Der Zauber in deinen Augen - Olaf Hauke - E-Book

Der Zauber in deinen Augen E-Book

Olaf Hauke

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Beschreibung

Als Hagen erfährt, dass seine Tochter eine Affäre mit einer Frau hat, setzt er alles daran, die beiden so schnell wie möglich auseinander zu bringen. Er ist trainiert darin, Intrigen zu spinnen und Menschen gegeneinander auszuspielen und zögert keinen Moment, diese Fähigkeiten gegen seine eigene Tochter einzusetzen- Bald hat er sein Ziel erreicht. Seiner Tochter wird er eine Traumhochzeit mit einem gut aussehenden jungen Mann bereiten, um die sie alle beneiden werden. Das lässt sich Hagen gerne eine Stange Geld kosten. Aber schafft er es, mit seinem Geld und seiner Hinterhältigkeit die Gefühle seiner Tochter zu manipulieren? Oder wird sie am Ende sein hinterhältiges Spiel durchschauen?

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Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Ende

Der Zauber in deinen Augen

Rainbow-Romance

Olaf Hauke

2022

Copyright 2022

Olaf Hauke

Greifswalder Weg 14

37083 Göttingen

Cover pretty sleepy 1

T. 01575-8897019

[email protected]

Kapitel 1

Die Tabletten machten müde, auch noch in den Tag hinein. Hagen hatte am Abend eine von ihnen genommen, um in der ersten Nacht in der neuen Umgebung etwas Schlaf zu finden. Er hatte noch einige von der Nachtschwester bekommen und sich in den Koffer gelegt.

Dann hatte er sich auf die ungewohnt harte Matratze gelegt und das kleine Kopfkissen, das schlaff unter seinem Ohr gelegen hatte, zweimal geknickt, bis es halbwegs seinen Nacken stützte.

Er war sich sicher, dass er keine Ruhe finden würde, weil sein Kopf immer noch einem rauschenden Fluss glich, durch den die Gedanken und Eindrücke der langen Fahrt dröhnten. Es war unmöglich, sie einfach wie eine Lampe mit einem Schalter auszulöschen.

Als er irgendwann hochschreckte, brach durch die hellgrauen Vorhänge das freundliche Licht des Vormittags. Das Kissen hatte sich unter seinem Ohr verabschiedet, lag irgendwo auf dem Boden. Sein Nacken fühlte sich steif an, seine Blase schien zum Platzen gefüllt. Mit schweren Schritten war er eine Weile orientierungslos im Raum herumgeirrt, bis er begriffen hatte, dass die Toilette in dem Gästehaus direkt an das Schlafzimmer grenzte und er nicht wie daheim noch über einen Flur laufen musste. In der Klinik dagegen hatte es nur einen großen Raum gegeben, breit genug, um auch mit einem Rollstuhl in die Toilette zu kommen.

Immerhin fühlte er sich jetzt leichter und entspannter. Sein Nacken schmerzte noch immer, trotzdem schlief er wenige Augenblicke, nachdem er das Kissen erneut zurecht gedrückt hatte, wieder ein. Es war so ungewohnt still, dachte er noch, dann verlor sich alles in einem dunklen, wohligen Nebel aus Vergessen.

Als Hagen erneut die Augen aufschlug, war das Licht hinter den Vorhängen klarer, drängender. Erneut drängte ihn die Blase aus dem Bett, doch dieses Mal legte er sich nicht wieder hin, sondern blieb am Rande des einfachen Bettes sitzen und starrte verloren auf einen dunklen Fleck in der Maserung des hellen Holzbodens.

Isi hatte nicht übertrieben, das Haus machte einen sauberen, freundlichen, wenn auch etwas sterilen Eindruck, auch wenn er sich im Augenblick nur an das Bad hier oben und den Schlafraum erinnern konnte. Die Möbel waren einfach, passten zu dem Holzboden. Der zweitürige Schrank, das Bettgestell, der Nachtisch, der kleine Tisch mit dem dekorativ schräg davor gestellten Stuhl, alles war aus den gleichen Pressspan-Platten mit weißem Überzug gearbeitet worden, es gab keine abgeschlagenen Kanten, in der Luft hing ein leicht süßlicher Geruch von Möbeln, die man anscheinend erst einige Wochen zuvor aufgestellt hatte. Über dem Bett hing ein Druck von Miro, eingerahmt in rotes Plastik, auf dem Tisch stand eine kleine, ebenfalls rote Vase, die ein wenig verloren wirkte neben dem kleinen Bleistift und dem Notizzettel, der so klein war, dass kaum drei Worte auf ein Blatt passten.

