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Lustspiele, Komödien, Tragödien, Dramen – viele klassische Werke sind für die meisten Menschen heute Bücher mit sieben Siegeln. Insbesondere die altertümliche Sprache und der sprachliche Aufbau als Bühnenstück lassen nicht nur Schülerinnen und Schüler verzweifeln. Die Reihe "Kein Drama" bringt alte Klassiker in Prosa neu heraus. So werden sie endlich für jede und jeden verständlich. Inhaltlich bleiben die Neufassungen stets dicht am Original. Daher sind teilweise Begriffe enthalten, die heute gemeinhin als diskriminierend wahrgenommen werden. Auch die Struktur ist jeweils abhängig von der genutzten Vorlage – daher sind missverständliche Passagen unvermeidlich.
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Seitenzahl: 108
Veröffentlichungsjahr: 2025
Die Personen von "Don Carlos"
Eine moderne Einführung in Schillers Drama
Am spanischen Königshof des 16. Jahrhunderts entfaltet sich ein Drama von Liebe, Macht und Verrat. Junge Idealisten treffen auf eiskalte Machtpolitiker, verbotene Gefühle prallen auf höfische Etikette, und am Ende steht die Frage: Was wiegt schwerer - die Liebe oder die Krone?
Kapitel 1: Die Spieler betreten die Bühne
Der Palast in Madrid gleicht einem Schachbrett, auf dem jeder seine eigene Partie spielt. Im Zentrum dieser Geschichte steht Don Carlos, dreiundzwanzig Jahre alt und Kronprinz von Spanien. Ein junger Mann, der nachts nicht schlafen kann, weil ihn ein Geheimnis quält, das sein Leben zerstören könnte.
"Ich kann nicht länger schweigen", flüstert er in die Dunkelheit seines Gemachs. "Diese Gefühle zerreißen mich innerlich." Carlos liebt eine Frau, die er niemals haben darf - Elisabeth von Valois, seine Stiefmutter. Die junge Französin, kaum zwanzig Jahre alt, war einst ihm versprochen. Doch die Politik entschied anders: Sie wurde die Gemahlin seines Vaters, um den Frieden zwischen Spanien und Frankreich zu besiegeln.
Elisabeth selbst ist eine tragische Figur, gefangen zwischen zwei Männern, die sie auf unterschiedliche Weise lieben. "Die Krone bringt Macht", sagt sie oft zu ihren Hofdamen, "aber auch Einsamkeit und Entscheidungen, die das Herz brechen." Sie versucht verzweifelt, ihre Rolle als Königin zu erfüllen, während die Erinnerung an ihre erste Liebe sie nicht loslässt.
Kapitel 2: Der König und sein Schatten
König Philipp II. herrscht über ein Weltreich, in dem die Sonne niemals untergeht. Ein Mann mittleren Alters, dessen Gesicht von den Lasten der Macht gezeichnet ist. In den prächtigen Sälen seines Palastes fühlt er sich einsamer als jeder Bettler auf Madrids Straßen.
"Ein König muss harte Entscheidungen treffen", erklärt er seinem Beichtvater Domingo, "auch wenn sie das eigene Herz zerbrechen." Domingo nickt verständnisvoll, doch hinter seiner frommen Miene verbirgt sich ein Machtmensch, der seine Position geschickt für eigene Intrigen nutzt.
Das Verhältnis zwischen Vater und Sohn ist zerrüttet. Philipp sieht in Carlos nicht den Erben, sondern einen Rivalen - jung, leidenschaftlich und bei Elisabeth beliebt. Misstrauen vergiftet jede Begegnung zwischen ihnen.
Kapitel 3: Der Idealist und die Intrigantin
In diesem Spiel der Macht gibt es nur einen Menschen, dem Carlos bedingungslos vertraut: Rodrigo, den Marquis von Posa. Mit seinen fünfundzwanzig Jahren ist er ein Träumer und Kämpfer zugleich, ein Malteserritter, der von Freiheit für die unterdrückten Niederlande träumt.
"Wahre Freundschaft zeigt sich in den schwersten Stunden", versichert er Carlos immer wieder. Posa ist bereit, alles zu opfern - sein Leben, seine Ehre, sogar seine Freundschaft - für das höhere Ideal der Freiheit. Seine Eloquenz und sein Charisma machen ihn zu einer faszinierenden, aber auch gefährlichen Figur am Hof.
Während Posa für die Freiheit kämpft, brennt die Prinzessin von Eboli für ganz andere Leidenschaften. Die schöne Hofdame der Königin hat sich unsterblich in Carlos verliebt. Als er ihre Avancen zurückweist - sein Herz gehört schließlich Elisabeth - verwandelt sich ihre Liebe in tödlichen Hass.
