Ein Papa und drei kleine Helden - Carina Lind - E-Book

Ein Papa und drei kleine Helden E-Book

Carina Lind

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Beschreibung

In diesen warmherzigen Romanen der beliebten, erfolgreichen Sophienlust-Serie wird die von allen bewunderte Denise Schoenecker als Leiterin des Kinderheims noch weiter in den Mittelpunkt gerückt. Denise hat inzwischen aus Sophienlust einen fast paradiesischen Ort der Idylle geformt, aber immer wieder wird diese Heimat schenkende Einrichtung auf eine Zerreißprobe gestellt. Diese beliebte Romanserie der großartigen Schriftstellerin Patricia Vandenberg überzeugt durch ihr klares Konzept und seine beiden Identifikationsfiguren. »Ich glaube, da kommt Jacqueline Christmann, unsere neue Praktikantin«, sagte Ramon und sah zu seinem Chef hinüber, der wie gewohnt vor seinem Computer saß. Richard blickte nur kurz aus dem Fenster. »Aha, sie fährt einen blauen Volkswagen«, stellte Richard fest und wandte sich wieder seiner Arbeit zu. Erst als er hörte, wie draußen die Wagentür zufiel, sah er noch einmal hinaus, – und dabei fühlte er, wie eine siedendheiße Welle durch seinen Körper brandete. Donnerwetter!, schoss es ihm in den Kopf, das hätte ich nicht erwartet! Als es kurz darauf in Richards Architekturbüro klingelte, eilte Ramon zur Tür, um Jacqueline zu öffnen. Anschließend führte Ramon sie zu Richards Schreibtisch. Als Richard Jacqueline zur Begrüßung die Hand reichte und ihren warmen Händedruck spürte, war es bereits um ihn geschehen. Wie ist so etwas möglich, dachte er, man kann sich doch nicht Knall auf Fall in jemanden verlieben! Richard hatte alle Mühe, reserviert zu bleiben, als er einen Stuhl für Jacqueline heranrückte, damit sie vor seinem Schreibtisch Platz nehmen konnte. Nachdem Jacqueline sich gesetzt hatte, griff er nach einem Stapel Papiere, der vor ihm auf dem Schreibtisch lag und blätterte ihn durch. Das verschaffte ihm einen Moment Ruhe, in dem er sich wieder sammeln konnte. Richard zog Jacquelines Bewerbungsschreiben heraus, um es noch einmal zu überfliegen, dann sagte er: »Ich freue mich, dass Sie heute Ihr Praktikum in meinem Architekturbüro beginnen. Mein Mitarbeiter und ich hoffen auf eine gute, gedeihliche Zusammenarbeit.« Kaum hatte er dies gesagt, hätte sich Richard am liebsten auf die Zunge gebissen. Was war das doch für ein steifes Statement gewesen! Und dann dieses Wort, – gedeihlich!

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Seitenzahl: 129

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Sophienlust - Die nächste Generation – 90 –

Ein Papa und drei kleine Helden

Unveröffentlichter Roman

Carina Lind

»Ich glaube, da kommt Jacqueline Christmann, unsere neue Praktikantin«, sagte Ramon und sah zu seinem Chef hinüber, der wie gewohnt vor seinem Computer saß. Richard blickte nur kurz aus dem Fenster. »Aha, sie fährt einen blauen Volkswagen«, stellte Richard fest und wandte sich wieder seiner Arbeit zu. Erst als er hörte, wie draußen die Wagentür zufiel, sah er noch einmal hinaus, – und dabei fühlte er, wie eine siedendheiße Welle durch seinen Körper brandete. Donnerwetter!, schoss es ihm in den Kopf, das hätte ich nicht erwartet!

Als es kurz darauf in Richards Architekturbüro klingelte, eilte Ramon zur Tür, um Jacqueline zu öffnen. Anschließend führte Ramon sie zu Richards Schreibtisch. Als Richard Jacqueline zur Begrüßung die Hand reichte und ihren warmen Händedruck spürte, war es bereits um ihn geschehen. Wie ist so etwas möglich, dachte er, man kann sich doch nicht Knall auf Fall in jemanden verlieben!

Richard hatte alle Mühe, reserviert zu bleiben, als er einen Stuhl für Jacqueline heranrückte, damit sie vor seinem Schreibtisch Platz nehmen konnte. Nachdem Jacqueline sich gesetzt hatte, griff er nach einem Stapel Papiere, der vor ihm auf dem Schreibtisch lag und blätterte ihn durch. Das verschaffte ihm einen Moment Ruhe, in dem er sich wieder sammeln konnte.

