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Acht Jahre Haft in Yuma - und das unschuldig! - haben Dan Farrel zwar nicht zermürbt, ihn jedoch reifer gemacht. Er hat den festen Vorsatz, seine wilde Vergangenheit als Revolvermann zu vergessen. Doch schon bald muss er feststellen, dass ihn sein Ruf als gefürchteter Revolverkämpfer wieder eingeholt hat. Um seinem Freund zu helfen, muss er sich den Dingen wieder stellen, wenn er nicht den Rest seines Lebens immer wieder davonlaufen will.
In Las Colinas wurde Silber gefunden, und das Gesetz, vertreten durch einen korrupten Marshal, wird von verbrecherischen Elementen mit Füßen getreten. Hier ist es, wo Dan Farrel auf den Mann trifft, dem er all sein Unglück verdankt. Der dramatische Kampf an der Wild-Cat-Mine setzt den Schlusspunkt unter ein wildes Geschehen, das alles entscheidet.
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Seitenzahl: 146
Veröffentlichungsjahr: 2024
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FÄHRTE DES VERGESSENS
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Impressum
FÄHRTE DES VERGESSENS
Acht Jahre Haft in Yuma – und das unschuldig! – haben Dan Farrel zwar nicht zermürbt, ihn jedoch reifer gemacht. Er hat den festen Vorsatz, seine wilde Vergangenheit als Revolvermann zu vergessen. Doch schon bald muss er feststellen, dass ihn sein Ruf als gefürchteter Revolverkämpfer wieder eingeholt hat. Um seinem Freund zu helfen, muss er sich den Dingen wieder stellen, wenn er nicht den Rest seines Lebens immer wieder davonlaufen will.
In Las Colinas wurde Silber gefunden, und das Gesetz, vertreten durch einen korrupten Marshal, wird von verbrecherischen Elementen mit Füßen getreten. Hier ist es, wo Dan Farrel auf den Mann trifft, dem er all sein Unglück verdankt. Der dramatische Kampf an der Wild-Cat-Mine setzt den Schlusspunkt unter ein wildes Geschehen, das alles entscheidet.
»Vierhundertdreiundneunzig, Sir«, sagte der uniformierte Wächter und trat zur Seite, um dem Mann in der ausgebleichten, abgewetzten Drillichkleidung den Weg freizugeben.
Der Direktor blickte von seiner Akte auf und nickte. »Es ist gut, Watson. Sie können uns allein lassen.«
Der Gefangene nahm seinen ausgefransten Strohhut vom Kopf. Der Strohhut kennzeichnete ihn als einen jener Gefangenen, die im Steinbruch arbeiteten, und von dort hatte man ihn auch vor einer halben Stunde ins Staatsgefängnis von Arizona zurückgeholt. Doch so ungewöhnlich diese Maßnahme auch war, das Gesicht von Vierhundertdreiundneunzig blieb unbewegt.
»Kommen Sie her! Setzen Sie sich, Farrel!« James Coburn deutete auf den Besucherstuhl vor seinem Schreibtisch. Zögernd trat Dan Farrel näher, schüttelte aber den Kopf. »Ich stehe lieber, wenn es recht ist, Sir.«
»Wie Sie wollen«, sagte Direktor Coburn geduldig. »Sie sind zu zwanzig Jahren verurteilt, Farrel.«
»Das stimmt, Sir.«
»Sie haben sich freiwillig zur Arbeit im Steinbruch gemeldet.«
»Auch das ist richtig.«
Direktor James Coburn räusperte sich. Dieser Mann war ihm irgendwie unheimlich. Seine Starre, seine scheinbar unerschütterliche Beherrschung – das traf man sehr selten unter den Insassen der Strafanstalt Yuma an.
Dieser Dan Farrel hatte sich nach den ersten Eingewöhnungsschwierigkeiten als mustergültiger Häftling aufgeführt. Er war nicht aufsässig und nicht verstockt, doch er ließ keinen Menschen an sich herankommen. Der Direktor fand es immer schwieriger, Daniel Farrel in angemessener Form auf eine einschneidende Neuigkeit vorzubereiten.
