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Im rauen Land westlich des Pecos, wo Desperados, Klapperschlangen und die mörderischen "Buschteufel" der Brasada den Alltag prägen, steht Steve Ballard vor seiner größten Prüfung. Als treuer Cowboy einer expandierenden Ranch trägt er nicht nur die Verantwortung für hohe Summen, sondern wird in eine Spirale aus Verrat, Gewalt und düsteren Machenschaften hineingezogen. Als ein Überfall auf das abgelegene Ranchito des alten Pancho Suner eine tödliche Spur hinterlässt, wird Ballard zum Zeugen von Machtspielen, die weit über seine eigene Moral hinausgehen. Das Massaker an unschuldigen Menschen und die schattenhaften Pläne eines skrupellosen Ranchbesitzers drängen Ballard dazu, seine Prinzipien infrage zu stellen. In der gnadenlosen Wildnis der Brasada wird er alles riskieren - für Gerechtigkeit, für die, die er verloren hat, und für eine Zukunft jenseits von Gewalt und Verrat ...
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Seitenzahl: 145
Veröffentlichungsjahr: 2025
Cover
Bunchland-Reiter
Vorschau
Impressum
Bunchland-Reiter
Im rauen Land westlich des Pecos, wo Desperados, Klapperschlangen und die mörderischen »Buschteufel« der Brasada den Alltag prägen, steht Steve Ballard vor seiner größten Prüfung. Als treuer Cowboy einer expandierenden Ranch trägt er nicht nur die Verantwortung für hohe Summen, sondern wird in eine Spirale aus Verrat, Gewalt und düsteren Machenschaften hineingezogen.
Als ein Überfall auf die abgelegene Ranchita des alten Pancho Suñer eine tödliche Spur hinterlässt, wird Ballard zum Zeugen von Machtspielen, die weit über seine eigene Moral hinausgehen. Das Massaker an unschuldigen Menschen und die schattenhaften Pläne eines skrupellosen Ranchbesitzers drängen Ballard dazu, seine Prinzipien infrage zu stellen. In der gnadenlosen Wildnis der Brasada wird er alles riskieren – für Gerechtigkeit, für die, die er verloren hat, und für eine Zukunft jenseits von Gewalt und Verrat ...
Der Ritt nach El Paso hatte über eine Woche gedauert, aber er hatte sich gelohnt. In dem Gürtel, den Steve Ballard unter dem Hemd auf dem Leib trug, verwahrte er einen erheblichen Betrag als Gegenwert für das Pferderudel, das er in Patrick Beattys Auftrag verkauft hatte.
Berücksichtigte man, dass Steve Ballard ein ganz gewöhnlicher Dreißig-Dollar-Cowboy war, musste die Summe für ihn eine gewaltige Versuchung darstellen. Wenn der Rancher ihn trotzdem allein mit den Pferden nach El Paso geschickt hatte, so lag darin ein großer Vertrauensbeweis.
Dieses Vertrauen erstreckte sich nicht nur auf die Ehrlichkeit, sondern auch auf Steve Ballards andere Fähigkeiten. Immerhin befand man sich hier im Land westlich des Pecos. Die Guadalupes und die Davis Mountains boten Schlupfwinkel für Geächtete aller Schattierungen, und jenseits des Rio Bravo, der die Grenze nach Mexiko bildete, konnte man auch nicht gerade von Gesetz und Ordnung sprechen.
Zwischen den Bergen und dem Fluss erstreckten sich über endlose Meilen die Dornbuschflächen, die steinigen Hügel und die mörderischen Kakteenverhaue der Brasada, bevölkert von Timberwölfen und Klapperschlangen, von Kojoten und Skorpionen – und von Tausenden von Wildrindern, die wegen ihrer Gefährlichkeit nicht zu Unrecht als Buschteufel bezeichnet wurden. Nur ein hartgesottener Abenteurer vom Schlage eines Patrick Beattys konnte das Risiko auf sich nehmen, in diesem Land eine große Ranch aufzubauen.