Richard zog Jacquelines Bewerbungsschreiben heraus, um es noch einmal zu überfliegen, dann sagte er: »Ich freue mich, dass Sie heute Ihr Praktikum in meinem Architekturbüro beginnen. Mein Mitarbeiter und ich hoffen auf eine gute, gedeihliche Zusammenarbeit.«

Kaum hatte er dies gesagt, hätte sich Richard am liebsten auf die Zunge gebissen. Was war das doch für ein steifes Statement gewesen! Und dann dieses Wort, – gedeihlich! Was für ein altmodischer Ausdruck! Richard atmete einmal tief durch, ehe er weitersprach: »Ramon wird Sie gleich in unsere Arbeitsabläufe einweisen. Ihr Arbeitsplatz ist übrigens dort drüben.« Richard zeigte auf einen Schreibtisch, der seinem schräg gegenüberstand. Dabei klopfte sein Herz bis zum Hals, und das so heftig, dass er einige Male schlucken musste. Also versuchte Richard, eine betont lässige Miene aufzusetzen, als er fortfuhr: »Neben der Büroarbeit werden Sie auch viel im Außenbereich zu tun haben. Vor allem auf unserer wichtigsten Baustelle in Hainbühl. Doch bevor es für Sie losgeht, habe ich noch eine Frage.« Richard blickte noch einmal auf Jacquelines Bewerbungsschreiben, dann wollte er wissen, wieso sie ihr Architekturstudium erst mit achtundzwanzig Jahren abgeschlossen hatte.

»Ich habe mein Abitur mit achtzehn gemacht«, lächelte sie. »Eigentlich sollte ich danach sofort studieren, so hätte es mein Vater gewollt. Doch ich hatte ganz andere Pläne. Ich wollte erst einmal eine Weltreise unternehmen, und das habe ich dann auch getan.«

Eine Weltreise auf Papas Kosten?, dachte Richard, doch er sprach es nicht aus. Dennoch schien Jacqueline seine Frage erraten zu haben. »Kurz vor meinem Abitur ist meine Patentante verstorben«, sagte sie nämlich. »Sie hat mir eine überraschende Erbschaft vermacht. Davon konnte ich meine Reise locker bezahlen. Einmal um die ganze Welt, hinauf in die Höhen Tibets, am chinesischen Dian-Chi-See entlang und durch die Wälder von Kanada. Ich bin so froh, dass ich mir diese Reise und die damit verbundenen Erlebnisse gegönnt habe! Sonst hätte ich das, was danach passiert ist, kaum überstanden.«

Jacqueline legte eine Pause ein, in der sie Richard auf eine sehr seltsame Weise ansah. Nein, eigentlich schien sie ihn plötzlich gar nicht mehr wahrzunehmen, sie blickte durch ihn hindurch, ganz so als sei er aus Glas. Mit einem Seufzer fuhr sie schließlich fort: »Kaum war ich wieder zu Hause, hatte ich einen schrecklichen Motorradunfall. Doch darüber möchte ich jetzt nicht sprechen. Nur so viel, – es folgten ein langer Krankenhausaufenthalt, mehrere Operationen, danach die Reha-Klinik. In dieser Zeit waren es meine Reiseerinnerungen, die mich über Wasser gehalten haben. Von ihnen konnte ich sehr lange zehren. Ohne sie wüsste ich gar nicht, wie ich alles durchgehalten hätte. Aber egal, das ist ja nun vorbei. Nachdem ich wieder gesund war, habe ich ein Studium in Geschichte angefangen. Aber das hat mir gar nicht gefallen, also habe ich auf Architektur umgesattelt. Acht Semester Bachelorstudium, dann noch vier Semester für den Masterstudiengang. Aber das wissen Sie ja. Steht alles in meinen Unterlagen.«

»Ich verstehe«, sagte Richard und nickte Jacqueline freundlich zu. Dann winkte er Ramon heran. Er sollte Jacqueline zu ihrem Arbeitsplatz führen und sie in alles einweisen.

*

Die Arbeit in Richards Architekturbüro gefiel Jacqueline sehr. Im Büro herrschte eine lockere, entspannte Atmosphäre, selbst wenn es manchmal turbulent zuging. Ramon war ein lustiger Typ, und auch Richard liebte es, die Stimmung mit einem Scherz aufzulockern. Schon bald waren Richard, Jacqueline und Ramon dazu übergegangen, sich zu duzen.

