H. C. Hollister 91 - H.C. Hollister - E-Book

H. C. Hollister 91 E-Book

H. C. Hollister

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Beschreibung

Dan Ferguson ist Marshal einer wilden Stadt - ein harter Marshal! Wenigstens äußerlich wirkt er als solcher. Man respektiert ihn, und vor nichts und niemandem scheint er sich zu fürchten. Doch er selbst weiß es besser. Jedes Mal, wenn er vor einer schweren Aufgabe steht, packt ihn die Furcht wie mit scharfen Krallen. Doch er muss durch ... muss seine Furcht überwinden: denn einmal - einmal, in der dunkelsten Stunde seines Lebens, hat er gekniffen. Das nagt an ihm.
Doch das Schicksal selbst nimmt ihm jede Furcht; denn die Kugel eines Desperados stempelt ihn zu einem vom Tode gezeichneten Mann. Obwohl Doc Hardesty sowie sein Kollege Cadbury ihm nur noch eine kurze Lebenschance geben, kennt Dan Ferguson nur noch ein Ziel: eine alte Rechnung zu begleichen ...


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Inhalt

Cover

FÄHRTE INS UNGEWISSE

Vorschau

Impressum

FÄHRTE INS UNGEWISSE

Dan Ferguson ist Marshal einer wilden Stadt – ein harter Marshal! Wenigstens äußerlich wirkt er als solcher. Man respektiert ihn, und vor nichts und niemandem scheint er sich zu fürchten. Doch er selbst weiß es besser. Jedes Mal, wenn er vor einer schweren Aufgabe steht, packt ihn die Furcht wie mit scharfen Krallen. Doch er muss durch ... muss seine Furcht überwinden: denn einmal – einmal, in der dunkelsten Stunde seines Lebens, hat er gekniffen. Das nagt an ihm.

Doch das Schicksal selbst nimmt ihm jede Furcht; denn die Kugel eines Desperados stempelt ihn zu einem vom Tode gezeichneten Mann. Obwohl Doc Hardesty sowie sein Kollege Cadbury ihm nur noch eine kurze Lebenschance geben, kennt Dan Ferguson nur noch ein Ziel: eine alte Rechnung zu begleichen ...

Als Dan Ferguson die Allee zum Spanish River hinabgeht, spürt er den Hauch kommender Gefahr wie eine körperliche Berührung.

Das »Alhambra« ist das letzte Gebäude vor dem Schienenstrang, der die obere Hälfte der Stadt River View von Lower Town und den Gassen am Fluss trennt. Mit langen Schritten geht Marshal Ferguson am »Alhambra« vorbei.

Als er die Gleise erreicht und den Schotter überquert, tönt vom Materiallager der Bahnlinie der langgezogene Pfiff einer Rangierlokomotive herüber. Dan Ferguson setzt unbeeindruckt seinen Weg fort.

Die Blicke Jesse Harveys und Doc Hardestys folgen ihm. Sie sind beide Freunde des Marshals.

»Doc«, murmelt Harvey, »lassen Ihre Patienten Ihnen zufällig eine halbe Stunde Zeit?«

»Patienten?«, schnaubt John Hardesty. »Soll das ein Witz sein? Wenn zu mir überhaupt Patienten kommen, dann nur solche, die von meinem ehrenwerten Kollegen Cadbury abgewiesen werden, weil sie keinen Cent in der Tasche haben.«

»Es warten also keine Patienten. In diesem Fall sollten wir uns auf den Weg machen. Lange wird es nämlich nicht dauern, bis Freund Dan in Feindberührung kommt.«

Doc Hardesty nickt und schaut auf den langläufigen Peacemaker-Colt, den Harvey im Halfter trägt.

»Einen Augenblick nur noch«, sagt er hastig. Dann rennt er los.

Es dauert tatsächlich nur wenige Sekunden, bis er wieder aus der Tür eines kleinen, verwitterten Hauses kommt. Da hat er eine doppelläufige Greening-Flinte unter dem rechten Arm und stopft sich mit der Linken noch rasch ein paar Schrotpatronen in die Rocktasche. Sie fallen in gleichen Schritt – ein seltsames und höchst ungleiches Paar, das da gemeinsam losmarschiert.

