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Er gehörte zur Texas-Truppe, die am Picacho-Pass aufgerieben wurde. Verwundet, ausgehungert und abgerissen entkam er der Gluthölle der Gila-Wüste und tauchte im brodelnden Hexenkessel von Tucson unter. Da gerät er in die Hände der "Liga", die den Bau der ersten Telegraphenlinie sabotiert. Die Liga steht auch hinter Cinteel, dem Navajo-Medizinmann, dessen Name Furcht und Entsetzen verbreitet. Dies ist die Geschichte von Patrick Young, der zum Renegaten wurde, weil er sich selbst treu blieb.
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Seitenzahl: 150
Veröffentlichungsjahr: 2025
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KEINE CHANCE FÜR PATRICK YOUNG
Vorschau
Impressum
KEINE CHANCEFÜR PATRICK YOUNG
Er gehörte zur Texas-Truppe, die am Picacho-Pass aufgerieben wurde. Verwundet, ausgehungert und abgerissen entkam er der Gluthölle der Gila-Wüste und tauchte im brodelnden Hexenkessel von Tucson unter.
Da gerät er in die Hände der »Liga«, die den Bau der ersten Telegraphenlinie sabotiert. Die Liga steht auch hinter Cinteel, dem Navajo-Medizinmann, dessen Name Furcht und Entsetzen verbreitet.
Dies ist die Geschichte von Patrick Young, der zum Renegaten wurde, weil er sich selbst treu blieb.
Als Patrick Young in die dunkle Calle San Ysidro einbog, kam er sich vor wie ein Narr. Er hatte das Gefühl, in eine Falle zu tappen. Die eng zusammenrückenden Adobemauern mit den tief herabreichenden Dächern aus Hohlziegeln, die finsteren, von Unkraut überwucherten Lücken zwischen den Hütten, die von stinkendem Unkraut übersäte Gasse – das alles machte diese Gegend von Tucson zum idealen Hinterhalt.
Mit aller Energie versuchte Patrick Young sich einzureden, dass es kein Mensch nötig hatte, auf diese Weise einen Rebellen zu erledigen. Seit die Blauröcke im Territorium das Heft so fest in der Hand hielten, wie die Rothäute es zuließen, gab es zu diesem Zweck in Tucson auch offizielle Methoden. Auch wenn ein großer Teil der Bevölkerung insgeheim mit dem Süden sympathisierte, konnte es niemand mehr wagen, sich offen zu dieser Einstellung zu bekennen. Man hatte die Rebellen – soweit man eingeschüchterte Bürger überhaupt als solche bezeichnen konnte – in den Untergrund getrieben.
Patrick Young tastete nach dem zerknitterten Zettel in der Tasche seines zerfetzten Rocks. Es war ein Zivilrock, den er sich auf abenteuerliche Weise beschafft hatte. An die graue Uniform eines texanischen Rebellen erinnerten nur noch die Stiefel und der Dragoner-Colt, den er im Hosenbund trug. Diese Dinge waren im Tucson des Jahres 1862 nicht verräterisch genug, um ihn als ehemaligen Rebellenreiter zu entlarven. Unbequemer war schon die frische rote Narbe, die eine Unionskugel im Haaransatz seiner Schläfe verursacht hatte. Und dann natürlich sein unverkennbar texanischer Zungenschlag.
Es war einfach unvorstellbar, dass nur er und Timothy Snowflake dem Gemetzel am Pass entronnen waren. Barrets Leute mussten mit Blindheit geschlagen gewesen sein, dass sie ihn und achtundzwanzig andere für tot zurückließen. Vierzehn oder fünfzehn Verwundete und Gefangene mussten abtransportiert worden sein.
Nur Timothy Snowflake hatten sie laufen lassen, oder er hatte sich einige Stunden später heimlich davongemacht. Es gelang ihm, weil er ein Schwarzer war. Und weil einer der »unterdrückten Sklaven« in den Augen der Unionssoldaten niemals richtig zu einer konföderierten Truppe gehören konnte. Ihrer Meinung nach hätte sich Timothy Snowflake befreit fühlen müssen. Er aber hatte eine andere Art der Freiheit gewählt und war zum Schauplatz des Gefechts zurückgekehrt. Patrick Young verdankte ihm sein Leben.
