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Das Gefängnis von Lander ist nicht der Ort, an dem sich Burschen wie Sandoval und Sleepy Calhoun wohlfühlen. Aber es gibt etliche Männer, die den beiden einen Mord in die Stiefel schieben möchten. Einer davon ist der elegante Anwalt Lester Murdock. Doch auch er kann nicht verhindern, dass man Sandoval und Sleepy freilässt, weil die Beweise gegen sie nicht ausreichen. Die beiden Freunde fühlen sich in ihrer Ehre gekränkt. Sie machen sich auf die Suche nach dem wahren Mörder und stechen dabei in ein Wespennest ...
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Seitenzahl: 145
Veröffentlichungsjahr: 2025
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SANDOVAL
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Impressum
SANDOVAL
Das Gefängnis von Lander ist nicht der Ort, an dem sich Burschen wie Sandoval und Sleepy Calhoun wohlfühlen. Aber es gibt etliche Männer, die den beiden einen Mord in die Stiefel schieben möchten. Einer davon ist der elegante Anwalt Lester Murdock. Doch auch er kann nicht verhindern, dass man Sandoval und Sleepy freilässt, weil die Beweise gegen sie nicht ausreichen.
Die beiden Freunde fühlen sich in ihrer Ehre gekränkt. Sie machen sich auf die Suche nach dem wahren Mörder und stechen dabei in ein Wespennest ...
Als Zahlmeister der Armee in Fort Washakie war Captain Durmond schon von Berufs wegen zu besonderer Gewissenhaftigkeit verpflichtet. Gleichzeitig kamen seine persönliche Neigung und seine in zwanzig Dienstjahren weidlich erprobte Sparsamkeit dieser dienstlichen Verpflichtung entgegen. Man konnte ihn mit Fug und Recht als Federfuchser bezeichnen. Unter den altgedienten Kavalleristen von Fort Washakie hatte man für diesen Typ von Verwaltungsoffizieren noch weit weniger schmeichelhafte Bezeichnungen.
»Sir«, meldete der feiste Schreiber, »die beiden Burschen sind da. Sie wissen schon.«
Die augenzwinkernde Vertraulichkeit seines Untergebenen war Captain Durmond verhasst und veranlasste ihn, eine ärgerliche Grimasse zu ziehen.
»Dann herein mit ihnen!«, befahl er. »Wo sind die Unterlagen, Walker?«
»In der Mappe auf ihrem Schreibtisch, Sir«, versetzte der Schreiber. »Achtzig Remonten und sechsunddreißig Maultiere, ordnungsgemäß beschlagen und mit Halftern versehen. Der vereinbarte Preis betrug ...«
»Das werde ich dann schon sehen«, unterbrach ihn der Zahlmeister grob. »Schicken Sie jetzt die Männer zu mir.«
Captain Durmond zog die Mappe heran und beschäftigte sich stirnrunzelnd mit den Unterlagen. Erst nach geraumer Weile, als vor seinem Schreibtisch ein mahnendes Räuspern erklang, hob er den Kopf und schaute die beiden Männer an, die in der Zwischenzeit eingetreten waren.
»Also, Mr. Sandoval«, wandte er sich an den einen, dessen scharfgeschnittenes Falkengesicht in einem schläfrigen Lächeln erstarrt war, »ich sehe hier, dass Sie Verhandlungsvollmacht besitzen. Ich muss sagen, dass ein Preis von achtundsechzig Dollar für Remonten ungewöhnlich hoch ist. Mein Vorgänger scheint sich da ziemlich leichtsinnig auf Dinge eingelassen zu haben, von denen er nicht allzu viel verstand. Aus meiner Zeit in Fort Lincoln ist mir bekannt, dass Remonten bereits für dreißig Dollar zu haben sind.«
Der Mann grinste.
