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Kaum hat Wayne Wellard einen Fuß an Land gesetzt, da fallen wüste Schläger über ihn her. Zwei Männer aus seiner Crew holen ihn aus der Klemme, doch dieser Überfall ist nur der Auftakt. Mit List und Gewalt will man den Kapitän der "Crown" zwingen, einem Syndikat beizutreten. Wayne Wellard versucht, den Mann im Hintergrund zu finden, doch hierbei erwartet ihn eine böse Überraschung ...
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Seitenzahl: 150
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Wild Missouri
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Impressum
Wild Missouri
Kaum hat Wayne Wellard einen Fuß an Land gesetzt, da fallen wüste Schläger über ihn her. Zwei Männer aus seiner Crew holen ihn aus der Klemme, doch dieser Überfall ist nur der Auftakt.
Mit List und Gewalt will man den Kapitän der »Crown« zwingen, einem Syndikat beizutreten. Wayne Wellard versucht, den Mann im Hintergrund zu finden, doch hierbei erwartet ihn eine böse Überraschung ...
Die Gegend um die Downs von St. Louis war früher ein angesehenes Wohnviertel gewesen. Mit der Gründung der Johnson-Werft war eine Wandlung eingeleitet worden, und seitdem die Stadt nach dem Krieg zum Ausgangspunkt zahlloser Trecks und der wichtigsten Routen nach dem Westen geworden war, erinnerten nur noch Teile der Downs mit ihrem Baustil an die frühere Zweckbestimmung.
Zu Anfang hatten sich die Ausstattungsunternehmen ausgebreitet, in denen von der Speckseite bis zum Schiffsanker und von der Bratpfanne bis zum kompletten Prärieschoner samt Ochsengespannen alles zu haben war. Doch schon wenig später waren verschwiegene Spielhöllen und diverse Etablissements hinzugekommen, die das Tageslicht zu scheuen hatten. Inzwischen existierten sie einträchtig neben vornehmen Clubs und den elegantesten Lokalen von St. Louis.
Das war nur in einer Stadt möglich, die nicht nur Hafenstadt war, sondern sich außerdem zur Metropole des großen Aufbruchs nach dem Westen entwickelt hatte. Und die Downs waren zur Drehscheibe dieser außergewöhnlichen Stadt geworden. Hier lag auch die Agentur des Frachtagenten Thomas Chadwick.
Sie war das Ziel von Wayne Wellard, dem Schiffseigner der »Crown«, als er am späten Abend die Downs hinabschlenderte und das verwirrende Bild all der Müßiggänger und eiliger Passanten, der Fuhrwerke und der lackglänzenden Equipagen, der eleganten Frauen, der Biedermänner und der zwielichtigen Existenzen auf sich einwirken ließ.
Zwei Policemen in fast knielangen dunkelblauen Röcken und mit würdigen Mienen kamen ihm entgegen und tippten sich vor ihm an den Hut. Wellard grüßte auf dieselbe Weise. Er passierte gerade den Pique-Dame-Club, aus dessen hellerleuchteten Räumen Musik und der Gesang einer Frauenstimme erklangen.
Plakate neben dem Eingang verkündeten, dass heute die gefeierte Sängerin Frenchy Fontaine ihre Abschiedsvorstellung gab. Ein livrierter Portier auf dem Vorbau riss die Tür auf und zog mit einer tiefen Verbeugung seine Mütze, als ein hochangesehener Gentleman das Lokal verließ. Beim Anblick dieses Mannes versetzte es Wayne Wellard einen Schock. Er blieb stehen, kniff die Augen zusammen und sagte fassungslos:
»Lester Hamilton! Bist du das wirklich, Vetter, oder sehe ich Gespenster?«
Der elegante Mann im hellen Prinz-Albert-Rock hatte seinen Ebenholzstock mit dem silbernen Knauf unter den Arm geklemmt und streifte gerade seine Handschuhe über.
