H. C. Hollister 12 - H.C. Hollister - E-Book

H. C. Hollister 12 E-Book

H. C. Hollister

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

In Abilene im Staat Kansas terrorisiert eine Verbrecherbande, die sich in den Besitz der Verladeeinrichtungen für die einlaufenden Rinderherden bringen will, mit Unterstützung des bestechlichen Bürgermeisters die wehrlose Bevölkerung.
Der ehemalige Revolvermann Derrick Earl, den die Banditen als einen der ihren betrachten, erweist sich mit dem Stern an der Weste als unbeugsamer Kämpfer für Recht und Gesetz. Mit Hilfe seiner Colts säubert er die ihm als Townmarshal anvertraute Stadt gnadenlos vom Raubgesindel.
Gefährlich sind die Schatten, die über seinem Leben liegen. Seine Gegner hetzen ihn von einem Kampf in den anderen, doch Derrick Earl geht unbeirrt seinen Weg ...

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 157

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Impressum

GEFÄHRLICHE SCHATTEN

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Ertugrul Edirne/Becker Illustrators

Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-9939-4

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

»Es gibt heute eigentlich zu viele Autoren, die angeblich so schreiben, wie der Wilde Westen wirklich war. Wenn man dann näher hinschaut, entdeckt man doch nur zu oft ein verfälschtes Bild, Klischee und Schablone. In jedem meiner Romane versuche ich bis auf den Grund einer historisch echten Darstellung vorzudringen. Der grandiose Stoff zwingt mich einfach dazu.«

H.C. Hollister, Mitte der 1960-er Jahre

GEFÄHRLICHE SCHATTEN

In Abilene im Staat Kansas terrorisiert eine Verbrecherbande, die sich in den Besitz der Verladeeinrichtungen für die einlaufenden Rinderherden bringen will, mit Unterstützung des bestechlichen Bürgermeisters die wehrlose Bevölkerung.

Der ehemalige Revolvermann Derrick Earl, den die Banditen als einen der ihren betrachten, erweist sich mit dem Stern an der Weste als unbeugsamer Kämpfer für Recht und Gesetz. Mit Hilfe seiner Colts säubert er die ihm als Town Marshal anvertraute Stadt gnadenlos vom Raubgesindel.

Gefährlich sind die Schatten, die über seinem Leben liegen. Seine Gegner hetzen ihn von einem Kampf in den anderen, doch Derrick Earl geht unbeirrt seinen Weg …

Derrick Earl hat sein Ziel schon gesehen. Vom Kamm des letzten Hügels, den die Hufe seines narbigen Grauschimmels gefressen haben, waren Abilene und der Smoky Hill gut zu erkennen. Wieder liegt eine Stadt vor ihm, und es ist eine von diesen wilden Rinderstädten am Nordende des großen Trails. Er kennt sie alle, diese Höllennester, vom Rio Grande bis nach Nebraska hinauf. In den wenigen Jahren seit dem Bürgerkrieg hat er das Land als Satteltramp durchstreift.

Jetzt lenkt er seinen Wallach in das Bachtal hinab, das er noch zu durchqueren hat. Mitten im Kies und Geröll des Bachbetts sieht er den Wagen stehen. Ein alter, grauhaariger Mann steht daneben und betrachtet das zerbrochene Hinterrad.

Das Wasser reicht dem Grauen nur bis an die Fesseln. Derrick lehnt sich nach vorn auf das Sattelhorn und blickt auf den Mann herab.

»Hallo, Opa, das ist eine böse Sache.«

Der alte Mann nickt ihm zu.

»‚n Tag, Stranger! Ist nicht so schlimm wie es aussieht. Ich habe ein Reserverad auf dem Wagen. Aber allein bekomme ich den Kasten nicht hoch.«

»Da werden wir wohl anfassen müssen, Opa, was? Sonst stehen Sie noch bis zum nächsten Hochwasser hier und werden in den Smoky Hill River gespült.«

Derrick schwingt ein Bein über den Sattel. Sein Grauer hat den Kopf tief herabgesenkt und säuft. Sein Reiter beginnt sich im Sattel die Stiefel auszuziehen. Er steckt seine Socken hinein, bindet sie zusammen und hängt sie an das Sattelhorn.