Jacqueline fühlte sich in Richards Nähe durchaus wohl. Doch wann immer er versuchte, ein wenig mit ihr zu flirten, zeigte sie sich betont abweisend. Jacqueline hatte gerade erst eine verstörende Trennung hinter sich gebracht und sie noch längst nicht verschmerzt. Während ihres Architekturstudiums hatte sie Thomas kennengelernt, und sie waren in eine gemeinsame Wohnung gezogen. Thomas hatte ihr sogar einen Heiratsantrag gemacht, den sie nur allzu gern annahm. Doch als sie mit den Hochzeitsvorbereitungen beginnen wollte, war Thomas plötzlich verschwunden. Von einem Tag auf den anderen, ohne ersichtlichen Grund. Dann hatte er über WhatsApp mit ihr Schluss gemacht, eine absolute Frechheit, wie Jacqueline fand.

So schnöde sitzen gelassen, wollte Jacqueline mit den Herren der Schöpfung nichts mehr zu tun haben, nichts, aber auch gar nichts. Zumindest nicht zum jetzigen Zeitpunkt, so kurz nach der Trennung von Thomas. Deshalb empfand sie Richards gelegentliche Avancen als Affront. Außerdem war Richard etliche Jahre älter als sie. Ein Mann wie er ist natürlich verheiratet, dachte Jacqueline. Nachfragen wollte sie natürlich nicht. Das wäre ihr peinlich gewesen.

Nachdem Jacqueline ihm mehrmals die kalte Schulter gezeigt hatte, beschloss Richard, jeden noch so dezenten Annäherungsversuch zu unterlassen. Richard war ein ehrenwerter Mann, er wollte Jacqueline nicht brüskieren. Im Stillen konnte er ihre Gegenwart dennoch sehr genießen. Wann immer er und Jacqueline im Büro zusammen waren, fühlte er sich wie beschwingt. Die Arbeit fiel ihm dann so leicht wie nie zuvor. Ihre Nähe tat ihm so gut, dass ihm die Ideen für seine Projekte wie von selbst zuflogen. Wenn er trotzdem einmal nicht weiterkam, blickte er von seinem Schreibtisch auf und sah zu ihr hinüber. Wenn sich dabei zufällig ihre Blicke trafen, war es für ihn, als ginge die Sonne auf.

Eines Tages kam Richard nicht zur gewohnten Zeit ins Büro, was ziemlich sonderbar war. Normalerweise war er morgens immer der Erste. »Vielleicht hat er einen Außentermin?«, meinte Jacqueline, doch Ramon schüttelte seinen Kopf. »Nein«, sagte er. »Für heute steht nichts an.« Trotzdem blickte Ramon in den Terminkalender, nein, es war tatsächlich nichts eingetragen.

»Es wird ihm doch wohl nichts passiert sein?«, fragte Jacqueline. Dabei klang ihre Stimme ziemlich besorgt.

»Ach was, wahrscheinlich hat er sich nur eine kleine Auszeit gegönnt.« Ramon wandte sich wieder dem Architekturmodell zu, das auf einem großen Tisch mitten im Büro stand.

»Eine Auszeit? Das sieht ihm aber gar nicht ähnlich. Und überhaupt, – irgendwie habe ich so ein komisches Gefühl. Ich glaube, es ist ihm doch etwas passiert. Du solltest ihn einmal anrufen, Ramon.«

»Du hast ein komisches Gefühl?«, grinste Ramon. »Ich wusste noch gar nicht, dass du telepathische Fähigkeiten hast, Jacqueline.«

Genau in diesem Moment schrillte das Telefon. Ramon ging zu seinem Schreibtisch und nahm das Mobilteil ab. »Ach, du bist es, Richard«, sagte er. »Wo bleibst du denn? Wir haben dich schon vermisst.« Dann sagte Ramon eine ganze Weile nichts mehr, es war Richard, der jetzt sprach. Jacqueline konnte seine Stimme durch das Telefon erkennen, allerdings nicht verstehen, was er sagte. Und das verunsicherte sie sehr, plötzlich wich nämlich alle Farbe aus Ramons Gesicht. Er wurde ganz blass, regelrecht bleich. Dann stieß Ramon auch noch ein erschrecktes »Ach du meine Güte!« hervor, dem bald darauf ein »Das darf doch wohl nicht wahr sein!« folgte.