»Wissen Sie, Jesse«, sagt der Arzt, »mir fällt gerade auf, dass wir anscheinend noch mehr Gemeinsames haben als nur die Initialen: Jesse Harvey und John Hardesty. Wir haben also beide die Buchstaben J. H. als Initialen.«

»Die Anfangsbuchstaben? Ja, natürlich. Und was sollen wir außerdem noch gemeinsam haben?«

»Unsere Schwäche für einen gewissen Dan Ferguson«, entgegnet John Hardesty. »Eine verteufelt merkwürdige Aufmachung für einen Arzt, zusammen mit einem Satteltramp und mit einer Schrotflinte unter dem Arm auf der Fährte eines Marshals zu marschieren. Wenn das die Konkurrenz erfährt ... Mein Kollege Cadbury wird behaupten, ich müsste mir schon auf diese Weise Patienten verschaffen.«

Jesse Harvey grinst nur kurz. Seine Aufmerksamkeit ist bereits nach vorn gerichtet.

Die Allee mündet in einen Platz, der früher einmal das Schwellenlager gewesen war. Er bildet den Mittelpunkt von Lower Town. An ihm liegt die Diamond Hall, und zu ihm verlaufen all die früheren Campgassen. Sobald die beiden ungleichen Partner den Platz überblicken können, knurrt der Satteltramp:

»Da drüben, Doc! Dieser prächtige Narr hat wenigstens noch so viel Verstand, nicht offen über den Platz auf Vic Archers Lasterhöhle loszumarschieren.«

Tatsächlich kommt linker Hand Dan Ferguson zum Vorschein. Offenbar hat er es vorgezogen, diesseits der Bahnlinie nicht weiter der Allee zu folgen, sondern hat einen Umweg durch die Seitengassen gewählt. Auf diese Weise nähert er sich der Diamond Hall, ohne dass er durch die vorderen Fenster schon auf große Entfernung zu sehen wäre. Trotzdem gibt er sich keinen Illusionen hin. Wer sich in Lower Town auch nur etwas auskennt, der weiß um das unergründbare Nachrichtensystem in diesem Gewirr der Flussgassen.

»Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben«, gibt Doc Hardesty auf die Bemerkung des Satteltramps grimmig zurück und beschleunigt seine Schritte. »Hab ich's nicht gesagt?«, fährt er dann fort. »Sehen Sie sich das an, Jesse!«

Tatsächlich verändert Dan Ferguson im selben Augenblick seine Richtung, schneidet eine Ecke des Platzes ab und steuert nun im schrägen Winkel geradewegs auf den langgestreckten Saloon zu.

Am frühen Nachmittag ruht Lower Town üblicherweise noch von dem nächtlichen Rummel aus. Doch heute lungern am gegenüberliegenden Rand des Platzes ein paar Männer herum, Barkeeper und Angestellte aus den Saloons vermutlich, die ihren Logenplatz so gewählt haben, dass sie die Szene gut überblicken können. Ein Frachtwagen mit Maultieren steht an der Ecke der Diamond Hall, von welchem drei Männer Kisten abladen, und an den Holmen dösen ein paar Pferde vor sich hin.

»Es ist so verteufelt ruhig«, sagt Jesse Harvey, als sie bis auf achtzig Yards zu dem Marshal aufgeschlossen haben. »Ob Cass Middleton und Chico Calveras die Stadt bereits wieder verlassen haben?«

»Warum wären sie dann erst hergekommen? – Nein, ich glaube, Dan hat schon die richtige Idee. Todsicher stecken sie in der Diamond Hall. Unser Freund Vic Archer hat seine Hand im Spiel. Jeder Idiot hätte sich ausrechnen können, dass Dan Ferguson eine solche Herausforderung nicht einfach hinnehmen würde.«

Er bricht ab, weil sich der Marshal jetzt bis auf etwa dreißig Schritte dem Gehsteig vor der Diamond Hall genähert hat und dort plötzlich stehenbleibt. Mit starrem Blick mustert Dan Ferguson den Frachtwagen und die Männer, die seitlich von ihm unablässig mit Kisten in der Hofeinfahrt der Diamond Hall verschwinden und nun einen besonderen Eifer an den Tag legen, als ob das Erscheinen des Marshals darauf irgendwelchen Einfluss hätte.