Seine ungewöhnlich engen und zerknitterten Hosenbeine rollt er ein Stück empor und steigt dann endlich ab.

»Ich bin Dean Radley«, streckt ihm der Alte die Hand entgegen.

»Hallo!«, sagt Derrick und lässt ihn vergebens auf eine Erwiderung dieser Vorstellung warten. »Wollen gleich mal sehen, wo wir einen Hebebaum herbekommen.«

Zwischen den Maultieren ist ein starker Deichselarm angebracht. Mit Radleys Hilfe spannt Derrick die Maultiere aus. Der Alte bringt sie zum Ufer und bindet sie am Gebüsch fest. Derrick löst derweil den Bolzen, der die Verbindung zum Wagen herstellt. Er muss sich gewaltig anstrengen, um den festgerosteten Splint zu entfernen.

Er steht direkt vor dem Bock des schweren Conestoga-Schoners. Da wird sein Blick starr.

Langsam wandern seine Augen an dem weiten, bunten Rock empor und bleiben schließlich an einem rosig überhauchten Gesicht haften, das von Locken umrahmt ist. Von diesem Gesicht ist er so beeindruckt, dass er mehrere Sekunden braucht, um endlich zum Hut zu greifen. Erst dann sieht er, dass neben diesem jungen Mädchen noch ein zweites auf dem Bock des Wagens sitzt. Es ist eine korpulente Matrone mit gütigen Augen, die lächelnd zu ihm herabblickt.

In diesem Augenblick kommt Dean Radley vom Ufer durch das Wasser zurückgestampft.

»Yeah, das hätten wir in unserem Ärger fast vergessen. Das sind meine Frau und meine Enkelin Karyl, die einzige Tochter meines gefallenen Sohnes. Das ist Mister …«

Derrick gibt sich innerlich einen Ruck. »Earl«, sagt er, »Derrick Earl!«

»Wir sind Ihnen sehr dankbar, dass Sie meinem Mann behilflich sein wollen, Mr. Earl.«

Derrick muss seinen Blick von den strahlenden Augen des jungen Mädchens losreißen.

»Nichts zu danken, Madam«, sagt er und wischt sich die Hände an der Hose ab.

»Wir wollen den Wagen vorher etwas entlasten, Opa. Wenn uns die Deichsel wegsplittert, wird alles noch schlimmer.«

»Sie haben recht«, erwidert Radley. »Am besten setzen wir erstmal die Frauen aufs Trockene.«

Derrick hat sich inzwischen ein Bild von der Ladung des Wagens gemacht. Es sind Truhen und Möbelstücke, Hausrat und ähnliches Zeug, womit der Schoner hoch beladen ist. Zweifellos sind die Radleys auf dem Weg in eine neue Heimat. Viele Menschen sind in diesen Jahren auf dem Trail nach Westen. Nach Beendigung des Krieges hat die Union endlich wieder Truppen zur Verfügung, um die weiten Indianergebiete zu befrieden. Noch ist es zwar unruhig, aber die Indsmen werden immer mehr in Reservate abgedrängt. Es wird bald Ruhe geben. Und wer zuerst kommt, mahlt zuerst.

Derrick geht zum Bock des Wagens zurück. Die Frauen müssen gehört haben, worum es geht, denn die alte Mrs. Radley macht sich schon bereit, auf Derricks Arm den Bach zu überqueren. Derrick bringt sie ans Ufer. Dann kehrt er zurück und holt das Mädchen Karyl.

Als er sie auf den Armen hält, steigt der Duft ihres Haares verwirrend in seine Nase. Ihr fein geschnittenes Gesicht ist mit Röte übergossen, als er sie bei ihrer Großmutter absetzt.

Dann gibt es Derrick einen kleinen Stich. Sein Blick fällt auf Karyl Radleys linken Arm. Es besteht kein Zweifel, dieses hübsche Mädchen ist ein Krüppel. Der linke Arm ist steif. Schon während er sie herübertrug, hatte er sich gewundert, warum sie den Arm nicht, wie es am zweckmäßigsten gewesen wäre, um seinen Nacken geschlungen hatte. Er hatte diesen Umstand ihrer mädchenhaften Scheu zugeschrieben.

