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Es war normalerweise nicht Gallos Art, in seinem Gladiatorenkostüm irgendwo einzukehren, aber nach diesem Tag hatte er dringend einen Grappa gebraucht. Es war dann fast eine ganze Flasche geworden. Dementsprechend stand er nicht mehr ganz gerade auf den Beinen.
Was war das?
Ein scharrendes Geräusch irgendwo vor ihm. Gallo hob den Kopf. In der Ferne erkannte er einen Ausschnitt der Silhouette des Kolosseums, das sich über die umliegenden Häuser erhob. Er befand sich in einer schmalen Gasse, kaum so breit, dass zwei erwachsene Männer aneinander vorbeigehen konnten, und nur schwach von einigen Straßenlaternen beleuchtet. Links und rechts von ihm befanden sich dunkle Hauseingänge und Fenster, hinter denen kein Licht brannte. Es ging bereits auf Mitternacht zu ...
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Seitenzahl: 138
Cover
Impressum
Gladiatoren aus der Hölle
Vorschau
BASTEI LÜBBE AG
Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Rudolf Sieber-Lonati / BLITZ-Verlag
eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)
ISBN 9-783-7517-0469-4
www.bastei.de
www.luebbe.de
www.lesejury.de
Gladiatoren aus der Hölle
von Michael Schauer
Als Pietro Gallo die Bar verließ, war die kühle Nachtluft für ihn die reine Wohltat. Es war Mai, und die Nächte in Rom waren noch erfrischend. Gallo arbeitete als Gladiator, als wandelndes Fotomotiv für die Touristen. Ausgestattet mit der Ausrüstung eines Murmillo, Helm, Kurzschwert, Schild, Armschutz, Beinschiene und Helm, posierte er Tag für Tag. Doch das Geschäft war hart geworden. Die Stadt erlaubte es seit einiger Zeit nicht mehr, direkt vor dem Kolosseum auf Kundenfang zu gehen. Gallo und seine Kollegen hatten sich in die Seitenstraßen zurückziehen müssen. Gleichzeitig war die Konkurrenz groß wie nie, in jüngster Zeit war es sogar zu kleineren Rangeleien um die Gunst des jeweils nächsten Touristen gekommen. Gladiatorenkämpfe der Moderne, dachte Gallo, als er durch die dunkle Gasse in Richtung seiner Wohnung stapfte. Heute hatte es wieder einen Vorfall gegeben. Er hatte sich mit einem römischen Zenturio angelegt, einem besonders überheblichen Typen. Offenbar nahm der Kerl seine Rolle ein bisschen zu ernst. Es hätte nicht viel gefehlt, dass sie aufeinander losgegangen wären.
Es war normalerweise nicht Gallos Art, in seinem Kostüm irgendwo einzukehren, aber nach diesem Tag hatte er dringend einen Grappa gebraucht. Es war dann fast eine ganze Flasche geworden. Dementsprechend stand er nicht mehr ganz gerade auf den Beinen, als es hörte.
Was war das? Ein scharrendes Geräusch irgendwo vor ihm ...
Gallo hob den Kopf. In der Ferne erkannte er einen Ausschnitt der Silhouette des Kolosseums, das sich über die umliegenden Häuser erhob. Er befand sich in einer schmalen Gasse, kaum so breit, dass zwei erwachsene Männer aneinander vorbeigehen konnten, und nur schwach von einigen Straßenlaternen beleuchtet. Links und rechts von ihm befanden sich dunkle Hauseingänge und Fenster, hinter denen kein Licht brannte. Es ging bereits auf Mitternacht zu, in diesem Teil Roms gab es praktisch kein Nachtleben, die Menschen waren schon zu Bett gegangen.
Wieder dieses Scharren. Es klang, als würde Metall über Stein reiben.
Gallo fröstelte. Er war kein ängstlicher Typ und mit seinen fast zwei Metern Größe, seinem muskulösen Körper, dem kantigen Kopf mit den kurzen Haaren und den scharf geschnittenen Gesichtszügen musste er das auch nicht sein.
Seine Statur und sein immer etwas bedrohlich wirkendes Äußeres waren in seinem Job äußerst hilfreich, schließlich waren auch die echten Gladiatoren keine Hänflinge gewesen. Vor allem die weiblichen Touristen liebten es, sich mit diesem vermeintlich gefährlichen Burschen ablichten zu lassen.
Doch das Geräusch trieb ihm eine Gänsehaut über den Rücken.
»Hallo? Ist da jemand?« Er stellte fest, dass er ein wenig lallte.