Denn einen merkwürdigen Umstand gibt es hier: Warum hat man den Wagen nicht einfach in den Hof gefahren, anstatt die Kisten mühsam und einzeln hinüberzuschleppen? Das Ganze sieht aus wie eine sorgsam geplante Szene. Soll dieser schwere Merrivale-Wagen möglicherweise irgendjemandem als Deckung dienen?

Dan Ferguson mustert jeden Zoll der festgezurrten Plane, kann aber nichts Ungewöhnliches entdecken. Hinter den Scheiben der Diamond Hall allerdings tauchen kurz einmal zwei Gesichter auf, um sofort wieder zu verschwinden. Doch die wenigen Augenblicke haben dem Marshal genügt, um das breitflächige Gesicht von Cass Middleton zu erkennen.

»Middleton«, erklingt nun die merkwürdig raue Stimme Dan Fergusons, »kommen Sie heraus! Ich habe Sie gesehen!«

Als ob im Raum nur jemand darauf gewartet hätte, setzt sich eine Sekunde später bereits die Pendeltür in Bewegung. Aber es ist nicht der breitgesichtige Desperado, der auf den Gehsteig heraustritt. Vielmehr erscheint die vierschrötige Gestalt von Vic Archer höchstpersönlich. Seine Uhrkette glitzert in der Sonne, und die geblümte Seidenweste spannt sich über seinem Bauch, als er abwehrend die Hände hebt.

»Ferguson«, sagt er mit schleimigem Lächeln, »lassen Sie mich um Himmels willen aus dieser Sache heraus. Ich bin nicht verantwortlich für die Gäste, die sich in meinem Lokal einfinden. Ich kann einen Mann nicht an die Luft setzen, nur weil Ihnen seine Nase nicht gefällt.«

»Nein«, entgegnet der Marshal gepresst, »besonders gefällt sie mir nicht auf den drei Steckbriefen, die inzwischen gegen Cass Middleton vorliegen. Aber wenn Sie nicht wollen, dass ich mir diesen Banditen dort drinnen hole, Archer, dann schicken Sie ihn sofort heraus.«

»Nicht mehr nötig«, mischt sich in diesem Augenblick eine schrille Falsettstimme ein, die Cass Middleton gehört. »Ich bin schon da.«

Mit beiden Händen drückt der Desperado die beiden Hälften der Pendeltür auseinander und verharrt in dieser selbstsicheren Haltung. Mit einem Grunzlaut schiebt sich Vic Archer unterdessen ein paar Schritte zur Seite.

Mit der Zunge feuchtet sich Dan Ferguson die spröden Lippen an. Dann sagt er gepresst:

»Cass Middleton, ich erkläre Sie hiermit für verhaftet. Die Beschuldigungen, die gegen Sie erhoben werden, brauche ich nicht mehr aufzuführen. Aber ich mache Sie pflichtgemäß darauf aufmerksam, dass von nun an jede Ihrer Äußerungen gegen Sie verwandt werden kann ...«

Zwei Schritte macht der Bandit vorwärts. Ein scharfes Grinsen umspielt seine verkniffenen Lippen.

»Ein hübscher Spruch, Mister«, entgegnet er spöttisch. »Ich bin nur gespannt, wie Sie ihn in die Tat umsetzen wollen. Bis jetzt hat es noch niemand geschafft, Cass Middleton die Hand auf die Schulter zu legen. Versuchen Sie's, wenn Sie es ganz genau wissen wollen!«

Heiser klingt Dan Fergusons Stimme, als er erwidert:

»Sie wollen es nicht anders haben, Middleton. Ich komme jetzt und hole Sie. Überlegen Sie sich genau, was Sie tun!«

Mit steifen, marionettenhaft wirkenden Bewegungen geht er vorwärts. Vier, fünf Schritte – dann hört er den scharfen Warnruf:

»Achtung, Dan! Dort rechts!«

Die Spannung explodiert in einem dröhnenden Laut. Es ist ein Schrotschuss, der hinter dem Marshal losdonnert. Er selbst ist zur Seite herumgefahren und sieht den Burschen, der hinter der Hausecke einer Gassenmündung hervorgesprungen ist: Chico Calveras. Mit einem Schlag und in seltsam hellsichtiger Klarheit wird sich Dan Ferguson der Bedeutung des Frachtwagens bewusst. Durch die merkwürdige Anordnung hatte er abgelenkt werden sollen. Er sollte die Gefahr von der Hofeinfahrt her erwarten, während sie nun tatsächlich auf der anderen Seite auftaucht. Nur der Schrotschuss von Doc Hardesty bringt die Rettung.

Chico Calveras schießt, aber anscheinend wird er selbst im gleichen Moment von ein paar Schrotkörnern erwischt. Sein Schuss geht fehl. Er schwankt leicht und wirft sich mit einem verzweifelten Satz in Deckung der Hausecke, ehe die zweite Schrotladung dort in das Holz prasselt. Mit einem krächzenden Schrei stürmt Jesse Harvey dort hinüber, obgleich er Gefahr läuft, direkt in eine Kugel hineinzulaufen.

Nur wenig mehr als drei Sekunden nimmt das Intermezzo in Anspruch, dann wirbelt Dan Ferguson bereits wieder herum und reißt den Arm mit der Waffe empor – gerade noch rechtzeitig, um in das orangefarbene Mündungsfeuer von Cass Middletons Revolver zu sehen. Er spürt den betäubenden Schlag an seiner linken Brustseite, der ihn von den Beinen zu reißen droht. Niemand wird sagen können, woher ein Mann in solchen Augenblicken die Kraft nimmt, zweimal nacheinander abzudrücken und diese Schüsse auch noch gezielt abzugeben. Aber obgleich ihm selbst bereits die Sinne schwinden, sieht er den Banditen noch zusammensinken und die Gegenstufen hinabrollen. Dann stürzt er selbst in eine grenzenlose Finsternis.

Noch quillt Pulverrauch aus dem aufgeklappten Doppellauf von Doc Hardestys Schrotflinte, als der Arzt auch schon zu dem Freund hinüberhastet, neben ihm in die Knie sinkt und ihn auf den Rücken wendet. Ein kleines Stück unterhalb der Achselhöhle zeigt das Hemd des Marshals einen Kugeleinschlag und einen dunklen Fleck, der sich rasch vergrößert. Gleichzeitig rinnt bei seinem nächsten stöhnenden Atemzug ein dünnes Rinnsal hellroten Blutes aus seinem Mundwinkel.

Das Gesicht des Arztes wird fahl.

»Dan«, würgt er ächzend hervor, »mein Gott, Dan ...«

Mit einer Bewegung, in der seine ganze Hilflosigkeit zum Ausdruck kommt, lässt er den Kopf des Marshals langsam zurücksinken. Über den schlaffen Körper von Cass Middleton hinweg richtet er die Blicke auf den feisten Saloonkeeper, der ebenfalls erbleicht ist, inzwischen jedoch seine Fassung wieder zurückgewonnen hat.

»Archer, Sie – Sie gemeiner Schurke ...«, kommt es tonlos und abgerissen von seinen Lippen. Seine Hand tastet nach der Schrotflinte, die aufgeklappt neben ihm im Staub liegt.

Vic Archer bleibt unbewegt. Mit einem raschen Seitenblick schielt er auf die Burschen, die jetzt aus der Diamond Hall drängen und von denen die Hälfte auf seiner Lohnliste steht. Dann sagt er kalt:

»Trauen Sie sich nur nicht zu viel zu, Hardesty. Ich habe schon vorher erklärt, dass ich mit dieser Sache nichts zu schaffen habe. – Aber was Sie betrifft – ich glaube nicht, dass Sie in dieser Stadt noch viel Freude erleben werden. Sie sollten sich das überlegen – Sie und dieser heruntergekommene Satteltramp Jesse Harvey. Schlagen Sie einen gutgemeinten Rat nur nicht in den Wind!«