Das sonst so freundliche Gesicht von Mrs. Radley wird plötzlich ernst. Sie hat Derricks schnellen Blick gesehen und richtig eingeschätzt.

»Sie haben es bemerkt, Mr. Earl?«

»Yeah«, nickt Derrick. Ihm ist nicht anzumerken, dass ihn diese Erkenntnis erschüttert hat.

»Sie ist als Kind gestürzt«, sagt Mrs. Radley schlicht. »Sie hat sich inzwischen so daran gewöhnt, dass sie es kaum noch merkt.«

Derrick ist überzeugt, dass die alte Dame in diesem Punkt irrt. Kein normal veranlagtes Mädchen, noch dazu, wenn es so hübsch ist wie Karyl Radley, wird ohne schwere innere Kämpfe darüber hinwegkommen, dass es verkrüppelt ist.

»Ich glaube, es ist so weit«, ruft in diesem Augenblick der alte Dean aus dem Bach herüber.

Das hintere Ende des Wagens ist jetzt so erleichtert, dass sie ohne Gefahr einen neuen Versuch starten können.

Während Derrick sich mit aller Macht auf den Hebebaum stemmt und das Heck des Wagens hochhebt, wandern seine Augen zum Ufer.

Dean Radley hat das zerbrochene Rad schon abgenommen. Jetzt fettet er den herausragenden Achsstummel aus einem kleinen Eimer dick mit einem dunkelbraunen Schmierfett ein.

»Können Sie es noch halten, Mr. Earl?«

»Überschlagen Sie sich nicht, Opa«, knurrt Derrick, während seine Adern immer stärker hervortreten, »so lange halte ich es schon noch aus.«

Kurze Zeit später haben sie es geschafft. Der Wagen ist wieder beladen und angespannt und rollt aus dem Bachbett heraus. Derricks Wallach grast am Uferrand. Auf den Pfiff seines Herrn kommt er folgsam herangetrabt.

»War verdammt nett von Ihnen, Mr. Earl. Vielen Dank!«

Karyl sagt nichts. Sie schaut nur mit großen Augen auf Derrick, der verlegen seinen Hut in der Hand hält.

»Lassen Sie die Dankesreden. Es war selbstverständlich.«

»Für Sie vielleicht, Mr. Earl! Wir haben schon einmal weiter westlich, noch in Missouri, mit einem Rad Pech gehabt. Für die Leute da war es nicht selbstverständlich. Wir haben drei Tage festgelegen.«

»Bitte, Mr. Earl, wenn Sie nach Abilene kommen, besuchen Sie uns doch einmal!«, schließt sich Mrs. Radley als getreues Echo ihres Ehemannes an. »Mein Mann wird dort von einem alten Freund, der sich zur Ruhe setzen will, den Mietstall übernehmen. Vorerst zur Pacht, wissen Sie, zum Kauf langen unsere paar Dollars nicht.«

Derrick angelt in der Brusttasche nach seinem Rauchzeug.

»Danke, Mrs. Radley. Ein einsamer Junggeselle ist für eine solche Einladung immer dankbar. Ich werde Sie zu finden wissen.«

☆☆☆

Das Hotel liegt der Postagentur gleich gegenüber. Als Derrick sich vom Pferd schwingen will, kommt die Nachmittagspost im vollen Gang in die Stadt gerast. Die Postfahrer sind es gewohnt, ihre sechs Pferde im vollen Galopp zu halten. Nur so können sie den Plan einhalten, den die Gesellschaft aufgestellt hat.

Trotz der Bahnlinie, die Abilene seit drei Jahren mit der Welt verbindet, kann man noch nicht auf die Concord-Kutschen verzichten. Was bedeutet eine einzige Bahnlinie zum Osten hinüber gegen das Spinnennetz von Verbindungen, die diese alten, hochrädrigen Gefährte durch das Land ziehen. Sie bringen den Hauch der Wildnis mit sich, den Atem der Gefahr, der draußen im freien Land noch weht. Und deshalb ist die Ankunft einer solchen Postkutsche immer wieder ein Ereignis, das die Menschen anlockt.

