bein festhielt. Er wusste, dass Panik ihm jetzt nicht helfen und sein Kampf den Hai nur noch aggressiver machen würde. Aber es ging um Leben und Tod. Die Panik übermannte ihn, er kämpfte, spürte einen weiteren stechenden Schmerz weiter oben am Bein und riss es mit letzter Kraft los.
Er glaubte nicht, dass er es schaffen würde, aber irgendwie war sein Bein einen Moment später frei.
Es pochte und brannte, fühlte sich glitschig an, gleichzeitig kühl und warm. Er wusste, dass er schwer verletzt war. Er griff nach dem Rand des Brettes, die Welle war nur noch Sekunden entfernt. Sein Blut strömte ins Meer und bildete einen Brennpunkt für einen erneuten Angriff. Er wagte nicht, nach unten zu sehen. Den Schaden zu begutachten, würde nur Zeit kosten, die er nicht hatte und die er brauchte, um sich zu retten.
Keuchend und zitternd zog er sich auf das Brett hoch. Vielleicht würde er Zeit haben zu entkommen. Der Hai würde nicht sofort zurückkommen, er würde verwirrt sein, kreisen und nach dem nächsten Angriffspunkt suchen. Die Welle würde ihn retten, so wie sie es immer tat.
Bitte, fass mein Bein nicht an, stoß mein Brett nicht um. Er konnte sein verletztes Bein nicht belasten. Er versuchte, sein Gewicht auf das andere zu verlagern, und warf sich auf das Brett. Er spürte, wie die Welle ihn anhob und mitnahm, wie sie ihn fortriss, wie ihre Kraft und Macht ihm halfen, wegzukommen. Das Meer unter ihm wurde schneller, und die kalte Gischt peitschte ihm ins Gesicht.
Wo war der Hai? Hoffentlich weit hinten, im Meer kreisend, wo sich sein Blut auflöste, anstatt der Spur zum Ufer zu folgen.
Das Meer beschützte ihn, und er war dabei, einem Angriff zu entkommen, der ein Zufallstreffer gewesen sein musste. Wenn er nur die Untiefen erreichen könnte, wenn er nur das Ufer erreichen würde.
Aber das Ufer schien so weit weg zu sein. Es war seine Schuld, dass er so weit hinausgepaddelt war, in der Hoffnung, den größten und frühesten Brecher zu erwischen. Es kam ihm vor, als befände er sich in einem Tunnel. Nicht in einem, der von der Welle, sondern in einem, der vom Licht selbst geschaffen wurde. Die Dunkelheit schlich sich ein, verengte seine Sicht, so dass er das Gefühl hatte, die Nacht würde ihn in ihre Schwärze einhüllen.
Ein Gefühl der Schwäche durchflutete ihn, und er erkannte, dass etwas furchtbar schiefgelaufen war.
„Angeschwemmte Leiche. Toter am Strand. Wir brauchen Verstärkung am Fundort, an der Küste kurz hinter Camperdown Crest.”
Casey Faith war gerade nach einer morgendlichen Routinestreife entlang der Promenade wieder in ihren Streifenwagen gestiegen, als der Funkspruch hereinkam.
Sie überprüfte die Koordinaten, startete den Wagen und strich sich eine blonde Strähne aus dem Gesicht, die der heftige Herbstwind aus ihrem Pferdeschwanz gelöst hatte.
„Ich bin gleich da”, antwortete sie. „Gibt es weitere Details?”
Die Promenade, normalerweise eines der beliebtesten Ausflugsziele in Greenpoint, war an diesem Morgen ungewöhnlich ruhig - eine Folge des starken Windes, der seit dem Vorabend wehte. Der Tourismus flaute zum Ende des Sommers stets spürbar ab, und die wenigen Menschen, die dem kühlen Wind trotzten, um zu laufen oder zu joggen, waren größtenteils Einheimische.
„Der Typ trägt einen Neoprenanzug, sagt der Zeuge.”
Die Funkerin klang beunruhigt. Sie war recht neu in ihrem Job. Eine kleine Budgeterhöhung hatte es Caseys Chef, Polizeichef Warren Hendricks, ermöglicht, einige der Personallücken zu schließen, die durch das rasante Bevölkerungswachstum auf der Halbinsel entstanden waren.
„Ich bin in fünf Minuten vor Ort.”
