0,00 €
Lustspiele, Komödien, Tragödien, Dramen – viele klassische Werke sind für die meisten Menschen heute Bücher mit sieben Siegeln. Insbesondere die altertümliche Sprache und der sprachliche Aufbau als Bühnenstück lassen nicht nur Schülerinnen und Schüler verzweifeln. Die Reihe "Kein Drama" bringt alte Klassiker in Prosa neu heraus. So werden sie endlich für jede und jeden verständlich. Inhaltlich bleiben die Neufassungen stets dicht am Original. Daher sind teilweise Begriffe enthalten, die heute gemeinhin als diskriminierend wahrgenommen werden.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 60
Veröffentlichungsjahr: 2025
Der junge Herzog Orsino war einer dieser Männer, die sich mit voller Hingabe in ihre Gefühle stürzten. Er regierte über das sonnenverwöhnte Illyrien, doch seine Gedanken kreisten unaufhörlich um eine einzige Frau: die schöne Gräfin Olivia. Seine romantische Schwärmerei kannte keine Grenzen - er schrieb Gedichte, komponierte Lieder und verbrachte seine Tage damit, von ihrer Liebe zu träumen. Dabei war er durchaus charmant und gebildet, nur manchmal etwas zu sehr in seinen eigenen Gefühlen gefangen.
Viola war klug, mutig und besaß einen scharfen Verstand. Nach dem verheerenden Schiffbruch an Illyriens Küste musste sie schnell handeln - und das tat sie mit bemerkenswerter Entschlossenheit. Jung, attraktiv und voller Leben, würde sie bald eine Entscheidung treffen, die alles verändern sollte.
Die reiche Gräfin Olivia lebte in einem prächtigen Anwesen am Stadtrand. Sie war von atemberaubender Schönheit, doch seit dem Tod ihres geliebten Bruders hatte sie sich von der Welt zurückgezogen. Sieben Jahre Trauer hatte sie sich auferlegt - keine Männer, keine Feste, keine Freude. Doch unter ihrer kühlen Fassade schlummerte ein leidenschaftliches Herz, das nur darauf wartete, wieder zum Leben erweckt zu werden.
Sebastian, Violas Zwillingsbruder, war ihr wie aus dem Gesicht geschnitten - dieselben feinen Gesichtszüge, dasselbe dunkle Haar, derselbe anmutige Gang. Er war offen, mutig und besaß einen natürlichen Charme, der Menschen sofort für ihn einnahm. Nach dem Schiffbruch glaubte er, seine geliebte Schwester für immer verloren zu haben.
"Toby", wie ihn seine Freunde nannten, war Olivias Onkel und das genaue Gegenteil seiner trauernden Nichte. Der rundliche Mann mit dem rötlichen Gesicht liebte nichts mehr als gutes Essen, reichlich Wein und ausgelassene Partys bis in die frühen Morgenstunden. "Das Leben ist zu kurz für Traurigkeit!", war sein Motto, und er lebte danach - sehr zum Leidwesen des restlichen Haushalts.
Malvolio führte Olivias Haushalt mit eiserner Hand und noch eisernerer Miene. Immer in Schwarz gekleidet, mit perfekt gebügeltem Hemd und tadelloser Frisur, war er der Inbegriff der Strenge. Heimlich träumte er jedoch davon, mehr zu sein als nur ein Angestellter - seine Ambitionen reichten höher, viel höher. Seine Selbstgefälligkeit und sein fehlendes Gespür für Humor machten ihn zur perfekten Zielscheibe für Streiche.
Klein, quirlig und unglaublich schlau - das war Maria. Als Olivias Kammerzofe kannte sie jeden Winkel des Hauses und jedes Geheimnis seiner Bewohner. Mit ihrem scharfen Verstand und ihrer Schlagfertigkeit konnte sie selbst Sir Toby Paroli bieten. Sie war loyal zu ihrer Herrin, aber auch nicht abgeneigt, ab und zu für etwas Unterhaltung zu sorgen.
Der Hofnarr, den alle nur "Feste" nannten, war alles andere als närrisch. Mit seinen bunten Gewändern, seiner Laute und seinen scheinbar harmlosen Scherzen bewegte er sich frei zwischen den Haushalten von Olivia und Orsino. Seine Lieder waren witzig, seine Wortspiele brillant, und hinter jedem Scherz verbarg sich oft mehr Wahrheit, als den meisten lieb war.
"Sir Andrew", wie ihn die Engländer nannten, war dünn wie eine Bohnenstange, hatte strohblondes Haar und die Koordination einer betrunkenen Giraffe. Er war Sir Tobys trinkfreudiger Kumpan und hoffte verzweifelt, Olivias Herz zu gewinnen - eine Hoffnung, die ungefähr so realistisch war wie seine Fechtkünste beeindruckend. Trotz seines Reichtums fehlte es ihm an Verstand, Charme und eigentlich allem, was man für eine erfolgreiche Werbung bräuchte.