»Sie sind jetzt sieben Jahre hier«, fuhr Direktor Coburn fort.
»Im nächsten Monat werden es acht, Sir.« Das war eine Feststellung, die beinahe gleichgültig getroffen wurde, aber es lagen keine Feindseligkeit und kein Aufbegehren darin.
»Sie wissen, dass ein Häftling – gute Führung vorausgesetzt – nach Verbüßung von zwei Dritteln seiner Strafe entlassen werden kann?«
Die Mundwinkel von Dan Farrel zuckten. »Man hat mich darüber aufgeklärt, Sir.«
»Was werden Sie tun, wenn man Sie vorzeitig entlässt?«
»Um drüber nachzudenken, habe ich noch sechs Jahre Zeit, Sir.«
»Sie haben sich also noch nie damit beschäftigt?«
»Doch, aber ich habe es dann so schnell wie möglich wieder vergessen. Durch solche Gedanken wird alles nur noch schwerer.«
Das war doch wenigstens ein Zeichen, dass dieser Mann überhaupt noch über irgendwelche Empfindungen verfügte. Der Direktor atmete auf. Wenn sich erst ein Spalt in der Schale zeigte, dann ließ sie sich auch knacken, um an den Kern heranzukommen. Man musste nur die richtige Methode anwenden.
»Schon gut, Farrel«, wehrte Coburn väterlich ab. »Ich kann Sie nicht zwingen, darüber zu reden, und ich will es auch gar nicht. Auch ein Häftling hat Anspruch auf seine Träume. Wie ich aus den Akten ersehe, haben Sie während Ihrer Verhandlung und auch später hier in Yuma stets Ihre Unschuld beteuert, Farrel.«
Der Gefangene schüttelte den Kopf.
»Nein, Sir, das habe ich nicht getan. Ich habe gesagt, dass ich die Tat, die man mir zur Last legte, nicht begangen habe.«
»Aber ist das nicht dasselbe?«
»Nein, Sir.«
»Das verstehe ich nicht.«
Dan Farrel feuchtete sich die Lippen an. Über seiner Nasenwurzel bildeten sich zwei tiefe Falten.
»Es ist auch nicht ganz leicht«, erwiderte er spröde. »Ich habe fünf Jahre Yuma gebraucht, um es richtig zu begreifen.«
Der Direktor kam um seinen Schreibtisch herum.
»Wenn ich Ihre Worte richtig auslege, dann betrachten Sie sich als schuldig, obgleich Sie die Tat, derentwegen man Sie verurteilt hat, nicht begangen haben wollen.«
»Haben Sie mich holen lassen, um mit mir über Moral zu sprechen, Sir?«
James Coburn lächelte. »Ein moralisches Problem? Das ist interessant, Farrel. Sie fühlen sich also nur vom moralischen Standpunkt her schuldig. Weil Sie damals ein wilder, hitzköpfiger Junge und doch schon ein gefürchteter Revolvermann waren?«
Unbewegt hielt Dan Farrel dem fragenden Blick stand.
»Ich habe den Mord an Jesse Whitlow nicht begangen«, sagte er fest. »Wahrscheinlich hätte ich ihn getötet, wenn auch nicht gerade mit einem Schuss in den Rücken. Aber ein anderer ist mir um ein paar Minuten zuvorgekommen.«
»Der große Unbekannte, von dem in Ihrem Prozess die Rede war?«
»Sir!« Zum ersten Mal war eine Spur von Schärfe in Farrels Tonfall zu vernehmen. Sofort lenkte der Direktor ein.
»Schon gut. Ich wollte Sie nicht herausfordern. Immerhin sind ja dann auch einige Zusammenhänge bei der Ermordung von Jesse Whitlow unaufgeklärt geblieben. Er war unter anderem auch Politiker. Es gab keine Zeitung, die nicht in großer Aufmachung über seinen Tod berichtet hätte. Einige Blätter sahen in Ihnen den Rächer Ihrer Familienehre, während andere Sie zu einem der schlimmsten Grenzdesperados abstempelten. Sie stammen doch aus dem Uvalde County in Texas, nicht wahr?«
»Ja«, erwiderte Dan Farrel und senkte den Kopf.
