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Stanley Drummond hat längst die Hoffnung aufgegeben, jemals das Format seines Vaters Big Jim zu erreichen. Mit Trinken und Pokern vertreibt er sich seine Zeit, ohne sich um die Baranca-Ranch zu kümmern - bis Big Jim kaltblütig aus dem Hinterhalt erschossen wird.
Mit einem Mal ist Stan gezwungen, die Arbeit seines Vaters fortzuführen. Zudem will er mit allen Mitteln den Mörder finden, aber das Testament enthält Klauseln, die diesen Plan zu einer großen Gefahr werden lassen. Ungeachtet aller Widrigkeiten wagt es Stan trotzdem ...
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Seitenzahl: 155
Veröffentlichungsjahr: 2024
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JIM DRUMMONDS VERMÄCHTNIS
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Impressum
JIM DRUMMONDS VERMÄCHTNIS
Stanley Drummond hat längst die Hoffnung aufgegeben, jemals das Format seines Vaters Big Jim zu erreichen. Mit Trinken und Pokern vertreibt er sich seine Zeit, ohne sich um die Baranca-Ranch zu kümmern – bis Big Jim kaltblütig aus dem Hinterhalt erschossen wird.
Mit einem Mal ist Stan gezwungen, die Arbeit seines Vaters fortzuführen. Zudem will er mit allen Mitteln den Mörder finden, aber das Testament enthält Klauseln, die diesen Plan zu einer großen Gefahr werden lassen. Ungeachtet aller Widrigkeiten wagt es Stan trotzdem ...
Die Brasada mit ihren verfilzten Dickichten, stachligen Kakteenfeldern und undurchdringlichen Dornenverhauen war eine Erfindung des Teufels. Es gab mindestens ein Dutzend giftiger Gewächse, die Mensch und Tier zum Verhängnis werden konnten, ganz zu schweigen von Klapperschlangen, Skorpionen, Giftechsen und wilden Ladino-Stieren.
Man brauchte lange Zeit und musste viel Lehrgeld zahlen, ehe man ein Brasada-Reiter wurde. Stanley Drummond war es noch nicht. Er hatte sich bisher auch keine große Mühe gegeben, ein Brasadero zu werden. Die Chancen, jemals Anerkennung zu finden oder gar das Format von Big Jim zu erreichen, schienen ihm zu gering. Manchmal hatte er das Gefühl, nicht einen Menschen, sondern ein Denkmal oder ein legendäres Symbol zum Vater zu haben.
Am frühen Nachmittag erreichten sie den Rand der Rattlesnake Thickets. Dieses Klapperschlangen-Dickicht zog sich unübersehbar und scheinbar undurchdringlich über zahllose Quadratmeilen hin. Es gab hier einige Wasserlöcher und sumpfige Mulden. Aus diesem Grund hielten sich viele Wildrinder in dem Gestrüpp auf. Die meisten dieser Ladinos waren ungebrannte Mavericks, eine Kreuzung aus Longhorns und andalusischen Stieren, die sich seit dem Bürgerkrieg in der Brasada stark vermehrt hatten. Es gab kein Gesetz gegen die Maverickjagd, nicht einmal dann, wenn sie sich auf fremdem Grund und Boden abspielte. Rinder ohne Brandzeichen waren schon deshalb Freiwild, weil sich der Besitzanspruch des Grundeigentümers kaum noch beweisen ließ, sobald die Tiere von seinem Land weggetrieben worden waren.
Um sich davor zu schützen, hatte Big Jim einen Treibzaun von über sechs Meilen Länge errichten lassen – mit dem Erfolg, dass sein Draht immer wieder von Maverick-Mannschaften durchgeschnitten wurde. Man konnte diese Kerle jedoch nur wegen Beschädigung fremden Eigentums zur Rechenschaft ziehen, solange man sie nicht auf frischer Tat ertappte oder sie mit markierten Rindern erwischte.
Eine halbe Stunde waren sie am Zaun entlanggeritten, als Foggerty sich aus seiner kauernden Haltung im Sattel aufrichtete und nach vorn deutete. Dann sahen sie die beiden Pferde und die Männer am Rande des Kakteenfelds. Calvaro, der Lipan-Apache, hockte in seinen ausgebeulten Rohleder-Leggins auf den Fersen, schnitt mit seinem seltsam gebogenen Buschmesser ein Stück roten Chilispecks in Streifen und kaute mit zäher Beharrlichkeit darauf herum.