»Wayne?«, murmelte er verblüfft, und freudige Überraschung lag in seiner sonoren Stimme. »Aah, auf eine Begegnung mit dir altem Flusspiraten war ich allerdings nicht vorbereitet.«
Geschmeidig kam er die Stufen herab, und dann äußerte sich die Wiedersehensfreude der beiden ungleichen Vettern für eine Weile in Handgreiflichkeiten. Erst als ein solcher Stoß die falsche Stelle an seinen Rippen traf, zuckte Wayne Wellard schmerzlich zusammen, und Lester Hamilton hielt erschreckt inne.
»He, was ist los, Wayne?«
Mit mattem Grinsen deutete Wellard auf das Pflaster an seiner Stirn.
»Eine kleine Auseinandersetzung unten in Riverside. Die Burschen haben sich nicht darauf beschränkt, mir an den Schädel zu schlagen. Aber alle edleren Körperteile sind heil geblieben. – Welcher Wind hat dich nach St. Louis geweht, Mister?«
Seufzend hob Lester Hamilton die Schultern und entblößte seine prächtigen Zähne, die hell aus seinem gebräunten Gesicht hervorstachen.
»Was wird das schon gewesen sein? Geschäfte natürlich. – Mein Gott, wie lange haben wir uns schon nicht mehr gesehen, Wayne?«
»Sechs Jahre«, gab Wellard blinzelnd zurück. »Oder sind es schon sieben? Jedenfalls seit damals, als du den lausigen Yankees den Rest unseres beschlagnahmten Familienvermögens aus den Zähnen gezogen hast.«
Lester Hamilton lächelte blitzend.
»Vorsicht, du unverbesserlicher Rebell! Ich bin selbst so ein Yankee, wie du dich erinnern wirst.«
»Yeah«, versetzte Wellard, »aber einer von der Sorte, von der es gar nicht genug geben kann. Verdammt, ich kann dir gar nicht sagen, wie ich mich freue, Lester.«
Sie beide mussten nach dieser Begrüßung erst Atem schöpfen und zur Besinnung kommen. So fand Wayne Wellard Gelegenheit, sich all jener Dinge zu erinnern, die ihn und seinen Vetter verbanden. Sein Vater und Lester Hamiltons Mutter waren Halbgeschwister gewesen. Jene hatte nach Philadelphia geheiratet und allmählich die Verbindung zur Familie verloren. Während des Bürgerkriegs rissen die Fäden dann vollends ab.
Erst nach der Kapitulation der Konföderation hatte Wellard sie wieder zu knüpfen versucht, und zwar aus einem Anlass, der ein wenig beschämend war. Zu dieser Zeit herrschte im besiegten Süden das Regiment der Beutelschneider und Konjunkturritter aus dem Norden, die das Besatzungsrecht dazu nutzten, ein ohnehin bereits ruiniertes Land noch weiter auszusaugen und sich die Taschen zu füllen.
Das Vermögen der Wellards bestand ursprünglich aus größeren Liegenschaften in Louisiana und einigen Flussbooten auf dem Unterlauf des Mississippi. Wellards Vater war schon kurz nach Beginn des Krieges gefallen. Aber sein Großvater Lucius Wellard lebte und wurde als Blockadebrecher zu einer legendären Gestalt.
Wayne selbst war dabei gewesen, als sie versucht hatten, während der Einschließung von Vicksburg die belagerte Stadt auf dem Wasserweg zu versorgen, damals noch ein junger Mann von eben erst siebzehn Jahren.
Dreimal hatten sie bei Nacht und Nebel den Durchbruch auf dem Fluss geschafft, beim vierten Mal war die Brigg zu früh entdeckt und von der Unionsartillerie in den Grund gebohrt worden. Lucius Wellard hatte dabei den Tod gefunden, sein Enkel hatte sich schwimmend retten und nach Vicksburg durchschlagen können. Dort hatte er die letzten bitteren Wochen der Belagerung mitgemacht, sich ebenso wie die anderen von Ratten ernährt und all die unvorstellbaren Gräuel erlebt, bis er schließlich bei der Übergabe in Gefangenschaft geraten war.
Als er nach Beendigung des Krieges auf die Familienbesitzung nach Louisiana zurückkehrte, hatte er auch seine Mutter nicht mehr lebend vorgefunden. Monate später hatte sich einer jener Geschäftemacher aus dem Norden an die Taten des Blockadebrechers Lucius Wellard erinnert und veranlasst, dass sein Besitz von den Yankees beschlagnahmt wurde.