"Wenn ich deine Liebe nicht haben kann", schwört sie mit Tränen der Wut in den Augen, "dann soll niemand sie bekommen!"
Kapitel 4: Die Verschwörer im Schatten
Eboli findet willige Verbündete in den dunklen Ecken des Hofes. Herzog von Alba, ein Mann wie aus Granit gemeißelt, Grande von Spanien und skrupelloser Machtpolitiker, wittert seine Chance. Gemeinsam mit Domingo spinnt er ein Netz aus Intrigen, das Carlos und Elisabeth vernichten soll.
"Der Prinz ist eine Gefahr für Spanien", raunt Alba dem König zu. "Seine Jugend macht ihn unberechenbar, seine Leidenschaft blind für die Staatsräson."
Um sie herum versammeln sich weitere Adlige: Graf von Lerma, Herzog von Feria, Herzog von Medina Sidonia und Don Raimond von Taxis - allesamt Granden Spaniens, die ihre eigenen Interessen verfolgen. Auch Alexander Farnese, der Prinz von Parma und Neffe des Königs, beobachtet das Geschehen mit wachsamem Blick und wartet auf seine Gelegenheit.
Kapitel 5: Die stillen Beobachter
Nicht alle am Hof sind Spieler in diesem Drama. Die Herzogin von Olivarez, Oberhofmeisterin der Königin, versucht verzweifelt, die Etikette aufrechtzuerhalten, während um sie herum die Welt aus den Fugen gerät. Die Marquisin von Mondecar und die Gräfin Fuentes, beide Hofdamen Elisabeths, ahnen, dass sich eine Katastrophe anbahnt.
In einer Ecke des Thronsaals spielt die kleine Infantin Clara Eugenia, gerade drei Jahre alt, mit ihren Puppen - das einzige unschuldige Wesen in diesem Palast voller Geheimnisse und Lügen.
Ein junger Page der Königin huscht durch die Gänge, überbringt Botschaften und hört dabei mehr, als ihm guttut. Don Ludwig Mercado, der Leibarzt der Königin, beobachtet mit Sorge, wie seine Herrin unter der Last der Intrigen immer blasser wird.
Kapitel 6: Die Macht im Dunkeln
Doch die wahre Macht lauert in den Schatten. Der Großinquisitor des Königreichs, ein Mann, dessen Name allein Schrecken verbreitet, zieht im Hintergrund die Fäden. Selbst König Philipp zittert vor seiner Autorität. Der Prior eines Carthäuserklosters dient als sein Auge und Ohr am Hof.
"Ketzerei lauert überall", mahnt der Großinquisitor mit eisiger Stimme. "Selbst in den höchsten Kreisen. Niemand ist über jeden Verdacht erhaben - nicht einmal der Kronprinz."
Epilog: Das Spiel beginnt
So stehen sie alle bereit auf der Bühne des spanischen Königshofs: Liebende und Hassende, Träumer und Realisten, Opfer und Täter. Jeder kämpft für seine eigenen Ziele, doch das Schicksal hat bereits die Karten gemischt.
Es ist eine Geschichte von verbotener Liebe und zerstörten Träumen, von Freundschaft und Verrat, von der Sehnsucht nach Freiheit und der Macht der Unterdrückung. Ein Drama, in dem es am Ende keine Sieger geben wird - nur Menschen, die an der Unmöglichkeit ihrer Träume zerbrechen.
Die Würfel sind gefallen. Das Spiel um Macht und Liebe am spanischen Hof kann beginnen.
Kapitel 1: Die letzten Tage im Paradies
Erster Akt, Erste Szene
Der königliche Garten von Aranjuez, Spätsommer 1567
Die Gärten von Aranjuez lagen in der goldenen Nachmittagssonne wie ein gemaltes Paradies. Springbrunnen plätscherten leise zwischen kunstvoll geschnittenen Hecken, Marmorstatuen warfen lange Schatten über die gepflegten Wege. Doch selbst diese Pracht konnte die düstere Stimmung nicht vertreiben, die über dem spanischen Hof lag wie ein Leichentuch.
Carlos stand am Rand eines Brunnens und starrte ins Wasser. Sein Spiegelbild zeigte einen jungen Mann von dreiundzwanzig Jahren, dunkle Augen voller unausgesprochener Qual, ein Gesicht, das einmal schön gewesen sein musste, bevor der Kummer seine Spuren hinterließ. Acht Monate schon trug er dieses Schweigen mit sich herum wie eine schwere Kette.