»Ihr Vater besaß dort eine Ranch?«
Farrel nickte.
»Und Sie verloren diese Ranch, weil ein Politiker namens Jesse Whitlow mit den Steuereintreibern der Yankee-Besatzung zusammenarbeitete. Ihr Vater erlag einem Schlaganfall. Sie und ein paar andere Mitglieder Ihrer Familie sollen sich dann einer Bande von Desperados angeschlossen haben, die es besonders auf Steuereintreiber, Auktionatoren und Yankee-Zahlmeister abgesehen hatte. Ihr Bruder Thomas und einer Ihrer Vettern kamen dabei ums Leben.«
»Sie können ruhig deutlicher werden, Sir«, versetzte Dan Farrel gepresst. »Tom wurde von einem Dutzend Kugeln durchsiebt, und Vetter Otis endete an einem Yankee-Strick.«
»Man hat Sie damals die ›ewigen Rebellen‹ genannt. Sie selbst müssen zu diesem Zeitpunkt ungefähr zwanzig Jahre gewesen sein.«
»Ich war knapp achtzehn«, berichtigte Dan Farrel. »Sie hätten es auf einigen tausend Steckbriefen in ganz Texas lesen können.«
»Die Zeit der Yankee-Besatzung ist vorbei, Farrel. Kein Mensch wird jemals auf diese Dinge zurückkommen. Man hat die Farrel-Rebellen gefürchtet, aber Sie haben sich auch eine Menge Sympathien erworben. Deshalb wurde Jesse Whitlow auch nach dem Abzug der Yankees der Boden von Texas zu heiß, und er kam hierher nach Arizona. Ferner ist es wohl auch diesen Sympathien zu verdanken, dass man Sie bei Ihrem Prozess nicht zum Tode verurteilte, sondern es bei zwanzig Jahren bewenden ließ. Dabei gab es, weiß Gott, genug Stimmen, die behaupteten, Sie hätten es nur auf Whitlows Geld abgesehen gehabt, und es sei ein ganz gewöhnlicher Raubmord gewesen.«
Dan Farrel widersprach nicht. Geraume Zeit blieb es still.
»Wissen Sie eigentlich, dass das Territorium vor einigen Monaten einen neuen Gouverneur bekommen hat?«, fragte der Direktor unvermittelt.
»Bis jetzt wusste ich das nicht, Sir«, antwortete Dan Farrel widerwillig.
»Er ist ein Mann aus Texas. Einer von den alten Eisenfressern, möchte ich sagen.«
Der Gefangene schaute schweigend auf seinen zerfransten Strohhut.
»Was werden Sie anfangen, wenn man Sie auf Bewährung entlässt?«
»Sir, ich sagte schon einmal ...«
»Richtig, wir sprachen bereits darüber. Aber wenn es auch noch so schwer ist, an Ihrer Stelle würde ich mir darüber einmal Gedanken machen, Farrel. Ob Sie nun wollen oder nicht, Sie tragen einen berühmten Namen. Ob man Sie nun als Revolverkämpfer oder als Desperado betrachtet – es wird genug Leute geben, die sich Ihrer erinnern werden, Farrel. Für viele entlassene Gefangene beginnen die alten Gleise direkt vor dem Gefängnistor.«
»Warum sich über Probleme den Kopf zerbrechen, die noch in weiter Ferne liegen, Sir? Ein Mann, der aus Yuma kommt, bleibt wohl immer ein entlassener Sträfling. Damit habe ich mich abgefunden.«
»Deshalb brauchen Sie doch nicht dort weiterzumachen, wo Sie damals aufgehört haben«, entgegnete James Coburn eindringlich.
»Als Revolvermann hinterlässt man eine ziemlich raue Fährte, Sir.«
»Dann müssen Sie eben versuchen, von jetzt an eine andere Fährte zu ziehen – eine Fährte des Vergessens«, beschwor ihn der Direktor.