In dieser hoffnungslosen Lage hatte sich Wayne Wellard nach Philadelphia gewandt und nach geraumer Zeit von seinem Vetter Lester Hamilton eine Antwort erhalten. Schon wenige Wochen nach dem Brief war dieser Vetter persönlich eingetroffen. Er als Bürger der siegreichen Union hatte Möglichkeiten gefunden, seinen Erbanspruch auf das Restvermögen ihres gemeinsamen Großvaters durchzusetzen.
Wenngleich dieser Besitz inzwischen bereits weiterveräußert worden war, hatte er wenigstens eine Entschädigung erreicht und sie redlich mit dem zweiten Erben, Wayne Wellard, geteilt, ehe er wieder nach Philadelphia zurückkehrte.
Wellard entschloss sich, die Laufbahn einzuschlagen, die er im Krieg begonnen hatte und die seiner Neigung entsprach. Er ließ sein Kapital unangetastet und heuerte als Midshipman auf einem der Dampfschiffe an, die gerade damals den großen Strom zu beherrschen begannen. Geraume Zeit später erwarb er sein Pilotenpatent1 und kam zu Jefferson Birch auf die »Dakota Belle«.
Erst als er sein Handwerk so gut wie jeder andere Kapitän auf dem Mississippi und seinen Nebenflüssen beherrschte, musterte er ab, um sich mit Hilfe seines Erbteils und seiner Ersparnisse als selbstständiger Schiffseigner zu versuchen.
Da die »Crown« auf die Dauer nicht mit den schwimmenden Palästen und Spielhöllen des Unterlaufs zu konkurrieren vermochte, war er – ebenso wie einige andere – zwei Jahre später nach Norden ausgewichen. In kürzester Frist hatte er sich hier den Ruf eines erfahrenen, zuverlässigen und wagemutigen Flussschiffers verschafft, dem von allen Schiffseignern und Kapitänen Respekt gezollt wurde, obgleich die »Crown« unter den Yankees hier im Norden insgeheim als »Rebellenboot« galt.
Seit jenem Zusammentreffen nach dem Krieg jedoch hatte er seinen Vetter Lester Hamilton nicht mehr gesehen, und auch ihr anfänglicher Briefwechsel war bald eingeschlafen. Immerhin hatte Wellard damals erfahren, dass Lester Hamilton das Leben eines wohlhabenden Geschäftsmannes führte, der sein Kapital in allen möglichen Unternehmungen arbeiten ließ. Hamilton hatte die Absicht geäußert, sich finanziell am geplanten Bahnbau der Union-Pacific-Gesellschaft zu beteiligen. Dieser Umstand bot eine hinreichende Erklärung für seine Anwesenheit in St. Louis, das von der Union Pacific Railroad als Basis für die Erschließung des Westens und den transkontinentalen Bahnbau benutzt wurde.
Wieder zeigte Lester Hamilton sein strahlendes, sympathisches Lächeln.
»Also wenn du mich fragst, Wayne – dieses Wiedersehen muss würdig begangen werden. Ich hätte da gerade noch etwas zu erledigen, aber in einer halben Stunde könnten wir uns wieder hier im Pique-Dame-Club treffen.«
»In meinem Aufzug?« Wellard deutete auf seinen abgeschabten, verschossenen und inzwischen auch geflickten Rock und zog eine Grimasse.
Lester Hamilton grinste. Sein Daumen wies verstohlen auf den livrierten Portier, als er erwiderte:
»Sage diesem Zerberus nur, dass du mit mir verabredet bist, dann wird man dich wie den Präsidenten der Union behandeln. – Vielleicht reizt es dich, wenn ich dich mit Frenchy Fontaine bekannt mache?«
»Mit der Sängerin?«
»Es gibt nur eine Frenchy Fontaine«, versetzte Hamilton in einem Ton, aus dem ein gewisser Besitzerstolz herauszuhören war. »Oder kennst du noch eine andere?«
Wellard ging über die Frage hinweg. Der Vorschlag, sich erst in einer halben Stunde wiederzutreffen, kam seinen eigenen Plänen entgegen.