Nur bei solchen Gelegenheiten zeigte sein mageres, ausgemergeltes Gesicht eine Bewegung. Sein dünnes graues Haar hing ihm bis auf die Schultern. Es wurde von einem verschossenen Stirnband gehalten, von dessen perlengestickten Ornamenten nur noch klägliche Reste vorhanden waren.
Neben Calvaro lag Big Jim auf dem kahlen Boden und schnarchte laut. Wahrscheinlich hatte er sich in den Schatten einer Joshua-Kaktee gelegt. Inzwischen war die Sonne höhergestiegen, und der große Mann lag schwitzend in den heißen Strahlen, ohne sich dadurch in seinem Schlaf stören zu lassen.
Etwa fünfzig Yards entfernt zeigte sich die breite Lücke im Zaun. Die Drähte waren zerschnitten und zwei Pfosten herausgerissen worden. Das ließ darauf schließen, dass die Maverick-Jäger ein größeres Rudel von Ladinos hindurchzutreiben gedachten.
Obwohl Calvaro die Reiter längst bemerkt haben musste, verharrte er in seiner kauernden Haltung. Erst im letzten Moment stieß er den Rancher an. Das Schnarchen brach ab, Big Jim stemmte sich hoch und warf einen Blick zur Sonne.
»Habt euch aber verdammt viel Zeit gelassen«, sagte er grollend. »Seid ihr dafür wenigstens klar im Schädel?«
Die drei Baranca-Reiter grinsten und wischten sich den Schweiß aus den Gesichtern. Erst da erkannte Big Jim Drummond auch seinen Sohn, zog die Brauen in die Höhe und setzte sarkastisch hinzu:
»Das ist aber ein seltener Besuch in der Brasada.«
»Ich weiß«, gab Stan Drummond gereizt zurück. »Ich habe Foggerty auch gleich gesagt, dass ich bestimmt nicht gemeint wäre, wenn er alle Baranca-Leute in den Sattel bringen sollte. Aber er hatte Angst, du würdest ihm die Haut abziehen, wenn er deinen Befehl nicht wörtlich befolgt.«
»Und daran hat er recht getan«, erwiderte der Rancher böse. Sein Tonfall war ein Echo auf die Gereiztheit seines Sohnes. Anscheinend war es Stan wieder mit wenigen Worten gelungen, Big Jim die Laune zu verderben. Dieses Talent beruhte bei ihnen auf Gegenseitigkeit. Beide waren zu starrsinnig, um jemals über eine Bemerkung des anderen hinwegzugehen.
»Also«, sagte Stan Drummond mürrisch, »was ist?«
Big Jim reckte die Schultern. Er war ein großer, starkknochiger, sehniger Mann mit buschigen Brauen und gelichtetem grauen Haar. Obwohl er fast sechzig Jahre alt war, gab es in der ganzen Brasada keinen Reiter, der ihm im Sattel etwas hätte vormachen können. Big Jim pflegte von keinem seiner Leute etwas zu verlangen, was er nicht selbst vollbringen konnte. Er wirkte knorrig und zäh, beinahe so ausgetrocknet wie der Lipan-Apache Calvaro, der ihm mit hündischer Treue ergeben war.
Mit Bewegungen, die durch seine Chaps aus dickem Büffelleder steif und eckig erschienen, ging er zu seinem narbigen, großen Gaul, setzte den Fuß in die mexikanische Jineta und ließ sich in den Sattel plumpsen. Sofort watschelte auch Calvaro zu seinem Schecken und schlang dabei den letzten Streifen Speck hinunter.
»Fünf Burschen«, sagte Big Jim kurz angebunden. »Calvaro hat festgestellt, dass sie den Zaun noch vor Morgengrauen durchgeschnitten haben. Wahrscheinlich haben sie sich darauf verlassen, dass heute Sonntag ist.«
»Und weiter?«, fragte Stan Drummond trocken.