Auch jetzt, als er in die dunkle Gasse hineinging, folgte ihm der hünenhafte Schwarze in dreißig Yards Abstand wie ein Schatten.
Weit voraus hob sich gegen den Nachthimmel das Glockentürmchen der Mission von San Ysidro ab. Hinter ihnen blieb der Lärm der Hauptstraße, der Calle Real, zurück. Finsternis hüllte sie ein. Patrick Young zuckte zusammen, als er mit dem Fuß gegen einen rostigen Kanister stieß und eine Katze fauchend davonstob.
Dünn und blechern schlug die Glocke von San Ysidro an. Es war Mitternacht, genau der Zeitpunkt, an dem er sich nach dem Inhalt der geheimnisvollen Nachricht hier einfinden sollte. Fast erschien Patrick Young diese Heimlichtuerei ein wenig lächerlich. Aber in Tucson waren Geheimnisse keineswegs lächerlich, sondern gefährlich.
In der Schwärze der Gasse war kein Mensch zu entdecken. So lautlos, wie seine abgeschnittenen Kavalleriestiefel es zuließen, glitt Patrick Young vorwärts.
Er bemerkte den dunklen Winkel unter dem Vordach erst, als er schon fast vorbeigelaufen war. Ein schwarzer Schatten in der Finsternis, eben noch leblos, bewegte sich plötzlich. Patrick Young stand mit dem Rücken an der Wand und hatte die Hand am Griff seines Colts.
Der Schatten bewegte sich. Ein hohler Laut ließ erkennen, dass er an eine der Kalebassen gestoßen war, die vom Vordach herabhingen. Patrick Young erkannte einen großen Sombrero, wie ihn nur Mexikaner trugen.
»Quien es?«, fragte er flüsternd, aber in scharfem Ton, der keinen Zweifel über seine Abwehrbereitschaft zuließ.
»Gut Freund«, murmelte der Schatten auf Spanisch. »Señor Young?«
»Si«, gab Young einsilbig zurück.
Ein scharrendes Geräusch an der Ecke erregte seinen Argwohn. Sein Kopf fuhr herum. Er entdeckte eine zweite, geschmeidige Gestalt, die geduckt heranglitt. Jetzt hatte er den Revolver in der Hand und spannte den Hahn.
»Por qué me sigue?«, fuhr er den Schatten an, der daraufhin stockte und in kehliger Papago-Mundart ein paar Worte hervorstieß. Es war ein Papago-lndianer, der mit der Linken die Gasse entlangdeutete. Young wurde klar, dass er den Mexikaner auf den nachfolgenden Timothy Snowflake aufmerksam machen wollte. Er senkte die Mündung der Waffe ein wenig.
»Señor«, murmelte der Mexikaner vorwurfsvoll, »hat man Ihnen nicht geschrieben, dass Sie allein kommen sollen?«
»Kein Mann kann seinen Schatten abschütteln«, gab Patrick Young mit bissiger Ironie zurück. »Timothy ist mein Schatten seit meiner Geburt. Er wird mir auch weiter folgen.«
Der Mexikaner blieb eine Weile stumm.
»Ich – ich darf das nicht, Señor Young«, flüsterte er dann stockend.
»Was?«
»Einen zweiten Mann mitbringen.«
»Wirklich?« Patrick Young bemühte sich, einen sarkastischen Ton in seine Stimme zu legen. »Ich fürchte, dann wird dein Freund, der Briefschreiber, vergebens auf mich warten, Amigo.«
Er wandte sich ab. Aber schon beim zweiten Schritt sagte der Mexikaner flehend: »Warten Sie, Señor. Ich werde durch Sie Ärger bekommen ...«
»Das wirst du in Kauf nehmen müssen, hombre«, erwiderte Patrick Young kühl. »Ich habe mich nicht nach diesem Rendezvous mit einem Unbekannten gedrängt.«
Timothy Snowflake war da. Wie ein schweigsamer Riese wuchs er aus der Finsternis hervor. In seinen dunkelhäutigen Pranken hielt er eine abgesägte Greening-Doppelflinte. Nur seine Zähne und das Weiß seiner Augen leuchteten in seinem schwarzen Gesicht.