»Das mag schon stimmen, Mister, aber Ihnen ist da eben ein Irrtum unterlaufen.«
»Ein Irrtum? Mir?«
»Yeah«, gab der Mann ungerührt zurück. »Ich heiße Sleepy Calhoun.« Mit dem Daumen deutete er auf seinen Partner und setzte hinzu: »Und das da ist Jason Sandoval.«
Der Zahlmeister schluckte und starrte den anderen an. Sandoval war ein großer, hagerer Mann mit einem Gesicht so dunkel wie Sattelleder, einer scharfen Nase und einem breiten, schmallippigen Mund. In seiner Haltung und seinen geschmeidigen Bewegungen lag etwas indianerhaftes, und auch seine ausgeprägten Wangenknochen ließen an einen Indianer denken. Sandovals Augen allerdings standen dazu in einem krassen Gegensatz. Sie waren von einem tiefen Blau.
»Aber Sie – Sie sind doch ein Halbblut, nicht wahr?«, entfuhr es Captain Durmond fassungslos.
»Meine Großmutter mütterlicherseits war eine Cheyenne, wenn Sie das meinen, Mister. Stört Sie etwas daran?«
»Nein, natürlich nicht.«
»Dann kommen wir doch zur Sache. Der Preis für die Pferde, die Sie jetzt beanstanden, ist zwischen Ihrem Vorgänger und Colonel Britton ausgehandelt worden.«
»Aber ein schriftlicher Vertrag wurde nicht abgeschlossen«, wandte der Zahlmeister ein. »Also kann man doch darüber reden.«
»Sie haben dort die Übernahmebestätigung des Stallmeisters, Sir«, sagte Sandoval förmlich. »Bei den abgelieferten Tieren handelt es sich nicht um Remonten im üblichen Sinne. Ganz abgesehen von der überdurchschnittlichen Qualität der Zweijährigen sind die Pferde schon fertig zugeritten, sodass sie sofort im aktiven Dienst bei der Truppe verwendet werden können. Sogar mit den Signalen sind sie bereits vertraut. Wenn der Colonel eine Sache anpackt, dann macht er sie richtig. Das ist der Grund, weshalb das Regiment schon seit sieben Jahren Pferde von der Britton-Ranch kauft.«
»Warum haben Sie das denn nicht gleich gesagt?«
»Sie haben mich ja nicht zu Wort kommen lassen. Können wir jetzt also den finanziellen Teil regeln, Sir?«
Captain Durmond stemmte sich von seinem Stuhl hoch und wandte sich einem Monstrum von Geldschrank zu. Es gab ein saugendes Geräusch, als er das Handrad der Verriegelung gedreht hatte und die schwere Tür öffnete. Dann aber stockte er und blickte sich noch einmal um.
»Was ist mit Ihrer Vollmacht, Sandoval?«
Jason Sandoval nickte und langte in die Tasche seiner verschossenen Buckskin-Jacke. Er brachte ein gefaltetes Papier zum Vorschein.
»Bedienen Sie sich!«
»Ich werde dieses Papier zu meinen Unterlagen nehmen müssen, um späterhin gedeckt zu sein.«
»Bitte, ich werde Sie nicht daran hindern, Mister.«
»Bestimmt nicht«, schnaufte der Zahlmeister. »Es ist ja ziemlich ungewöhnlich, einem Halbblut einen derart hohen Geldbetrag auszuhändigen, nicht wahr? Aber schließlich muss dieser Colonel Britton selbst wissen, was er tut.«
Die beabsichtigte Kränkung prallte an Sandovals beherrschter Miene wirkungslos ab.
»Eben«, versetzte er trocken. Dann warteten er und sein falkengesichtiger Partner gelassen ab, bis Captain Durmond sorgfältig die gebündelten Banknoten abgezählt hatte und sie über den Schreibtisch schob. Mit stoischer Ruhe kontrollierte Sandoval den Betrag, unterschrieb die Quittung und stopfte das Geld in die Innentasche seiner fransenbesetzten Jacke.