Steve Ballard hatte für den Rancher nie besondere Sympathie empfunden. Die Härte, die Patrick Beatty ausstrahlte, ging weit über den Punkt hinaus, an dem man sie noch als eine männliche Tugend hätte betrachten können. Seinen Respekt jedoch konnte Ballard diesem Mann nie versagen, auch wenn ihm die meisten Auffassungen Beattys gegen den Strich gingen.
Die Dämmerung überfiel das weite Rio-Grande-Tal wie eine blaue Woge.
Steve Ballard folgte dem alten Wildwechsel durch die Snake Sinks und nahm eine aufragende Schirmakazie in der Ferne als Richtpunkt, um zu Pancho Suñers Ranchita zu gelangen. Mit seiner Tochter und seinem Schwiegersohn bewohnte der Mexikaner eine Hütte inmitten der Snake Sinks und fristete seinen Lebensunterhalt als Cimarron-Jäger.
Unvermittelt nahm der Reiter die Zügel an und brachte das Pferd zum Stehen, als dünn und wie aus weiter Ferne das Krachen von Schüssen herüberklang. Ein ausgekochter Bunchland-Reiter ließ sich davon nicht täuschen. Der Wind stand ungünstig. Nur dadurch entstand der Eindruck einer größeren Entfernung. In Wirklichkeit wurde drüben bei Suñers Ranchita geschossen. Die Ohren des Wallachs richteten sich auf und begannen zu spielen.
»Du hast es gehört, Compadre«, murmelte Ballard gepresst. »Muss ich dazu noch etwas sagen?«
Eine leichte Berührung mit den Sporen reichte aus, um Compadre aus dem Stand in einen kurzen Galopp anspringen zu lassen. Schon stürmte er in die Senke hinunter, wich in raschen Wendungen einigen Eisenholzgewächsen aus und mäßigte das Tempo erst, als seine Hufe über eine tückische Strecke von Geröll und Felsschutt klirrten.
Vom nächsten Kamm aus waren die Snake Sinks auf eine weite Strecke zu überblicken – verfilzte Dickichte, die hier und da von knorrigen Regenbogenpinien überragt wurden. Lavafelder und lehmige Arroyos, von Scrubwoods überwucherte Bodenwellen, Sageflächen und undurchdringliche Kaktushecken, nur vereinzelt von kahlen Felsformationen unterbrochen.
Die Hütte war noch nicht zu erkennen, weil sie sich an eine Hügelflanke schmiegte, auf der Pinons und Juniperen wucherten. Obwohl Ballard auch während seines wilden Ritts lauschte, hatte er keinen weiteren Schuss vernommen. Dafür sah er nun jenseits der Hügelkuppe den roten Schimmer, der sich rasch verstärkte und ausweitete.
Jeder Windstoß ließ den Widerschein heller aufflackern: in seinem Licht erschienen die Juniperen auf dem Hang wie struppige, zerzauste Bärte. Es gab keinen Zweifel, die Ranchita musste lichterloh in Flammen stehen. Es konnte sich nur um einen Überfall handeln. Desperados gab es sowohl jenseits des Rio Bravo wie auch im ganzen Gebiet der Big Bend. Verwunderlich war nur, dass sich die Banditen die ärmliche Ranchita eines Mexikaners ausgesucht hatten, wo es außer den Pferden Pancho Suñers nichts zu erbeuten gab.
Nach kaum drei Minuten hatte Ballard den rückwärtigen Hang der Kuppe erreicht. Unterhalb des Kamms parierte er den Wallach, zerrte seinen Evans-Karabiner aus dem Scabbard und warf sich aus dem Sattel. Mit schleifenden Zügeln ließ er Compadre zurück und hetzte zu Fuß weiter durch das Wacholder- und Mesquite-Gestrüpp, bis er die brennende Hütte unter sich sah.
