H. C. Hollister 146 - H.C. Hollister - E-Book

H. C. Hollister 146 E-Book

H. C. Hollister

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Beschreibung

Drei Jahre lang hatten sie gewartet. Der Hass war gewachsen, der Durst nach Rache kaum zu ertragen. Aber jetzt war es so weit: Wayne, Mark und Helen Frobisher warteten auf den ersten Banditen. Er gehörte zu den Kerlen, die Helen damals schwer gedemütigt hatten. Er hatte die Frobishers nicht gekannt - und kannte sie immer noch nicht, sonst wäre er nicht so arglos durch die Gegend geritten. Der Bandit starb - wie auch alle anderen, die mit der Sache zu tun gehabt hatten, sterben würden. Denn wenn die Frobishers einmal hassten, kannten sie keine Gnade ...

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Seitenzahl: 149

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhalt

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RED SUNDOWN

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Impressum

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Inhaltsverzeichnis

Inhaltsbeginn

Impressum

RED SUNDOWN

Drei Jahre lang hatten sie gewartet. Der Hass war gewachsen, der Durst nach Ra‍che kaum zu ertragen. Aber jetzt war es so weit: Wayne, Mark und Helen Frobisher warteten auf den ersten Banditen. Er gehörte zu den Kerlen, die Helen damals schwer gedemütigt hatten. Er hatte die Frobishers nicht gekannt – und kannte sie immer noch nicht, sonst wäre er nicht so arglos durch die Gegend geritten. Der Bandit starb – wie auch alle anderen, die mit der Sache zu tun gehabt hatten, sterben würden. Denn wenn die Frobishers einmal hassten, kannten sie keine Gnade ...

Träge und seicht floss der Sundown River hinter der Waldecke hervor und machte einen weiten Bogen um die Hügel mit ihren geheimnisvollen Schluchten, den smaragdgrünen Eichenregionen und dunklen Fichtenkämmen.

Frobishers Bend wurde diese meilenweite Schleife genannt, und was sie umschloss, war Frobisher-Land. Von den sanften Kuppen der Vorhügel bis hinauf an den Dead Man's Brook erstreckten sich die Äcker, die wogenden Maisfelder und die Weiden für die Maultierzucht. Darüber spannte sich ein blasser Himmel, der noch nichts von der wilden Farbenpracht des bevorstehenden Altweibersommers ahnen ließ.

Wayne Frobisher saß auf seinem Rotschimmel und stemmte die Hände auf das Sattelhorn. Er wirkte verschlossen und in sich gekehrt, im Laufe der letzten halben Stunde hatte er kein Wort mehr gesprochen. Aber in seinen rauchgrauen Frobisher-Augen stand dieselbe unerschütterliche Entschlossenheit wie in dem kantigen Gesicht seines Bruders Mark.

Drei Jahre waren eine lange Zeit, um darüber nachzudenken, was getan werden musste – zu lange vielleicht für das hitzige Frobisher-Temperament. Die Zeit war reif. Nun gab es keinen Aufschub mehr. Nicht für diesen einen Mann und nicht für die anderen.

Wenn Morton in wenigen Tagen zurückkehrte, dann sollte er merken, dass seine Brüder nicht vergessen oder sich dem scheinbar unabwendbaren Geschick gebeugt hatten. Kein Frobisher hatte es je gelernt, den Nacken zu beugen, und kein Kampf war zu Ende, solange noch ein Frobisher seine Waffe abfeuern konnte.

Sie warteten mit der unerschöpflichen Geduld von Männern, deren Entscheidung unwiderruflich war. Die Sonne schien auf den Weg, der dem Fluss folgte und dann von der Furt den Uferhang heraufführte.

Noch schimmerte die Wasserfläche ölig und messinggelb. Ein paar Stunden noch, dann würde sie im Schein des Sonnenuntergangs rot aufglühen. Aber dann würde Gus Abendrodt nicht mehr am Leben sein. Er war der erste, der die Rechnung bezahlen musste. Später, wenn erst Morton wieder auf der Farm war, kamen auch die anderen an die Reihe: Pat McCormick, Rory Shannon, William – oder Wilhelm, wie er wohl richtig hieß – Adams, Al Ringgold und schließlich auch der verschlagenste Schuft von allen, Yancey Wallace und sein heuchlerischer Sprössling Charlie.