Casey wusste, dass sie lakonisch ruhig klang, besonders im Vergleich zur nervösen Unruhe der Funkerin. Sechs Jahre Erfahrung als Militärpolizistin, die meiste Zeit davon bei Einsätzen in Krisengebieten im Nahen Osten, hatten sie gelehrt, Notfälle mit kühlem Kopf anzugehen. Zumindest meistens.
Sie hatte gedacht, ein ruhigeres Leben zu führen, als sie in ihre Heimatstadt Greenpoint, New Jersey, zurückkehrte, um dort zu arbeiten. Doch dem war nicht so. Greenpoint war nicht mehr das verschlafene, ländliche Idyll ihrer Kindheitserinnerungen. Es war jetzt viel lebhafter. Die wachsende Beliebtheit als Urlaubsort und Wohngegend mit hoher Lebensqualität zog Scharen von Touristen und Neubürgern an.
Das klang allerdings nicht nach einem Verbrechen. Eher nach einem Unfall, dachte sie, während sie losfuhr und dem Funkverkehr lauschte.
„Der Gerichtsmediziner ist unterwegs”, meldete die Funkerin.
„Ich bin in zehn Minuten da.” Diese Stimme gehörte dem großen, schlaksigen Alex Mercer, ihrem offiziellen Partner bei der Polizei. Aufgrund der Größe und Weitläufigkeit von Greenpoint arbeiteten sie selten zusammen und verbrachten den Großteil ihrer Schicht getrennt auf Streife.
„Ich gehe jetzt vor”, sagte sie, hängte das Funkgerät an ihren Gürtel und stieg aus dem Wagen. War es zu düster für ihre Sonnenbrille an diesem Morgen?
Auf keinen Fall, beschloss sie und setzte sie auf.
Als sie auf den windgepeitschten Sand starrte, musste sie unwillkürlich an jenen Tag vor neun Jahren denken, als sie erfuhr, dass ihre Schwester Harper ermordet worden war und ihre Leiche nur wenige Kilometer von hier entfernt am Strand gefunden wurde.
Die Welt der achtzehnjährigen Casey war damals aus den Fugen geraten, und danach schien alles nicht mehr so hell und freundlich wie in ihrer Erinnerung.
Sie hatte nie aufgehört, sich zu fragen, wer ihre Schwester ermordet hatte. Wer, wer nur konnte so etwas tun? Jetzt flammten die beunruhigenden Erinnerungen wieder auf. Der Mord hatte ihre Welt und die ihrer Eltern erschüttert. Danach fühlte sich ihr Zuhause nicht mehr wie ein Familienheim an. Es war zu einem Ort der Trauer geworden, erfüllt von unbeantworteten Fragen.
Casey und ihre Eltern hatten sich immer mehr voneinander entfremdet, während sie versuchten, mit der Tragödie fertig zu werden. Casey hatte das Gefühl, dass die Gesellschaft ihre Familie im Stich gelassen hatte, und rebellierte auf jede erdenkliche Weise: Sie ließ sich tätowieren, lief von zu Hause weg und hing mit einer Gruppe ab, die ihre Mutter als “zwielichtig” bezeichnete und ein paar Jahre älter war als sie. Sie wusste, dass sie nicht wirklich schlecht waren - nur kaputt, genau wie sie selbst.
Ohne Ziel und Motivation waren ihre Schulnoten in den Keller gerutscht, und schließlich hatte Casey Greenpoint verlassen. Sie war nach New York gefahren und hatte sich kurzerhand bei der Armee verpflichtet.
Ihre Eltern hatten sich mittlerweile scheiden lassen und waren beide aus der Gegend weggezogen. Der Kontakt zu ihnen war auf ein Minimum geschrumpft. Nell Sawyer, die inzwischen pensionierte Polizistin, die Casey vor acht Monaten bei ihrer Rückkehr nach Greenpoint und ihrem Eintritt in die Polizei unter ihre Fittiche genommen hatte, war für sie zu einer Art Ersatzmutter geworden.
Mit Mühe schob sie die Gedanken beiseite, als sie den schmalen Holzsteg zum Strand hinunterging. Dies war nicht der richtige Augenblick, um in Erinnerungen zu schwelgen, nicht wenn dort unten im Sand eine Leiche lag.
Zweifellos ein Surfer, wie sie feststellte. Sein Brett war ebenfalls angeschwemmt worden, ein altes, ramponiertes Stück, das schon viele Reisen ans Ufer hinter sich hatte. Es schaukelte im seichten Wasser hin und her.
Die Frau, die den Notruf getätigt hatte – zierlich und mittleren Alters, in einer grünen Windjacke und mit einem Golden Retriever an der Leine – stand am Rande des Strandes. Sobald Casey herunterkam, ging sie auf sie zu.