Flammen und Rauch versperrten ihm den Ausblick auf den Hof und den primitiven Stall. Die Quelle lag am Fuße des Hangs zwischen den beiden Gebäuden und bildete einen kleinen Tümpel, dessen Oberfläche die Glut blutrot widerspiegelte. Der Hof wurde von einem Lehmwall begrenzt, der dicht mit Agaven und Kakteen überwuchert war und gleichzeitig als Einfassung des Korrals diente. Von dort hörte Ballard das Wiehern einiger Pferde und sah schattenhaft mehrere Reiter.
Die Burschen, vier oder fünf waren es, versuchten gerade die Tiere aus dem Korral zu treiben, die sich wegen des von der Hütte heranwehenden Qualms sträubten und sich in der hintersten Ecke zusammendrängten.
Die Entfernung betrug etwa hundertfünfzig Yards. Trotzdem riss Steve Ballard den Sattelkarabiner an die Schulter und versuchte ein Ziel zu erfassen. Dunkelheit und Rauch machten seine Absicht jedoch zunichte. Er konnte keinen der Desperados anvisieren, da ihn die Flammen blendeten.
Ein Schuss aber, der sein Ziel verfehlte, würde die Banditen nur warnen. Gerade scheuchten zwei der Gestalten die Pferde aus dem Korral. In panischer Furcht raste das Rudel über den Hof, wurde durch zwei andere Reiter weitergejagt und schließlich von einem letzten in Empfang genommen.
Eine raue Stimme brüllte Befehle, die für Steve Ballard unverständlich blieben. Ein Windstoß trieb neuen Rauch über den Hof. Jemand hustete und fluchte, weil das Pferderudel schon wieder zu scheuen begann. Sekunden später galoppierte die ganze Kavalkade auf dem Flussweg nach Westen und trieb die geraubten Pferde vor sich her.
Mehr hatte Ballard nicht sehen wollen. Er rannte zu seinem Wallach zurück, saß auf und schob das Gewehr in den Sattelschuh. Dann ritt er los wie der Teufel.
Der Rio Bravo war etwa sechs bis sieben Meilen entfernt. Der Flussweg führte quer durch die Snake Sinks zu den Randhügeln, durchquerte sie in ein paar weiten Biegungen und mündete schließlich in den alten spanischen Wagentrail, der dem Flusstal folgte. Es gab mehrere Stellen, an denen der Fluss ziemlich gefahrlos zu durchfurten war. Damit befanden sich die Banditen dann jenseits der mexikanischen Grenze und in Sicherheit.
Diese Zusammenhänge gingen Ballard durch den Kopf, während er durch die Brasada jagte. Natürlich wäre es Wahnwitz gewesen, allein gegen fünf dieser Nachtfalken zu einem offenen Kampf anzutreten. Die Brasada bot jedoch auch andere Möglichkeiten, und Ballard war mit ihnen vertraut.
Zweimal scheuchte er im Dickicht Rudel von Wildrindern auf, entging nur um Haaresbreite einem Sturz, als Compadre in der Dunkelheit einen Fehltritt tat, und wäre fast von einem heimtückischen Eisenholzast aus dem Sattel gefegt worden.
Die felsige Abbruchkante durchzog die Snake Sinks wie eine Stufe. Der Flussweg verlief über eine geraume Strecke an ihrem unteren Rand. Steve Ballard näherte sich dem Rim von Norden her und riss Compadre zurück, sobald er durch das Gestrüpp eine Schleife des Weges erkennen konnte.
Er stellte befriedigt fest, dass noch kein Staubgeruch in der Luft lag, wie es unbedingt der Fall gewesen wäre, wenn die anderen diese Stelle bereits passiert hätten. Der Hang war mit Felsbrocken übersät und strahlte noch die Tageshitze zurück, da er sich nach Süden neigte und fast während des ganzen Tages in der Sonne lag. Solche Stellen waren berüchtigt und gefürchtet. Reptilien aller Art liebten es, in der prallen Sonne zu liegen, ob es sich nun um harmlose Eidechsen, giftige Sandvipern oder Klapperschlangen handelte.