Letztere zählten im weitesten Sinne zur Frobisher-Sippe. Aber gerade das machte ihr Verbrechen noch unverzeihlicher. Eine Fehde innerhalb der Familie, auch wenn sie schon zwei Jahrzehnte andauerte, wäre beizulegen gewesen.

Noch vor wenigen Jahren hätte es dazu nichts weiter bedurft, als dass Yancey Wallace seine Schuld eingestanden und die Grenzen des Frobisher-Lands anerkannt hätte. Nun aber war es dafür zu spät. Er hatte sich mit diesem hergelaufenen Gesindel verbündet, mit sturen irländischen Yankeefreunden und teutonischen Krautköpfen, die am Sundown River nichts zu suchen hatten.

Old Wilbur Frobisher hatte seine Söhne – und seine Tochter – gelehrt, sich als die wahren Amerikaner zu fühlen. Was Yancey Wallace begangen hatte, war allerschlimmster Verrat: Er hatte sich die Hilfe dieser »ausländischen Yankee-Schweinehunde« gesichert, wie Mark Frobisher es schlicht auszudrücken pflegte.

Mark war der verbissenste unter den Frobishers. Nach seiner Ansicht, die in den Freischärlerkämpfen des Bürgerkriegs geprägt worden war, gab es kein Problem, das nicht mit einer Kugel aus einem seiner 44er Navy-Revolver zu lösen gewesen wäre. Er dachte nicht über Colt-Schussweite hinaus.

Vetter John Shelby – Doc John – hatte dazu einmal geäußert, er müsse über ein beneidenswertes Innenleben verfügen, ungefähr so gehaltvoll wie das eines Bullterriers. Jeder andere Mann hätte für diese Worte mancherlei unangenehme Konsequenzen erwarten müssen, aber Doc John konnte sich bei den Frobishers seit jeher etwas mehr herausnehmen.

Er war immerhin Feldscher der Südstaaten-Armee gewesen, bis ihn ein Schuss ins Knie zum Invaliden machte. Seitdem wurde er auf der Frobisher-Farm mit dem mitleidigen Wohlwollen behandelt, das man einem armen, verkrüppelten Verwandten entgegenbrachte. Doc John nahm das gelassen und mit sarkastischem Humor. Er hatte sich schon frühzeitig daran gewöhnen müssen, sein Leben in Abhängigkeit von den Frobishers zu führen!

Old Wilbur Frobisher hatte ihn aus der armseligen Shelby-Hütte herausgeholt und sein medizinisches Studium bezahlt, um neben Onkel Abe Tescott noch einen von diesen verdammten Eierköpfen in der Familie zu haben, wie er dazu bissig bemerkte. Seitdem war fast in Vergessenheit geraten, dass Doc John eigentlich Shelby hieß. Er galt einfach als der »Frobisher-Doc«, wie so viele Menschen und Dinge am Sundown River, die unsichtbar das Brandzeichen der Frobishers trugen.

Mark hatte also den Spott von Doc John gutmütig hingenommen. Man konnte es nur schwer glauben, wenn man sein kantiges, von schwelendem Hass erfülltes Gesicht sah, doch die Gutmütigkeit gehörte zu Mark Frobishers hervorstechendsten Charaktereigenschaften. Aber auch in diesem Punkt traf Doc Johns Vergleich mit einem Bullterrier zu.

Wenn Mark einmal bis aufs Blut gereizt wurde oder eine Abneigung gefasst hatte, dann kannte er kein Vergeben und Vergessen.

Sein linker Mundwinkel zuckte, als er sich im Sattel zurechtsetzte, spielerisch einen seiner Revolver überprüfte und sich seinem hageren Bruder Wayne zuwandte.