»In Ordnung, Vetter«, nickte er. »In einer halben Stunde also. Aber pass nur auf, dass man dich zwischenzeitlich nicht um deine Brieftasche erleichtert, wenn du zufällig in einer dunklen Seitenstraße zu tun haben solltest.«
Lächelnd strich Hamilton über die Wölbung seines Rocks, durch die sein Gesprächspartner zu dieser Bemerkung veranlasst worden war.
»An dieser Brieftasche werden irgendwelche Strolche nicht viel Freude haben, Mister«, erklärte er unbekümmert, dann zog er seinen eleganten Ebenholzstock unter dem Arm hervor und ging zwinkernd davon.
Thomas Chadwick hatte sich mit seiner Frachtagentur in einem ehemaligen Wohnhaus eingemietet, das an einer Ecke lag und dessen früherer Vorgarten jetzt als Abstellplatz für Wagen und Gespanne diente. Im Augenblick allerdings stand dort nur eine wartende Kutsche, auf deren Bock ein schnauzbärtiger Kutscher vor sich hindöste. Offenbar durch Wellards Erscheinen aufgeschreckt, nahm er plötzlich die Leinen, knallte zweimal laut mit der Peitsche und lenkte sein Doppelgespann die Downs hinab.
Die Lampe im Flur brannte, aber der Docht war so weit herabgedreht, dass sein schmaler bläulicher Flammensaum kaum genug Licht spendete, um die drei Stufen zur Tür der Agentur zu erkennen. Kopfschüttelnd trat Wayne Wellard hinzu und regulierte den Docht, ehe er sich in das Office begab.
Der vordere Raum diente dem Publikumsverkehr und war durch eine hölzerne Barriere in zwei Hälften geteilt. Hier buchte gewöhnlich der alte Mac Passagen oder nahm irgendwelche Frachtaufträge entgegen. Auch jetzt war sein Schreibtisch mit allen möglichen Papieren übersät, aber der alte Clerk selbst, dessen vollen Namen Wellard nie erfahren hatte, war nicht anwesend. Dafür schimmerte unter dem Türspalt von Thomas Chadwicks Privatbüro Licht, und aus dem Raum war ein schabendes Geräusch zu hören.
In der Annahme, dass dort gerade eine geschäftliche Verhandlung im Gange war, richtete sich Wellard darauf ein, eine Weile zu warten. Im nächsten Moment jedoch hörte er von nebenan den Lärm eines umstürzenden Stuhls sowie einen dumpfen Fall und stürmte durch die Klapptür der Holzbarriere.
Thomas Chadwick lag hinter seinem Schreibtisch am Boden, der Sessel war halb über ihn gekippt. Da Wayne Wellard die Tür nicht geschlossen hatte und auch das Fenster zum Hof weit geöffnet war, fegte der Luftzug ein paar raschelnde Formulare vom Tisch. Der Agent lebte noch. Sein stoppelbärtiges Altmännergesicht war verzerrt, und aus einem Mundwinkel rann ein dünner Blutfaden. Er bemühte sich vergebens, ein Wort hervorzubringen und zeigte deshalb mit kraftloser, zitternder Hand auf das Fenster.
Wellard riss seinen Revolver aus dem Halfter und war mit einem Satz dort. Die Gefahr kam ihm erst zu Bewusstsein, als auf dem dunklen Hof ein Schuss krachte und eine Kugel dicht neben seiner Schulter die Scheibe zerschmetterte, sodass ihm ein umherfliegender Glassplitter in die Wange drang. Seine Position war denkbar ungünstig, weil er sich durch das Fenster wie in einem Rahmen gegen den hellen Hintergrund abhob, während sein Gegner durch die Dunkelheit geschützt wurde. Immerhin jedoch hatte der Kapitän das Aufblitzen des Schusses bemerkt und feuerte ohne Zögern zurück, ehe er sich duckte.