»Danke«, murmelte er lakonisch. »Und wenn das Regiment im nächsten Jahr wieder erstklassig zugerittene Ersatzpferde braucht – auf der Triangel-B-Ranch von Colonel Britton sind sie jederzeit zu bekommen.«
✰✰✰
Auf dem Paradefeld der Garnison exerzierten einige Gruppen junger Rekruten. Sergeant Yates stand am Holm vor der Intendantur. Zum Schutz gegen die Sonne hatte er seine blaue Uniformkappe mit dem steifen Lackschirm weit in die Stirn gezogen. Die gelbe Schnur an seiner Schulter kennzeichnete ihn als Wachhabenden. Seine grauen Schläfen und der deutliche Bauchansatz ließen keinen Zweifel darüber, dass er zu den »alten Knochen« des Regiments gehörte.
Er sah die beiden Männer aus dem Gebäude kommen und blies schnaubend die Backen auf, sodass sich sein grauer Walrossbart sträubte.
»Verdammt«, knurrte er, »das waren noch Zeiten, als der alte Phil Britton die 6. Kavallerie kommandierte. Old Phil hat mich zwar ein paarmal im Bunker brummen lassen, aber er hatte auch ein Herz für seine Burschen. Bestimmt kann er verstehen, dass einem dieser öde Garnisonsdienst zum Hals heraushängt.«
Mit einem Schlag wurde Sandoval ernst.
»Das kann sich schneller ändern, als du denkst, Drei-Winkel-Soldat. Ich habe erst kürzlich mit dem Colonel darüber gesprochen, weil alle möglichen Gerüchte über das Reservat im Umlauf waren.«
»Und was hielt Old Phil davon?«
»Ihm war es unerklärlich. Er kann sich nicht vorstellen, dass unsere roten Vettern auf Verdruss aus sind. Sie haben eine der größten Reservationen im Wind-River-Becken mit gutem Gras und ausgezeichnetem Wildbestand, der sie von den Lieferungen der Indianeragentur weitgehend unabhängig macht.«
»Hast du schon einmal den Namen Shanokee gehört, Stan?«
»Er ist ein junger Häuptling der Shoshonen, nicht wahr?«
»Eben nicht«, entgegnete Sandoval kopfschüttelnd. »Er ist ein ungeratener Enkel des berühmten Medizinmanns und Kriegshäuptlings Washakie und will erst noch Häuptling werden. Das macht Shanokee gefährlich. Ihr Blauröcke solltet euch den Namen merken.«
✰✰✰
Etwa eine Woche hatte das klare, aber bereits empfindlich kühle spätherbstliche Wetter angehalten. Gegen Abend dieses Tages zogen von Nordwesten graue Wolken heran. Zugleich kam ein böiger, schneidend kalter Wind auf.
Sleepy Calhoun hatte seine lange Schaffelljacke übergezogen und den Kragen hochgestellt.
»Das sieht nach Schnee aus«, krächzte er. »Ziemlich früh.«
Sandoval nickte. Bis nach Lander, wo sie übernachten wollten, waren es noch ungefähr fünf Meilen. Wenn überhaupt ein vorzeitiger Schneefall einsetzte, dann jedenfalls erst während der Nacht.
Sekunden später hob er jäh den Kopf und spähte nach vorn zu den Hügeln, welche die alte, holprige Armeestraße zu einem Bogen zwangen. Die Bewegung machte auch Sleepy Calhoun aufmerksam.
»He?«, fragte er. »Was gibt's? Hast du was gewittert, Häuptling?«
Sandoval blieb die Antwort schuldig. Seine Züge hatten sich angespannt. Mit einer schroffen Handbewegung gebot er Ruhe. Im selben Moment war dünn und offenbar aus ziemlicher Entfernung das Peitschen eines Schusses zu vernehmen.
»Schlechtes Büchsenlicht, um jetzt noch auf die Jagd zu gehen«, sagte Sleepy Calhoun spöttisch.
Ohne auf die Ironie einzugehen, nahm Sandoval die Zügel seines Apfelschimmels kürzer.