»Also abgemacht«, sagte er in gedehntem, singendem Tonfall, »du bist der Ältere, deshalb überlasse ich dir den ersten Schuss. Aber beeile dich damit. Er soll es wenigstens noch spüren, wenn er es von mir bekommt. Ich halte nichts davon, auf einen Leichnam zu schießen.«

Ein Schatten flog über Waynes schmales Gesicht. Er nickte mit ernster Verschlossenheit, gleichsam in einer Vorahnung der kommenden Ereignisse. Aber dann wurde er plötzlich unruhig, schaute zunächst über die Schulter und zog im nächsten Moment seinen großen Rotschimmel herum.

»Was macht sie nun wieder?«, stieß er hervor.

Mark schob seinen Revolver ins Halfter, ordnete die Zügel und spuckte auf den Weg.

»Wenn du mich fragst, ich kann sie verstehen«, sagte er rau. »Ich habe in diesen Jahren nicht aufgehört, mich zu wundern, dass sie es überhaupt ertragen konnte. An ihrer Stelle – auch wenn ich eine Frau gewesen wäre – hätte ich eine Schrotflinte genommen und auf diese Bastarde Jagd gemacht, bis ich sie alle in Geierfraß verwandelt hätte. Du solltest Helen nichts in den Weg legen, Wayne.«

Auf ihrer Fuchsstute kam Helen Frobisher unter den Bäumen hervor und ritt im Trab auf ihre Brüder zu. Eine Strähne des dunklen, lockigen Haars hing ihr schmeichelnd im Gesicht. Von allen Kindern Loraine Frobishers glich sie am stärksten ihrer unglückseligen Mutter. Ihre Haut war hell und durchscheinend wie edles Porzellan, und in den Tiefen ihrer schwarzen Augen schlummerte die Lebhaftigkeit des gallischen Temperaments der Blanchard-Familie, das ungeachtet äußerer Ähnlichkeit von dem hitzigen Charakter der Frobishers grundverschieden war.

Trotzdem fühlte sich Helen voll und ganz als eine Frobisher, ebenso wie ihr jüngster Bruder, Little Ben, der den gleichen lebhaften Typ verkörperte. Aber Little Ben war tot, eingescharrt irgendwo in den Ozarks neben seinen Vettern Ward Shelby und Clay Benteen.

Was Helen und ihre beiden Brüder hier erfüllten, war zugleich auch das Vermächtnis Little Bens. Die Zahnräder des Schicksals griffen ineinander und setzten unerbittlich den großen Mahlstein in Bewegung. Little Ben und die anderen waren von Yankee-Blauröcken zu Tode gehetzt worden. Und Gus Abendrodt, der Krautkopf, auf den sie hier warteten, war ein Yankee-Freund. Daneben aber war er auch einer der Hurensöhne, denen Helen Frobisher jenes furchtbare Erlebnis verdankte.

Das Bewusstsein dieser Erniedrigung hatte den Schmelz der Jugend von ihren Zügen verbannt und in eine seelenlose Starre verwandelt. Wenn in ihren Augen überhaupt noch etwas lebte, dann war es Hass – schwelender, gnadenloser Frobisher-Hass.

»Ich will dabei sein«, sagte sie tonlos, als sie ihre Stute zügelte, »nicht nur aus der Ferne zuschauen. Er soll mein Bild vor Augen haben, wenn es ihn trifft; damit er ganz genau weiß, warum es geschieht. Kannst du das nicht verstehen, Bruder?«

Wayne Frobisher sah, wie sich ihre Lippen unmerklich verzerrten und senkte den Kopf. Es geschah selten, dass etwas von der unerträglichen Spannung sichtbar wurde, die Helen seit damals erfüllte. Die prickelnde Erwartung ließ ihre kalte Selbstbeherrschung zerbröckeln.

Wayne Frobisher hatte die bedrückende Vision, einen Blick in das nackte, unverhüllte Seelenleben seiner Schwester zu tun. Dann spürte er jäh das Mitleid mit einer Frau, die um die schönsten Jahre ihrer Jugend betrogen worden war.

»Du kannst bleiben, Helen«, murmelte er spröde. »Aber bleib im Hintergrund und ein Stück seitlich von uns, damit wir dich nicht verdecken«, setzte er nach einer winzigen Pause hinzu.

Helens Lippen erstarrten in einem freudlosen Lächeln, das ihre Augen nicht erreichte.