Steve Ballard zog seinen Sattelkarabiner aus dem Scabbard und wartete. Schon nach zwei Minuten hörte er Hufschlag. Gegen den helleren Grund waren die Gestalten deutlich auszumachen. Ein Mann ritt vor dem Rudel der geraubten Pferde. Dahinter folgte der Rest der Meute.
Ballard zielte so sorgfältig wie die Dunkelheit das zuließ. Peitschend fuhr sein Schuss aus dem Lauf. Durch das eigene Mündungsfeuer war Ballard für einen Moment geblendet, dennoch bemerkte er, wie einer der Banditen rückwärts aus dem Sattel kippte. Auf weniger als vierzig Yards konnte man auch in der Nacht noch einen Treffer anbringen.
Mit einer mechanischen Bewegung hatte er gerade das Gewehr repetiert, als auch dort unten Schüsse aufblitzten. Ein schrilles Wiehern drang herauf. Ballard suchte ein neues Ziel. Vor ihm klatschte eine Kugel an den Felsen und schwirrte mit einem zornigen Brummton als Querschläger davon. Das musste der Neid diesen Desperados lassen, sie schossen nicht schlecht.
Eben visierte Ballard einen der schießenden Schatten an, als der Wallach, der bis dahin reglos wie eine Bildsäule stand, plötzlich einen nervösen Satz vollführte. Der Reiter verriss seinen Schuss und merkte im selben Moment, wie das morsche, bröckelnde Gestein unter den Hufen des Pferdes ins Rutschen geriet. Compadre warf sich zur Seite und bäumte sich auf, um wieder festen Grund zu erreichen und nicht von dem beginnenden Felssturz mitgerissen zu werden. Doch das bröckelnde Gestein unter seinen Hinterhufen gab nach.
Das große Tier fuhr herum wie eine Katze, drohte sich aber rückwärts zu überschlagen. Instinktiv riss Steve Ballard die Füße aus den Steigbügeln und ließ sich zur Seite fallen. Ein stechender Schmerz durchfuhr seine Hüfte und seinen Ellbogen, als er auf das Geröll krachte. Wenige Schritte entfernt rutschte Compadre unaufhaltsam mit einer ganzen Felslawine zu Tal, stürzte und verschwand in dem aufquellenden Staub.
Hinter dem Gestrüpp am Weg ertönte raues Gebrüll. Offenbar hatten die Burschen erkannt, was oben am Rim vor sich gegangen war. Während sich Ballard mit einem Stöhnen aufraffte und hinkend oberhalb der Felskante Deckung suchte, hörte er noch das Prasseln und Knirschen des Gesteins. Gleich darauf erklangen ein erstaunter Ausruf und das Klirren von Hufen. Anscheinend war Compadre wieder auf die Beine gekommen und von einem der Kerle entdeckt worden.
Vor Schmerz und Grimm presste Ballard die Lippen aufeinander. Jetzt konnte es bitter für ihn werden. Schon vernahm er die Geräusche von Männern, die sich durch das Gestrüpp einen Weg bahnten und zum Angriff vorgingen.
Noch verhüllten die Staubschleier den Hang, als Steve Ballard sich zu dem Kakteenvorbau im Hintergrund zurückzog. Das Kakteenfeld nämlich – das hatte Ballard an dem silbrig-weißen, frostigen Schimmer der Stacheln erkannt – bestand zum größten Teil aus Choyas. Durch einen solchen Verhau würde sich keiner der Desperados von der Seite an ihn heranarbeiten können. Und einen Frontalangriff hätten sie über eine offene Fläche von mehr als zwanzig Yards vortragen müssen. Sie würden sich trotz der Dunkelheit gleichsam auf einem Präsentierteller befinden, sobald sie an der Kante auftauchten.
