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Eine Handvoll Männer und eine Frau reiten in die Hölle, um ein paar Satteltaschen zu holen, die amerikanische Dollars und Goldpesos im Wert von einer Million Dollar enthalten. Doch jenseits des Rio Grande tobt ein blutiger Bürgerkrieg zwischen den letzten kaiserlichen Truppen und den Republikanern des Präsidenten Juárez. Die Berge der Nordprovinz Chihuahua werden von Pablo Lazaro Uvalde und seinen Grenzdesperados beherrscht. Wheelock, Jim Kane und Chantal de Turenne reiten mitten hinein in ein gefährliches Abenteuer, bei dem nur einer triumphiert: der Tod!
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Seitenzahl: 158
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Inhalt
SEIN LETZTER FIGHT
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Impressum
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Inhaltsverzeichnis
Inhaltsbeginn
Impressum
Querétaro, die letzte Bastion der kaisertreuen Armee von Mexiko, ist durch Verrat in die Hände des republikanischen Generals Escobedo gefallen. Nur drei Menschen gelingt die Flucht aus der brennenden Stadt, in deren Straßen ein verzweifelter Kampf tobt:
Da ist Clay Wheelock, der texanische Revolvermann, der eiskalt seine Freunde opfert, um mit den Satteltaschen, in denen eine Million Dollar sind, zu entkommen. Da ist Chantal de Turenne, die berechnende, schöne und leidenschaftliche Französin, die Wheelock als Unterhändlerin der Kaiserarmee nach Mexiko holte und die nur ein Ziel kennt: die Satteltaschen für sich zu erkämpfen. Und da ist Jim Kane, Wheelocks erbittertster Gegner. Zweimal sollte er nach Wheelocks Willen sterben. Jetzt heftet er sich wie ein Schatten an die Spur des verhassten Feindes. Er weiß, dass es für Wheelock nur einen Weg gibt, zu entkommen. Wenn es ihm gelingt, Wheelock einzuholen, wird der Texaner sich zum Kampf stellen. Und für einen von ihnen wird es der letzte Fight werden.
Während seines langen Ritts hatte Jim Kane noch immer jene furchtbaren Szenen vor Augen, die sich in der eroberten Stadt abgespielt hatten. Er hatte die Gewissheit, Zeuge eines Geschehens geworden zu sein, dessen sich schon bald die Legende bemächtigen würde.
Die unerschütterliche Tapferkeit Kaiser Maximilians hatte ihn zutiefst beeindruckt. Wenngleich er die politischen Pläne des Habsburgers als überzeugter Demokrat niemals hatte billigen können, galt dem mutigen Verlierer und seinen letzten Getreuen sein ganzer Respekt.
Querétaro war gefallen. Der Traum von einem habsburgischen Kaiserreich war zu Ende. Benito Juárez, der republikanische Präsident, war Sieger geblieben, und schon jetzt ließ sich voraussehen, dass er an den unterlegenen Gegnern furchtbare Vergeltung üben würde.
Für immer würde ihm und seinen republikanischen Generälen der Makel anhaften, Querétaro nicht in offener Schlacht, sondern durch den schnöden Verrat eines skrupellosen Mannes erobert zu haben. Im Gegensatz zu Leuten wie Miramón und Mejia, die in unverbrüchlicher Treue zu Maximilian standen, hatte Coronel Lopez vermutlich früh genug Kontakt zum Gegner aufgenommen. Ausgerechnet er, dem der Kaiser noch kurz zuvor die Tapferkeitsmedaille an die Brust geheftet hatte, war dann zu den Juaristas übergelaufen und hatte ihnen erst durch seinen Verrat das Eindringen in die zäh verteidigte Festung ermöglicht.
Aus seiner inzwischen recht weitgehenden Kenntnis vom Charakter und den Methoden der Rebellen kamen Jim Kane gelinde Zweifel, ob Coronel Lopez, der Verräter, jemals die Früchte seiner Schurkerei würde ernten können. Man würde ihn kaltstellen oder ihm allenfalls einen untergeordneten Posten in der republikanischen Armee anvertrauen. Einem Verräter, der nur darauf bedacht war, durch Treulosigkeit seine eigene Haut zu retten und sich darüber hinaus persönliche Vorteile zu verschaffen, würde auch Benito Juárez nicht trauen.
Noch wusste man nur in der unmittelbaren Umgebung von der Einnahme des letzten großen Bollwerks der Kaiserlichen, und es würde Tage oder gar Wochen dauern, ehe sich der Fall von Querétaro bis in die entferntesten Winkel von Mexiko verbreitet hatte. Überall dort, wo es noch kaisertreue Truppen gab, würde der Kampf noch andauern, würde das Morden seinen Fortgang nehmen, bis die Juaristas Herr der Lage waren.
Daraus ergaben sich für Jim Kane schwerwiegende Konsequenzen. Er hätte allen Grund gehabt, das Land auf dem schnellsten Weg zu verlassen. Stattdessen jagte er einem Schemen nach. Er schalt sich deswegen einen Narren, und doch war er sicher, auf der richtigen Fährte zu reiten.