Pater Domingo näherte sich mit bedächtigen Schritten. Der Beichtvater des Königs war ein Mann mittleren Alters, dessen Dominikanerhabit seine hagere Gestalt noch schmaler erscheinen ließ. Seine Augen – klug, wachsam, immer beobachtend – musterten den Prinzen mit einer Mischung aus gespielter Sorge und echter Neugier.
Das Verhör beginnt
"Die schönen Tage in Aranjuez sind nun vorbei", begann Domingo mit seiner öligen Stimme. "Eure Hoheit verlassen diesen Ort nicht heiterer als Sie gekommen sind. Wir waren umsonst hier."
Carlos schwieg. Seine Finger spielten mit einem welken Blatt, das ins Brunnenwasser gefallen war.
"Brechen Sie dieses rätselhafte Schweigen, Prinz", drängte der Beichtvater weiter. "Öffnen Sie Ihr Herz dem Vaterherzen. Der König würde jeden Preis zahlen für die Ruhe seines Sohnes – seines einzigen Sohnes."
Einziger Sohn, dachte Carlos bitter. Noch.
Domingo ließ nicht locker. "Gibt es noch einen Wunsch, den der Himmel seinem liebsten Sohn verweigert?" Seine Stimme nahm einen schwärmerischen Ton an. "Ich war dabei, als Sie in Toledo die Huldigung empfingen. Als die Fürsten sich drängten, Ihre Hand zu küssen. Als sechs Königreiche sich vor Ihnen in den Staub warfen. Ich sah das stolze Blut in Ihre Wangen steigen, sah Ihre Brust von fürstlichen Entschlüssen schwellen. Ihr Blick flog trunken durch die Versammlung und brach in Wonne aus. Diese Augen gestanden damals: Ich bin gesättigt!"
Carlos wandte sich abrupt ab. Die Erinnerung an jenen Tag schmerzte mehr als Domingo ahnen konnte. Damals hatte Elisabeth neben seinem Vater gestanden, unerreichbar, verloren.
"Dieser stille, feierliche Kummer", fuhr Domingo unbarmherzig fort, "den wir seit acht Monaten in Ihrem Blick lesen – er ist das Rätsel des ganzen Hofes, die Angst des Königreichs. Er hat Seiner Majestät schon viele schlaflose Nächte gekostet. Und Ihrer Mutter manche Träne."
Der verbotene Name
"Mutter?" Carlos fuhr herum, als hätte man ihn geschlagen. Das Wort brannte auf seinen Lippen wie Gift. "O Himmel", flüsterte er, "gib, dass ich dem vergebe, der sie zu meiner Mutter machte!"
"Prinz?" Domingo zog fragend die Augenbrauen hoch.
Carlos fasste sich, fuhr sich mit der Hand über die Stirn, als könnte er die Gedanken ordnen, die in seinem Kopf tobten. "Hochwürdiger Herr", sagte er mit erzwungener Ruhe, "ich habe sehr viel Unglück mit meinen Müttern. Meine erste Handlung, als ich das Licht der Welt erblickte, war ein Muttermord."
"Ist das möglich?" Domingo spielte den Schockierten. "Kann dieser Vorwurf Ihr Gewissen belasten?"
"Und meine neue Mutter?" Carlos' Stimme wurde bitter. "Hat sie mir nicht die Liebe meines Vaters gekostet? Er hat mich kaum geliebt. Mein ganzes Verdienst war, sein Einziger zu sein. Dann gab sie ihm eine Tochter." Er lachte humorlos auf. "Wer weiß, was die Zukunft noch bringt?"
Domingo schüttelte energisch den Kopf. "Sie spotten meiner, Prinz. Ganz Spanien vergöttert seine Königin. Sollten Sie allein sie mit den Augen des Hasses betrachten? Bei ihrem Anblick nur die kalte Vernunft sprechen lassen?" Seine Stimme wurde eindringlicher. "Wie ist das möglich? Die schönste Frau der Welt, eine Königin – und einst Ihre Braut? Unmöglich! Wo alle lieben, kann Carlos allein nicht hassen. So seltsam widerspricht sich Carlos nicht."
Der Beichtvater machte eine bedeutungsvolle Pause. "Hüten Sie sich, dass sie niemals erfährt, wie sehr sie ihrem Sohn missfällt. Diese Nachricht würde sie schmerzen."
"Glauben Sie?" Carlos' Ton war undeutbar.
