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"Jetzt liegt es an Ihnen, Gunn, ob Sie ..." Cliff Cameron brachte den Satz nicht zu Ende. Morton Gunn wirbelte herum und feuerte. Grell stach der Mündungsblitz durch die Dämmerung. Aber Cliff schoss im selben Sekundenbruchteil. Der Revolvermann schrie wild auf, ließ den Colt fallen und taumelte bis an den Felsen zurück. Morton Gunns Gesicht war aschfahl. Er umklammerte mit der Linken seinen rechten Arm. "Sie verdammter Narr!", stieß Cliff gepresst hervor. "Los, reiten Sie! Meine Empfehlung an die Burschen vom Spanish Fork, und sie sollten es sich noch einmal reiflich überlegen ..."
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Seitenzahl: 155
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Inhalt
DER RAUE WEG
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Inhaltsverzeichnis
Inhaltsbeginn
Impressum
»Jetzt liegt es an Ihnen, Gunn, ob Sie ...« Cliff Cameron brachte den Satz nicht zu Ende. Morton Gunn wirbelte herum und feuerte. Grell stach der Mündungsblitz durch die Dämmerung. Aber Cameron schoss im selben Sekundenbruchteil.
Der Revolvermann schrie wild auf, ließ den Colt fallen und taumelte bis an den Felsen zurück. Morton Gunns Gesicht war aschfahl. Er umklammerte mit der Linken seinen rechten Arm.»Sie verdammter Narr!«, stieß Cliff Cameron gepresst hervor. »Los, reiten Sie! Meine Empfehlung an die Burschen vom Spanish Fork, und sie sollten es sich noch einmal reiflich überlegen ...«
Mit einem harten Ruck öffnete Cliff Cameron die Tür der Hütte und trat ein. Die spielenden Männer am Tisch erstarrten. Der Bursche auf der unteren Bunk ließ seinen Katalog fallen und stieß einen Fluch aus. Aber auch er wagte keine weitere Bewegung, als ihn ein harter Blick Cliff Camerons streifte. Sein schlafender Partner gab einen Grunzlaut von sich, wälzte sich herum und riss dann plötzlich die Augen auf.
»Hallo, Cameron«, sagte Ned Morfitt, einer der beiden Revolvermänner, die Jeb Tyler eingestellt hatte. »Das ist ein ziemlich später Besuch.«
»Tut mir leid, wenn Sie um diese Zeit nicht mehr damit gerechnet haben«, erwiderte Cliff Cameron, schob die Hände nach hinten unter seine Buschjacke und lehnte sich so gegen den Pfosten des Windfangs.
»Und mir erst«, murmelte Ned Morfitt. Die Art, wie er den ihm gegenübersitzenden Revolvermann dabei anschaute, war das erste deutliche Anzeichen für Gefahr.
»Sie lassen Ihre Hände besser auf dem Tisch, Fenton«, wandte sich Cliff Cameron an den pausbäckigen, sommersprossigen Revolvermann. »Ich habe eben festgestellt, dass Jeb Tylers Rinder auf der falschen Weide stehen. Jemand muss den Weg verwechselt haben.«
Ned Morfitt richtete sich auf, als ob er der unbequemen Haltung auf dem Schemel überdrüssig sei.
»Nun«, sagte er beschwichtigend, »das wäre ein lausiger Anlass zum Streit, Cameron. Wir haben nicht die Absicht, die Stacheln zu spreizen, falls Sie das meinen sollten.«
»Umso besser.«
Morfitt zwang sich zu einem freundschaftlichen Grinsen, das jedoch recht dünn ausfiel und die Feindseligkeit in seinen Augen nicht verdecken konnte.