Da war es wieder, diesmal begleitet von einem Klirren und schweren Schritten.
Im nächsten Moment trat aus einer Seitengasse etwa zwanzig Meter vor ihm eine Gestalt in das fahle Licht. Gallo hob unwillkürlich die Augenbrauen. Vor ihm stand ein Mann in der Verkleidung eines Murmillo, genau wie er eine trug. Das Scharren kam von der Schwertspitze, die der Mann über das Pflaster schleifen ließ.
Den überdimensionalen Helm mit dem hohen Kamm trug der Fremde im Gegensatz zu Gallo, der seinen in der Armbeuge hielt, auf dem Kopf. Das Visier glich einem engmaschigen stählernem Netz. Es war unmöglich, die Gesichtszüge dahinter wahrzunehmen, vor allem aus dieser Entfernung.
Das Kostüm war wirklich gut gearbeitet, stellte Gallo mit Kennerblick fest. Die Haut des Mannes kam ihm allerdings seltsam vor. Selbst in diesem Zwielicht wirkte es wie blasses, getrocknetes Leder. Hatte der Typ ein spezielles Make-up aufgelegt, um irgendwie gruselig zu wirken?
Der Mann stand da und sagte kein Wort. Gallo beschloss, die Initiative zu ergreifen. Er konzentrierte sich, damit seine Aussprache nicht zu verwaschen klang.
»He, Kollege, ist spät geworden, was? Hast du auch noch einen genommen?«
Keine Antwort.
Gallo war unsicher, was er davon halten sollte. War der Mann betrunken? Auf Streit aus? Jedenfalls versperrte er ihm den Weg. Er war etwa genauso groß wie er, wenn auch etwas muskulöser. Sollte es hart auf hart kommen, rechnete sich Gallo gute Chancen aus. Er besuchte regelmäßig eine Kampfsportschule und hatte einige Tricks drauf.
Der Murmillo hob sein Schwert.
»Wo ist er?«, rief er mit einer von dem Helm gedämpften, unheimlichen Stimme. Es klang, als würde jemand einen Stein mit Schmirgelpapier bearbeiten.
Gallo zuckte unwillkürlich zusammen. Er hatte die Frage verstanden, aber irgendwie ... war es merkwürdig. Als würde jemand gleichzeitig in seiner und doch in einer fremden Sprache sprechen.
»Wo ist er?«
»Wer?«, fragte Gallo, weil ihm nichts Besseres einfiel.
Der Murmillo schwieg für einige Sekunden.
»Kämpfe!« rief er dann.
Gallos Anspannung löste sich in Genervtheit auf. Der Kollege war eindeutig entweder ebenfalls betrunken oder nicht mehr ganz bei Trost. Wie auch immer, auf solche Spielchen hatte er jetzt keine Lust. Es war spät, er fühlte sich nicht gut, er wollte ins Bett.
»Hör zu, Kamerad, lass mich einfach durch, in Ordnung? Wir können uns ja für morgen verabreden und für die Touristen ein kleines Kämpfchen veranstalten, okay?«
Der Murmillo setzte sich in Bewegung. Er war schnell, sehr schnell. Er stieß mit dem Schwert zu. Ein glühender Schmerz durchzuckte Gallos Arm. Die Klinge hatte eine Schnittwunde hinterlassen. Blut rann daraus hervor.
Er taumelte schockiert zurück, schlagartig nüchtern geworden. Wieso hatte der ein scharfes Schwert? Die Gladius genannten Kurzschwerter der Gladiatoren und Römer auf Touristenjagd waren stumpf und bestanden häufig nicht mal aus Metall, sondern aus lackiertem Holz.
»Bist du wahnsinnig, Mann? Was soll das?«, rief Gallo. Seine Stimme klang plötzlich dünn und brüchig.
»Kämpfe!«, grollte der Murmillo und holte erneut mit dem Schwert aus.
Gallo reagierte instinktiv. Er ließ seinen Helm fallen und riss den anderen Arm mit dem Schild empor. Als die Klinge auf das dünne Holz traf, knackte es vernehmlich, und in der nächsten Sekunde hatte Gallo nur noch den Griff in der Hand. Sein Gegner hatte den Schild mit nur einem Schlag gespalten.