Hagen kratzte sich das unrasierte Kinn. Wenn er sich richtig erinnerte, musste er über zehn Stunden geschlafen haben. In seinem vorherigen Leben wäre das undenkbar gewesen. Aber dieses Leben hatte mit dem Zusammenbruch ein jähes Ende gefunden, so plötzlich, als hätte eine große, schwere Hand einen Schalter umgelegt und damit ein Licht gelöscht.

Dabei konnte sich Hagen weder an Schmerzen noch an etwas Anderes erinnern. Es war ein wenig so wie mit dieser Tablette vom Abend zuvor gewesen, nur dass er sich nicht auf den Absturz hatte vorbereiten können. Es war einfach Schluss gewesen, er musste, so hatte man es ihm zumindest später berichtet, einfach umgekippt sein.

Er selbst erinnerte sich nur an so etwas wie ein Dröhnen im Kopf, ein nicht enden wollendes Echo, das klang, als hätte man einen Gong in einem großen, langen Tunnel angeschlagen.

Und nun war er hier, nachdem alle Menschen um ihn herum lange genug festgestellt hatten, wie glücklich er sein musste, noch am Leben zu sein. War er darüber glücklich? Zu seinem eigenen Erstaunen nahm Hagen dieses Geschenk mit einer gewissen Gelassenheit hin. Einzig die Tatsache, dass, hätte er die Sache nicht überlebt, die Abstände auf seinem Grabstein zwischen Geburts- und Sterbedatum nicht einmal vierundfünfzig Jahre betragen hätten, hatte ihn stutzig werden lassen. Andererseits, er hätte die Zahlen ja nicht betrachten müssen.

Hagen stemmte sich auf die Beine und kratzte sich ausgiebig. Ein Blick in den Spiegel im Bad hatte ihm verraten, dass er erstaunlich blass und unrasiert aussah. Die Augen lagen tiefer als sonst in den Höhlen, waren rot und klein, die Lippen fühlten sich spröde und hart an.

Er hatte in den letzten Wochen fünf oder sechs Kilo abgenommen, seine Boxer-Shorts, die früher gut gesessen hatten, rutschten, als er den Rücken durchdrückte. Es war warm und stickig im Zimmer geworden. Hagen griff nach seiner Brille und zog die Vorhänge beiseite. Im letzten Moment wandte er sich ab, damit das Licht der Sonne ihn nicht in die müden Augen traf. Er entriegelte das Fenster, milde Luft strömte herein und vertrieb den Geruch der Nacht.

Direkt vor seinen Augen erstreckte sich im Hintergrund der See. Isi hatte sich mit Auswahl des Ferienhauses viel Mühe gegeben. Und auch wenn sie ihn nicht hatte bringen können, so wusste er, dass sie bereits vor einigen Tagen hier gewesen war und alles Mögliche für ihn besorgt hatte.

Die Sonne stand leicht schräg zum Fenster, so dass er, nachdem seine Augen die erste Müdigkeit überwunden hatten, über das Wasser schauen konnte. Rechts gab es eine kleine, mit Grün überwucherte Insel. Das Wasser reichte bis zum Horizont. Zu beiden Seiten des Horizonts sah er die Landschaft der ausladenden Bucht. Die kleinen Häuser lagen dicht an dicht, die Grundstücke hier waren, das wusste er, begehrt und teuer. Doch das war im Moment seine kleinste Sorge.

Noch im Krankenhaus hatte er Isi seine Karte für die Kosten geben wollen, doch sie hatte sich nur an die Stirn getippt. „Du kommst jetzt auf die Beine, das ist das Einzige, was ich will, verstanden?“ Und mit dem dunklen Blick, dem sie ihm anschließend zugeworfen hatte, schüchterte sie vermutlich sonst im Gerichtssaal den Ehemann ein, der seine Frau über Jahre hinweg betrogen hatte.

Das Schlafzimmer lag im ersten Stock, unten befanden sich die Küche mit einem Wohnraum, eine Art Arbeitszimmer und ein weiteres Bad. Hohe Hecken grenzten den schmalen, grünen Streifen zu den Nachbargrundstücken ab, obwohl man von hier oben jederzeit einen Blick zumindest zum linken Grundstück riskieren konnte. Aber leider lag dort keine leichtbekleidete Blondine, die sich in der Sonne räkelte.