„Ich war nicht in der Nähe. Als ich ihn sah, dachte ich sofort, er müsse tot sein, weil er so reglos dalag und ich einen tiefen Riss in seinem Neoprenanzug bemerkte. Ich vermute, ein Hai hat ihn angegriffen, aber jetzt frage ich mich immer wieder, ob er vielleicht doch noch lebt”, murmelte sie zu Casey, und in ihren Augen und ihrer Stimme mischten sich Sorge und Angst.
Der Hund hingegen wedelte fröhlich mit dem Schwanz und hechelte.
„Keine Sorge, Sie haben alles richtig gemacht, indem Sie uns angerufen haben. Bitte bleiben Sie hier, bis wir mit Ihnen sprechen können”, beruhigte Casey sie routiniert und tätschelte dem Hund kurz den Rücken, bevor sie ihren Blick auf die dunkle, zusammengesackte Gestalt richtete. War er tot? Oder bestand durch ein Wunder noch Hoffnung?
Sie beschleunigte ihre Schritte und begann zu rennen, als ihre Stiefel den festen, feuchten Sand berührten.
Er lag mit dem Gesicht nach unten, und ihre erste Handlung war es, sein Handgelenk zu ergreifen und den Neoprenanzug zurückzuschieben, um nach Lebenszeichen zu suchen.
Sobald sie seine Haut berührte, wusste sie mit unerbittlicher Gewissheit, dass dieser Mann nicht mehr zu retten war. Er war eiskalt. Wenige Augenblicke später bestätigte das Fehlen eines Pulses, was ihre Berührung ihr bereits verraten hatte.
Wer war er?
Sie bewegte sich vorwärts, ihre Stiefel sanken nun in den Sand. Die Flut war auf dem Rückzug, aber ein paar kleine Wellen umspülten noch seine Füße.
Sein Neoprenanzug war an einigen Stellen am linken Bein zerrissen, und durch die Risse hindurch konnte sie tiefe, zerklüftete Wunden in seiner Haut erkennen. Sein Fleisch sah kreideweiß und blutleer aus.
Ein Haiangriff? Soweit sie wusste, hatte es auf dieser Halbinsel seit Jahrzehnten keine ernsthaften Hai-Attacken mehr gegeben.
Casey dachte einen Moment lang darüber nach, bevor sie seinen Kopf vorsichtig anhob und ihre Sonnenbrille abnahm, um ihn genauer zu betrachten.
Sein Gesicht war mit Sand verklebt, seine Augen waren leblos, aber ein Schauer des Erkennens und des Mitleids durchfuhr sie. Sie wusste, wer er war. Das war Mace Redwood. Jeder kannte ihn. Sie kannte ihn, seit sie ein kleines Kind gewesen war. Damals war er ihr wie ein Held erschienen - ein supercoller, waghalsiger Surfer, der Wettbewerbe gewann und der Liebling seiner großen Sponsoren war. Sein zerzaustes, blondes Aussehen und sein verwegenes Lächeln waren auf den Titelseiten von Zeitungen und Zeitschriften zu sehen gewesen. Er war mit vielen der lokalen Schönheiten abgelichtet worden und hatte sich für einige gute Zwecke, Spendenaktionen und Wohltätigkeitsveranstaltungen engagiert.
Als sie etwa elf oder zwölf Jahre alt war, hatte sie sich Hals über Kopf in ihn verknallt. Sie hatte alles über ihn gelesen, was sie finden konnte, und bewahrte sogar ein Foto von ihm zu Hause auf, das sie sorgfältig aus einer Zeitschrift ausgeschnitten und an ihren Schreibtisch geklebt hatte, wo sie es vom Bett aus sehen konnte.
Im Laufe der Jahre war er in ihrer Wahrnehmung und in der Öffentlichkeit immer mehr in den Hintergrund getreten. Sein Name war mit ein paar Drogenrazzien in Verbindung gebracht worden, er hatte ein oder zwei Nächte im Gefängnis verbracht und war in ein paar Schlägereien verwickelt gewesen. Die Schönheiten hatten sich von ihm abgewandt und seine Sponsoren waren weitergezogen.
Mit der Zeit, als sie in ihren späten Teenagerjahren heranwuchs, erkannte sie, dass ihr Kindheitsheld nicht der Mann war, für den sie ihn gehalten hatte, und dass er es vielleicht nie gewesen war.