Mit raschen Kolbenhieben knickte Ballard zwei der Kakteen um und fegte sie zur Seite, ehe er in die Lücke schlüpfte und sich zu Boden warf. Dabei drang ihm ein Stachel schmerzhaft durch Jacke und Hemd in die Bauchdecke. Fluchend zog er ihn heraus, legte sein Gewehr bereit und zog seinen 38er Texas-Patterson, um für einen eventuellen Nahkampf gerüstet zu sein. Sekunden später bemerkte er eine Bewegung am Rande des Rims und feuerte einen raschen Schnappschuss mit dem Revolver hinüber.
Ein Fluch wurde laut, und ein schwarzer Gegenstand segelte durch die Luft. Entweder hatte er dem Kerl den Hut vom Kopf geschossen, oder der andere hatte ihn bei einer hastigen Bewegung verloren. Aus dem Grund hinter der Kante erklang nun unvermittelt ein wildes, trompetendes Wiehern, das ohne Zweifel aus der Kehle Compadres stammte. Gleich darauf war ein kreischender Fluch zu vernehmen, und Steve Ballard glaubte das gefahrdrohende Rasseln einer gereizten Klapperschlange zu hören.
Zwei rasch aufeinanderfolgende Schüsse bestätigten seinen Verdacht. Natürlich waren bei dem Felsrutsch einige Spalten und Risse freigelegt worden, in denen sich die Reptilien vor der nächtlichen Kühle verkrochen hatten. Mit einem dieser Biester hatten die Desperados Bekanntschaft gemacht. Ballard empfand darüber eine gottlose Schadenfreude, weil er auf diese Weise Verbündete gegen die Mordbrenner fand, obwohl er schon fast die Hoffnung aufgegeben hatte.
Wieder, diesmal aber aus einer anderen Richtung, ertönte jenes trockene Rasseln, gefolgt von einem Kollern und Poltern, als ob sich ein Mensch hastig vor einer stoßbereiten Rattlesnake in Sicherheit brächte und dabei über das Gestein stolperte. Eine gedämpfte, krächzende Stimme rief etwas Unverständliches, und eine andere gab Antwort. Wenig später knackte und raschelte das Gestrüpp am Weg. Die Banditen traten den Rückzug an.
Ballard wäre gern vorgerannt, um den Burschen noch ein paar heiße Grüße nachzuschicken, aber seine vom Sturz schmerzende, steife Hüfte hinderte ihn daran. Als er am Rande des Rims anlangte, lag noch immer ein beißender Staub in der Luft. Auf dem Weg setzte prasselnder Hufschlag ein, der sich rasch entfernte. Es wäre pure Munitionsverschwendung gewesen, unter diesen Umständen noch zu schießen.
Voller Erbitterung machte sich Steve Ballard an den Abstieg, verharrte schon nach wenigen Schritten und raffte einen dicken Steinbrocken auf. Ohne dass er es bemerkt hatte, war der Mond aufgegangen und stand nun eine Spanne über dem schwarzen Wall der Davis Mountains. Der silbrige, milchige Schimmer reichte aus, um die Einzelheiten der Umgebung deutlicher zu unterscheiden.
Eine dieser Einzelheiten war eine Klapperschlange, die sich vor ihm stoßbereit bis in Kniehöhe aufrichtete. Er verharrte, wog den dicken Steinbrocken abschätzend in der Hand und schmetterte ihn dann zielsicher herab. Der Kopf der Schlange zuckte noch vorwärts, fiel aber einen Schritt vor seinen Füßen kraftlos nieder, als das schwere Wurfgeschoss dem Reptil das Rückgrat zerschmetterte. Ballard schnaubte erleichtert durch die Nase.
Seine Erleichterung verflog, als er den Flussweg erreichte und suchend Ausschau hielt. Der Wallach war nirgends zu entdecken. Wahrscheinlich hatten ihn die Banditen mitgenommen. Das bedeutete einen Fußmarsch von mehreren Stunden bis zur Stadt oder von einem vollen Tag bis zur Star-B-Ranch. Ballard hätte das klaglos auf sich genommen, wenn seine geprellte Hüfte nicht gewesen wäre. Zudem gab es für ihn noch eine Aufgabe: Er musste auf der Ranchita nachsehen, was mit Pancho Suñer, seiner Tochter und seinem Schwiegersohn geschehen war. Also biss er die Zähne aufeinander und marschierte los.