In der Ferne zogen zwei Motorboote weiße Furchen durch das dunkle Grün des Wassers, ihr sanftes Brummen war bis hierher zu hören. Die Nachmittagswärme wirkte einschläfernd. Hagen streckte sich noch einmal, gähnte und schob die Brille gerade. Noch spürte er die Reste des Schlafmittels in seinem Blut und seinen Knochen.

Aber sein Magen meldete sich. Er hatte vermutlich gestern nichts gegessen außer diesem ekligen Riegel aus dem Automaten. Isi hatte mit Sicherheit die Küche bestückt, vor allem mit Dingen, die er nicht mochte. Er kannte den Geschmack seiner Tochter.

Eines der Boote drehte bei und schickte sich an, die Bucht zu verlassen. Hagen ließ das Fenster offen, griff sich ein Shirt und verließ das Schlafzimmer. Es gab einen kleinen Flur, kaum größer als ein Handtuch. Die breite Treppe führte nach unten und mündete in dem Wohnraum. Links lag die Küche, die im Grunde nur aus einer Kochzeile mit Spüle, einem kleinen Herd und einem Kühlschrank bestand. Wahrscheinlich ging man davon aus, dass die meisten Gäste oft essen gingen.

Auf dem Weg nach unten merkte Hagen, wie sehr ihn jede einzelne Stufe noch anstrengte. Er musste mit dem rechten Bein eine Stufe nehmen, dann zuerst das linke nachholen, eine Sekunde warten, dann kam die nächste Stufe. Hatte Isi ihm nicht erklärt, dass er an dieser Treppe jeden Tag üben sollte? Aber Isi hatte in den letzten Tagen so viel auf ihn eingeredet, wenn sie wie ein kalter Regenschauer über ihn hereingebrochen war, er konnte sich durchaus getäuscht haben.

Der Wohnraum erinnerte an Stil und Geruch dem oberen Stockwerk. Weiß war die vorherrschende Farbe. Es gab eine Sitzecke mit einem einfachen, schmalen Sessel gegenüber, eine Kommode, auf der ein riesiger Fernseher stand, einen weiteren Schrank, hinter dessen Glastüren man einigen Nippes gestellt hatte, vermutlich, um auf diese Weise so etwas wie Atmosphäre schaffen zu wollen.

Alles war neu und gepflegt. Aber hier zahlte man für die Lage, die Aussicht, das Wasser, nicht für geschmackvolle Möbel. Hagen wandte sich zur Küchenzeile. Es gab eine einfache Kaffee-Maschine, die Isi erstaunlicherweise nicht sofort entsorgt hatte. Aber er fand in den Schränken, die seine Tochter gefüllt hatte, selbstverständlich keinen Kaffee.

Ein Blick in den Kühlschrank genügte, um zu begreifen, wer ihn gefüllt hatte. Sofort hörte Hagen die langatmigen Kommentare seiner vegan lebenden Tochter, die für seinen Zusammenbruch natürlich sofort die passende Erklärung zur Hand gehabt hatte.

In biologisch abbaubares Wachspapier waren eigenartig aussehende weiße und graue Blöcke eingewickelt, die an Butter erinnerten, aber weder so rochen noch so schmeckten. Im unteren Fach gab es immerhin jede Menge Obst, das Hagen zuordnen konnte. Er nahm sich einen Apfel und biss hinein. Aber der säuerliche Geschmack ersetzte keine anständige Tasse Kaffee.

Auf der Küchenzeile stand ein länglicher Behälter, der eine Art Knäckebrot enthielt. Trocken war das Zeug nicht zu essen, es wurde im Mund immer mehr an Masse. Vermutlich konnte man damit auch Dichtungen ausbessern. Hagen suchte sich einen der weißen Blöcke, eine Art Käse-Ersatz, und kochte sich einen Tee, den Isi besorgt hatte. Er roch süßlich und doch leicht stechend in der Nase.

Auf jeden Fall würde er als Erstes einen Lieferdienst oder einen Supermarkt ausfindig machen müssen, sonst war er verhungert, noch ehe die Woche zu Ende sein würde. Wenigstens hätte er dann keine Rückfall.