»Von jetzt an?«, wiederholte Dan Farrel bitter. »Von dem Zeitpunkt, den Sie meinen, trennen mich auch im günstigsten Fall noch sechs Jahre.«
Direktor Coburn wurde ernst. »Sie irren sich. Es ist nur noch eine Stunde. Gerade habe ich ein neues Blatt in Ihre Akte geheftet, das heute mit der Post ankam. Dieses Blatt trägt die Unterschrift unseres neuen Gouverneurs. – Sie sind begnadigt, Daniel Farrel!«
✰✰✰
Manchmal erlebt man im Traum Dinge, von denen man genau weiß, dass sie in Wirklichkeit nicht existieren, und denen man sich trotzdem nicht zu entziehen vermag. In einem solchen Zustand befand sich Dan Farrel nun schon seit mehr als einer Woche, während er in scheinbar endloser Folge die rumpelnden Postkutschen wechselte, die ihn auf der Gila-Route nach Tucson bringen sollten. Von dort aus gab es dann eine Bahnverbindung der Southern Pacific hinüber nach Mesilla in New Mexico. Aber ganz so weit brauchte er gar nicht zu fahren. Ihm genügte ein Ticket bis nach Lordsburg. Von dort aus waren es nur noch etwa fünfundzwanzig Meilen in südlicher Richtung bis Las Colinas. Und in Las Colinas wartete Titus Fogg, der einzige Mann, den Dan Farrel noch einen Freund nannte.
Vor acht Jahren, als Farrel angeschossen in Flagstaff im Gefängnis saß und auf seine Verhandlung wartete, hatte Titus Fogg all seine persönliche Habe in Verwahrung genommen. Später, nach Farrels Verurteilung, hatte Titus Fogg dann auch geschrieben und sich in unklaren Äußerungen ergangen, dass er endlich in der Lage sei, einen lange gehegten Traum zu verwirklichen. Was mochte der Traum eines ehemaligen Preiskämpfers sein, der zum Schluss für ein paar Dollar seine Fäuste und seine Bullenkraft vermietete, so wie Dan Farrel es zeitweilig mit seinen Revolvern tat? Farrel hatte an den geheimnisvollen Andeutungen herumgerätselt, ohne zu einem Ergebnis zu gelangen.
Dan Farrel kam von der Poststation und schlenderte eine der belebten Straßen von Tucson hinab. Er strich über den Ärmel der dunklen Sergejacke, die man ihm bei der Entlassung verpasst hatte. Er kam sich darin vor wie ein Clerk aus dem Store oder wie ein Handlungsreisender. Einer von dieser Gattung hatte ihn in der Postkutsche angesprochen, weil er in Farrel einen Kollegen vermutete. Das war gut. Noch vor ein paar Jahren hätte man hinter jeder Verkleidung den Revolvermann Dan Farrel erkannt. Und es wäre noch besser, wenn er sich die zwei Tage alten Bartstoppeln schaben lassen würde. Die Postkutschenverbindungen jedoch hatten ihm keine Zeit dazu gelassen. Hier in Tucson aber musste er einen Zwangsaufenthalt in Kauf nehmen. Der Zug fuhr erst am nächsten Vormittag.
Die Sonne stand tief im Westen. Farrel ging zu einem Friseur. Zwei Männer saßen in weißen Umhängen auf den Rasierstühlen und wurden bedient. Zwei andere saßen auf der Bank an der Wand und warteten. Zögernd blieb Farrel stehen. Einer der Barbiere schaute auf, kniff die Augen zusammen und deutete dann einladend auf die Bank.
»Setzen Sie sich, Mister«, sagte er diensteifrig. »Es wird nicht lange dauern.«
Im selben Augenblick bekam Farrel einen Stoß in den Rücken, der ihn vorwärts schwanken ließ. Er fuhr herum und sah zwei Burschen, denen er offenbar die Tür versperrt hatte. Anscheinend kamen sie aus einem der umliegenden Lokale und waren angetrunken.