»Ich sehe nach, was da los ist«, entschied er. »Du kannst mit dem Packtier nachkommen.«
Auf seinen leisen Schenkeldruck hin ging das große Pferd aus dem Trott sofort in vollen Galopp über. Sleepy Calhoun gab einen Grunzlaut von sich und löste das Leitseil des Packpferds vom Sattelhorn, um ebenfalls das Tempo zu beschleunigen.
Auf einer Bodenwelle vor der Senke stoppte der Reiter und hielt Ausschau. Der scharfe Wind zerrte an seiner Jacke und ließ ihn die Augen zusammenkneifen. Plötzlich glaubte er, in der Nähe der Straße eine Bewegung zu entdecken. Nur schemenhaft waren zwei Reiter zu erkennen, die sich nach Nordosten wandten und dort im Buschland verschwanden. An der Stelle, wo er sie zuerst bemerkt hatte, meinte Sandoval auf der Straße die Umrisse eines Wagens auszumachen. Ohne Zögern gab er seinem Hengst die Zügel frei.
Es sprach für sein instinktsicheres Orientierungsvermögen, dass er den Creek genau an jener Stelle erreichte, wo sich die Furt des Wagentrails befand. Mit zwei Sprüngen ließ Corporal das seichte Wasser hinter sich und bog gleich darauf in die breitere, aber kaum weniger holprige Poststraße ein. Es war tatsächlich ein hochrädriger Wagen, der dort stand.
Sandoval ritt hinüber. Im selben Moment, da er die Gestalt am Boden bemerkte, tänzelte der Hengst schnaubend zur Seite. Mit einer geschmeidigen Bewegung glitt der Reiter aus dem Sattel und näherte sich dem Schauplatz eines vermutlichen Überfalls.
Der Mann am Boden war tot. Nur wenige Spannen von seiner Hüfte entfernt lag ein Walker-Colt im Staub. Die Haltung des Toten ließ erkennen, dass man ihn erst nachträglich auf den Rücken gewälzt hatte, wobei die Waffe seiner Hand entfallen war. Sein weißes Hemd war auf der Brust aufgerissen. Darunter zeigte sich seine verschlissene Unterwäsche und oberhalb des Hosenbunds ein Geldgürtel mit einer flachen Tasche. Die Klappe dieser Tasche war geöffnet und das Lederfutter herausgezerrt. Alles deutete auf einen Raubmord hin.
Nur etwas machte Sandoval stutzig: Das aufgerissene Hemd war an der rechten Stelle verfärbt, als wäre es mit einem blauen Puder bestäubt und die Flecken nachträglich verwischt worden. Vielleicht rührten diese Flecken von der Hand des Mörders her, möglicherweise waren sie aber auch völlig bedeutungslos und bereits vorher dort gewesen. Sandoval überlegte, ob die blaue Farbe mit dem Beruf des Toten zusammenhängen könnte. Er richtete die Blicke auf den Wagen und las die verwitterte Aufschrift am Seitenbord der Ladefläche:
Thomas Kingbee – Hardware – Riverton.
Er fand keinen Zusammenhang zwischen dem blauen Puder und einer Eisenwarenhandlung. Mit verkniffenen Augen stellte er fest, dass der Fahrer des Wagens zweimal getroffen worden war.
Gerade erschien Sleepy Calhoun mit dem Packpferd an der Furt und kam herangeritten. In kurzen Worten klärte Sandoval ihn über seine Wahrnehmungen auf und fügte hinzu:
»In der nächsten Viertelstunde ist es eben noch hell genug, um eine Fährte zu erkennen. Ich werde also wenigstens feststellen, wohin die beiden Banditen geritten sind. Vielleicht ergeben sich daraus weitere Anhaltspunkte.«
Mit zwei langen Schritten war Sandoval bei seinem Hengst und setzte den Fuß in den Bügel. Im selben Moment drehte sich der ausgezeichnet dressierte Appaloosa in seinen Schwung hinein, sodass der Mann scheinbar mühelos in den Sattel gelangte.
Corporal, so hieß das Tier, setzte sich in Bewegung, und Sandoval lenkte ihn zu der Stelle hin, an der die beiden Reiter die Poststraße verlassen und sich in die Büsche geschlagen hatten. Auf einem Streifen sandigen Bodens erkannte er die frischen Hufabdrücke.