»Du warst noch nie ein guter Lügner, Wayne«, erwiderte sie leise. »Dir geht es doch nur darum, dass ich nicht von einer Kugel dieses verdammten Halunken getroffen werde. Ich habe keine Angst vor dem Tod, Bruder. Damals wäre mir ein solches Ende sogar viel lieber gewesen. Aber keiner von diesen Bastarden war gnädig genug, mich umzubringen. Da wollte ich es selbst tun. Ich wäre in eine der brennenden Sklavenhütten gerannt, wenn Cicero mich nicht überwältigt und zurückgehalten hätte. Doch das alles wisst ihr ja längst.«

»Yeah«, bestätigte Mark. Seine grauen Augen waren so stumpf und ausdruckslos wie Geschossblei. »Wir werden es nicht vergessen, auch wenn wir es nicht selbst miterlebt haben, Schwester.«

»Danke«, erwiderte Helen und nestelte an den Knöpfen ihres Hickory-Hemds, das einmal Little Ben gehört hatte. Als sie den Blick wieder hob, war ihr kleines Lächeln wie fortgewischt.

»Lange wird er sicher nicht mehr auf sich warten lassen.«

Wieder versanken sie in Schweigen und in Erinnerungen, die wie ein ätzendes Gift ihre Seele zerfraßen. Die Düsternis der Vergangenheit war so stark, dass sie dafür bedenkenlos den Lichtschimmer einer besseren Zukunft aufs Spiel setzten. Die Rechnung war noch offen. Mit dem Begleichen hatten sie gewartet, bis Morton aus dem Staatsgefängnis entlassen wurde.

Wenn er in wenigen Tagen heimkam, sollte er wissen, dass sie dort weitergemacht hatten, wo er drei Jahre zuvor hatte aufhören müssen. Noch nie war ein Frobisher jemandem etwas schuldig geblieben.

Minuten dehnten sich zu Ewigkeiten. Vom Waldrand her leuchteten hier und da weiße Flecken herüber; einige Dogwood-Büsche hatten in diesem goldenen Spätsommer zaghaft die zweite Blüte angesetzt, wie es nur sehr selten geschah. Zum letzten Mal war das vor einigen Jahren der Fall gewesen, als sie Old Wilbur, von Yankee-Kugeln zerfetzt, nach Frobishers Bend zurückbrachten. Auch daran war er mitschuldig – Gus Abendrodt, dieser verhasste Krautkopf und Kartoffelfresser. Wann würde er kommen?

Der rasche, gewandte Griff, mit dem Wayne seinen Karabiner aus dem Sattelschuh zog und in die Armbeuge legte, war das Signal.

»Kommt!«, sagte er ohne jedes Zeichen von Erregung und lenkte seinen großen Rotschimmel hinter das Gebüsch.

Weit entfernt und winzig klein war auf dem Weg am anderen Ufer ein Reiter zu erkennen, der im warmen Licht des Nachmittags gemächlich flussaufwärts geritten kam und die Milde der Jahreszeit in vollen Zügen zu genießen schien.

Die gedrungene Gestalt und die dunkle, speckig glänzende Serge-Jacke ließen keinen Zweifel. Sie brauchten nur noch wenige Minuten auszuharren, dann konnten sie das Werk der Vergeltung beginnen.

Mark gab ein anhaltendes Räuspern von sich, tastete noch einmal mechanisch nach den Kolben seiner beiden Navy-Revolver und strich mit einer fahrigen Bewegung seine Weste glatt, als er seinem Bruder einen Blick zuwarf.

Waynes Gesicht war ernst und unbewegt, seine Augen halb geschlossen. Mit langgeschnallten Bügeln hockte er zusammengesunken im Sattel des Rotschimmels, umschloss mit der knochigen, langgliedrigen Rechten den Kolbenhals seines Karabiners und hielt den Lauf fast liebevoll in der linken Armbeuge. Er wirkte leidenschaftslos und kühl, und doch konnte man sicher sein, dass in seinem Innern ein Vulkan brodelte.