Sie war ihm ein- oder zweimal begegnet, nach Harpers Ermordung und vor ihrem plötzlichen, rastlosen Entschluss, eine Stadt zu verlassen, die sich langsam wie ein kalter und unfreundlicher Ort anfühlte.
Er hatte nicht einmal gewusst, wer sie war, und als jemand erwähnt hatte, dass sie vor kurzem ihre Schwester verloren hatte, hatte er sich zu ihr umgedreht und den Kopf geschüttelt - der jetzt weniger strähnig und mehr zerzaust war, als sie ihn in Erinnerung hatte.
„Das tut mir leid zu hören”, hatte er ihr gesagt, und obwohl er ihre Hand mit seinen wettergegerbten, sonnengegerbten Fingern drückte, bevor er sich abwandte, war sie von der Leere in seinem Blick überrascht gewesen. Eine Qualität, die ihr verriet, dass er nie wirklich in der Lage gewesen war, sich um irgendetwas oder irgendjemanden zu kümmern, außer um das Meer und die Wellen.
Damals hatte sie sich über seine Reaktion geärgert, aber später, als sie an diesen Moment zurückdachte, hatte sie verstanden, dass es nicht seine Schuld war. Er war einfach, wie er war.
Jetzt war er fort.
Hinter ihr ertönten Schritte, und sie richtete sich auf und drehte sich um.
Ihr schlanker und langbeiniger Partner, Alex Mercer, kam auf sie zu. Seine dunklen Haare ließen seine hellblauen Augen noch intensiver erscheinen, als er auf sie zueilte.
„Morgen, Casey”, begrüßte er sie, während sein Blick bereits den Körper musterte.
„Das ist ein einheimischer Surfer, Mace Redwood. Ich kenne ihn schon seit Jahren”, sagte sie.
Alex nickte, aber er hatte keine Ahnung, was für eine Institution Mace zu seiner Zeit gewesen war. Alex war ein ehemaliger IT-Techniker aus Detroit, der mit Mitte zwanzig zur Polizei gegangen war und nur ein paar Monate nach Caseys Rückkehr hierher gezogen war. Er war neunundzwanzig, ein paar Jahre älter als sie. Nachdem sie ihn zunächst für einen Computerfreak gehalten hatte, hatte Casey ihre Meinung über ihn revidiert, nachdem sie vor ein paar Monaten mit ihm an einem schweren Fall gearbeitet hatte.
Jetzt runzelte Alex die Stirn. „Ist das ein Hai-Angriff?”, fragte er. „Das hat die Frau oben am Strand auch gesagt, als ich auf dem Weg nach unten war.”
„Ja, das dachte sie auch.”
„Das denke ich auch”, sagte er, beugte sich vor und betrachtete mit zusammengekniffenen Augen die wilden Risse im Neoprenanzug und die tiefen Wunden in seinem Bein. „Du nicht?”
Aber Casey hielt sich mit einem Urteil zurück.
„Da bin ich mir nicht so sicher”, sagte sie. „Wir haben den ganzen Sommer über keine Haibisse, keine Panik und nicht einmal Berichte über Haie gehabt, und jetzt das? Ich glaube nicht, dass wir vorschnell zu diesem Schluss kommen sollten.”
„Es kann sich nicht um eine Propellerverletzung handeln”, sagte Alex entschieden. „Davon haben wir in Detroit schon ein paar gesehen, die sich auf dem Fluss verletzt haben. Propellerverletzungen sehen nicht so aus.”
Casey schüttelte den Kopf.
„Haibisse auch nicht”, sagte sie.
„Aber es ist tief und zerklüftet? Was könnte es sonst sein?” Alex sah sie stirnrunzelnd an und beharrte darauf, dass seine Theorie richtig war.
Casey betrachtete die Wunde noch einmal, als der Gerichtsmediziner sich näherte. Sie wollte nicht, dass ihr Verdacht richtig war. Ein Haifischbiss wäre schlimm genug. Es würde bedeuten, dass eine Bedrohung vorhanden war, die seit vielen Jahren kein Problem mehr darstellte.
„Ich hätte erwartet, dass ein einzelner Haibiss eher ein Erkundungsbiss ist”, sagte sie und erinnerte sich an eine Weisheit ihres Vaters, der in seiner Jugend einige Jahre als Krankenhauspfleger in Florida gearbeitet hatte und sich selbst für einen Experten für Haiverletzungen hielt. „Das machen sie normalerweise, bevor sie zum Angriff übergehen. Ein Testbiss erfolgt normalerweise in der Wadengegend. Dieser Biss ist sehr tief und befindet sich ganz oben am Oberschenkel.”