Richard ist also etwas zugestoßen!, dachte Jacqueline. In der Hoffnung, doch etwas von dem verstehen zu können, was Richard sagte, wollte sie näher an Ramon heranrücken. Aber der fing plötzlich an, durch das Büro zu laufen. »Wie soll es denn jetzt weitergehen?«, fragte Ramon aufgeregt. »Wie lange musst du bleiben? ... Ach so, du willst gar nicht bleiben? ... Kannst du denn einfach weggehen? ... Okay, gehen geht natürlich nicht ... Sorry, dass ich einen Witz gemacht habe ... Soll ich dich abholen?« Danach sagte Ramon nur noch »Hmm« und »Ach ja« und »Okay, ich verstehe.«

Als das Gespräch endlich beendet war, blickte Jacqueline Ramon mit geweiteten Augen an. »Was ist denn los?«, wollte sie wissen. »Ist etwas Schlimmes passiert!«

»Richard hat sich einen Bänderanriss am Fuß zugezogen«, sagte Ramon. »Er ist vor seinem Haus auf dem Gehweg gestürzt. Man hat ihn nach Maibach ins Krankenhaus gebracht.«

»Und jetzt muss er dort bleiben?«

»Dr. Gerlach, sein Arzt, hätte ihn tatsächlich am liebsten dabehalten. Zumindest für ein paar Tage. Doch Richard will das auf gar keinen Fall. Sein neues Projekt ist ihm so wichtig, dass er wieder ins Büro kommen will. Er hat darauf bestanden, dass er sofort eine Orthese bekommt. Das ist eine Art Schiene mit Bandagen, mit denen der Fuß ruhiggestellt wird.«

»Ich weiß. Nach meinem Motorradunfall habe ich so etwas im Krankenhaus gesehen. Meine Zimmernachbarin hatte nämlich auch eine Orthese. Aber eine Orthese muss doch maßgefertigt werden. Das dauert doch seine Zeit.«

»Richard hat mir erklärt, dass es auch Fertigprodukte gibt. Man ist gerade damit beschäftigt, das Passende für ihn zu finden ...«

»... und dann kann er mithilfe von Krücken laufen?«

»So ist es. Ich werde ihn nachher aus dem Krankenhaus abholen.«

»Aber das kann ich doch machen«, sagte Jacqueline. »Ich muss heute Nachmittag sowieso nach Maibach zum Katasteramt.«

»Okay, wenn du meinst.« Ramon nickte Jacqueline zu. Dann verschwand er in der kleinen Küche, die zu Richards Architekturbüro gehörte. Auf den Schreck musste erst einmal eine Tasse Kaffee trinken.

*

In der folgenden Zeit konnte Richard nicht selbst Auto fahren. Deshalb war er auf ein Taxi angewiesen, oder er ließ sich von Ramon oder Jacqueline kutschieren. Mit Jacqueline zu fahren war ihm natürlich das Liebste. Auch heute waren sie wieder zusammen unterwegs, und das sogar den ganzen Tag lang. Zuerst mussten sie nach Pfalzbrüggendorf zum Bauamt, anschließend zu Richards Baustelle nach Hainbühl. Reichlich Zeit also, um während der Fahrt mit Jacqueline zu plaudern, zu lachen und zu scherzen.

Auf der Baustelle fiel es Richard schwer, mit seiner Schiene und den Krücken herumzulaufen, deshalb übernahm Jacqueline die meiste Arbeit. Richard staunte nicht schlecht, als er sah, wie nonchalant sie mit den Bauarbeitern umging. So selbstbewusst und gleichzeitig freundlich, dass alle ihr den nötigen Respekt zollten.

Anschließend lud Richard Jacqueline in Hainbühl zum Essen ein, doch sie lehnte dankend ab. Sie hatte sich nämlich nach Feierabend mit ihrer Freundin Katja verabredet. Also holte Jacqueline nur ein paar Currywürstchen und Pommes Frites in einer Imbissstube, dann fuhr sie mit Richard zurück ins Büro. Als sie dort ankamen, war Ramon bereits nach Hause gegangen. Richard hingegen wollte noch bleiben. Er war in bester Stimmung, die wollte er ausnutzen und noch ein bisschen arbeiten.

Jacqueline blieb einen Moment unschlüssig im Büro stehen, dann verabschiedete sie sich, um nach Maibach zu fahren und ihre Freundin zu treffen. Nachdem Jacqueline gegangen war, rief Richard zu Hause an und erklärte, dass er später kommen würde als gewohnt.