Draußen erklang ein heiserer Schmerzensschrei, gefolgt von hastigem Fußgetrampel. Augenblicklich flankte Wellard über das Fensterbord hinaus. Die Höhe vom Boden mochte etwa zehn Fuß betragen, und so bereitete er sich auf einen harten Aufprall vor, während ein zweiter Schuss auf ihn abgefeuert wurde.
Auch diesmal wurde er nicht getroffen, dafür jedoch landete er auf einer Kiste, deren dünne Bretter seinem Gewicht nicht standhielten. Krachend brach er mit einem Fuß ein und stürzte. Unter verbissenen Flüchen befreite er sein eingeklemmtes Bein von dem lästigen Hindernis, das ihn mit der Tücke und Bosheit eines leblosen Objekts festzuhalten versuchte.
Mindestens zehn Sekunden verstrichen, ehe er wieder auf die Füße kam und die Verfolgung fortsetzen konnte. Inzwischen hatten sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt, sodass er die Schuppenecke und den Ausgang des Hofs erkannte. Das Geräusch der Schritte hatte ihm offenbart, dass es sich um zwei Gegner handelte, von denen er einen mit hoher Wahrscheinlichkeit getroffen hatte.
Mit ein paar Sprüngen erreichte er die finstere Gasse und mehrere Abzweigungen und wählte blindlings eine davon. Doch das Glück, das ihm bisher zur Seite stand, hatte ihn verlassen. Weit und breit war von den Heckenschützen nichts zu sehen. Offenbar kannten sie sich in diesem Labyrinth der Downs weit besser aus als er.
Nachdem er durch mehrere dieser dunklen Gassen gestürmt war, musste er die Sinnlosigkeit der Verfolgung einsehen und kehrte um. Als er wieder nach vorn an die Ecke gelangte, sah er eine Traube von Menschen vor dem Haus stehen und erinnerte sich, das Schrillen einer Polizeipfeife gehört zu haben. Rücksichtslos verschaffte er sich Raum und gelangte wieder an den Schauplatz des Überfalls.
Der Mann, der neben Thomas Chadwick am Boden kniete, war Mac, der alte Clerk. In seinen Augen standen Tränen, während er den Kopf des Agenten stützte. Einer der beiden Policemen von vorhin bewachte die Tür, der andere kehrte gerade vom geöffneten Fenster zurück. Jetzt erst bemerkte Wayne Wellard das blutgetränkte Hemd Thomas Chadwicks.
»Einen Arzt!«, stieß er heiser hervor. »Rasch, holen Sie einen Arzt, Officer!«
Der Polizist an der Tür wechselte einen Blick mit seinem Kollegen und hastete davon. Auch Wellard ließ sich nun in die Knie sinken.
»Tom ...«, sagte er leise.
Thomas Chadwick hatte die Augen geöffnet; das Zucken seiner Lippen verriet, dass er sich um ein Lächeln bemühte.
»Wayne«, klang seine Stimme kraftlos und raschelnd wie Papier, »zwei Kerle – sie – sie kamen mit einer – Kutsche vorgefahren ...«
Der Kapitän nickte schwerfällig.
»Ich glaube, einen von ihnen habe ich angeschossen. Aber du solltest jetzt besser nicht reden, Tom.«
»Mein Gott, wäre ich doch bloß hiergeblieben«, stöhnte der alte Mac. »Aber er hatte mich zum Essen weggeschickt, und ich hatte ja keine Ahnung ...«
Der Agent machte eine matte Handbewegung. Wellard begriff und beugte sich tief zu ihm hinab.
»Das – das Syndikat«, hörte er ein mühsames Flüstern, gefolgt von einem rasselnden Atemzug des Sterbenden. »Ich bin – ganz sicher, Käpt'n. Nimm dich – nur vor diesen ...«
Die Worte erstickten in dem schaumigen Blut, das jetzt über Thomas Chadwicks Lippen quoll. Er schien sich plötzlich aufrichten zu wollen und krallte sich mit einer Hand in Wellards Ärmel, doch im nächsten Augenblick sank er schlaff zurück, und sein Kopf fiel zur Seite. Von Mac war ein würgendes Schluchzen zu hören, als er dem Toten die Augen zudrückte, sich dann aufrichtete und mit unsicheren Schritten in die Ecke ging.