»Immerhin lässt sich darüber reden«, sagte er. »Ihr Horseshoe-Leute habt die Terrace Meadows in diesem Jahr gar nicht benutzt.«
»Wir haben schon darüber geredet«, entgegnete Cliff Cameron. »Ich sagte, Tylers Rinder stehen auf der falschen Weide, und damit ist alles gesagt. Treibt sie also weg.«
Mit der Zungenspitze feuchtete Ned Morfitt rasch seine Lippen an. Er hatte die Warnung in Cliff Camerons Tonfall aufgenommen und war darauf bedacht, Zeit zum Überlegen zu gewinnen, als er ein wenig gequetscht antwortete:
»Warum nicht, Cameron. Bestimmt wird Tyler Einsicht zeigen, wenn ich ihm morgen erkläre, dass Sie unseren kleinen Ausflug auf die Terrace Meadows in die falsche Kehle bekommen haben. Oder was hältst du davon, Slade?«
Slade Fenton tippte die Batterie der Dominosteine an, die er vor sich aufgebaut hatte, sodass sie mit leisem Knattern umkippten.
»Ich weiß nicht«, wich er aus. »Mir kam es eher so vor, als ob Jeb Tyler seine eigenen Ideen hätte. Aber natürlich könnte es nicht schaden, wenn Cameron sich mit ihm darüber unterhielte.«
Cliff Cameron veränderte seine Stellung und legte den Kopf etwas weiter zurück, sodass sein Gesicht aus dem Schatten des Hutrands auftauchte.
»Irrtum«, versetzte er spröde. »Ich unterhalte mich nicht mit Jeb Tyler, sondern mit euch. Und ihr treibt auch nicht vielleicht morgen, sondern ganz bestimmt jetzt sofort.«
Die Züge Slade Fentons spannten sich.
»Jetzt?«, fragte er. »In der Nacht? Haben Sie sich da nicht ein bisschen viel vorgenommen, Cameron?«
Nur das heftige Schnaufen eines der beiden Männer auf den Bunks unterbrach die Stille. Cliff Camerons Augen wurden mit einem Schlag so hell und kalt wie Gletschereis.
»Kann sein«, erwiderte er leise. »Aber trotzdem habe ich mich doch deutlich ausgedrückt, oder?«
Die Spannung zerbrach mit dem heiseren Keuchen, das aus Ned Morfitts Kehle kam. Der Revolvermann schnellte auf und warf sich gleichzeitig nach hinten, sodass er genügend Abstand vom Tisch gewann. Er brauchte nur den Bruchteil einer Sekunde, um den Colt aus dem Halfter zu reißen. Doch früher als das Dröhnen der schweren Waffe erklang das schärfere Krachen eines Remington Revolvers.
Die Druckwellen der beiden Explosionen brachten die Rauchschwaden unter der Decke jäh in Bewegung. Nur knapp vor Cliff Camerons Stiefelspitzen schlug eine Kugel in die rohen Holzdielen. Ned Morfitt aber krümmte sich zusammen, ließ den Colt fallen und presste beide Hände gegen den Leib, ungefähr an jene Stelle, wo das Brustbein endete.
So verharrte er für die Dauer einiger Herzschläge, bis er erschlaffte, nach vorn kippte und im Sturz den Schemel umriss.
Cameron hielt beide Waffen tief im Hüftanschlag. Seine Lippen und seine Augen waren schmal geworden, als er die anderen Burschen fixierte. Der Mann auf der oberen Bunk, der sich bereits seiner Hosen entledigt hatte, kauerte in der hintersten Ecke, sodass er sich unter dem Hüttendach ducken musste, und zog die Knie bis an die Brust.
Sein Partner auf dem unteren Lager streckte beide Hände nach vorn, weil ihm oben kein Platz blieb, schielte aber begehrlich nach seinem Gurt, der von dem Bettpfosten am Kopfende herabbaumelte.
Nur Slade Fenton saß noch immer an seinem Platz und rümpfte die Nase vor dem beißenden Geruch verbrannten Pulvers.
»Ich bin kein solcher Narr wie Ned Morfitt, Cameron«, sagte er kaltblütig. »Deshalb lasse ich die Finger von einem Spiel, das ich nicht gewinnen kann.«
»Ein weiser Entschluss.« Cliff Cameron nickte. »Schnallen Sie ab, Fenton. Was an Waffen hier ist, werde ich in Verwahrung nehmen. Eure anderen Sachen könnt ihr zusammenpacken. – Und vergesst Ned Morfitt nicht.«
Mit unbewegter Miene kam Slade Fenton dem Befehl nach und ließ seinen Gurt zu Boden fallen. Cameron glitt durch den Raum, holte die beiden Gewehre aus der Ecke und sammelte auch die Colts ein. Zuletzt nahm er Ned Morfitts Revolver vom Boden auf, warf ihn ebenfalls auf die Decke einer freien Bunk und verknotete das ganze Arsenal zu einem Bündel.