»All right, Master Pat?«, fragte er mit grollender Bassstimme.
»Alles in Ordnung, Tim«, bestätigte Patrick Young trocken. An den Mexikaner gewandt, setzte er hinzu: »Was ist jetzt? Wollen wir gehen oder umkehren?«
Fast ehrfürchtig starrte der Mexikaner auf die hochgewachsene, breitschultrige Gestalt des Schwarzen.
»Vamos«, murmelte er kleinlaut und ging voraus, während der Papago in der Nacht verschwand.
Der Weg führte durch eine noch engere Nebengasse, über einen Hinterhof und an einem Strohkorral vorbei, in dem ein Esel sein misstönendes und markerschütterndes Geschrei erhob. Schon in der nächsten Gasse hatte Patrick Young den Eindruck, dass sie im Kreis gingen, um ihnen die Orientierung unmöglich zu machen. Diese Absicht scheiterte jedoch an dem Glockentürmchen von San Ysidro, das immer wieder über den niedrigen Adobehütten sichtbar wurde.
Sie überquerten eine belebte, von dem Licht aus den Fenstern erhellte Gasse des Mexikanerviertels, in der es durchdringend nach gebratenem Fisch roch, tauchten wieder ein in die Dunkelheit und gelangten an einen primitiven Schuppen mit einem Strohdach. Hier schienen sie am Ziel zu sein. Sie folgten dem Mexikaner in einen Raum mit gestampftem Lehmboden, der außer einigen Bündeln Stroh und Pferdegeschirren an den Wänden nur noch eine trübe, blakende Öllampe aufwies.
»Wir sind da«, verkündete der Mexikaner. Zum ersten Mal konnte Patrick Young ihn näher betrachten und prägte sich das breitflächige, verschlossene Gesicht des Mannes ein, der eine schmutzige Serape über der Schulter trug. Dann blickte er sich um und fragte:
»Was soll das? Ein Scherz?«
Die Antwort klang hohl. Sie kam überraschend und von einer Seite, von der er sie nicht erwartet hatte:
»Guten Abend, Lieutenant. Ich hoffe, ich habe Sie mit meiner Einladung nicht in Gewissenskonflikte gebracht.«
Die Außenwände des Schuppens waren aus geflochtenem Astwerk errichtet und mit Adobeputz beworfen. Die Rückwand aber – oder das, was Patrick Young dafür gehalten hatte – bestand aus alten, rissigen und verzogenen Eichenbohlen und trennte den hinteren Teil ab. Von dort kam die Stimme. Es brannte kein Licht im Nebenraum, sodass der Mann hinter der Bretterwand so unsichtbar blieb wie unter einer Tarnkappe.
Er selbst aber konnte durch die Spalten und Ritzen zweifellos sehr gut beobachten, was nebenan im Schein der Öllampe vor sich ging. Der Unsichtbare wollte Patrick Young erschrecken. Indem er ihn mit »Lieutenant« anredete, zeigte er, dass er bestens über die Vergangenheit des Mannes unterrichtet war, der sich hier in Tucson Patrick Young nannte.
»Mister«, sagte Patrick Young gepresst, »was soll der Mummenschanz? Wollen Sie damit bei mir Eindruck schinden, oder haben Sie die Absicht, mich zu erpressen? Beides hätte nicht viel Sinn. Ich habe nicht mehr viel zu verlieren als meine Freiheit.«
»Die Ihnen lieb und teuer ist«, setzte der Unbekannte hinzu. »Das nenne ich wacker gesprochen für einen Patrioten. Sie sind doch ein Patriot, nicht wahr, Mr. – Young?«
Obwohl der Mann in nüchternem, beinahe respektvollem Ton sprach, konnte sich Patrick Young des bedrückenden Gefühls nicht erwehren, dass ihm hier in irgendeiner Form Gewalt angetan werden sollte. Besonders die Pause vor dem Namen verstärkte in ihm diese ungute Empfindung.