✰✰✰

Fast drei Wochen nach dem Kampf an der Diamond Hall beginnt in wenigen lichten Augenblicken für Dan Ferguson seine Umgebung Form und Konturen anzunehmen. In diesen Augenblicken begreift er, dass er im Haus von Doc Hardesty in einem der kleinen Zimmer unter dem Giebel liegt. Das heißt, eigentlich ist es das Haus von Mrs. Forrester, die ihrerseits den größten Teil der Räume an den Arzt vermietet und zugleich eine Art mütterliche Vormundschaft übernommen hat.

Dann kommt ein Tag, an dem Dan Ferguson mit geschlossenen Augen daliegt, obgleich er zum ersten Mal wirklich aufgewacht ist und Ordnung in seine Gedanken zu bringen versucht. Wenn das dumpfe Gefühl an seiner linken Schulter und Brustseite nicht wäre, könnte er in seiner Erschöpfung und Mattigkeit restlos zufrieden sein.

Gedämpfte Schritte tappen durch den Raum und nähern sich dem Bett. Dann ist da eine knarrende Stimme:

»Was muss es Sie für eine Überwindung gekostet haben, mich hinzuzuziehen, Hardesty. Haben Sie keine Angst, sich dadurch in der Stadt zu blamieren?«

Der Klang dieser ein wenig hämischen Stimme ist Dan Ferguson nur zu bekannt. Blitzartig überfällt ihn die Erkenntnis, dass er es hier mit dem rotgesichtigen Doc Cadbury zu tun hat. Ein Grund mehr, sich ruhig zu verhalten.

»Ich schere mich einen Dreck um jede Blamage, wenn es um ein Menschenleben geht«, erwidert Doc Hardesty. »Ich habe Ihnen meine Diagnose mitgeteilt, Cadbury. Danach hätte dieser prächtige Bursche längst tot sein müssen. Und gerade deshalb sind mir Zweifel an der Richtigkeit gekommen, sonst hätte ich Sie nicht hinzugezogen.«

»Zäh wie rohes Büffelleder, wie?«, knarrt wieder das Organ Doc Cadburys. Der Patient spürt, wie seine Decke bis zur Hüfte zurückgestreift wird. Kühle Hände machen sich an seiner linken Brustseite und der Achselhöhle zu schaffen. Es folgt ein kurzes Brennen, als ein breiter Streifen von Heftpflaster gelöst wird. Umso mehr zwingt sich Dan Ferguson, ruhig und gleichmäßig zu atmen.

»Ziemlicher Gewichtsverlust, scheint mir«, murmelt der rotgesichtige Arzt. »Den Umständen nach ein Revolverschuss auf zwanzig Schritt Entfernung, noch dazu mit verhältnismäßig großem Kaliber ...«

John Hardesty nickt.

»Eine schlimme Thoraxverletzung«, sagt er ernst. »Das Geschoss muss in den Brustraum eingedrungen sein, denn es ist nirgendwo zu tasten. Dafür spricht auch, dass eine Rippe angebrochen war, obgleich die Kugel wohl durch einen Zwischenraum gedrungen ist.«

»Lungenverletzung?«

»Zweifellos. Er förderte zwei Tage lang beim Atmen hellrotes Blut zutage, aber dann kam nach einer Eisbeutelbehandlung die Blutung zum Stillstand und ist seither nicht mehr aufgetreten.«

»Also nur eine geringfügige Verletzung der Atmungsorgane«, brummt der andere. »Bei der Lage des Einschusses eigentlich unerklärlich. Haben Sie einmal versucht, mit der Sonde dem Schusskanal zu folgen?«

»Um Himmels willen!« Doc Hardesty presst die Lippen aufeinander. »Damit hätte ich den Schaden doch nur vergrößert. Es war ohnehin ein Wunder, dass sich die Öffnung im Brustraum anscheinend unmittelbar hinter dem Geschoss von selbst wieder verschlossen hat. Stellen Sie sich vor, was im anderen Fall geschehen wäre ...«

»Zusammenbruch der Lungentätigkeit und Tod«, erwidert William G. Cadbury mit erschreckender Nüchternheit. »Aber glauben Sie, dass Ihr Patient diesem Schicksal bereits entgangen ist? Nur die absolute Bettruhe hat Ferguson noch so lange am Leben gehalten, schätze ich. Aber irgendwann wird er aufstehen. Und dann ...«

Lange Zeit bleibt es nach diesen Worten still.