Die Geschichte vom Turnier
"Erinnern Sie sich noch an das Turnier in Saragossa?" Domingo wechselte die Taktik, wurde zum Geschichtenerzähler. "Als ein Lanzensplitter unseren König streifte? Die Königin saß mit ihren Damen auf der mittleren Tribüne des Palastes und sah dem Kampf zu. Plötzlich rief jemand: 'Der König blutet!' Alles rannte durcheinander, ein Murmeln drang zu ihr hinauf."
Der Beichtvater machte eine theatralische Pause. "'Der Prinz?', rief sie und wollte sich – wollte sich vom obersten Geländer hinunterstürzen. 'Nein, der König selbst!', antwortete man ihr. 'So lasst Ärzte holen!', erwiderte sie und holte tief Luft."
Nach einem Moment des Schweigens fügte er hinzu: "Sie stehen in Gedanken?"
"Ich bewundere des Königs lustigen Beichtvater", antwortete Carlos mit schneidender Ironie, "der so bewandert ist in witzigen Geschichten." Sein Gesicht wurde ernst und finster. "Doch habe ich immer sagen hören, dass Spitzel und Klatschträger mehr Übel in dieser Welt angerichtet haben als Gift und Dolch in Mörderhand. Die Mühe hätten Sie sich sparen können, Herr. Wenn Sie Dank erwarten, gehen Sie zum König."
Das Spiel der Masken
"Sie tun gut daran, sich vor Menschen in Acht zu nehmen", erwiderte Domingo glatt. "Nur sollten Sie unterscheiden können. Stoßen Sie mit dem Heuchler nicht den Freund zurück. Ich meine es gut mit Ihnen."
"Lassen Sie das meinen Vater ja nicht merken", warnte Carlos mit beißendem Spott. "Sonst sind Sie um Ihren Purpur."
"Wie?" Domingo stutzte.
"Nun ja. Hat er Ihnen nicht den ersten Kardinalshut versprochen, den Spanien zu vergeben hat?"
"Prinz, Sie spotten meiner."
"Das verhüte Gott!" Carlos' Stimme triefte vor Sarkasmus. "Dass ich des furchtbaren Mannes spotte, der meinen Vater selig sprechen und verdammen kann!"
Domingo wechselte erneut die Strategie. "Ich will mich nicht vermessen, in das ehrwürdige Geheimnis Ihres Kummers einzudringen. Nur bitte ich Sie zu bedenken, dass die Kirche dem bedrängten Gewissen eine Zuflucht bietet, zu der selbst Monarchen keinen Schlüssel haben. Wo selbst Missetaten unter dem Siegel des Sakraments aufgehoben sind. Sie wissen, was ich meine, Prinz. Ich habe genug gesagt."
"Nein", antwortete Carlos kalt. "Das soll ferne von mir sein, dass ich den Siegelbewahrer so in Versuchung führe!"
"Prinz, dieses Misstrauen – Sie verkennen Ihren treuesten Diener."
Carlos fasste ihn bei der Hand, eine Geste, die sowohl Vertrautheit als auch Warnung war. "Also geben Sie mich lieber auf. Sie sind ein heiliger Mann, das weiß die Welt. Doch, frei heraus – für mich sind Sie bereits zu überlastet. Ihr Weg ist noch weit, bis Sie auf Peters Stuhl sitzen. Zu viel Wissen könnte Sie beschweren." Er ließ die Hand los. "Melden Sie das dem König, der Sie hergesandt hat."
"Mich hergesandt?"
Die bittere Wahrheit
"So sagte ich." Carlos' Stimme wurde leiser, eindringlicher. "Oh, zu gut weiß ich, dass ich an diesem Hof verraten bin. Ich weiß, dass hundert Augen gedungen sind, mich zu bewachen. Dass König Philipp seinen einzigen Sohn an den schlechtesten seiner Knechte verkauft hat. Dass jede Silbe, die ich spreche, dem Hinterbringer fürstlich bezahlt wird – besser bezahlt als er je eine gute Tat bezahlt hat."
Er brach ab, presste die Lippen zusammen. "Ich weiß... Oh, still! Nichts mehr davon! Mein Herz will überströmen, und ich habe schon zu viel gesagt."
Domingo, ungerührt von diesem Ausbruch, wechselte sachlich das Thema. "Der König gedenkt, vor Abend noch in Madrid einzutreffen. Der Hof ist bereits versammelt. Habe ich die Gnade, Prinz –"
"Schon gut", schnitt Carlos ihm das Wort ab. "Ich werde folgen."
Allein mit den Dämonen
Domingo verneigte sich und ging. Seine Schritte verhallten auf dem Kiesweg, und Carlos blieb allein zurück in der untergehenden Sonne von Aranjuez.