»Nehmen wir es einmal an«, gab er verschlossen zurück. »Und weiter?«
»Oh, ich bin ganz sicher«, erklang die dumpfe, entstellte Stimme hinter der rissigen Wand. »Und Sie sind nicht allein, junger Freund. Es gibt viele Patrioten hier in Tucson, die fest zur Sache und zu den Idealen unseres alten Südens stehen. Auch ich gehöre zu ihnen.«
»Ach?« Der Spott war gegenwärtig Patrick Youngs einzige Waffe gegen den Unsichtbaren, und er setzte sie bedenkenlos ein. »Und warum verstecken Sie dann Ihr Gesicht, Mister?«
»Aus Vorsicht«, antwortete der andere. »Es ist der oberste Grundsatz der Liga, einen Mann nicht mehr wissen zu lassen, als zur Erfüllung seiner Aufgabe unbedingt erforderlich ist. Auf diese Weise schützt man sich am besten vor Verrat in den eigenen Reihen – und auch vor dem fahrlässigen Ausplaudern von Geheimnissen, deren Wahrung im Interesse unseres gemeinsamen Ziels lebensnotwendig ist. – Habe ich mich klar genug ausgedrückt, Sir?«
»Ich verstehe«, erwiderte Patrick Young tonlos. »Sie reden vom Sieg der Konföderierten.«
Noch während er sprach, versuchte er das Gehörte zu verarbeiten. Das Stichwort war gefallen: die Liga. So bezeichneten sich Anhänger des Südens in jenen Gebieten, die von der Union beherrscht wurden. Die Liga galt als eine Geheimorganisation, als eine starke Gruppe von Verschwörern mit allen möglichen Verbindungen. Hinter jedem Fehler oder jeder Schlappe der Union sah man das Wirken der geheimnisvollen Liga. Man schrieb ihr neben der Spionage für die Konföderierten alle möglichen Sabotageakte zu.
Bei der Truppe hatte Patrick Young solche übertriebenen Geschichten mit einem geringschätzigen Lächeln quittiert. Jetzt hatte er den Beweis, dass die Liga wirklich existierte. Der Unsichtbare hinter der Wand gehörte ihr an, und seine Vorsichtsmaßnahmen waren daher gerechtfertigt.
»Ganz recht«, sagte der Unbekannte. »Und mir war klar, dass ich bei Ihnen einiges voraussetzen durfte. Für die selbstständigen Aktionen der konföderierten Kavallerie in diesem westlichen Territorium hat der alte Hood aus seiner Texas-Brigade natürlich die fähigsten Köpfe herausgesucht, erfahrene Haudegen, die Zähigkeit und Ausdauer mit Fantasie, Entschlusskraft und Intelligenz in sich vereinen. Die Tatsache, dass Sie am Picacho-Pass entkommen sind, beweist, dass Hoods Wahl richtig war.«
Einem anderen Mann wäre diese Lobrede eingegangen wie warme Milch mit Honig. Patrick Young jedoch wurde eher argwöhnisch.
»Sie sind ausgezeichnet unterrichtet, Sir«, bemerkte er trocken.
»Das ist nicht mein Verdienst«, wehrte der andere ab. »Die Liga hat tausend Augen und Ohren, Mr. Young. Sie wären bei uns der richtige Mann am richtigen Platz. Oder glauben Sie ernsthaft, Sie hätten eine Chance, sich von hier allein durch das Apachenland bis ins gute, alte Texas durchzuschlagen?«
»Keine«, sagte Patrick Young gepresst. »Nicht die geringste Chance. Oder höchstens die, schon auf den ersten hundert Meilen den Skalp zu verlieren.«
»Auch Ihr Urteilsvermögen verdient Anerkennung«, entgegnete der Unsichtbare. »Und Sie können mir glauben, hier wird nicht weniger erbittert Krieg geführt als auf den Schlachtfeldern von Virginia. Wir hätten eine Aufgabe für Sie, Mr. Young. Sie haben zwei Wochen lang unter Beobachtung gestanden, ehe wir uns entschlossen, Ihnen eine Nachricht zu senden.«
Im Geiste überflog Patrick Young blitzschnell die Reihe seiner Bekanntschaften in Tucson, um herauszufinden, welcher von ihnen ein Mann der Liga sein könnte. Er kam zu keinem Ergebnis. Zu verwirrend war die Vielzahl der Gesichter in dieser überquellenden Stadt.