Dan Ferguson ist nicht weit von wirklicher Bewusstlosigkeit entfernt. Denn was er hier aus dem Mund von Doc Cadbury gehört hat, ist nichts anderes als ein erbarmungsloses Todesurteil. Anscheinend teilt auch John Hardesty diese Meinung und hat den Konkurrenten nur hinzugezogen, um sich durch das Urteil eines Kollegen endgültige Gewissheit zu verschaffen, dass er selbst nicht einer Fehldiagnose zum Opfer gefallen ist.

Kurz darauf wird Dan Ferguson die Decke bis zum Hals emporgezogen.

»Erstaunlich«, hört er aus grenzenloser Ferne wieder die knarrende Stimme. »Ganz erstaunlich, dass unter solchen Umständen der Rippenbruch verheilt und die Wunde selbst schon fast vernarbt ist. Er muss trotz allem über die Konstitution eines Büffels verfügen. Doch leider wird ihm das in den nächsten Wochen auch nicht helfen. So große Wunder gibt es gar nicht, dass er mit einer Kugel in der Brust noch lange zu leben hätte.«

✰✰✰

In der nächsten Woche ist Dan Ferguson völlig fieberfrei.

Es ist am Dienstagmittag, als John Hardesty Mrs. Forrester die Tür öffnet und wohlwollend die Blicke auf den geleerten Schüsseln ruhen lässt. Dann wendet er sich dem Patienten zu, der aufrecht im Bett sitzt und sich in die Kissen lehnt.

»Ja, er hat alles vertilgt«, sagt Mrs. Forrester lächelnd. »Ab morgen werde ich die Portionen vergrößern können, und ich denke, dass er dann in den nächsten Tagen kräftig genug sein wird, um zum ersten Mal aus dem Bett ...«

Sie verstummt und errötet unter John Hardestys warnendem Blick. Der Arzt sagt mit gekünstelter Munterkeit:

»Ja, er ist in letzter Zeit bedeutend kräftiger geworden. Aber trotzdem lässt sich mit einer solchen Verwundung nicht spaßen. – Nun, Gott sei Dank, war er bisher ein geduldiger Patient, und ich hoffe, dass das auch in Zukunft so bleiben wird. Die größte Anstrengung, die ich ihm vorerst gestatten kann, wäre eine Partie Schach.«

Sein Lächeln findet diesmal in der Miene Dan Fergusons keinen Widerhall. Der Marshal bleibt ernst und unbewegt, und Mrs. Forrester verlässt hastig das Zimmer.

»Übrigens habe ich unseren prächtigen Bürgermeister getroffen, und er hat sich nach dir erkundigt, Dan«, sagt der Arzt.

»Zuviel Güte«, wehrt der Marshal bitter ab. »Das hätte ich von Gene Wendell gar nicht erwartet.«

John Hardesty zuckt mit den Achseln und wechselt einen bedeutsamen Blick mit Jesse Harvey, der am Fenster lehnt:

»Immerhin machte er mir die Mitteilung, der Stadtrat habe sich entschlossen, drei Monatsgehälter im Voraus auf dein Konto zu überweisen, sodass du dir während der Genesung keine Sorgen zu machen brauchst.«

Ein galliges Lachen kommt über Dan Fergusons Lippen.

»Aber meinen Stern hat er nicht gleich von dir verlangt, wie?«, erkundigt er sich mit verhaltenem Grimm. »Das wird er erst nach Ablauf dieser drei Monate tun. Wie zartfühlend, mir so lange Schonzeit zu gewähren.«

»Würde es dir so viel ausmachen, diesen üblen Job aufzugeben, Dan?«, fragt er, ohne seinen Patienten dabei anzusehen.