Fabian war einer dieser Bediensteten, die immer zur Stelle waren, wenn es etwas Interessantes zu beobachten gab. Er genoss das Drama im Haus und war nur zu gerne bereit, bei einem guten Streich mitzumachen - besonders wenn es gegen den verhassten Malvolio ging.
Kapitän Antonio war ein Mann des Meeres - wettergegerbt, loyal und mutig bis zur Selbstaufgabe. Als er Sebastian aus den Wellen rettete, entwickelte er eine tiefe Zuneigung zu dem jungen Mann. Seine Treue würde ihn in gefährliche Gewässer führen, denn in Illyrien war er nicht gerade willkommen - alte Seeschlachten warfen lange Schatten.
Der Kapitän, der Viola an Land brachte, war ein gütiger Mann mit einem Herz für Menschen in Not. Er kannte die Küste von Illyrien wie seine Westentasche und würde Viola mit wertvollen Informationen über das Land und seine Bewohner versorgen.
Valentin und Curio gehörten zu Orsinos engstem Kreis. Sie waren jung, elegant und immer bereit, ihrem Herzog zu dienen - sei es als Boten für seine endlosen Liebesbriefe oder als geduldige Zuhörer seiner schwärmerischen Monologe über Olivia.
Die Bühne ist bereitet: In der malerischen Küstenstadt Illyrien, wo das Mittelmeer an weiße Strände brandet und prächtige Villen in der Sonne glänzen, werden sich die Wege all dieser Menschen auf die verwirrendste und unterhaltsamste Weise kreuzen...
Die Nachmittagssonne fiel durch die hohen Fenster des Musiksaals und tauchte alles in goldenes Licht. Herzog Orsino lag auf dem samtbezogenen Sofa, die Augen geschlossen, während die Streicher eine melancholische Melodie spielten. Der Duft von Jasmin wehte durch die offenen Balkontüren und mischte sich mit dem schweren Parfüm der Höflinge, die diskret an den Wänden standen.
"Mehr davon", murmelte Orsino und hob träge eine Hand. "Spielt weiter. Gebt mir die volle Dosis, bis ich von dieser verdammten Liebe geheilt bin."
Die Musiker tauschten unsichere Blicke, spielten aber gehorsam weiter. Die Melodie schwoll an, füllte den Raum mit ihrer süßen Schwermut.
"Die Stelle noch einmal", befahl der Herzog plötzlich. "Diese eine Phrase... sie stirbt so wunderschön dahin." Er seufzte tief. "Sie schleicht sich in mein Ohr wie ein Windhauch, der über ein Veilchenbeet streicht. Nimmt Düfte und gibt sie wieder..."
Dann, abrupt wie ein Blitzschlag, setzte er sich auf. "Genug! Hört auf!"
Die Musik brach ab. Die Musiker erstarrten mit ihren Bögen in der Luft.
"Es ist nicht mehr so süß wie vorher", erklärte Orsino und rieb sich die Schläfen. "Wisst ihr, was das Problem mit der Liebe ist? Sie ist wie das Meer – verschlingt alles, was man ihr gibt, und macht es im nächsten Moment wertlos. Nichts bleibt, wie es war. Die Liebe ist die einzige Kraft, die noch verrückter ist als die Menschen, die sie befällt."
Curio, sein engster Vertrauter, räusperte sich vorsichtig. "Vielleicht würde euch eine Ablenkung guttun? Wir könnten jagen gehen."
"Was jagen?", fragte Orsino abwesend.
"Nun ja... Hirsche?"
Ein bitteres Lächeln umspielte Orsinos Lippen. "Ich jage bereits, mein Freund. Den edelsten Hirsch, den es gibt." Er stand auf und ging zum Fenster, blickte hinaus auf die Gärten. "Weißt du, was passierte, als ich Olivia zum ersten Mal sah? Die Luft selbst schien reiner zu werden. Und ich..." Er lachte humorlos. "Ich wurde selbst zum Hirsch. Seitdem hetzen mich meine eigenen Begierden wie wilde Hunde."
Die schwere Eichentür öffnete sich, und Valentin trat ein. Der junge Mann verbeugte sich tief, aber seine Miene verriet nichts Gutes.
"Nun?", fragte Orsino sofort. "Was sagt sie? Hat sie meinen Brief gelesen?"
Valentin schluckte. "Verzeiht, mein Herr. Ich wurde nicht vorgelassen."
"Nicht vorgelassen?" Orsinos Stimme wurde scharf.