Gus Abendrodt war Deutsch-Amerikaner, einer von jenen zappelfüßigen Burschen, die es aus dem geschlossenen Siedlungsgebiet seiner Landsleute bei St. Louis fortgetrieben und in das Hügelland des Sundown River verschlagen hatte.

Der Reiter kam nur langsam näher. Einmal schoss ein funkelnder Blitz über den Fluss, als das Zaumzeug seines Kastanienbraunen die Sonnenstrahlen reflektierte. Man sah, dass Gus Abendrodt den Hut weit zurückgeschoben hatte. Schon auf eine Viertelmeile glaubte Helen zu erkennen, dass der Mann schwitzte.

Plötzlich glaubte sie wie damals die Ausdünstungen eines gedrungenen Körpers wahrzunehmen, den Dunst von schalem Bier und Kautabak und den muffigen Geruch seit Monaten nicht gewechselter Kleider.

Die Erregung überfiel sie wie eine heiße Woge. Sie spürte das heftige Pochen ihres Herzens in den Pulsadern ihres Halses. Sie musste sich mit Gewalt zusammennehmen, um nicht laut zu schreien. Schmerzhaft grub sie die Zähne in die Unterlippe.

Gus Abendrodt war an der Furt angelangt und gab dem Kastanienbraunen die Zügel frei, sodass er saufen konnte, während er sich mit den Vorderhufen zaghaft ins Wasser tastete. Hier am Übergang war der Sundown River mehr als dreißig Yards breit, aber dafür ziemlich seicht. Nach einer längeren Trockenperiode war seine Strömung kaum zu spüren.

Am Nordende von Frobishers Bend, wo er von steilen Ufern eingeengt wurde, wo die Sklaven der Pflanzung mitunter zu fischen pflegten, und wo Old Wilburs Söhne ihre überschäumende Lebenskraft in den Fluten austobten, war das anders. Dort schien es sich um einen ganz anderen Fluss zu handeln. Das Wasser war frischer und klarer, die Strömung eine lebendige Kraft, die es im Kampf zu überwinden galt.

Zwischen den beiden Brüdern bedurfte es keines Blickes und keiner Verständigung mehr. Wayne trieb seinen Rotschimmel als erster hinter der Buschkulisse hervor. Mark folgte ihm mit einer Länge Abstand.

Gus Abendrodt bemerkte sie erst, als der Rotschimmel bereits ins Wasser trabte. Im ersten Schock hafteten seine geweiteten Augen an Waynes neuem, messingbeschlagenen Winchester-Karabiner. Noch als er mitten in der Furt anhielt, war seine Miene ein Spiegel widerstreitender Empfindungen. Aber gleich darauf gewann er seine Beherrschung zurück, zwang sich zu einem verkrampften, kalkigen Grinsen und sagte mit gequetschter Stimme:

»Ein Verkehr ist das heute am Fluss.«

Der gezwungene Scherz verhallte ohne ein Echo. Nun ritt auch Helen Frobisher an, zog hart am Zügel, um ihre nervöse Stute zur Ruhe und zum Gehorsam zu zwingen. Überdeutlich sah sie das typische rote Gesicht des Deutschen, seine etwas vorquellenden Augen, die Spur des Hutrands und die Schweißperlen auf seiner Stirn. Im selben Moment wurde auch sie von Gus Abendrodt entdeckt. Das jähe Begreifen verzerrte seine Züge.

»Yeah«, erwiderte Mark Frobisher heiser, »so ist das, Krautkopf.«

Es war die Gnadenlosigkeit dieser Stimme, die Gus Abendrodt zur Besinnung brachte. In hektischer Hast riss er seine speckige Serge-Jacke zur Seite und zerrte den schäbigen, rostnarbigen Dragoner-Colt aus dem Halfter, den er am Gürtel schräg vor dem Leib trug.

Keiner der Frobishers hatte sich bis dahin gerührt. Gus Abendrodts flackernder Blick war zwischen beiden Brüdern hindurch auf das Mädchen gerichtet, alles verlief auf geradezu gespenstische Weise nach Helens Wunsch.