Die Straße folgte den Windungen der Senke und war auf ein kurzes Stück zu überblicken. Sandoval hörte Hufgetrappel und Räderrattern, aber zu sehen war die große Concord-Kutsche erst, als sie in etwa sechzig Yards Entfernung um die Cottonwoods bog. Zwei Männer saßen auf dem Bock, und der gelbe Schein der Laterne wetteiferte mit dem letzten Schimmer des sterbenden Tages.
Zweifellos hatten der Fahrer und sein Begleiter ihn gesehen, aber Sandoval hatte keine Lust, die kurze Frist, die ihm noch blieb, um der Fährte zu folgen, durch unvermeidliche Erklärungen weiter zu schmälern. Er trieb den Hengst vorwärts in eine Lücke zwischen den Büschen, die auch die beiden Banditen benutzt zu haben schienen.
Sandoval folge der Fährte stellenweise in vollem Galopp. Er verließ sich mehr auf seinen Instinkt als auf erkennbare Merkmale.
Schon hatte er jene Stelle erreicht, wo sich der Arroyo bis auf weniger als zwanzig Yards verengte.
Schnaubend warf Corporal mit einem Mal den Kopf hoch, als hätte ihm der Wind eine beunruhigende Witterung zugetragen. Sandoval war mit den Reaktionen seines Hengstes vertraut. Augenblicklich ließ er sich nach vorn sinken. Nur um den Bruchteil einer Sekunde später flammte ihm durch die graue Dämmerung das rote Mündungsfeuer entgegen.
Auf der Hinterhand riss Sandoval den Apfelschimmel herum und ließ ihn aus dem Stand sofort wieder anspringen. Zwei, drei gestreckte Sätze des Hengstes genügten, um hinter eine vorspringende Felsschulter zu gelangen, wo ein paar staubige Sagebüsche ein kärgliches Dasein fristeten. Ein zweiter Schuss dröhnte, doch er traf ebenso wenig wie der erste. Dann war Sandoval auch schon aus dem Sattel und ließ die Zügel zu Boden fallen. Geduckt überquerte er die Sohle des Arroyos.
Sandoval bückte sich und ergriff mit der Linken einen Stein. Der Trick war alt und abgedroschen, aber wenn zwei Burschen mit angespannten Nerven und Sinnen auf irgendein Anzeichen lauerten, mochte er dennoch seine Wirkung tun.
Sorgfältig maß Sandoval den Schwung ab, dann warf er den Steinbrocken in flachem Bogen, sodass er nach dem Aufprall noch ein Stück über den Boden kollern musste. Der Erfolg trat augenblicklich ein. Hinter dem großen Felsblock dröhnte ein Schuss.
»Idiot!«, zischte eine kehlige Stimme.
In geschmeidigen Sätzen hetzte Sandoval zu dem Felsen, hinter dem der eine seiner Gegner stecken musste, während sich der andere auf der gegenüberliegenden Canyonseite befand, wie ihm der Klang der Stimme verraten hatte. Erst unmittelbar vor seinem Ziel geriet ihm ein Steinbrocken vor die Füße und ließ ihn straucheln. Zwei Schüsse waren die Folge dieses Versehens. Grell stachen die orangefarbenen Mündungsflammen durch die Dunkelheit auf Sandoval zu. Blitzschnell feuerte er diesmal zurück.
Wenige Sekunden später war jenseits der Enge Hufschlag zu vernehmen. Die beiden Banditen ergriffen die Flucht. Sandoval schien einen von ihnen verletzt zu haben.
✰✰✰
Sleepy Calhoun hatte sich eine windgeschützte Stelle zwischen den struppigen Sumpfeichen gesucht.
»Jemand aus der Kutsche hat den Wagen gefahren. Sie bringen den Toten nach Lander. Ich habe gesagt, dass wir nachkommen.«
Er beeilte sich, seinen Wallach zu wenden und Bügel an Bügel mit seinem Gefährten anzureiten.