Vor der Posthalterei haben mehrere Männer in dunklen Gehröcken mit Zylindern Aufstellung genommen. Derrick ist es klar, dass sie einen einflussreichen Mann erwarten. Dann steigt der Dicke aus der Kutsche, ein Mann in grauem Reiseanzug, grauer Melone und geblümter Weste. Als er seinen Hut abnimmt, um mit dem Taschentuch über seinen Kopf zu wischen, entblößt er eine prachtvolle Glatze.

Auf der anderen Seite tritt einer der dunkelgekleideten Männer aus der Reihe vor. Satzfetzen werden bis zu Derrick herübergeweht.

Als die Ansprache vorbei ist, hat er so viel verstanden, dass es sich um den Bürgermeister handelt, der zwei Wochen in einer besonderen Mission abwesend war, und nun mit gutem Erfolg zurückgekehrt ist. Einmal sind die Männer in schallendes Gelächter ausgebrochen, als der Sprecher andeutete, dass der Herr Bürgermeister im Dienste des Gemeinwohls in den letzten Wochen mindestens zwanzig Pfund verloren hätte.

Einer der Männer nimmt die Reisetasche von der Kutsche, nun setzt sich der Boss dieser Stadt an die Spitze seines Empfangskomitees und strebt damit einem Saloon zu.

Jetzt endlich schwingt Derrick sein linkes Bein über das Sattelhorn und gleitet aus dem Sattel. Er schlingt die Zügel seines Wallachs um die Haltestange.

Derrick nimmt die Deckenrolle und die Satteltaschen vom Sattel und geht ins Hotel hinein. Der Blick des hemdsärmeligen Mannes hinter der breiten Empfangstheke scheint ihn sofort bei seinem Eintritt abschätzen zu wollen. Er umfängt ihn von Kopf bis Fuß und bleibt für einen Augenblick an seinem tiefgeschnallten Gurt hängen.

»Kann ich ein Zimmer bekommen?«, tritt Derrick heran und lädt dabei sein Gepäck auf einem Sessel ab, der in der Ecke steht.

»Warum nicht, wenn Sie es zahlen können?«

»Welche Nummer?«, fragt er beiläufig, während des Schreibens.

Der Hemdsärmelige wendet sich um und nimmt einen Schlüssel vom Brett. »Nehmen Sie Nummer sechs im ersten Stock! Es liegt am hinteren Ende des Ganges, das ruhigste Zimmer.«

Derrick nimmt den Schlüssel an sich. Sofort wendet der andere das Buch um und blickt auf die Eintragung. Und dann kommt, was Derrick erwartet hat. Der Mann klappt das Buch schnell zu, und seine Gesichtsfarbe wird um einen Ton blasser. Als er dann die Treppe hinaufgeht, spürt Derrick seine Blicke fast körperlich im Rücken. Er weiß, dass innerhalb einer halben Stunde jeder in Abilene, der daran interessiert ist, wissen wird, dass Derrick Earl in der Stadt ist.

Bevor eine Viertelstunde vergangen ist, kommt Derrick Earl frisch rasiert und gewaschen wieder herunter. Er legt den Schlüssel auf den Tisch und fragt:

»Wo kann ich anständig essen?«

»Gehen Sie nach nebenan, Mr. Earl. Der Abilene Saloon gehört mir ebenfalls. Sie werden anständig bedient werden. Wenn Sie mal auf dem Zimmer essen wollen, kann ich Ihnen das Essen auch von dorther hinaufschicken lassen. Hier im Hotel führen wir keine eigene Küche.«

»Danke!«, sagt Derrick und geht hinüber. Er hat seine graue Wildlederjacke abgelegt und trägt stattdessen eine ebensolche Weste. Auch Hemd, Hose und Stetson sind von gleicher Farbe. Nur seine Stiefel, der Gurt und eine schmale Samtschleife, die er unter dem Hemdkragen trägt, sind schwarz. Wieder folgen ihm die Augen des Hotelbesitzers. Der Mann bemerkt, dass Derrick einen ganz außergewöhnlichen Gurt trägt. Das Halfter sitzt tief rechts an seinem Oberschenkel. Es ist nicht einmal festgebunden, wie es vielfach üblich ist. Zwei dünne Lederriemchen baumeln vom unteren Ende bis zum Knie hinab. Der Kolben seiner Waffe liegt flach am Schenkel an. Das Außergewöhnliche an dem Halfter ist, dass nicht eine einzige Patronenschlaufe daran zu finden ist. Wo andere einen patronengespickten Gurt mit sich herumschleppen, hat Derrick sparsam ein paar silberne Beschläge auf dem Leder anbringen lassen.

