Nathan der Weise - Kein Drama nach Gotthold Ephraim Lessing - Anno Stock - E-Book

Nathan der Weise - Kein Drama nach Gotthold Ephraim Lessing E-Book

Anno Stock

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Beschreibung

Lustspiele, Komödien, Tragödien, Dramen – viele klassische Werke sind für die meisten Menschen heute Bücher mit sieben Siegeln. Insbesondere die altertümliche Sprache und der sprachliche Aufbau als Bühnenstück lassen nicht nur Schülerinnen und Schüler verzweifeln. Die Reihe "Kein Drama" bringt alte Klassiker in Prosa neu heraus. So werden sie endlich für jede und jeden verständlich. Inhaltlich bleiben die Neufassungen stets dicht am Original. Daher sind teilweise Begriffe enthalten, die heute gemeinhin als diskriminierend wahrgenommen werden. Auch die Struktur ist jeweils abhängig von der genutzten Vorlage – daher sind missverständliche Passagen unvermeidlich.

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Seitenzahl: 63

Veröffentlichungsjahr: 2025

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? Nathan der Weise – Moderne Romanfassung

Personenverzeichnis als Prolog

Jerusalem, 1192

Die Sonne brannte unbarmherzig auf die sandsteinfarbenen Mauern Jerusalems herab. In dieser Stadt, wo sich die Wege dreier Weltreligionen kreuzten, herrschte eine fragile Ruhe. Der muslimische Sultan Saladin regierte mit fester, aber gerechter Hand über die heilige Stadt, die er fünf Jahre zuvor den Kreuzrittern entrissen hatte.

An seiner Seite stand Sittah, seine kluge Schwester, die ihm nicht nur als Vertraute diente, sondern auch als scharfsinnige Beraterin in politischen Angelegenheiten. Gemeinsam lenkten sie die Geschicke einer Stadt, in der Muslime, Christen und Juden unter einem Himmel lebten – nicht immer friedlich, aber vorerst ohne offenen Krieg.

Im Händlerviertel der Stadt lebte Nathan, ein wohlhabender jüdischer Kaufmann, dessen Reichtum nur von seiner Weisheit übertroffen wurde. Die Menschen nannten ihn ehrfurchtsvoll "Nathan den Weisen", denn seine Ratschläge waren begehrt und seine Großzügigkeit legendär. In seinem prächtigen Haus, umgeben von Gärten und kühlen Innenhöfen, zog er Recha groß – ein junges Mädchen, das er als seine Tochter liebte, obwohl sie nicht sein eigen Fleisch und Blut war. Diese Wahrheit kannte außer ihm nur Daja, eine fromme Christin, die als Gesellschafterin und Erzieherin des Mädchens im Hause des Juden lebte. Daja trug ihr Geheimnis wie eine schwere Last, zerrissen zwischen ihrer Zuneigung zu Recha und ihrem christlichen Gewissen.

In den Gassen der Stadt wandelte ein junger Tempelherr, ein christlicher Ordensritter, der wie durch ein Wunder Saladins Todesurteil entgangen war. Warum der Sultan ausgerechnet ihn begnadigt hatte, während alle seine Ordensbrüder hingerichtet wurden, blieb ihm ein Rätsel. Mit seinem weißen Mantel und dem roten Kreuz darauf war er ein Fremdkörper in der muslimisch beherrschten Stadt, geduldet aber argwöhnisch beäugt.

Am Rande der Gesellschaft bewegte sich Al-Hafi, ein Derwisch, der zwischen mystischer Weltflucht und weltlichen Verpflichtungen hin- und hergerissen war. Als Schatzmeister des Sultans diente er widerwillig einem System, das seiner asketischen Natur widersprach.

Im christlichen Viertel residierte der Patriarch von Jerusalem, ein Mann von fanatischer Glaubensstrenge, der die Anwesenheit von Muslimen und Juden in der heiligen Stadt als persönliche Beleidigung Gottes ansah. Unterstützt wurde er von einem stillen Klosterbruder, der mehr wusste, als er preisgab, und dessen Gewissen schwerer wog als seine Gehorsamspflicht.

Die militärische Ordnung hielt ein Emir aufrecht, Saladins Vertrauter und Befehlshaber der Mamelucken, jener Elitesoldaten, die dem Sultan mit unerschütterlicher Treue dienten.

In diesem Jerusalem, wo die Mauern Geschichten von Eroberung und Verlust erzählten, wo der Ruf des Muezzins sich mit Kirchenglocken mischte und der Duft von Weihrauch mit dem von Gewürzen aus den jüdischen Basaren verschmolz, sollte sich eine Geschichte entfalten, die die Grenzen zwischen den Religionen verwischen und die wahre Verwandtschaft der Menschen offenbaren würde.

Nathan der Weise – Moderne Romanfassung

Kapitel 1: Die Rückkehr

Der Staub der Wüstenstraße hing noch in Nathans Kleidern, als er durch das schwere Holztor seines Hauses trat. Zweihundert Meilen lagen hinter ihm – ein endloser Zickzackkurs zwischen Jerusalem und Babylon, erzwungen durch Wegelagerer, gesperrte Pässe und die ewigen Konflikte zwischen den Herrschern dieser zerrissenen Welt. Seine Füße schmerzten, sein Rücken war steif vom tagelangen Reiten, aber das Wichtigste war geschafft: Die Schulden waren eingetrieben, das Geld sicher verstaut.

Der Flur seines Hauses empfing ihn mit vertrauter Kühle. Die hohen Steinwände hielten die Mittagshitze draußen, und für einen Moment schloss Nathan die Augen, atmete den Duft von Zedernholz und Weihrauch ein. Zuhause. Endlich.