»Lassen Sie mich mal heran, Mister«, sagte hinter Wellard eine polternde Männerstimme. »Ich bin Arzt, und ich denke, wir werden das gleich haben, auch wenn ich leider die Tasche mit meinen Instrumenten gerade nicht ...«
Wayne Wellard stand auf und schaute den untersetzten Mann an, der unter seinem Blick verstummte.
»Ich fürchte, Sie kommen zu spät, Doc«, sagte er spröde. »Alle Instrumente der Welt können Thomas Chadwick nicht mehr helfen.«
Der Arzt erstarrte. Sein aufgedunsenes Gesicht mit den schweren Hängebacken und der roten Nase verfärbte sich ein wenig.
»Mein Gott«, murmelte er erstickt. Dann zog er unvermittelt eine Flasche hervor, entkorkte sie und nahm einen tiefen Schluck, ehe er sie Wellard hinstreckte und mit rauer Stimme fragte: »Wollen Sie auch?«
Ablehnend schüttelte Wayne Wellard den Kopf. Er zog mechanisch seinen Revolver, knickte den Lauf samt der Trommel und ersetzte die abgefeuerte Kartusche durch eine frische Patrone aus den Schlaufen seines Gurts.
»Haben Sie gehört, was er zuletzt sagte, Officer?«, wandte er sich starr an den zurückgebliebenen Policeman.
Der Uniformierte schüttelte den Kopf und zeigte auf den weit geöffneten Geldschrank.
»Wenn Sie mich fragen, Sir – das war ein ganz gewöhnlicher Raubüberfall. Übrigens schon der dritte in diesem Monat. Das ist eine Sache für die Homicide Division. Bestimmt wird man dort gern zuhören, wenn Sie etwas zu erklären haben.«
Im Gegensatz zum Sinn seiner Worte verriet sein Tonfall allzu deutlich, was er von der Einmischung eines Privatmannes hielt.
»Mac«, sagte Wellard mit erzwungener Beherrschung, »können Sie mal den Geldschrank inspizieren?«
Wie ein Schlafwandler folgte der Clerk dieser Aufforderung. Nachdem er in alle Fächer geschaut hatte, drehte er sich um.
»Die Geldkassette fehlt«, sagte er tonlos. »Es müssen über zweitausend Dollar darin gewesen sein, die ganze Einnahme der letzten drei Tage.«
»Was habe ich gesagt?«, meldete sich wieder der Polizist. Die Glasscherben der zertrümmerten Scheiben knirschten unter seinen Schritten, als er sich ebenfalls zum Tresor begab. »Unsere Leute werden schon wissen, wo sie nach diesen Halunken suchen müssen, Sir.«
Wayne Wellard schien die Belehrung zu überhören.
»Kommen Sie allein zurecht, Mac?« erkundigte er sich hart. »Ich hätte da noch etwas Unaufschiebbares zu erledigen.«
»Ich kenne mich aus, Käpt'n«, erwiderte der alte Clerk. »Aber wie es später weitergehen soll ...«
»Darüber reden wir morgen«, versetzte Wellard. Dann ging er mit kantiger Miene hinaus.
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Frenchy Fontaine hatte gerade ihren Auftritt, als Wellard von einem weißbeschürzten Kellner zu der Nische geführt wurde, in der sein Vetter bereits auf ihn wartete. Lester Hamilton begrüßte ihn mit fröhlichem Grinsen und sagte gedämpft:
»Es gibt zwei Dinge, die man als Gast in den Pique-Dame-Club mitbringen sollte, Mister – Geld und gute Laune, und beides nicht zu knapp. Mir kommt es so vor, als ob es wenigstens in einem Punkt bei dir ein bisschen hapert.«
»An der guten Laune, meinst du?«, gab Wellard ein wenig verdrossen zurück. »Bei einem Mann, der eben vom Tatort eines Mordes kommt, dürfte dich das eigentlich nicht wundern, Lester.«
»Mord?« Hamiltons Stimme klang bestürzt.
Der Kapitän nickte.