»Fertig«, bemerkte er trocken, als er sich damit zur Tür begab. »Ihr habt genau fünf Minuten.«
Er ging hinaus, umrundete die Hütte und unterzog die Sättel, die unter dem Wetterdach aufgebockt waren, einer kurzen Inspektion. Seine Vorsicht erwies sich als angebracht. In einem der Scabbards steckte noch ein Gewehr. Nachdem er es seiner Sammlung einverleibt hatte, kehrte er zu seinem Appaloosa-Hengst zurück.
Slade Fenton und die beiden Weidereiter kamen schon nach kurzer Zeit zum Vorschein, sattelten die Pferde und schnallten ihre Deckenrollen auf. Dann führten sie Ned Morfitts Pferd zur Tür, legten den Toten über den Sattel und schnürten ihn mit einem Lasso fest. Das alles geschah unter feindseligem Schweigen.
Im Schritt lenkte Cliff Cameron den Appaloosa hinüber.
»Und jetzt die Rinder!«, befahl er. »Es ist hell genug, um sie zusammenzutreiben. Nehmt den Abstieg durch die Indian Gulch, dann können sie nicht ausbrechen und laufen von selbst bergab.«
»Wir brauchen keine Ratschläge über den Umgang mit Longhorns«, knurrte einer der beiden Weidereiter. Er gehörte zu jenem Typ von Satteltramps und Tagedieben, aus denen sich fast die ganze Weidemannschaft Jeb Tylers zusammensetzte.
Als unvermittelt volles Mondlicht die Terrace Meadows überflutete, erkannte Cliff Cameron in den Zügen des Mannes unverhüllten Hass. Im nächsten Moment brach Slade Fenton sein Schweigen:
»An Ihrer Stelle würde ich mich gar nicht erst aufs hohe Ross setzen oder als stolzer Sieger fühlen, Mister. Ned Morfitt hatte seine beste Zeit längst hinter sich. Er war nur noch eine Attrappe. Sie haben sich mit dieser Sache keinen guten Dienst erwiesen, und es wird nicht lange dauern, bis Sie selbst dahinterkommen.«
Er warf einen Blick zum Kamm hinauf und setzte geringschätzig hinzu: »Sie spielen die Rolle des Helden, der allein und furchtlos die Höhle des Löwen betritt, Cameron. Den Jungs hier können Sie damit vielleicht Sand in die Augen streuen, aber ich falle auf einen solchen Bluff nicht herein. Ich halte jede Wette, dass dort oben noch ein halbes Dutzend Cameron-Leute in Deckung liegen und uns im Visier haben.«
»Wenn Sie es wissen – umso besser, Fenton«, gab Cliff Cameron kalt zurück. »Los jetzt, die Rinder warten!«
Die drei Männer setzten sich in Bewegung. Slade Fenton griff nach der Leine von Ned Morfitts Pferd und zog es hinter sich her. Er hatte anscheinend nicht die Absicht, sich an dem Treiben zu beteiligen. Seine Begleiter galoppierten durch die Mulde, scheuchten die verstreuten Rudel von Longhorns auf und drängten sie zum nordöstlichen Rand der Terrace-Meadows, wo ein paar Felsklippen mit sturmzerzausten Föhren den Anfang der Indian Gulch kennzeichneten. Nach etwa einer Viertelstunde hatten sie alle Rinder beisammen und trieben sie in die Schlucht hinein. Dann verschwand auch Slade Fenton zwischen den Felsen.
Wenig später entstand auf dem Kamm hinter der Hütte Bewegung. Curly Huxley lenkte seinen Braunen talwärts und brachte ihn dicht neben dem Appaloosa-Hengst zum Stehen.