"Er ist es! Nathan!" Dajas Stimme durchbrach die Stille wie ein Peitschenschlag. Die ältere Frau kam ihm entgegengestürzt, ihre schweren Röcke raschelten über den Steinboden. "Gott sei ewig Dank, dass Ihr endlich wiederkommt!"

Nathan öffnete die Augen und lächelte müde. "Ja, Daja, Gott sei Dank." Er stellte seine Reisetasche ab und strich sich den Staub aus dem Bart. "Aber warum sagst du 'endlich'? Wollte ich denn früher zurückkommen? Oder hätte ich es überhaupt gekonnt?"

Er ging an ihr vorbei in den Raum, während er weitersprach: "Babylon ist gut zweihundert Meilen von Jerusalem entfernt – zumindest wenn man wie ich gezwungen ist, mal rechts, mal links auszuweichen. Und Schulden eintreiben..." Er schüttelte den Kopf. "Das ist wahrlich kein Geschäft, das sich mal eben so erledigen lässt."

Daja folgte ihm, ihre Hände nervös ineinander verschränkt. "Oh Nathan", ihre Stimme bebte, "Ihr hättet hier so elend werden können! Euer Haus..."

"Es brannte." Nathan nickte ruhig. "Das habe ich schon gehört. Gebe Gott, dass ich bereits alles gehört habe, was es zu hören gibt."

"Es wäre fast bis auf die Grundmauern niedergebrannt!"

Nathan zuckte die Schultern, während er sich auf eine Bank fallen ließ. "Dann hätten wir eben ein neues gebaut. Vielleicht sogar ein bequemeres."

"Schon wahr", Daja trat näher, ihre Augen glänzten feucht, "aber Recha wäre um ein Haar mit verbrannt!"

Die Worte trafen Nathan wie ein Schlag. Er fuhr hoch, sein ganzer Körper spannte sich an. "Verbrannt? Wer? Meine Recha? Sie?" Seine Stimme brach. "Das habe ich nicht gehört. Dann..." Er sank zurück, alle Farbe wich aus seinem Gesicht. "Dann hätte ich kein Haus mehr gebraucht."

Er packte Dajas Arm, seine Finger zitterten. "Bei einem Haar nur? Sie ist es doch nicht? Sie ist nicht wirklich verbrannt? Sag es mir! Sag es sofort! Töte mich lieber gleich, aber quäle mich nicht länger!" Seine Augen suchten verzweifelt in ihrem Gesicht. "Sie ist verbrannt, nicht wahr?"

"Wenn sie es wäre", Daja legte beruhigend ihre Hand auf seine, "glaubt Ihr wirklich, Ihr würdet es von mir erfahren? Würde ich hier so ruhig mit Euch sprechen?"

Nathan ließ sich schwer zurückfallen, presste die Handballen gegen seine Augen. "Warum erschreckst du mich dann so?" Er atmete tief durch. "Oh Recha... meine Recha..."

"Eure Recha?" Daja zog eine Augenbraue hoch, ein seltsamer Unterton in ihrer Stimme.

Nathan ließ die Hände sinken und sah sie scharf an. "Wenn ich mich jemals daran gewöhnen müsste, dieses Kind nicht mehr mein Kind zu nennen..." Er schüttelte den Kopf, unfähig den Gedanken zu Ende zu führen.

"Nennt Ihr denn alles, was Ihr besitzt, mit demselben Recht das Eure?"

"Nichts mit größerem Recht!" Nathans Stimme wurde fest. Er stand auf und ging zum Fenster, blickte hinaus in den Innenhof. "Alles andere, was ich besitze, haben mir Natur und Glück zugeteilt. Aber dieses Kind..." Er drehte sich zu Daja um. "Dieses Eigentum allein verdanke ich der Tugend."

Daja seufzte tief. "Oh, wie teuer lasst Ihr mich Eure Güte bezahlen, Nathan." Ihre Stimme wurde bitter. "Wenn man Güte, die mit solcher Absicht ausgeübt wird, überhaupt noch Güte nennen kann."

Nathan betrachtete sie einen langen Moment schweigend. Die Nachmittagssonne warf lange Schatten durch die Fensterbögen, und in der Stille konnte man das ferne Rufen der Händler vom Markt hören. Zwischen ihnen hing unausgesprochen das Geheimnis, das sie beide kannten – dass Recha nicht Nathans leibliche Tochter war, sondern ein christliches Kind, das er als Jude aufzog. Ein Geheimnis, das in Jerusalem des Jahres 1192 beide das Leben kosten konnte.

"Meine Güte?" Nathan wandte sich langsam zu ihr um, seine Augenbrauen leicht gehoben. "Ich verstehe nicht, was du meinst."

Daja verschränkte die Arme vor der Brust. "Ihr wisst genau, was ich meine. Dieses Kind..." Sie brach ab, schüttelte den Kopf. "Ach, lassen wir das. Es ist nicht der richtige Zeitpunkt."

Nathan betrachtete sie einen Moment schweigend, dann nickte er langsam. "Du hast recht. Erzähl mir lieber, was genau passiert ist. Wie kam es zu dem Brand?"

"Niemand weiß es genau." Daja setzte sich auf eine Bank und bedeutete Nathan, es ihr gleichzutun. "Es war vor drei Nächten. Recha schlief bereits in ihrem Zimmer. Ich war unten in der Küche, als ich plötzlich Rauch roch. Das Feuer muss im hinteren Teil des Hauses ausgebrochen sein, vielleicht durch eine umgefallene Öllampe."

Nathan hörte aufmerksam zu, seine Hände auf den Knien gefaltet.