Sechs Kugeln in der Trommel des großen Colts, keine mehr. Das ist Derrick Earls Tick, wenn man so sagen will.

Er geht durch die Tür und kommt in einen schmalen Gang, der nach hinten führt. Anscheinend hat das Hotel mit dem Saloon nicht nur die Küche gemeinsam. Dieser Hemdsärmelige scheint ein sparsamer Mann zu sein. Derrick stößt eine zweite Tür auf und befindet sich im Abilene Saloon.

»Verdammt vornehmer Stall!«, knurrt er vor sich hin, als er die Einrichtung überfliegt. Die einzelnen Tische sind durch geschnitzte, hölzerne Barrieren voneinander getrennt. Auf diese Weise entstehen an den Wänden lauter Nischen, die deshalb so abgeteilt erscheinen, weil auf den nur knapp Brusthöhe erreichenden Barrieren eine Unmenge von Blattpflanzen stehen. Der ganze Raum ist holzgetäfelt.

Vor den Nischen sind zwei Tische zusammengeschoben. Derrick erkennt in der Gesellschaft, die sich daran niedergelassen hat, die Stadtväter, die ihren Bürgermeister abgeholt haben.

Einer der Tische in den Nischen ist noch frei. Derrick geht hinüber und rückt sich einen Stuhl heran. Im gleichen Augenblick fällt ihm ein, dass sein Wallach noch draußen vor dem Hotel steht.

Das ist ihm noch nie passiert, dass er sein Pferd vergessen hat. Er legt seinen Hut auf den Tisch und will hinausgehen, als auch schon ein Kellner mit weißer Schürze vor ihm steht.

»Ich möchte etwas Anständiges zu essen«, sagt er zu dem dienstbeflissenen Mann. Dessen Miene wird kühl.

»Wir haben nur anständige Sachen!«

Auch das ist Derrick noch nicht passiert. Offenbar ist hier die Bedienung weitaus vornehmer als die Gäste. Er wird es sich merken müssen. Aber ihn reitet der Teufel. Absichtlich lässig blickt er den Mann an.

»Also hör zu, Buddy! Ich bekomme ein prächtiges Steak, wenig Kartoffeln, viel Gemüse.«

»Etwas zu trinken dazu, Sir?«

»Yeah, ein Bier! Aber lassen Sie sich Zeit. Ich werde meinen Hut hier liegen lassen. Mein Pferd steht noch draußen, es muss in den Mietstall. Ist einer in der Nähe?«

»Schräg gegenüber, Sir!«

An dem großen Tisch wird es immer lustiger.

»Wollen Sie in einem Tag aufholen, was Sie in zwei Wochen an Gewicht verloren haben, Ribes?«

Dieser spöttische Zuruf galt dem Bürgermeister, der sein Hühnchen, vielmehr ein recht ausgewachsenes Huhn, inzwischen fast restlos vertilgt hat.

»Spotten Sie nur!«, schnauft Ribes mit vollem Mund. »Jedenfalls habe ich in diesen vierzehn Tagen die Zusicherung der Eisenbahngesellschaft bekommen, dass die Verladerampen und die Verladekorrals unserer Bahnstation erweitert werden. Abilene wird also Dodge City den Rang ablaufen als Treibherdenstadt. Was an Herden vom Süden heraufkommt, wird nach Abilene trailen, weil hier schneller verladen wird. Das bringt Geld. Dafür nehme ich meine Gewichtsabnahme gern in Kauf.«

Dann prostet alles dem Bürgermeister zu, der sich diese Ehrung gern gefallen lässt und mit einem Hühnerbein dankend zurückwinkt.

Derrick findet den Mietstall auf Anhieb. Ein alter, weißhaariger Mann mit gekrümmtem Rücken nimmt das Pferd an.