»Sie wollten es also nicht anders haben«, stieß er mit belegter Stimme hervor. »Wer war der Kerl?«
»Ned Morfitt«, erwiderte Cameron einsilbig. »Einer von Jeb Tylers neuen Wölfen. Ich fürchte, mein Bruder Dave wird darüber nicht sehr erfreut sein.«
»Und das ist noch sehr schonend ausgedrückt«, versetzte der jüngste Weidereiter der Horseshoe gallig. »Wollen wir wetten, dass ich dir genau sagen kann, welches seine ersten Worte sein werden, wenn er es erfährt?«
Cliff Cameron schüttelte den Kopf. An seinen Mundwinkeln zeigten sich zwei scharfe Falten.
»Nicht nötig, Curly. Ich habe selbst genug Fantasie, um mir das vorzustellen. Deshalb werde ich bis morgen warten, ehe ich es ihm erzähle.«
✰✰✰
Lester Baldwin war Anfang Dreißig, weltgewandt und zungenfertig, wie man es von einem Anwalt erwarten durfte. Da er der einzige Anwalt in Cimarron war, erlaubten ihm seine Einkünfte ein standesgemäßes Auftreten.
Seine Schwester Lorna, die ihm den Haushalt führte, war das hübscheste Mädchen des Divide Basins, und es galt als abgemachte Sache, dass sie und Cliff Cameron eines Tages ein Paar werden würden.
An diesem Morgen waren die Geschwister Baldwin mit dem leichten Zweispänner zur Horseshoe-Ranch unterwegs. Das Gesicht des Anwalts zeigte den Ausdruck ernster Besorgnis, als er die Füchse in den Hof lenkte und vor der langen Veranda des Ranchhauses anhielt. In der Lücke zwischen Stall und Remise erschien David Cameron in seiner löwengelben Cordjacke. Beim Anblick Lorna Baldwins hellte sich seine Miene auf.
»Hallo«, begrüßte er die Besucher, »ihr habt euch aber früh auf den Weg gemacht, Leute!«
Lester Baldwin schlang die Zügel um den Peitschenhalter und nickte David ernst zu.
»So zeitig, wie die Umstände es erforderten, Dave.«
Der Mann in der Cordjacke stutzte. Sein breites Lächeln wurde unsicher. »Was ist los, Lester? Ist die Stadt abgebrannt, oder hat man dich als Kandidaten für die Versammlung des Territoriums aufgestellt?«
Der Anwalt wechselte einen Blick mit seiner Schwester.
»Soll das heißen, dass du noch gar nichts weißt, Dave?«, murmelte Lorna Baldwin mit schmalen Lippen.
Die Unsicherheit David Camerons wuchs.
»Es ist ein bisschen schwer, darauf die passende Antwort zu finden«, erwiderte er zögernd, trat dicht an den Wagen und war dem Mädchen beim Absteigen behilflich. »Angenehm scheint eure Neuigkeit jedenfalls nicht zu sein.«
Auch Lester Baldwin kletterte nun vom Wagen und runzelte die Brauen.
»Wenn du noch keine Ahnung davon hast, dann muss es Cliffs Idee gewesen sein«, stieß er mit einem scharfen Atemzug hervor. »Ist er hier?«
»Cliff? Natürlich, wo sollte er sonst sein? Er war schon mit einer Weidecrew draußen und ist vor einer Viertelstunde zurückgekommen. Jetzt sitzt er wahrscheinlich beim Frühstück.«
»Das passt zu diesem verrückten Teufel, einen Mann zu erschießen und dann kein Wort darüber zu verlieren«, knirschte Lester Baldwin.
David Cameron stockte der Atem.
»Er – er hat in Cimarron einen Mann erschossen?«
»Nein«, versetzte der Anwalt bissig. »Nicht in der Stadt, sondern oben auf den Terrace Meadows. Das behauptete jedenfalls Jeb Tyler, als er heute Morgen bei Ford Garnett Anzeige erstattete. Er hatte gleich drei Zeugen mitgebracht.«
Ein Ächzen kam aus David Camerons Kehle.