Hagen zog sich einen Stuhl heran, der einsam neben der Küchenzeile stand. Er schob ihn neben den kleinen Herd, nahm sich die dampfende Tasse und sah nach draußen. Von hier aus sah man nur die Steinfliesen der Terrasse, die leergeräumt war bis auf einen großen, zusammengeklappten Sonnenschirm. Dahinter lag ein kurzgeschnittener, gepflegt wirkender Rasen. Der einzige Ausgang lag an der Stirnseite des Grundstücks. Dahinter lag das Ufer des Sees, bestehend aus großen, runden, grauen Steinen in verschiedenen Schattierungen. Der Rest des Grundstücks wurde von der Hecke abgegrenzt. Auch das Tor selbst war um die zwei Meter hoch, grün gestrichen und mit Sicherheit verschlossen.

Hagen erinnerte sich daran, dass Isi die Schlüssel irgendwo bei der Tür abgelegt haben musste.

Hagen nahm einen kleinen Schluck Tee, der leicht prickelnd auf seiner Zunge brannte. Wie lange genau hatte Isi das Haus für ihn gebucht? Sie hatte es ihm bestimmt gesagt, aber er hatte es vergessen. Zudem hatte sie ihm das Handy und das Tablet abgenommen. Normalerweise hätte er schon längst nach Nachrichten gesucht oder eine Vielzahl von Anrufen erhalten. Doch alles blieb still, der vertraute Klingelton, das Thema der alten ‚Miss-Marple‘-Filme war weit entfernt irgendwo verschlossen in Isis Schreibtisch.

Es würden herrliche Wochen, so hatte sie ihrem Vater erklärt. Hagen war bereits jetzt anderer Meinung. Er fühlte sich allein und abgeschoben. Als nächstes, so dachte er düster, kam ein einzelnes Zimmer irgendwo in einem Pflegeheim, wo eine dicke Schwester mit einer Warze am Kinn auf ihn einredete wie auf einen Säugling.

Angewidert stellte er den Tee auf eine der modernen Herdplatten, die sofort zu piepen begann. Hagen zuckte zusammen und beeilte sich, die Tasse in Sicherheit zu bringen. Dabei stand er zu schnell auf und spürte, wie sein Körper von einem deutlichen Schwindel erfasst wurde. Im letzten Moment konnte er sich am Herd abstützen und wieder auf den Stuhl sinken lassen. Mühsam schnaufte er durch und bemerkte, wie seine Beine zu zittern begonnen hatten.

Es würde ein langer Weg werden, das wurde ihm mit einem Mal klar. Und sofort begann er schmerzhaft, sein altes Leben zu vermissen, das er vermutlich in der für ihn bekannten Form nie wieder bekommen würde.

Kapitel 2

Der junge Mann tauchte ungefähr gegen halb Neun in der Frühe auf. Immerhin war Hagen bereits wach. Er hatte sich auf den Weg nach unten gemacht, als er plötzlich im Wohnraum stand und ihn mit breitem Grinsen anstrahlte. Er war knapp zwei Meter groß, unheimlich dünn und trug ein hellblaues Polo-Shirt zu einer weißen Hose. Das Namensschild wies ihn als einen Tobias aus, der für einen Pflegedienst arbeitete.

„Hi, ich bin der Tobi“, sagte er und eilte mit langen Schritten, um Hagen bei der letzten Stufe zu helfen. „Wie geht es uns heute Morgen?“ Während er Hagen zu dem Sessel führte, schielte er unauffällig auf seine schicke, bunte Armbanduhr.

„Oh Gott, ein Pflegedienst der fragt, wie es uns geht“, stieß Hagen wütend hervor. Aber von Tobi erntete er nur ein fröhliches Lachen.

„Ich habe Ihre Medikation für heute dabei“, sagte er und holte aus einer Tasche, die er neben dem Sessel abgestellt hatte, eine kleine Plastik-Box mit vier Tabletten heraus. „Brauchen Sie Hilfe beim Duschen?“

Hagen, normalerweise schlagfertig, klappte die Kinnlade herunter. Er brachte lediglich ein entsetztes „Nein“ heraus, was Tobi einen Anfall weiterer Heiterkeit auslöste. Er maß den Blutdruck, redete kurz mit Hagen, als wolle er sehen, ob Hagen noch wüsste, wie sein Name und welcher Tag heute war.