Für die zwei Meilen, die Compadre in weniger als einer Viertelstunde zurückgelegt hatte, benötigte er annähernd anderthalb Stunden.
Die geprellte Hüfte machte ihm sehr zu schaffen.
Er begann zu fluchen, nachdem er den Lehmwall des Korrals umrundet hatte und freien Ausblick über den Hof gewann, denn drüben, im Morast des Weihers, standen zwei Pferde. Das eine gehörte zu Pancho Suñers Rudel und war sattellos, das andere war Compadre, der lehmgelbe Wallach. Anscheinend hatten die Desperados für kurze Zeit die Kontrolle über das Pferderudel verloren, als sie beschossen wurden und gleichzeitig ein Felsrutsch samt einem ausgewachsenen Gaul vom Rim herabprasselte.
Eines der Tiere hatte offenbar die Gelegenheit genutzt, um sich selbstständig zu machen. Compadre, von dem jähen Sturz erschreckt, hatte sich ihm angeschlossen, als er zu seinem Stall und damit auch zum Wasser zurücklief.
Ballard fluchte noch, als er hinkend auf seinen vierbeinigen Gefährten zuging. Doch dann erstickte ihm das Wort in der Kehle. Vor ihm lag ein Mann auf dem Gesicht. Pancho Suñer war tot. Ein Stück hinter ihm, halb verdeckt von den Trümmern einer zusammengestürzten Adobewand, lagen seine Tochter und sein Schwiegersohn dicht beisammen. Jeder Luftzug ließ die schwelenden Balken und Sparren aufglühen und beleuchtete das Bild des Grauens.
Steve Ballard wurde die Kehle eng. Sekundenlang regte er sich nicht vom Fleck. Schon vorher hatte er die Desperados in Gedanken als Mordbrenner bezeichnet. Aber auf das hier war er nicht vorbereitet. Ihm wäre nie in den Sinn gekommen, dass diese Banditen sogar zu einem Mord an einer Frau fähig sein konnten. Jetzt hatte er den Beweis vor Augen und musste gegen einen würgenden Grimm ankämpfen, der ihm beinahe körperliche Übelkeit verursachte.
Langsam ging er zu dem primitiven Schuppen und ließ sich dort auf einen Hauklotz sinken. Er kam aus seinen Gedanken, als neben ihm ein Schnauben ertönte und er einen sanften Stoß gegen die Schulter bekam. Compadre war herangetrottet und schien sich mit dieser Geste für sein Davonlaufen entschuldigen zu wollen.
Nachdem Steve Ballard sich eine Zeitlang ausgeruht hatte, hinkte er in den Schuppen und suchte dort eine Weile in der Dunkelheit herum, bis er das nötige Werkzeug gefunden hatte – eine Hacke und einen mexikanischen Spaten, an dessen Stiel sich eine hölzerne Sprosse zum Aufsetzen des Fußes befand. Neben dem Lehmwall des Korrals machte er sich an die Arbeit.
Als Steve Ballard es endlich geschafft hatte und der flachgewölbte Grabhügel mit einer Einfassung aus Feldsteinen versehen war, belehrte ihn ein Blick auf seine große Nickeluhr, dass Mitternacht längst vorüber war. Nun ruhte Pancho Suñer Seite an Seite mit seiner Tochter und seinem Schwiegersohn. Bald würde die Brasada die wenigen Äcker, den Korral und den Hof dieses Anwesens zurückerobern. Der Schuppen und die Trümmer der Hütte würden weiter zerfallen, und die Wildrinder und andere Tiere aus dem Dornbusch würden wieder hier zur Tränke kommen, wie es noch vor wenigen Jahren der Fall gewesen war.
Diese Gedanken bewegten Ballard, als er, auf den Spaten gestützt, noch eine Weile an dem frischen Grab verharrte.