Die Pause schien dem Mann hinter der Bohlenwand zu lange zu dauern.
»Interessiert es Sie gar nicht, was für eine Aufgabe Ihnen zugedacht ist, Young?«
Patrick Young verzog die Lippen und wechselte einen Blick mit dem hünenhaften Schwarzen, der gelassen neben dem Eingang des Schuppens verharrte und seine verkürzte Flinte unter den Arm geklemmt hielt.
Er hatte einen krausen, dunklen Wollschädel, ein breites, gutmütiges Gesicht mit einer eingedrückten Nase und einen Nacken und Schultern wie ein Stier. Timothy Snowflake war nicht einmal nach den Begriffen der Schwarzen eine Schönheit, aber man konnte aus diesem Gesicht viele Dinge herauslesen: Verschmitztheit, Klugheit und unbedingte Zuverlässigkeit. Wenn man Patrick Young nach den Charaktereigenschaften seines dunkelhäutigen Schattens gefragt hätte, dann würde er neben der Treue ohne Zögern diese drei genannt haben.
»Was mir zugedacht ist?«, fragte er gedehnt. »Ich nehme an, dass Sie es mir gleich von selbst sagen werden, Sir.«
Hinter der Wand erklang ein leises, dunkles Lachen, dem ein merkwürdiges Wispern folgte. Anscheinend war der Mann dort nicht allein, sondern hatte noch einen Berater bei sich.
»Yeah, da haben Sie recht«, klang es nach einer Weile zurück. Und darauf folgte ohne jeden Übergang die Feststellung: »Sie sind mit Ihrem Kapital ziemlich am Ende, Mr. Young. Selbst wenn Sie noch ein paar gelbe Scheine von den Konföderierten-Dollars besäßen, könnten Sie nichts damit anfangen. Sie würden sich nur verraten. Leider lässt es sich nicht leugnen, dass die Banknoten der Südstaaten immer mehr an Wert verlieren. Haben Sie sich darüber schon einmal Gedanken gemacht?«
»Ich weiß nicht, worauf Sie hinauswollen, Mister.«
Patrick Young stieß es fast feindselig hervor. Die eben aufgestellte Behauptung ließ sich wirklich nicht leugnen. Zwei Jahre dauerte der Bürgerkrieg nun schon. Die tapferen Burschen aus Dixieland waren von Sieg zu Sieg geeilt und hatten den Krieg bis vor die Tore der Bundeshauptstadt der Union, Washington, getragen. Was ihnen dabei an Ausrüstung und Kriegsmaterial fehlte, hatten sie durch Begeisterung ersetzt.
Die Entscheidung aber fiel erst in der letzten Schlacht. Und allmählich machte sich die wirtschaftliche Überlegenheit des Nordens immer stärker bemerkbar. Erst jetzt lief die Produktion richtig an. Unermüdlich spien die Fabriken der Union neue Waffen und Kriegsmaterial aus, während ihre Flotte die Häfen des Südens blockierte und den wichtigen Nachschub abschnitt.
Der Krieg wurde zu einer Frage der Finanzierung. Selbst unter den größten Opfern konnte die Konföderation nicht verhindern, dass ihre Banknoten nur noch bedrucktes Papier waren ohne reale Deckung, während der Yankee-Dollar noch immer hart und stabil war. Die Anspielung darauf brachte Patrick Youngs Blut in Wallung, sodass ihm die feindselige Antwort beinahe gegen seinen Willen entfuhr.
»Nun«, ließ sich der Unsichtbare geduldig vernehmen, »das ist doch nicht so schwer zu begreifen. Das Gold-Territorium von Arizona könnte einen goldenen Strom in die ebenfalls schwindsüchtige Kriegskasse der Union lenken. Dieses Gold würde möglicherweise einen entscheidenden Schlag gegen den Süden bedeuten. Deshalb muss mit allen Mitteln verhindert werden, dass der Norden über die Ausbeute der Goldminen verfügen kann. Da unsere Truppen es nicht verhindern können, muss es ein anderer für sie tun – beispielsweise ein Mann wie Cinteel. der Medizinmann der Navajos.