„Also, was könnte es sein?” fragte Alex.
Casey zögerte, ihren Verdacht auszusprechen, weil er ein düsteres Szenario heraufbeschwor. Vor ein paar Monaten hatte es in dieser ruhigen, idyllischen Gemeinde eine Reihe von Morden gegeben. Nachdem dieser Fall gelöst war, wollte sie nicht glauben, dass es so bald einen weiteren geben könnte.
Zögernd sprach sie laut aus, was ihr Instinkt ihr sagte.
„Ich glaube, das wurde von einer Klinge verursacht”, sagte sie.
Casey stand im Sand und schlang fröstelnd die Arme um sich, während sie die Szenerie beobachtete. Der Wind heulte, wirbelte die Blätter der Bäume am Straßenrand auf und fegte den trockenen Sand über den Holzsteg.
Einige Meter entfernt beendete der Gerichtsmediziner seine Arbeit und bereitete den Abtransport der Leiche vor.
Am Fuße des Stegs hatte sich eine kleine Menschentraube gebildet. Dank der Jahreszeit und des stürmischen Wetters waren es hauptsächlich Einheimische.
„Jemand meinte, es sei ein Haiangriff gewesen”, rief einer der Umstehenden Casey zu.
„Wir warten auf weitere Details vom Gerichtsmediziner”, entgegnete sie.
„Ist es überhaupt sicher, ins Wasser zu gehen?” Diese Frage kam von einem Surfer, der mit seinem Brett in der Hand am oberen Ende der Promenade stand und die Szene beobachtete.
Eine berechtigte Frage.
„Heute wäre es besser, es zu vermeiden”, sagte Casey. Vorsicht war geboten. Auch wenn Mace nicht einem Hai zum Opfer gefallen war, hatte er im Wasser stark geblutet. Falls Haie in der Nähe waren, hätte der Geruch sie von weitem angelockt. Jetzt zu schwimmen, könnte zu riskant sein.
„Danke”, sagte er, drehte sich um und schlurfte mit hängenden Schultern zu seinem Auto zurück, enttäuscht, dass er nicht surfen konnte.
„Ist das Mace da unten? Jemand sagte, es sei Mace”, rief ein anderer.
Casey presste die Lippen aufeinander. Mace hatte einen Verwandten in Greenpoint. Seine Mutter war schon älter, und Casey vermutete, dass sie vor einigen Jahren in ein Pflegeheim gezogen war. Es war seltsam, wie die Erinnerungen aufflammten und wie klar sie sich an die Verbindungen und Beziehungen erinnerte, als wäre es gestern gewesen, als hätten die sechs Jahre dazwischen nie existiert. Auf jeden Fall musste seine Mutter informiert werden, bevor die Öffentlichkeit davon erfuhr.
Sie dachte wieder an die tiefe, klaffende Wunde.
Eine Klinge? Scheinbar unmöglich? Oder doch nicht?
Genauso unwahrscheinlich wie ein Haiangriff. Sie zitterte, der Wind ließ sie frösteln.
„Detective Faith?” Die tiefe Stimme des Gerichtsmediziners ließ sie aufhorchen, und sie drehte sich um.
„Ja?”, fragte sie.
„Die Obduktion wird es bestätigen”, sagte er nun sehr leise, „aber ich tendiere dazu, zuzustimmen, dass die Wunde zu tief und hoch ist, um von einem Hai zu stammen. Außerdem befinden sich die Schnitte nur auf einer Seite des Beins. Ein Hai hat Zähne in beiden Kiefern, also würde ich erwarten, dass die Wunden auf beiden Seiten des Beins sichtbar sind, was hier nicht der Fall ist.”
Sie nickte. Das ergab Sinn.
„Die Wunde hat seine Oberschenkelarterie verletzt, was sehr schnell zu einem starken Blutverlust geführt hat.”
„Glauben Sie, dass es gezielt dort platziert wurde?” Der Gedanke kam ihr sofort, auch wenn sie wusste, dass der Gerichtsmediziner wahrscheinlich nicht in der Lage war, ihr diese Antwort zu geben. Der Gerichtsmediziner würde sein Urteil erst nach der Autopsie fällen.
„Das kann ich nicht sagen”, erwiderte er. „Aber ich kann mit Sicherheit sagen, dass er keine Überlebenschance gehabt hätte, wäre er im Meer gewesen.”