»Steh mir nicht im Weg, Langer!«, schnaubte einer. Dann wandte er sich gereizt an den Barbier: »Verdammt, wann sind wir endlich an der Reihe, Smitty? Sollen wir die Mädels vielleicht versetzen, bloß weil in diesem lausigen Laden ...«
»Ein paar Minuten«, unterbrach ihn der Barbier beschwichtigend. »Es dauert nur noch ein paar Minuten. Setzt euch, dann werdet ihr schon sehen, wie John und ich uns beeilen.«
Ein Fluch war zunächst die einzige Antwort, dann knurrte der Bursche drohend: »Wir gehen noch einmal an die Tränke, Smitty. Aber der Teufel soll dich holen, wenn wir zurückkommen und wieder keinen freien Platz vorfinden.«
Der kleine, glatzköpfige Barbier nickte eingeschüchtert.
Die beiden Revolverhelden stießen sich an und stolperten untergehakt davon.
»Man sollte solche Kerle einsperren, ehe sie richtig Unheil anrichten können«, knurrte einer der Wartenden.
Smittys Hände zitterten. Er murmelte vor dem Kunden im Rasierstuhl eine Entschuldigung und ging in die Ecke, um das Messer auf dem Streichriemen abzuziehen. Sein Gehilfe entließ unterdessen den Mann, den er bedient hatte, schwang den weißen Umhang und drehte den doppelt gepolsterten Sitz des Stuhls.
Ein Kunde empörte sich. »Muss man denn immer erst warten, bis die Kerle eine Schießerei vom Zaun brechen? Im Laufe der letzten Woche sind drei Männer hier in Tucson getötet worden. Einer von ihnen war sogar ein Bürger der Stadt, der absolut nichts mit der Auseinandersetzung zu tun hatte. Er kam nur zufällig in einen Saloon, wo gerade ein paar Verrückte ihren Streit austrugen. Ich sage Ihnen, Mister, ich werde noch heute Nacht einen Artikel darüber schreiben. In der Wochenendausgabe des Tucson Spectator können Sie dann ganz genau nachlesen, was ich darüber denke, so wahr ich Samuel Thunderbolt heiße.«
Dan Farrel erinnerte sich, den Namen früher schon einmal gehört zu haben. Er konnte ein Lächeln nicht ganz unterdrücken. Der feiste Mann mit dem roten Gesicht war zweifellos der Herausgeber oder Redakteur der örtlichen Zeitung.
»Diese Strolche!«, knirschte der kleine Smitty erbittert. »Diese hergelaufenen Satteltramps! Sie treiben sich ein paar Tage in der Stadt herum, und wenn sie genug Ärger gestiftet haben, reiten sie weiter. Sie sind noch nicht ganz trocken hinter den Ohren, aber sie müssen beweisen, was sie für großmächtige Burschen sind. Sie sollten diesem Gelichter wirklich einmal ordentlich die Meinung sagen, Mr. Thunderbolt. Ich möchte wetten, nach dem nächsten Brandy haben diese Kerle vollkommen vergessen, dass sie noch einmal wiederkommen wollten. Aber von mir erwarten sie, dass ich anderen Kunden den Laufpass gebe, um Ihnen Plätze freizuhalten. Ich werde den Teufel tun!«
»Richtig so, Smitty«, versetzte Samuel Thunderbolt. »Nur nicht weich werden vor diesem Gelichter!« Dann nahm er einen Zeitungshalter vom Wandhaken und vertiefte sich mit grimmiger Miene in den Leitartikel.
Der Barbier fuhr mit der Rasur fort. Aber dabei warf er von Zeit zu Zeit einen Blick zu Dan Farrel herüber. Von Minute zu Minute wurde er unruhiger. Endlich, als bereits der Zeitungsmann auf dem Rasierstuhl Platz genommen hatte, platzte der Barbier heraus: »Könnte es sein, dass wir uns schon einmal irgendwo gesehen haben?«
Dan Farrel bemühte sich um eine möglichst gleichgültige Miene. »Warum nicht«, gab er ruhig zurück. »Ich bin in meinem Leben ziemlich viel herumgekommen. Vor einer Reihe von Jahren war ich auch schon einmal hier in Tucson.«
Smitty stopfte dem Redakteur das Umhängetuch hinter den Kragen und begann mit dem Einseifen. »Nein«, sagte er mit grüblerischem Gesichtsausdruck, »hier war es bestimmt nicht. Ich bin erst vor zwei Jahren hergekommen. Es muss früher gewesen sein. In Dallas vielleicht? Oder in Wichita?«
»Möglich«, erwiderte Farrel. Er hatte nach der Zeitung gegriffen und fing an zu blättern. Deutlicher konnte er dem Barbier schwerlich dartun, dass er an einer Fortsetzung des Gesprächs nicht interessiert war. Smitty schwieg denn auch geraume Weile. Schon hatte sein Gehilfe den nächsten Kunden abgefertigt und drehte den Rasiersitz in Farrels Richtung.