»Sie müssen noch in den Thickets stecken«, entgegnete Big Jim mit gerunzelten Brauen. »Calvaro hat Mike O'Bannion alarmiert. Er riegelt mit der Mannschaft den Dornbusch nach Nordwesten ab. Über die Baranca können sie mit den Pferden nicht entkommen. Wir haben sie in der Falle, wenn ihren Gäulen nicht gerade Flügel wachsen.«
»Und wenn sie den Draht in der Zwischenzeit auch noch an einer anderen Stelle zerschnitten haben?« fragte Stan Drummond.
Zum ersten Mal zeigte sich in Big Jims Blick so etwas wie widerwillige Anerkennung, als er seinen Sohn anschaute. Er schüttelte den Kopf, während er die lederne Fangschnur seines Huts unter dem Kinn zusammenzog.
»Bisher jedenfalls nicht«, entgegnete er. »Calvaro ist erst vor einer halben Stunde von einer Kontrolle zurückgekehrt. Die Burschen haben Angst vor dem Draht, weil sie damit rechnen müssen, in der Nähe des Zauns auf einen Streifenreiter zu stoßen.«
Sein Tonfall veränderte sich, als er hinzufügte: »Du hältst dich besser hinter den anderen, Stan. Die Rattlesnake Thickets sind so ziemlich das niederträchtigste Stück Brasada, das ich kenne.«
Stan Drummond nickte nur und drängte sein Pferd zur Seite. Calvaro hing bereits vorgebeugt auf seinem Pinto und ritt auf der Fährte in den Dornbusch jenseits des Zauns hinein. Automatisch bildeten die anderen eine Reihe und schlossen sich ihm an. Hinter Stan Drummond folgte nur noch der gnomenhafte Foggerty.
Big Jim hatte nicht übertrieben. Die Rattlesnake Thickets waren eine Filiale der Hölle. Dornenverhaue, stachlige Buschflächen und Kakteenhecken forderten pausenlos die Aufmerksamkeit von Pferd und Reiter. Nicht immer konnte man all diesen Widerhaken und peitschenden Ranken ausweichen, sondern musste sich mühsam hindurchkämpfen. Nur vereinzelt zeigten sich offene Flächen.
Mit einiger Mühe hielt Stan Drummond den Anschluss an die vorausreitenden Männer. Er fühlte sich schon jetzt gerädert und zerschlagen.
Da er aber wusste, dass der nachfolgende Foggerty ihn beobachtete, ließ er sich nichts anmerken. Er ahnte schon seit langem, dass ihn die Baranca-Mannschaft als den verweichlichten und leichtfertigen – um nicht zu sagen ungeratenen – Sohn eines hartgesottenen Oldtimers betrachtete. In gewissem Sinne hatten diese ausgekochten Brasaderos sogar recht. Auch der Unerfahrenste von ihnen war ihm hier im Dornbusch noch haushoch überlegen. Wenn es wenigstens ein Gebiet gegeben hätte, auf dem er ihnen etwas vormachen konnte – wie Cord Farley beispielsweise, der sich nie danach gedrängt hatte, ein Buschlandreiter zu werden, dafür aber als cleverer Geschäftsmann überall Respekt genoss.
Zweifellos hatte Big Jim einen guten Griff getan, als er Cord den Posten eines Filialleiters der Stockmen-Bank verschaffte. Es gehörte eine gehörige Portion Menschenkenntnis dazu, um immer den richtigen Mann an den richtigen Platz zu stellen. Big Jim war das niemals schwergefallen. Nur für seinen eigenen Sohn hatte er bisher einen solchen Platz noch nicht gefunden.
Obwohl Stan drei Jahre auf dem College zugebracht hatte, war er der Entscheidung nach einem Spezialgebiet ausgewichen. Was zum Schluss dabei herauskam, war sogenannte Allgemeinbildung. Die bitterzynische Umschreibung, die Stan selbst dafür gefunden hatte, lautete so, dass er beinahe nichts über fast alles wusste, dass er über jedes Gebiet mitreden konnte, ohne auch nur ein einziges wirklich zu verstehen. Mit einem Wort, der Collegebesuch, auf den Big Jim damals große Hoffnungen setzte, hatte sich als Fehlschlag erwiesen und Stans inneren Zwiespalt noch verschlimmert.