»Das muss eine Verleumdung sein!«, keuchte er. »Cliff war in der Stadt und hatte Curly bei sich. Weiß der Teufel, was Jeb Tyler mit diesem Theater bezweckt, aber ...«
»Mach dir doch nicht selbst etwas vor, Dave«, fiel ihm Lester Baldwin ins Wort. »Wenn es sich um einen Trick handelte, dann würde Tyler es geschickter anfangen. Außerdem ist Curly Huxley heute Nacht allein nach Cimarron gekommen. Es muss nach zwei Uhr gewesen sein, denn sogar das ›Alhambra‹ hatte schon geschlossen. Der Junge hat Dick Trimble herausgetrommelt, um ihm ein Bündel Gewehre und Colts zu überreichen – mit einem schönen Gruß von Cliff, und ein paar Burschen von Jeb Tylers Mannschaft würden sich die Waffen irgendwann abholen. Aus einem der Colts war ein Schuss abgefeuert worden. – Glaubst du jetzt immer noch, dass es sich um eine Verleumdung handelt?«
»Die Terrace-Meadows«, knirschte Dave Cameron. »Gestern Vormittag kam Vernon Everett vorbei und erzählte, es sei ein Gerücht im Umlauf, dass Jeb Tyler eine Herde zu den Meadows hinaufgeschickt hätte. Ich sagte ihm, wir gäben nichts auf Gerüchte, aber Cliff meinte sofort, man sollte nachsehen und Tyler auf die Zehen treten, wenn die Nachricht stimme.
Natürlich habe ich ihm den Kopf zurechtgesetzt und ihm klargemacht, dass wir auf keinen Fall wegen irgendwelcher Bagatellen einen Weidekrieg vom Zaun brechen würden. Ich werde nicht in den Fehler verfallen wie Old Clyde und der Horseshoe-Ranch durch übertriebene Härte noch mehr Feinde machen. In dieser Hinsicht ist ihr Ruf ohnehin schon schlecht genug. – Ich werde mir Cliff sofort vornehmen!«
Cliff Cameron saß in einer abgelegenen Nische der großen Wohnhalle mit dem mächtigen Kamin und der schweren Balkendecke und goss aus einer kleinen Kanne voller Genuss honigfarbenen Ahornsirup über seine warmen Biskuits. Er ließ sich in dieser Tätigkeit auch durch seinen Bruder nicht stören, der sich schnaufend und erregt vor ihm aufbaute. Erst beim Anblick der anderen Besucher nickte er gelassen, deutete auf die Bank an der anderen Seite des Tischs und murmelte:
»Kaffee ist noch genug in der Kanne ...«
»Der Teufel soll dich und deinen Kaffee holen!«, fauchte David.
Cliff führte sein Biskuit zum Mund.
»Du weißt es also«, bemerkte er trocken. »Nun, ich wollte erst in Ruhe frühstücken, dann hättest du es auch von mir erfahren.«
Mit einem unbeherrschten Schritt war sein Bruder bei ihm, packte ihn bei der Weste und zerrte ihn von seinem Platz hoch.
»Du hirnverbrannter Narr ...«
Cliff Camerons Haltung straffte sich.
»Sei vorsichtig, Dave«, murmelte er sanft, »dieser Sirup ist so furchtbar klebrig ...«
»Und sonst hast du mir nichts zu sagen?«, keuchte sein Bruder.
»Doch.« Cliffs Stimme hatte merklich an Schärfe zugenommen. »Lass meine Weste los, Mister! Die Zeit, als du mich noch verprügeln konntest, liegt schon lange zurück!«
Davids Miene verkrampfte sich, aber seine Hände öffneten sich, und er trat ein Stück zurück.
»Was hast du dir nur dabei gedacht?«, stöhnte er heiser.
Cliff maß ihn mit einem beinahe mitleidigen Blick, griff nach der Serviette und wischte ein wenig Sirup von seinen Fingern.
»Das kann ich dir ganz genau sagen. Ich wollte Jeb Tyler klarmachen, dass wir immer noch zuschlagen können, auch wenn Burschen wie Orville Prentiss und seine Freunde das Gegenteil annehmen. Die Terrace Meadows wären nur der Anfang gewesen. Es wäre weitergegangen wie bei einem Kuchen, wenn er einmal angeschnitten ist, dann will jeder ein Stück davon haben – Adley Bronson, Terence Younger und auch der ehrenwerte Mr. Orville Prentiss.