»Rebellen-Flittchen!«, kreischte der Mann mit überschnappender Stimme. Und erst darauf: »Kanaillen! Sklaventreiber!«

»Bastard«, entgegnete Wayne Frobisher ganz ruhig. Der Dragoner-Colt des Deutschen schwang plötzlich nach vorn. Erst in diesem Moment ließ Wayne den Lauf seines Karabiners aus der Armbeuge rutschen. In Helens Vorstellung spielte sich dies alles mit der qualvollen Langsamkeit eines Alptraums ab.

Sie war versucht, die Augen zu schließen, aber Frobisher-Hass war stärker als jede Schwächeanwandlung. Sie durfte sich keine Einzelheit dieser Szene entgehen lassen, wenn nicht tausend Nächte der Verzweiflung und die Jahre selbstquälerischer Grübeleien vergebens gewesen sein sollten. So sah sie es, halb erstickt von Hass und der qualvollen Genugtuung dieses Augenblicks.

Noch war die Mündung des Colts nicht zum Stillstand gekommen, als sich peitschend der Schuss des Winchester-Karabiners löste. An Gus Abendrodts schmuddeligem Hemd, dicht unter dem Halsansatz, stäubte es auf. Nur Bruchteile von Sekunden lagen zwischen dem Karabinerschuss und dem harten Schmettern von Mark Frobishers Navy-Revolvern.

Der Colt des Mannes klatschte ins Wasser. Sein Hut trieb bereits in der trägen Strömung davon. Man sah Gus Abendrodts schütteres, verklebtes Haar und darunter die gelbfleckige Kopfhaut, als er nach vorn sank und kopfüber aus dem Sattel stürzte, weil sich sein Kastanienbrauner erschreckt aufbäumte.

Das Tier stürmte davon und peitschte mit den Hufen das Wasser. Lehmige Strudel blieben zurück, wo Gus Abendrodt versunken war.

✰✰✰

Es gab auf der ganzen Frobisher-Pflanzung keinen einzigen Hengst, nur Stuten und eine Reihe von Wallachen. Wenn es Zeit war, sich um den Nachwuchs an Pferden zu kümmern, wurden die Stuten für eine gewisse Zeit über die Hügel getrieben.

Vor dem Krieg hatte Yancey Wallace zwei Hengste besessen, die für diese Aufgabe zuständig waren und ihm eine bescheidene Deckprämie einbrachten. Später, als es zwischen den Frobishers und den Wallaces zu einer offenen Feindschaft kam, war es damit natürlich aus gewesen.

Old Wilbur hatte dem alten Eigenbrötler Lyndon Shelby finanziell unter die Arme gegriffen und ihn zum Erwerb eines erstklassigen Rotschimmel-Zuchthengstes veranlasst, der damals ein Vermögen gekostet haben dürfte.

Lyndon Shelby hieß in der ganzen weitverzweigten Sippe nur »der Alte aus dem Wald«. Seine Farm lag einsam und abgeschnitten im bewaldeten Teil der Hügel, wo er eine entsprechende Fläche gerodet hatte. Er bewirtschaftete sie mit Hilfe einer kleinen Osagen-Familie, die er als eifernder Laienprediger zu den Grundsätzen christlichen Lebenswandels bekehrt hatte, als ihr Stamm 1830 teils durch Verträge, teils durch Waffengewalt aus den Hügeln von Missouri vertrieben und in weiter westlich gelegene Reservate gepfercht worden war. Er baute Mais, Weizen, Yams, verschiedene Gemüse und Tabak an, zumeist nur für den Eigenbedarf, und dazu war er Köhler.

Wenn in der klaren Luft über den Wood Hills eine dünne Rauchsäule stand, die schon nach kurzer Zeit wieder verschwunden war, dann wussten die Frobisher-Kinder, dass der Alte aus dem Wald wieder einen Meiler abgedichtet hatte und nun wochenlang sorgfältig den Schwelbrand überwachte, der seine Scheite in gute Holzkohle verwandelte.

Nach einiger Zeit fuhren dann Zachary und Jerome oder auch andere Negersklaven mit den Maultierwagen los, um Holzkohle auf die Frobisher-Pflanzung zu holen, wo sie wegen ihrer gleichmäßigen und anhaltenden Hitze unter dem großen Kessel in der Destillerie gebraucht wurde.