Kampfsport oder nicht, gegen einen Verrückten mit einer scharfen Waffe hatte er keine Chance. Er ließ den unnütz gewordenen Griff fallen, wandte sich zur Flucht – und erstarrte. Nur ein paar Schritte entfernt standen zwei weitere Gladiatoren in den Schatten. Unverkennbar ein Retiarius mit dem eisernen Armschutz mit der hohen Krempe, der bedrohlich seinen Dreizack auf ihn richtete, das Netz lässig in der freien Hand haltend. Und ein Secutor, der ähnlich wie ein Murmillo ausgerüstet war, nur dass sein Helm die Form eines riesigen Eis und keinen Kamm hatte und lediglich über zwei kleine Sehschlitze verfügte. Er hatte sein Schwert zum Schlag erhoben.
»Kämpfe!«
Der Murmillo hinter ihm.
Gallo wirbelte herum. Seine Hand zuckte zum Griff seines Schwerts. Es war nur aus Holz, aber besser als ...
Sein Gegner stach zu. Die Klinge stieß durch Gallos Kehle. Er spürte, wie sich sein Mund mit Blut füllte. Im nächsten Moment riss der Gladiator das Schwert zurück. Gallo starrte das blutbefleckte Metall an. Mein Blut, dachte er noch, dann gaben seine Knie nach. Schwer prallte er aufs Pflaster. Seine vor Schrecken geweitete Augen blickten ins Leere.
Der Murmillo sah kurz auf ihn herab, dann richtete sich sein Blick auf den Retiarius und den Secutor. »Wir suchen weiter«, sagte er, wendete sich um und ging davon. Die beiden anderen folgten ihm.
†
»Was hältst du davon?«
Lorenzo De Luca blickte von seinem Laptop auf. Sein Kollege Roberto Bola war an seinen Schreibtisch getreten und hielt ihm ihn einen Abzug seines am nächsten Tag erscheinenden Artikels unter die Nase. Mordserie geht weiter! Nächstes Opfer tot in Gasse gefunden! lautete die Schlagzeile.
De Luca lehnte sich in seinem Bürostuhl zurück. Sie befanden sich in den Redaktionsräumen der Repubblica, einer der bedeutendsten italienischen Tageszeitungen. Er hatte ein eigenes, kleines Büro, spartanisch ausgestattet mit Schreibtisch, Stuhl und einem Aktenschrank.
Sein Kollege Roberto war eigentlich Gerichtsreporter, aber er schrieb von der ersten Stunde an über diese unheimliche Mordserie, die Rom jetzt schon seit zwei Wochen in Atem hielt. Vier, nein, seit gestern fünf Menschen waren ihr bisher zum Opfer gefallen, bisher ausschließlich Männer. Alle Morde waren in der Nähe des Kolosseums verübt worden, und alle Opfer hatten äußerst ungewöhnliche Spuren aufgewiesen. Drei waren offenbar durch Schwerthiebe getötet worden. Zwei von ihnen hatte man mit drei eng beieinanderstehenden Löchern in der Brust aufgefunden. Als ob sie von einem Dreizack aufgespießt worden waren, der Waffe eines Retiarius, eines antiken römischen Gladiators. Die Boulevard-Presse nannte den unbekannten Täter deshalb inzwischen »Den Gladiator«.
»Wieder ein männliches Opfer?«, fragte De Luca. Er war achtunddreißig Jahre alt, groß, schlank und gut aussehend mit markanten Gesichtszügen, dunklen, zurückgekämmten Haaren und hellblauen Augen als Kontrast.
Roberto war fast fünfundzwanzig Jahre älter, nur knapp über einssechzig groß und dicklich, und von seiner in Jugendjahren üppigen Mähne war nur noch ein trauriger Haarkranz geblieben. Die beiden Journalisten waren seit etwa zwei Jahren gut befreundet, und wenn sie zusammen unterwegs waren, wirkten sie wie die italienischen Gegenstücke zu Michael Douglas und Danny DeVito in der Hollywood-Komödie »Der Rosenkrieg«.
»In der Tat«, antwortete Bola. »Und diesmal, halt dich fest, war es einer von diesen Typen, die sich als Gladiator verkleidet von den Touristen fotografieren lassen.«
»Aber die sind doch nur tagsüber unterwegs ... Bisher hat der Täter immer nachts zugeschlagen.«
»Der Mann war vorher in einer Bar unweit des Tatorts gewesen. Pietro Gallo hieß er, sagt mein Informant bei der Polizei. Der Kellner hat erzählt, Gallo habe wohl einen schlechten Tag gehabt und beschlossen, ohne sich umzuziehen noch ein paar Grappa zu heben.«
»Wie wurde er ermordet?«
»Stich in den Hals. Mit einem Schwert, wie’s aussieht.«
»Gladiator tötet Gladiator, was?«
»So könnte man es sagen. Aber diese Schlagzeile überlasse ich den Kollegen vom Boulevard.«
De Luca griff nach der immer bereitstehenden Wasserflasche auf seinem Schreibtisch und nahm einen tiefen Schluck. »Was sagt denn dein Informant?«, fragte er, nachdem er die Flasche wieder abgestellt hatte. »Haben sie inzwischen eine Spur?«
Bola setzte sich auf die Schreibtischkante.