»Einen Dollar pro Tag, im Voraus zahlbar, Mister!«, grunzt er. »Dafür bekommt Ihr Gaul anständigen Mais, guten Hafer und süßes Heu und hat drei Stunden Auslauf am Tag im Korral.«

»Okay, Opa!«, erwidert Derrick leise. »Lassen Sie ihn ordentlich abreiben und striegeln. Passen Sie bloß auf, am linken Hinterhuf ist er kitzlig. Krankenhausrechnungen bezahle ich grundsätzlich nicht.«

Der Alte sagt nichts mehr, er grunzt nur befriedigt, als Derrick ihm zwei Dollarstücke in die Hand drückt.

Auf der Straße nimmt Derrick weit hinten einen Wagen mit einem Maultiergespann wahr. Er kann sogar die Gestalten auf dem Bock erkennen. Sofort erinnert er sich an die Radleys und fragt sich, ob der Alte im Mietstall derjenige ist, der an die Radleys verpachten will.

Im Saloon hat sich während seiner Abwesenheit nichts geändert. Vielleicht ist die vornehme Gesellschaft noch etwas lauter geworden. Derrick zwängt sich zwischen den Stühlen durch und geht in seine Nische.

Er stockt. Seine Augen werden eng. Sein Hut, den er soeben auf den Tisch gelegt hatte, liegt jetzt neben dem Tisch auf dem Boden. Auf dem Platz aber, den Derrick sich damit reserviert hatte, sitzt jetzt ein Bursche, der sich vorhin auf die Haltestange gelehnt hatte.

»Dieser Platz ist besetzt!« Wieder klingt Derricks Stimme sanft und ruhig. Vielleicht ist es diese Sanftheit, die den Burschen zu dem unverschämten Grinsen herausfordert.

»Yeah, das sehen Sie doch! Von mir«, gibt er kaltschnäuzig zurück.

Obgleich in diesem Augenblick ein zweiter Kerl, offenbar ein Kumpan des ersten, an den Tisch herantritt und sich daneben aufbaut, klirrt Derricks Stimme leise und gefährlich:

»Heben Sie den Hut auf.«

Der Bursche grinst unbeirrt weiter. Er hebt einen Fuß, als wenn er aufstehen wolle, dann lässt er ihn ganz langsam wieder sinken und setzt ihn – auf die Krempe von Derricks Hut. Sein unverschämtes Grinsen wird jetzt von seinem Kumpan geteilt.

Es zeugt von der geringen Menschenkenntnis dieser Kerle, dass sie Derricks freundliches Lächeln für ein Zeichen seiner Unterlegenheit halten. Sie sehen zu, wie er sich langsam nach dem Hut bückt und ihnen seinen ungeschützten Nacken bietet.

Vielleicht sollte der Schlag, den der eine Derrick versetzen will, diesen nur zu Boden werfen, um ihn noch mehr zu reizen, nachdem er den Hut selbst aufnehmen will. Das kann nicht mehr mit Bestimmtheit gesagt werden, denn nun handelt Derrick. Und zwar hart und gründlich.

Seine Hand, die er nach dem Hut ausstreckt, hat plötzlich das Bein des Burschen gepackt. Er reißt es jäh empor und setzt alle Kraft dahinter. Mitsamt seinem Stuhl landet der Bursche in der äußersten Ecke der Nische und kracht mit dem Kopf dumpf dröhnend gegen die Wand. Fast im selben Augenblick erwischt Derrick den zweiten Kerl mit einem trockenen Haken, der seinen Kopf in den Nacken reißt und ihn rückwärts taumeln lässt. Er beendet seinen Rückmarsch erst an der Wand und gleitet langsam daran zu Boden. Da sitzt er dann, mit glasigen Augen, dicht neben seinem Kumpan.

So schnell geht das alles vor sich, dass außer zweimaligem, dumpfem Krachen kaum etwas zu hören war.

Derrick hat es so unauffällig gemacht, dass die anderen Gäste, die sich suchend nach der Ursache des Geräuschs umsehen, nirgendwo einen Anhaltspunkt finden, sodass ihr Interesse erlischt.

Er richtet den umgefallenen Stuhl wieder auf und erkennt im gleichen Augenblick, wie die Hand des einen zur Hüfte fährt. Wie von selbst springt ihm der Colt in die Hand. Er braucht nicht zu schießen. Die beiden Kerle, beide wieder etwas klarer, haben nur die schattenhafte Bewegung gesehen, jetzt starren sie in die dunkle Mündung.