Trotz seiner zahlreichen Fähigkeiten brachte es Big Jim nicht fertig, einen Ausgleich zu finden oder mit leichter Hand die Zügel zu führen. Starrsinn auf der einen und offene Widerborstigkeit auf der anderen Seite waren die Folge. Big Jim zeigte nicht die geringste Neigung, von sich aus einen Ausweg aus dieser verfahrenen Situation zu suchen. Immer, wenn Stan Drummond vor sich im Gestrüpp die hochgewachsene Gestalt seines Vaters auftauchen sah, kam ihm das alles voll zu Bewusstsein – die Tatsache seiner eigenen Unzulänglichkeit ebenso wie die Resignation, die in letzter Zeit von ihm Besitz ergriffen hatte. Einen Kampf, bei dem man nicht die geringste Siegeschance hatte, sollte man gar nicht erst beginnen. Im Vergleich mit Big Jim würde er niemals gut abschneiden.
Mehr als eine Stunde waren sie bereits unterwegs. In der Ferne zeigten sich über dem Buschland die kahlen Felsschroffen der Baranca, die das steinerne Rückgrat der Rattlesnake Thickets bildeten und der Baranca-Ranch ihren Namen gegeben hatten. Ihre Ausläufer erstreckten sich im Süden bis fast an den Fluss und im Nordwesten bis in die Lipan Sink, die das Kernstück der Baranca-Weide bildete. Von dorther musste Mike O'Bannion, der Segundo, mit der Mannschaft vorrücken, um den Zaunschneidern den Fluchtweg zu verlegen. Dabei hatten die Maverickjäger vermutlich noch gar nicht bemerkt, dass sie in einer Falle saßen.
Vorn gab es plötzlich ein Durcheinander. Man hörte einen warnenden Schrei Calvaros und das Fluchen von Big Jim. Etwas brach prasselnd und knackend durch das Gestrüpp. Das verwirrende Spiel von Licht und Schatten ließ Stan Drummond erst im letzten Moment erkennen, dass es sich um einen großen Ladino-Stier handelte, der sich in die Enge gedrängt fühlte und die Reiter angenommen hatte.
Big Jims Pferd bäumte sich auf und schien den Rancher abwerfen zu wollen. Aber noch während es mit den Vorderhufen schlug, riss es der Rancher herum, wich den Hörnern des Stiers um Haaresbreite aus und ließ seine Bullpeitsche klatschend vorschnellen. Wie eine zustoßende Schlange traf das Leder den Ladino quer über den gesenkten Schädel. Im selben Moment hatte auch Calvaro sein geflecktes Pferd gewendet und griff mit seiner Pica ein. Er trug diese kurze Lanze mit der gabelförmigen Spitze stets im Sattelschuh, sodass er sie mit einem Griff zur Hand hatte.
In spitzem Winkel drängte er von rückwärts seinen Pinto an den Bullen heran, gerade als dieser herumfahren und Big Jim erneut angehen wollte. Der Stich traf den Ladino sofort an der richtigen Stelle im Genick und drückte ihm den Schädel bis fast auf den Boden hinunter. Der Stier strauchelte. Calvaro zog seine Pica zurück und schwenkte blitzschnell ab. Das war der Zeitpunkt, an dem Big Jim wieder eingriff.
Ungeschützt bot ihm der Bulle die Flanke dar und wurde von dem wuchtigen Rammstoß getroffen, als der Rancher seinem geschulten Brasada-Pferd die Sporen einsetzte. Der Anprall warf den Bullen glatt von den Beinen. Zuckend wälzte er sich im Dorngestrüpp. Als er sich wieder aufgerappelt hatte, schien er genug zu haben und brach in wilder Flucht durch die Büsche. Das Knacken und Trappeln schien sich zu vervielfältigen. Schließlich sah man ihn an der Spitze mehrerer Ladino-Kühe über eine holprige Geröllfläche davonstürmen.
Calvaro grinste wie ein Faun, und Big Jim rollte mit geübten Bewegungen die fünfzehn Fuß lange Bullpeitsche ein, die an ihrer Spitze einen metallenen Stachel mit Widerhaken trug. In der Hand eines geübten Mannes wurde diese Peitsche zu einer furchtbaren Waffe.