»Oder war es vielleicht doch in San Antonio?«, erkundigte sich Smitty unvermittelt.
Dan Farrel wurde mit dem Drehstuhl zum Spiegel geschwenkt und legte den Kopf zurück. »Keine Ahnung«, sagte er mit geschlossenen Augen. »Wahrscheinlich ist es überhaupt eine Verwechslung.«
Eine Weile war nur das Schaben des Messers zu hören, das über die Wange von Samuel Thunderbolt glitt. Aber plötzlich wurde dann die Schwingtür aufgestoßen, und die beiden Burschen polterten wieder in den Raum.
»Was hatte ich dir gesagt, du niederträchtiger Stoppelschaber?«, brüllte einer von ihnen. Sporenklirrend ging er auf Smitty zu, der blitzschnell den Stuhl mit dem Zeitungsmann drehte und dahinter Deckung suchte. So sah sich also Samuel Thunderbolt unvermutet dem wütenden Revolverschwinger gegenüber. Aus geweiteten Augen starrte er zu dem angetrunkenen Burschen empor.
»Aber Jungs«, jammerte der Barbier, »diese Herren waren wirklich noch vor euch da. Und es geht bestimmt ganz schnell!«
Die beiden Männer tauschten einen Blick und begannen wie auf Kommando hämisch zu grinsen.
»Wir schaffen es noch schneller«, kicherte der Jüngere. Er machte einen langen Schritt, erwischte den Barbier bei der Jacke und nahm ihm das Rasiermesser aus der Hand. Samuel Thunderbolt war dabei immer tiefer in seinem Sessel zusammengesunken und zog die gekrümmten Beine an.
»Pass auf«, wandte sich der Bursche mit verkniffenen Augen an ihn, »wenn mir deine Nase in die Quere kommt, ist sie weg!«
Der Zeitungsmann stieß einen krächzenden Schrei aus und wollte hochschnellen. Ein Stoß gegen die Brust warf ihn wieder zurück.
In diesem Moment hatte sich Dan Farrel mitsamt seinem Stuhl so weit gedreht, dass er den rüden Burschen vor sich hatte. Eine Sekunde später traf den Revolverhelden ein Tritt gegen die Hüfte und warf ihn quer durch den Raum bis an die Wand. Weder er selbst noch die anderen schienen zu erfassen, wie dieser Wandel so rasch zustande gekommen war. Nur sein Kumpan, der bisher aus dem Hintergrund das Geschehen beobachtet hatte, erkannte die Ursache und fuhr zusammen, weil er noch etwas anderes sah: die beiden Vorsprünge unter Dan Farrels Rasierumhang.
In der Erregung verkannte er, dass es sich dabei nur um die Enden der Armlehnen handelte, auf welche Farrel sprungbereit seine Hände stützte. Der Revolverheld glaubte offenbar, dass es sich dabei um Waffen handelte. Seine Rechte fuhr zum Schenkel hinab.
Dan Farrel reagierte mit der geschickten Behändigkeit eines wachsamen Panthers. Er schnellte mit einem gestreckten Sprung vorwärts. Noch ehe der Bursche den Lauf seines Colts aus dem Halfter freibekommen hatte, traf ihn ein schmetternder Handkantenschlag auf den Halswirbel. Ein würgendes Ächzen kam aus seiner Kehle. Sein Schießeisen polterte auf die Dielen, und er selbst kippte mit einem Stöhnen zur Seite.