»Dann soll ich also mal wieder länger arbeiten?«, fragte Caroline gereizt. »Und wann kommen Sie dann, Herr Rothenbeck?«

»Ich brauche noch ungefähr zwei Stunden. Die werde ich Ihnen natürlich extra bezahlen.«

»Na gut, wenn’s denn sein muss«, knurrte Caroline. Richard war diesen Ton schon gewohnt, also reagierte er gar nicht darauf. Immerhin war er auf Caroline angewiesen, sie kümmerte sich nämlich um seinen Haushalt. Das Wichtigste war natürlich, dass sie auch seine Kinder betreute, wenn er arbeiten musste. Caroline brachte sie morgens zur Grundschule nach Bachenau und holte sie mittags wieder ab. Sie kochte für seine Kinder und half ihnen bei den Hausaufgaben. Manchmal brachte sie die Kinder auch abends zu Bett. Das allerdings tat sie nicht gerne, sie wollte nämlich abends immer so schnell wie möglich nach Hause, um mit ihrem Freund, der in Hamburg wohnte, zu telefonieren. Wahrscheinlich telefonierte sie auch während ihrer Arbeitszeit mit ihm, aber darüber mochte Richard nicht weiter nachdenken, es hätte ja eh keinen Zweck gehabt.

Nachdem das Gespräch beendet war, strich Richard Caroline aus seinen Gedanken. Stattdessen dachte er wieder an Jacqueline. Der heutige Tag mit ihr hatte ihn so beflügelt, dass ihm die Arbeit an seinem neusten Projekt so leicht von der Hand ging, wie nie zuvor. Bald hatte er die Zeit komplett vergessen. Deshalb war es schon recht spät, als er sich endlich ein Taxi für die Heimfahrt bestellte.

Während der Fahrt blickte Richard die ganze Zeit über aus dem Fenster. Er konnte nicht aufhören, an Jacqueline zu denken, von ihr zu träumen. Ihr strahlendes Lächeln, ihr hübsches Gesicht, ihre angenehme Stimme ... wenn er ehrlich zu sich selbst war, dann musste er zugeben, dass er bis über beide Ohren verliebt war. Gleichzeitig war er sich auch darüber im Klaren, dass er mit Sicherheit keinerlei Chance bei ihr hatte. Richard war zwölf Jahre älter als Jacqueline. Aus ihrer Sicht war er wahrscheinlich ein alter Mann. Dazu ein alleinerziehender Vater mit drei siebenjährigen Kindern. Und dennoch, so dachte Richard, Hoffnung kann man sich natürlich trotzdem machen!

*

Nach einer knappen Viertelstunde hatte das Taxi Richards Haus erreicht, das er mit seinen Kindern in Weilenberg bewohnte. Nachdem er sich aus dem Wagen gequält hatte, war Richard in so guter Stimmung, dass er am liebsten wie ein kleiner Junge über den Gartenweg gehüpft wäre. Aber das war mit seinen Krücken natürlich nicht möglich. Als Richard die Haustür erreichte, sah er Caroline am Fenster stehen. Wahrscheinlich hatte sie ihn bereits voller Ungeduld erwartet.

Kaum hatte Richard den Hausflur betreten, da kam seine kleine Tochter aus dem Kinderzimmer gestürmt. Jenny hatte bereits im Bett gelegen, aber noch nicht geschlafen, und nun wollte sie den Papa begrüßen. Jenny wusste sehr genau, dass sie vorsichtig sein musste, als sie sich an den Papa schmiegte. Immerhin hatte er einen Humpelfuß, wie sie es nannte, und war deshalb ziemlich wackelig auf den Beinen. Es dauerte nicht lange, da kamen auch Luca und Noah in den Flur. Genau wie Jenny trugen sie schon ihre Schlafanzüge. Auch sie wollten den Papa natürlich begrüßen. Mit einem Lächeln betrachtete Richard seine niedlichen Drillinge, dann küsste er jeden seiner Lieblinge auf das Haar. Schließlich humpelte er in das Wohnzimmer, wo er sich auf das Sofa setzte und seinen Fuß hochlegte. Richard machte es sich so richtig bequem, dann griff er nach dem Teller mit den Butterbroten, den Caroline für ihn auf den Couchtisch gestellt hatte. Jenny setzte sich zum Papa auf das Sofa. Luca und Noah quetschen sich zusammen in einen Sessel. Dann gab es für die Kinder kein Halten mehr. Vergnügt und munter fingen sie an, dem Papa alles zu erzählen, was sie heute erlebt hatten.