»Nichts. Gar nichts. Es ist buchstäblich wie verhext. Keine Fingerabdrücke, keine DNA. Und nur einen einzigen Zeugen, beim dritten Mord. Der hat aber nicht mal etwas gesehen, sondern nur ein sich rasch entfernendes Klirren gehört.« Bola machte eine Kunstpause. »Wie von Teilen einer Rüstung.«
»Glaubst du wirklich, dass sich da ein als Gladiator verkleideter Irrer austobt?«
Bola wiegte den Kopf.
»Es ist tatsächlich nicht von der Hand zu weisen. Eine lange Klinge muss noch kein Schwert, sondern könnte auch ein großes Messer sein. Aber die Opfer mit den drei Löchern in der Brust ... Ein Dreizack ist nun wirklich nicht gerade eine übliche Mordwaffe.«
»Das allerdings nicht«, sagte De Luca.
Bola sah auf seine Armbanduhr. »Fast Mittag. Kommst du mit ins Lombardi? Einer von den Jungs aus der Sportredaktion hat Geburtstag und gibt eine Runde aus.«
»Verlockend, aber nein danke. Ich habe in einer halben Stunde ein Treffen mit einem Informanten.«
»Die Moretti-Sache?«
»Genau die.«
Lorenzo De Luca recherchierte nun fast schon ein halbes Jahr an dieser Geschichte. Enzo Moretti war ein städtischer Politiker mit Ambitionen in die Landespolitik.
Rom hatte seine Korruptionsskandale, daran hatten sich die Bürger schon beinahe gewöhnt. Aber Moretti spielte in einer anderen Liga. Er baute seinen Machtbereich stetig aus, und das mit alles anderen als sauberen Mitteln.
Dem Vierundfünfzigjährigen wurden Kontakte in die organisierte Kriminalität nachgesagt. Er verfügte über ein engmaschiges Netzwerk in sämtlichen kommunalen Einrichtungen, die Polizei eingeschlossen. Er gab den bösen Jungs Informationen und Einfluss, dort, wo es für deren schmutzige Geschäfte hilfreich war. Umgekehrt hielten ihm diese den Rücken frei und sorgten bei Bedarf mit robusten Methoden dafür, dass Moretti seine politischen Ideen durchdrücken konnte.
De Luca hatte Berichte über Drohungen und sogar über Gewalt gegen Menschen, die es gewagt hatten, sich Moretti in den Weg zu stellen. Niemand hatte den Mut, den Mann öffentlich anzuklagen oder Anzeige zu erstatten – was auch damit zusammenhing, dass dieser geschickt seine Beteiligung an derlei Vorkommnissen verwischte. Selbst De Luca, seit rund fünfzehn Jahren Vollblutjournalist, hatte es nicht bis jetzt nicht geschafft, eine wasserdichte Geschichte zu recherchieren.
Bis jetzt.
»Ich sag dir was, mein Freund«, ergriff Bola das Wort.
»Ja, ich weiß. Ich bin schon vorsichtig.«
Bola beugte sich vor und sah De Luca in die Augen. »Man sagt, Moretti habe Wind von deinen Recherchen bekommen. Und man sagt, dass ihm das überhaupt nicht gefällt.«
»Na, das hoffe ich doch.«
Bola seufzte. »Verdammter jugendlicher Leichtsinn. Aber was soll ich sagen, ich war mal genauso. Wenn es um eine gute Geschichte geht ...«
»... kann uns nichts aufhalten«, vollendete De Luca mit einem Schmunzeln den Satz.
»So ist es. Versprich mir wenigstens, dass du dir Augen am Hinterkopf wachsen lässt. Mit einem Gegner wie Moretti kann es nichts schaden, immer zu wissen, wer hinter einem ist.«
»Vielleicht solltest du mich mal wieder zu einem Abend mit deinen selbstgemixten Cocktails einladen. Das sind so üble Gebräue, da wachsen mir vielleicht irgendwann wirklich Augen am Hinterkopf.«
»Pass bloß auf, du!« Bola drohte ihm spielerisch mit der Faust. »Bei meinen Cocktails hätte mir eine zweite Karriere als Barkeeper offengestanden.«
»Zu Zeiten der Gladiatoren vielleicht.«
»Mistkerl«, zischte Bola, aber er lächelte dabei. »Was machen eigentlich die Frauen?«
»Oh, bitte, nicht dieses Thema.« De Luca hob abwehrend die Hände.