Sandoval nickte. »Kannte jemand den Toten?«
»Der Postfahrer«, gab Sleepy lautstark zurück. »Die Aufschrift am Wagen stimmte. Der Mann ist der Händler Thomas Kingbee aus Riverton. Er scheint Waren nach Lander geschafft zu haben und befand sich auf dem Rückweg. Im Übrigen soll er kurz vor dem Bankrott gestanden und sich deshalb in letzter Zeit auf alle möglichen unsicheren Geschäfte eingelassen haben. Das konnte ich jedenfalls aus den Reden der Leute in der Kutsche entnehmen. Aber dann fing der Begleiter an, mir blödsinnige, argwöhnische Fragen zu stellen, und ich konnte nichts weiter in Erfahrung bringen. – Hast du noch etwas herausgefunden?«
»So kann man es nennen, auch wenn ich mir vorläufig noch keinen Reim darauf machen kann. Um ein Haar hätte ich die beiden Kerle noch erwischt – oder sie mich. Sie sind nur ungefähr zwei Meilen bis zu einem Felsrücken geritten. Dort schienen sie zu warten – worauf, das mag der Himmel wissen. Ich bin ihnen direkt vor die Mündung gelaufen. Aber dann sind sie mir entwischt. Ich frage mich bloß, warum sie dort angehalten haben und nicht weitergeritten sind, wie das bei zwei Mördern auf der Flucht normal gewesen wäre.«
Der Sturm nahm an Heftigkeit zu und machte jede weitere Unterhaltung unmöglich. In der nächsten halben Stunde wurde kein Wort mehr gewechselt. Nach Sandovals Schätzung konnten sie höchstens noch eine Meile von der Stadt entfernt sein, als unversehens neben ihnen einige Schatten auftauchten. Ein Mann auf einem Grauschimmel kämpfte sich durch eine Schneewehe zu ihnen heran. Sein Kopf wirkte unförmig, weil er sich einen Wollschal über den Hut gebunden hatte, sodass die herabgeklappte Krempe sein breites Gesicht umrahmte wie der Schutenhut einer Frau. Mit schneeverklebten Lidern blinzelte er sie an und brüllte ein paar Worte, die im Heulen des Sturms untergingen. Dazu vollführte er eine befehlende Handbewegung, die ungefähr in jene Richtung deutete, wo Sandoval die Stadt vermutete.
Sieben oder acht Männer waren es insgesamt, welche die beiden Reiter nun in die Mitte nahmen. Bei zweien von ihnen waren selbst in der Dunkelheit Schrotflinten zu erkennen, die sie mit frosterstarrten Händen umklammert hielten.
Es gab für diesen Aufzug nur eine Erklärung: Es handelte sich um ein Aufgebot, das von Lander losgeritten war, um die Mörder des Eisenwarenhändlers zu verfolgen.
Es war schwer, in diesem heulenden Inferno noch ein Zeitgefühl zu bewahren. Auch wenn die Spanne endlos schien, in Wirklichkeit vergingen nur wenige Minuten, bis vor ihnen ein paar helle Flecken die Finsternis durchbrachen und beim Näherkommen immer größer wurden.
Endlich waren die ersten Häuser erreicht. Die Kavalkade zwängte sich in eine enge Gasse, wo der Sturm fast augenblicklich seine Kraft verlor. Die Pferde, die den Stall witterten, schnaubten erleichtert und beschleunigten ganz von selbst ihren Trott. Sie kamen zu einer Ecke, wo die Gasse in die breitere Hauptstraße von Lander einmündete.
Zu dem Reiter an der Spitze hatte sich inzwischen ein zweiter Mann gesellt, der sich dicht neben dem anderen hielt und mit drängenden Gesten auf ihn einredete. Der Anführer löste den Knoten seines Wollschals unter dem Kinn und gab den nachfolgenden Männern einen Wink. Sandoval und Sleepy Calhoun sahen sich eingekeilt.