Er drehte sich gerade in seinem mexikanischen Sattel um, als dünn und fern durch die hitzeflimmernde Luft ein Laut herüberdrang, der sich zweimal wiederholte. Es musste das Knallen einer Treiberpeitsche sein. Sofort wandte sich Big Jim fragend an den Apachen.
Calvaro deutete mit seiner knöchernen, pergamenthäutigen Hand auf eine Gruppe Saguaros, die sich etwa eine Meile entfernt über das Dornengestrüpp erhob.
»Da«, sagte er kehlig. »Sie haben Rinder beisammen und treiben zum Zaun. Fangen wir sie ab, oder greifen wir sie im Rücken an?«
»Wir packen sie von der Flanke«, entschied Big Jim und streifte seine Männer mit einem Blick. »Wir sind ihnen überlegen, also können wir auf Winkelzüge verzichten.«
Big Jim war kein Mann langer Überlegung oder umständlicher Planung. Wenn er sein Ziel einmal ins Auge gefasst hatte, ging er geradewegs darauf zu. Oft war er durch die kompromisslose Direktheit seines Vorgehens in kritische Situationen geraten, doch mit seiner animalischen Kraft und Zähigkeit hatte er noch jeden Strauß bis zum Sieg ausgefochten.
Auch das war ein Punkt, der in Stan Drummond widerstreitende Empfindungen auslöste. Eine einzige Niederlage hätte Big Jim in seinen Augen menschlicher gemacht. Die Erfolge seines Vaters waren schon zur Gewohnheit geworden. Er empfand darüber nicht einmal mehr Stolz, wie er es als Kind mitunter konnte. Damals war ihm nicht zu Bewusstsein gekommen, dass die Erfolge Big Jims den Maßstab setzen, an dem seine eigene Größe später abgelesen würde. Es war nicht leicht, einen so unfehlbaren Vater zu haben.
Als ihm diese Zusammenhänge klar wurden, hatte er revoltiert. Um sich gegen Spott und Geringschätzung zu wappnen, errichtete er eine Mauer aus Verschlossenheit und Stolz zwischen sich und der Umwelt, abweisend und unüberwindlich wie die felsigen Schroffen der Baranca. Um diese Abkapselung nicht sichtbar werden zu lassen, tarnte er sich mit Leichtfertigkeit und Unbekümmertheit. Das zumindest war für ihn zu einem Erfolg geworden. Höchstens Cord Farley hatte sein Manöver durchschaut und geschwiegen. Stan Drummond rechnete ihm das hoch an.
Big Jim trieb sein Pferd bereits vorwärts. Wortlos schwenkten Foggerty und zwei der Baranca-Reiter nach rechts hinüber, während Calvaro und der dritte Mann den anderen Flügel der auseinandergezogenen Kette bildeten. Der Rancher selbst war der Mittelpunkt. Er war es immer. Man hätte ihn sich auf keinem anderen Platz vorstellen können. Es war kein Befehl oder Wink nötig, um die Positionen der anderen zu verteilen.
Nur Stan Drummond blieb von diesem schweigenden Verständnis ausgeschlossen. Jetzt, da es wirklich ernst zu werden drohte, sah er sich unvermittelt als Nachhut, als nutzloser Schleppreiter. Er hätte seiner Rolle treu bleiben und mit einem Achselzucken darüber hinweggehen können. Aber diesmal bäumte sich etwas in ihm auf. Während die anderen vor ihm durch das Dickicht brachen und aus seinem Blickfeld verschwanden, riss er sein Pferd zur Seite und wandte sich dem offenen Geröllfeld zu, über das der Ladino-Stier mit seinem Harem die Flucht ergriffen hatte.
Seine Hartnäckigkeit wurde belohnt, als er hinter dem Kakteenfeld auf eine offene Senke stieß, die mit raschelnder Alfalfa bedeckt war. Er spornte sein Pferd zum Galopp und jagte dem nächsten Dickicht entgegen, das sich am Fuße der Bodenwelle erstreckte. Nun konnte er den Vorsprung der anderen aufholen. Er zog eine lange Staubfahne hinter sich her und entdeckte ein Rinderrudel am Buschrand, das bei seiner Annäherung davonstob und spurlos in den Scrubwoods verschwand.