Casey schüttelte den Kopf. Das war äußerst beunruhigend.
„Haben wir eine Todeszeit?”, fragte sie.
„Nach dem Eintauchen ins Wasser und dem Blutverlust kann ich das nicht genau bestimmen.” Der Gerichtsmediziner schüttelte bedauernd den Kopf. „Vielleicht kann der Pathologe mehr herausfinden.”
Oder vielleicht konnte Casey selbst es tun.
Sie ließ ihren Blick über den kleinen Strandparkplatz schweifen. Er war voll mit Autos, aber das Fahrzeug in der Bucht, die dem Gehweg am nächsten lag, war schon da gewesen, bevor sie eingetroffen waren. Es war ein alter Pickup, verrostet und verbeult, und als sie darauf zuging, entdeckte sie einen “I Love Surfing”-Aufkleber auf der Rückseite. Ein kurzer Blick auf die Oberseite des Vorderreifens zeigte ihr, wo die Schlüssel versteckt waren.
Ein kurzes Gespräch über Funk bestätigte die Identität des Besitzers als Mace Redwood, während sie das Auto umrundete und inspizierte.
In der Nacht zuvor hatte es leicht genieselt. Casey, die in einer Hütte wohnte, war vom Rauschen der Regentropfen aufgewacht, die durch die Blätter des großen Baumes fielen und aufs Dach prasselten. Das Autodach vor ihr war jedoch staubtrocken. Die Scheibenwischer lagen reglos da, kein einziger Tropfen war zu sehen.
Sie vermutete, dass Mace in aller Herrgottsfrühe hergekommen war, wahrscheinlich um ungestört surfen zu können. Aus den alten Zeitungsartikeln, die sie über ihn gelesen hatte, wusste sie, dass er ein Einzelgänger war, der die Wellen am liebsten für sich allein hatte.
Er war früh da gewesen, und jemand hatte ihn gesehen. Von einem Boot aus vielleicht, oder sogar von der Straße.
Casey erinnerte sich, dass sie keine Fußspuren im Sand gesehen hatte, zweifelte dann aber an ihrer Wahrnehmung. Die Flut war gekommen und gegangen. Etwaige Abdrücke könnten verwischt worden sein.
Falls es sich um einen Angriff handelte, tappten sie völlig im Dunkeln, was das Wie und Wann anging. Das Einzige, was sie mit Sicherheit wusste, war, dass ein Mann tot war und dass sie dem Gerichtsmediziner zustimmte: Ein Haiangriff schien unwahrscheinlich.
Alex kam mit sorgenvollem Blick zu ihr herüber, während die Leiche auf eine Bahre gelegt wurde.
„Wir müssen anfangen, in Mace Redwoods Leben herumzuschnüffeln”, sagte sie leise.
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Im Polizeirevier war es warm, und um halb neun herrschte im Hauptquartier von Greenpoint so viel Trubel wie selten zuvor. Vier Beamte saßen an ihren Schreibtischen, zwei weitere waren unterwegs, um Kollegen in anderen Revieren abzulösen. In der Luft hing der Duft von frischem Kaffee.
Der Schreibtisch von Chief Warren war verwaist. Ihr Chef war vermutlich noch in den anderen Revieren unterwegs. Er war ein Macher, der sich gerne persönlich davon überzeugte, dass alles wie am Schnürchen lief. Das schätzte sie an ihm. Sie kannte Warren schon seit einer Ewigkeit, und er war stets umsichtig und kompetent gewesen.
Bis auf jenen einen Tag, als er vor ihrer Haustür stand, um ihren Eltern von Harpers Tod zu berichten. Casey verdrängte diesen Moment noch immer. Es war eines der wenigen Male, dass sie Warren wirklich erschüttert und aus der Fassung gebracht erlebt hatte.
Dieser ungelöste Fall war Warren ein Dorn im Auge, denn er betrachtete ihn als Makel in seiner Karriere.
Um die Kälte aus ihren Gliedern zu vertreiben, ging Casey zur Kaffeemaschine und bereitete eine Tasse für sich und Alex zu. Er trank seinen Kaffee schwarz, ohne Zucker, ohne Sahne. Ein Purist. Sie stellte sich immer vor, wie er in seinen alten IT-Tagen literweise das bittere Gebräu in sich hineingeschüttet hatte. Sie selbst nahm einen Zucker und einen Schuss Sahne.
Mit den dampfenden Tassen in der Hand kehrte sie zu ihrem Schreibtisch zurück.