„Supi, das war’s schon, Sie sind mich los!“ Tobi lachten noch einmal eher grundlos auf. Er sprang auf die Beine, griff nach seiner Tasche. „Kann ich sonst noch was für Sie tun?“

„Wo finde ich hier in der Gegend einen Supermarkt?“ fragte Hagen und bemühte sich, die Bemerkung, die eigentlich auf seiner Zunge schlummerte, hinunter zu schlucken.

„Ich weiß nicht, ob Sie schon hinausgehen sollten. Die Straße runter ist ein kleiner Laden für die Gäste hier. Für die beiden Discounter brauchen Sie allerdings einen Wagen. Aber denken Sie an die Liste, die ich Ihnen gab. Da steht drauf, was Sie dürfen und was nicht. Wir wollen doch wieder auf die Beine kommen! Ich hatte vorhin schon gesehen, dass Sie eingekauft haben – sehr vernünftige Sachen!“ Wann das gewesen sein sollte, blieb sein Geheimnis. Vermutlich hatte er lediglich die Verpackung des teuren Bioladens und den merkwürdigen weißen Block gesehen..

Hagen kämpfte erneut mit einer Bemerkung, was der Pfleger missverstand. „Wenn Sie so weitermachen, wird das schon wieder, ehrlich, vertrauen Sie mir!“

Wieder lachte er auf, sah auf die Uhr und war wenige Sekunden später verschwunden. Hagen hörte einen Motor starten, noch ehe die Haustür wieder ins Schloss gefallen war.

„Das darf doch alles nicht wahr sein“, stieß er hervor, wütend auf sich und die Welt. Er musste unbedingt zu diesem Nachbarschaftsladen. Isi hatte ihm zum Glück nicht die Papiere und die Karten abgenommen, allerdings hatte er nur wenig Bargeld, höchstens fünf oder sechs Euros.

Er trank den kalten Tee vom Vortag, der nicht dazu beitrug, seine Laune zu heben. Sein Magen knurrte mittlerweile unüberhörbar, so nahm er sich noch ein wenig von dem Obst. Er merkte, dass die Schritte ihn ziemlich anstrengten. Es würde ein mühevoller Weg werden, wenn er in der Wärme des späten Vormittags zu dem Laden laufen wollte. Außerdem musste er die eingekauften Waren zurück zu seinem Haus schaffen.

Hagen stieß einen lauten Fluch aus und machte sich daran, wenigstens die Tür zur Terrasse zu öffnen. Nicht einmal das hatte der eilige Tobias geschafft. Es kostete ihn seine ganze Kraft, den einsamen Stuhl langsam, Stück für Stück, nach draußen zu schieben. Allerdings blieben die Beine an der Schwelle der Tür hängen, der Stuhl drohte zu stürzen.

Stöhnend ließ sich Hagen auf die Sitzfläche sinken, er saß halb draußen, halb drinnen. Er rieb sich müde über das Gesicht. Was war in den letzten Wochen nur aus ihm geworden? Er wusste nicht, ob er lachen oder weinen sollte. Aber im Augenblick musste er auf alle Fälle Kräfte sammeln um im wahrsten Sinne des Wortes wieder auf eigenen Beinen stehen zu können.

Immerhin fielen die warmen, hellen Sonnenstrahlen auf sein Gesicht und schienen ihn förmlich zu streicheln. Er schloss die Augen und hörte, wie sich zwei Vögel lautstark am Himmel zankten. Etwas raschelte im Gras und lief mit flinken Schritten über die Wiese. Hagen sah nicht, ob es ein Eichhörnchen oder eine Katze war.

„Hagen!“

Hagen öffnete ruckartig die Augen und überlegte, ob er eingeschlafen war. Sein Kopf zuckte nach vorne, er blinzelte in die Sonne und fühlte, dass sich sein Gesicht erwärmt hatte.

„Hagen, was ist los?“

Er schirmte den Blick mit der Hand ab und erkannte die Gestalt, die am Ende des Rasens am Tor rüttelte. Es war also wirklich abgeschlossen. Hagen brauchte einen Moment, ehe er sich genug gesammelt hatte, um zu antworten.

„Lauf ums Haus, ich mache die Haustür auf!“ rief er mit erschreckend rauer Stimme. Langsam erhob er sich und schlich durch den Wohnraum. Die Schlüssel hingen an einem Haken neben der Tür, er brauchte jedoch nur die Klinke zu drücken, um sie zu öffnen.

---ENDE DER LESEPROBE---