Die Kandelaber der Saguaros hoben sich gegen den messingfarbenen Himmel ab. Für eine kurze Zeit hatte Stanley Drummond fast vergessen, dass die Brasada um diese Jahreszeit ein einziger Brutofen war. Erst als ihm sein Schweiß beißend in die Augen drang, wurde er wieder daran erinnert.
Er war gezwungen, in diesem Dornengewirr die Augen zu schließen. Schon im nächsten Moment wurde sein Knie von einem harten Stoß so getroffen, dass er am liebsten vor Schmerz aufgeschrien hätte. Um nicht aus dem Sattel gerissen zu werden, warf er sich weit nach vorn auf den Hals seines Pferdes. Ein Zerren an seinem Fuß, ein wilder Ruck, dann war er wieder frei. Der Gaul brach mit ihm durch lichteres Gestrüpp. Eine Lücke öffnete sich vor ihm und gab ihm Gelegenheit, sich wieder im Sattel zurechtzusetzen. Nur sein rechtes Bein machte ihm Sorge. Es schmerzte bis zum Hüftgelenk hinauf, und es gelang Stan nicht, den Fuß in den verlorenen Steigbügel zu schieben.
Er war als Reiter gewandt genug, um auch ohne Jineta zu reiten. Trotzdem war es ein schweres Handicap, als das Bein vom Knie abwärts taub zu werden begann. Man merkte es an der Unsicherheit des Pferdes, das den festen Schenkelschluss vermisste.
Links von Stan Drummond ragten aus dem Dornenverhau Felsklötze hervor. Ein paarmal musste er ausweichen, um kleinere Steinbrocken zu umreiten, die tückisch im Gestrüpp verstreut lagen. Die Bodenwelle mit den Saguaros hatte er bereits umgangen. Als er einen Blick zurückwarf, sah er die bizarren, stacheligen Kandelaber hinter sich. Er konnte jetzt jeden Augenblick auf die Maverickjäger stoßen.
Vor einer Kulisse aus dürren, verkrüppelten Steineichen brachte er sein Pferd zum Stehen und kniff wegen des grellen Lichts die Augen zusammen. Rechts von ihm zog sich ein Arroyo hin, an dessen Rändern staubiger Sage wucherte. Nach der anderen Seite stieg der Dornbusch an, bis die großen Felstrümmer die Sicht versperrten. Zwei graue Schatten schnürten durch das Unterholz, und hinter dem Arroyo erhob sich ein Flug mexikanischer Wachteln, deren Gefieder im Sonnenlicht glänzte. Der Teufel mochte wissen, ob Calvaro mit seiner Voraussage recht behielt. Im Moment sah es nicht so aus, als triebe hier ein halbes Dutzend hartgesottener Burschen ein Rudel Ladinos.
Schon war Stan Drummond geneigt, sich nach rechts zu wenden und dem Grund des Arroyos zu folgen, als er jenseits des Dickichts ein Prasseln und einen warnenden Schrei hörte. Eine Sekunde später erklang die raue Stimme Big Jims. Dann krachten Schüsse, und die Geräusche hinter dem Gestrüpp wurden lauter. Der Kampf hatte begonnen, und er, Stanley Drummond, war noch nicht zur Stelle. Big Jim und seine erfahrenen Brasaderos waren zuerst auf den Gegner gestoßen.
Stan Drummond zog seinen Revolver und jagte an dem Gestrüpp entlang. Noch hatte er keinen Menschen zu Gesicht bekommen, als dicht vor ihm eine abgestorbene Ohrenkaktee von einer Kugel geknickt wurde und ein weiteres Geschoss als Querschläger mit zornigem Brummen an ihm vorbeisummte. Fünf, sechs Wildrinder brachen gleichzeitig aus dem Dornbusch, rasten in panischer Flucht an dem Reiter vorbei und jagten den Arroyo hinab. Stan hatte Mühe, mit einer Hand sein Pferd im Zaum zu halten und in die gewünschte Richtung zu lenken.
Ausgerechnet hier bildeten Dolchdornen, Chollas und Stachelbirnen undurchdringliche Schranken, die ihn zu immer neuen Schwenkungen zwangen. Bei bewölktem Himmel hätte er längst die Orientierung verloren. So aber konnte er sich nach der Sonne richten und drang weiter in die brütende Hitze des Dornbuschs vor.