Der Aufstand seines Stammes richtet sich gegen die Union, also ist er unser Verbündeter. Zurzeit sehen die Yankees den Ausbau des Telegraphen als wichtigste Voraussetzung dafür an, der kritischen Lage im Territorium Herr zu werden und die Navajos zu unterwerfen. Also werden wir uns bemühen, den Bau der Linie so lange wie möglich hinauszuzögern oder gar zum Scheitern zu bringen. – Und nun erklären Sie mir, ob meine Folgerungen zwingend sind.«
Patrick Young stand wie erstarrt. Kein Muskel zuckte in seinem schmalen, sonnenverbrannten Gesicht, in dem Wimpern und Brauen so fahlgebleicht waren, dass der scharfe Kontrast seine Haut dunkel wie Sattelleder erscheinen ließ. Seine Lippen waren zusammengepresst und seine grauen Augen halb hinter den gesenkten Lidern verborgen. Dabei beschäftigten sich seine Gedanken rastlos mit den Dingen, die hier vorgebracht wurden.
Man konnte dem Unsichtbaren nicht absprechen, dass seine Beurteilung mit kühler Logik aufgebaut war, obwohl sich etwas in Patrick Young dagegen sträubte, diese Art der Betrachtung zu seiner eigenen zu machen.
»Es mag sein«, stimmte er widerwillig zu.
»Es ist der richtige Weg!«, betonte sein unsichtbarer Gesprächspartner noch einmal, »und zwar der einzige, den wir zurzeit gehen können. Kein wirklicher Patriot wird sich dieser Einsicht entziehen, Mr. Young.«
Er ließ eine bedeutungsvolle Pause eintreten und fuhr dann fort: »Nach meinen zuverlässigen Informationen sind Sie restlos abgebrannt, mein Freund, und kaum noch in der Lage, Ihr Quartier zu bezahlen. Ihr Verhalten war sehr geschickt. Wenn Sie unbequemen Fragen nicht aus dem Weg gehen konnten, haben Sie behauptet, Sie seien mit Ihrem Neger von Kalifornien herübergekommen. Vorläufig haben Sie noch gezögert, einen Job anzunehmen – wahrscheinlich deshalb, weil Sie sich in Ihrer Rolle noch nicht ganz sicher fühlen und fürchten, dass Ihre wahre Identität aufgedeckt werden könnte. Auf die Dauer jedoch müssen Sie Ihren Lebensunterhalt verdienen. Ich müsste mich sehr in Ihnen täuschen, wenn Sie das nicht schon selbst eingesehen hätten.«
Immer stärker stieg ein geheimer Groll in Patrick Young auf. Es war geradezu unheimlich, wie gut der andere über ihn und seine Schwierigkeiten Bescheid wusste. Er fühlte sich dadurch bloßgestellt.
»Nun gut«, erwiderte er mit belegter Stimme. »Und wie ich Sie inzwischen einschätze, Mister, haben Sie diese Umstände bereits einkalkuliert, nicht wahr?«
Wieder erklang das dunkle Lachen.
»Allerdings! Die Liga kann es sich nicht leisten, irgendwelche Zusammenhänge außer Acht zu lassen. Doch zur Sache: In Ihrem gegenwärtigen Aufzug würden Sie bestenfalls einen Job als Stallhelfer finden. Sie sehen schlimmer aus als ein Satteltramp. Ich würde mich nicht wundern, wenn Sie die Sachen, die Sie da tragen, einer Vogelscheuche ausgezogen hätten.«
Patrick Young blieb stumm. Sogar Timothy Snowflake war besser gekleidet als er. Aber Timothy hatte – mit Ausnahme der Kappe und eines Säbels – niemals eine Uniform getragen und steckte noch in seiner eigenen Kleidung. Youngs Sachen hingegen stammten aus einer Hütte bei einem verlassenen Minenstollen am Rande der Catalina Range.
Der Unsichtbare räusperte sich.
»Dem kann abgeholfen werden«, fuhr er fort. »Hier, nehmen Sie das. Es wird reichen, um Sie mit allem Notwendigen auszustatten. Auch Ihren Militärsäckel sollten Sie besser austauschen. – So nehmen Sie doch schon, Mann!«