Ja, er war schon ziemlich lange solo. Nicht, weil es ihm – dank seines guten Aussehens – an Angeboten gemangelt hätte. Aber er hatte beschlossen, dass seine wilden Zeiten vorbei waren und er nach etwas Ernsthaftem strebte. Was aber gar nicht so einfach war. Irgendwie hatte er an jeder Frau etwas auszusetzen – vielleicht war er aber auch nur zu verkrampft.
Bola grinste nur. »Irgendwann muss ich dir eine Frau backen, sonst wird das nichts mehr«, unkte er.
De Luca erhob sich. »Ich muss los. Wir sehen uns später. Grüße an die Jungs vom Sport.«
»Richte ich aus. Bis dann.«
Bola entfernte sich. De Luca schaltete seinen Laptop aus, zog seine Lederjacke über, verließ das Gebäude über das Treppenhaus und stieg in seinen gegenüber geparkten dunkelgrauen Golf. Er startete den Motor und fuhr los. Drei Parklücken hinter ihm fädelte sich nur drei Sekunden später ein nachtschwarzer BMW in den Verkehr ein. Der Wagen folgte ihm.
†
Rom, 82 n. Chr.
Es war kalt und feucht im Carcer Mamertinus, einem der vielen Stadtgefängnisse. Ursus saß auf dem kühlen, nur mit etwas Stroh abgedeckten Steinboden und starrte missmutig auf seinen Napf. Ungenießbarer Hirsebrei, mal wieder.
Er sah zu seinen Mitgefangenen hinüber. Flavio war der schlankste von ihnen, mit für einen für einen Römer außergewöhnlichen hellbraunen Haaren und stechenden grünen Augen. Ein Mann, der die Damen leicht erobern konnte – was ihn am Ende hierhergebracht hatte. Flavius hatte seine Gespielinnen zu wechseln gepflegt wie andere Männer ihre Togen, wobei er stets nicht vergaß, sie zum Finale ihrer Liaison zu bestehlen.
Als eine seiner Verflossenen vorzeitig bemerkte hatte, dass Flavius ihren Goldbeutel an sich genommen hatte, hatte er sie erwürgt, war aber von deren Bruder, ausgerechnet einem Centurio der kaiserlichen Leibgarde, auf frischer Tat ertappt worden.
Der andere, Macro, hatte ein mit Narben gezeichnetes und durch verkniffene Züge geprägtes Gesicht, dessen hervorstechendstes Merkmal die mehrfach gebrochene Nase war, die ihm ein beinahe unmenschliches Aussehen verlieh. Macro war Wirt einer Schänke in der Suburba, der übelsten Gegend Roms, gewesen.
Eines Abends hatte ein Gast die Qualität von Macros Wein bemängelt – sicher nicht ganz zu Unrecht, wie Ursus mutmaßte. Die darauffolgende Auseinandersetzung hatte darin gegipfelt, dass Macro den nörgelnden Gast kurzerhand erstochen hatte. Nur war das Opfer ein Legionär auf Urlaub und in Zivil gewesen, und seine Begleiter waren seine Kameraden. Macro hatte einem noch den Arm aufschlitzen können, bevor sie ihn überwältigt hatten.
Ursus selbst war mit über sechseinhalb Fuß der größte von ihnen, ein Muskelpaket durch und durch mit kurz geschorenen Haaren, wulstigen Lippen und eisblauen Augen, aus denen seine Brutalität förmlich herauszuströmen schien. Ursus war ein Berufskrimineller. Raub, Erpressung und Mord hatten zu seinem täglichen Geschäft gehört. Bis man auch ihn erwischt hatte.
Sie alle einte, dass man ihnen die Wahl gelassen hatte: Tod in der Arena. Oder kämpfen in der Arena.
Sie hatten sich geschlossen für das Letztere entschieden. Es konnte nicht mehr lange dauern, dann würde man sie abholen und in eine der berüchtigten Gladiatorenschulen bringen, in denen Männer dazu ausgebildet wurden, im Kolosseum zur Belustigung der Zuschauer gegeneinander zu kämpfen. Für viele der Unglücklichen war das gleichbedeutend mit einem Todesurteil. Sie überstanden zwei, vielleicht drei Kämpfe, bevor sie von ihrem Gegner tödlich verwundet aus der Arena geschleift und auf dem Gladiatoren-Friedhof verscharrt wurden.