Es wäre ein Ausverkauf der Horseshoe-Ranch geworden. Denn all diese Aasgeier hätten sich mit Recht gesagt, dass für uns kein Anlass besteht, in irgendeinem Fall den wilden Mann zu spielen, wenn wir Jeb Tylers Unverschämtheit tatenlos hingenommen haben.
Es gibt ja nur zwei Möglichkeiten – entweder gleich beim ersten Mal kräftig zurückzuschlagen oder alles hinzunehmen. Der weitaus größte Teil der Horseshoe-Weide gehört uns nur nach Squatter-Recht, und wie es darum bestellt ist, das solltest du eigentlich selbst wissen, Bruder.«
»Und das ist für dich Grund genug, einfach zu den Meadows hinaufzureiten und einen Mann umzubringen?«, fragte Lorna Baldwin. »Mein Gott, Cliff, das hätte ich dir niemals zugetraut!«
Cliff Cameron verließ seinen Platz und machte ein paar Schritte auf sie zu. Erst als er ihre feindselige, abweisende Miene bemerkte, stockte er.
Lester Baldwin räusperte sich.
»Cliff! Wenn ein Mann bei Nacht in die Berge reitet, um sich mit einer fremden Mannschaft anzulegen, dann würde ihm doch kein Mensch glauben, dass er aus Notwehr einen Mann erschießt. In den Augen der Leute warst du der Angreifer, ist dir das nicht klar?«
»Natürlich.« Cliff Cameron nickte, ohne mit der Wimper zu zucken. »Genauso war es auch gemeint. Aber Ned Morfitt hat trotzdem seine Chance bekommen und zuerst nach dem Colt gegriffen.«
»Hast du dafür Zeugen?«
»Jetzt redest du wie der schlimmste Winkeladvokat, Lester. Wenn ich richtig verstehe, dann ist es ein Unterschied, ob es Zeugen gibt oder ob ich Zeugen habe, nicht wahr?«
»Du hast richtig verstanden«, entgegnete Lester Baldwin gepresst. »Oder glaubst du im Ernst, dass Slade Fenton oder die beiden Tyler-Cowboys dich entlasten würden?«
Cliff zuckte mit den Achseln.
»Es wird wegen dieser Sache keine Gerichtsverhandlung geben. Jeb Tyler weiß nur zu gut, dass seine Burschen mit der Herde nichts auf den Terrace Meadows zu suchen hatten.«
»Bist du dir da ganz sicher?«, schnaubte David Cameron. »Tyler hat bereits heute Morgen bei Ford Garnett Anzeige erstattet.«
»Schade um das Papier«, versetzte sein Bruder kühl. »Ford Garnett ist nur ein Town Marshal. Seine Amtsbefugnisse enden an den Stadtgrenzen von Cimarron. Ihn geht diese Geschichte gar nichts an. Jeb Tyler hätte sich also die Mühe sparen können.«
Lester Baldwin schüttelte vorwurfsvoll den Kopf.
»Und du meinst, damit wäre alles abgetan? Letzten Endes wird die Horseshoe-Ranch die Suppe auszulöffeln haben, die du ihr mit deiner unüberlegten Hitzköpfigkeit eingebrockt hast. Tylers Anzeige bei Ford Garnett ist nur ein erster Schritt.«
»Wie meinst du das?«, mischte sich David Cameron ein.
Cliff wandte sich ihm zu.
»Er will sagen, dass sich Jeb Tyler mit der Anzeige nur Rückendeckung oder eine Art Alibi zu verschaffen sucht.«
»Ein Alibi?« David zerrte an seinem Hemdkragen. »Wofür?«
»Für das, was dann folgen wird«, sagte Lorna Baldwin. »Oder glaubst du, für Tyler und seine Bundesgenossen wäre es mit dem Tod Ned Morfitts getan? Jetzt haben sie endlich den Anlass zu einer Fehde, nach dem sie schon seit Monaten gesucht haben.
Du warst vernünftig genug, ihren Fallstricken aus dem Weg zu gehen, Dave – beim Round-up im letzten Frühjahr, bei der Prügelei eurer Leute am Unabhängigkeitstag und auch bei dieser zweifelhaften Maverick-Geschichte auf den Coyote Flats. Cliff blieb es vorbehalten, seinen Zigarettenstummel in das Pulverfass zu werfen.«