Clay Wheelock und Chantal de Turenne hatten sich nach Westen gewandt. Zweifellos würden sie zunächst den Schutz der Berge suchen, um sich mit dem Gold in Sicherheit zu bringen. Während des wilden Kampfes, der ihrer Flucht vorausging, hatten sie bestimmt nicht erkennen können, dass es Jim Kane gelungen war, einen der Juaristas aus dem Sattel zu schlagen und ein Pferd zu erbeuten. Wenn seine Vermutungen also zutrafen und die beiden vor ihm zur Sierra de Nayarit geritten waren, hatten sie höchstens anderthalb Stunden Vorsprung und rechneten nicht mit einer Verfolgung.
Mit verbissener Entschlossenheit behielt Jim seine Richtung bei. Bald musste der neue Tag heraufdämmern. Dann endlich konnte er nach der Fährte Ausschau halten oder sich einen hochgelegenen Punkt suchen, um die beiden Flüchtlinge zu entdecken. Schon jetzt war er sich darüber im Klaren, dass es dann zu einer tödlichen Auseinandersetzung kommen musste.
In Querétaro hatte Clay Wheelock die Maske seiner fadenscheinigen Partnerschaft fallenlassen. Ihm ging es um das Gold — und um die Frau. Um beides zu erringen und behalten zu können, würde er vor nichts zurückschrecken. Das bewies schon sein kaltblütiger Mord an Lionel Craig, seinem eigenen Unterführer.
Die Kühle der Nacht brachte Jim Kane zu Bewusstsein, dass er sich hier auf einem Plateau in mehr als fünftausend Fuß Höhe befand. Mit dem Braunen hatte er einen glücklichen Griff getan. Vielleicht war der Wallach nicht besonders schnell, aber dafür zäh und ausdauernd.
In den Satteltaschen fand sich unter anderem die Ration jenes republikanischen Reiters, den er mit einem Kolbenhieb niedergeschlagen hatte — Maismehl, Salz, Pemmikan, ein Stück Speck und ein paar alte, zähe Tortillas, die dem neuen Besitzer des Pferdes sehr willkommen waren.
Er aß mit wahrem Heißhunger und riss mit den Zähnen Fetzen von den schon leicht ranzig schmeckenden Speckfladen ab, um sich bei Kräften zu halten. Das Pferd folgte dabei unverdrossen den Radfurchen eines Wagentrails, der sich durch die mit Dornengestrüpp und Kakteenfeldern bedeckten Vorhügel der Sierra hinzog.
Je näher die Berge heranrückten, umso schroffer und zerklüfteter wurde das Gelände. Unmerklich färbte sich der Himmel im Osten grau. Die Sterne begannen allmählich zu verblassen, als der einsame Reiter um eine Hügelschulter bog und eine von Felsbrocken übersäte, buschbestandene Mulde vor sich sah, die am hinteren Ende von einer steil aufragenden Wand abgeschlossen wurde. Dicht neben der Straße versickerte ein spärliches Rinnsal.
Gerade war Jim im Begriff, abzusitzen und den Wallach zu tränken, als er mitten in der Bewegung erstarrte. Schwacher Rauchgeruch hing in der Luft. Irgendwo in der Nähe, wahrscheinlich weiter hinten in der Mulde und in sicherer Entfernung vom Wagentrail, musste es ein Campfeuer geben.
Angestrengt spähte Jim zur Felswand hinüber, und plötzlich kam es ihm so vor, als ob ein Stück dieser Wand nicht ganz so dunkel und grau wäre. Vielleicht war das der Widerschein eines kleinen Feuers, das jemand im Schutz des Gestrüpps und der verstreuten Felsbrocken angezündet hatte.
Vermutlich entsprang die Quelle, deren spärliches Rinnsal hier versickerte, irgendwo am Fuß der Wand, und wo Wasser war, da gab es auch Gras für die Pferde. Der Lagerplatz war geradezu ideal. Ohne seinen guten Geruchssinn wäre Jim sicher ahnungslos vorübergeritten.
Er glitt aus dem Sattel und hinderte den Braunen nicht, als er gierig den Kopf nach dem Wasser reckte. Von jetzt an musste er mit aller Vorsicht zu Werke gehen. Doch noch ehe er zu einem Schluss gelangt war, hörte er hinter sich den Hufschlag trabender Pferde. Ohne eine Sekunde zu verlieren, setzte er sich in Bewegung und zog den Wallach hinter sich her in einen von Mesquite überwucherten Spalt, der sich zwischen zwei mächtigen Felsbrocken auftat. Dort hielt er an und legte dem Tier die Hand auf die Nüstern, als es zu schnauben beginnen wollte.
Seine Maßnahme erwies sich als richtig. Auf dem Wagentrail erschienen vier Reiter. Es war jetzt schon hell genug, um ihre Raupenhelme zu erkennen. Es handelte sich demnach um Juaristas, um republikanische Dragoner und möglicherweise um eine Art Stafette, die die Nachricht von der Einnahme Querétaros weitergeben sollte. Ihre Stimmen klangen deutlich herüber.
Natürlich witterten auch ihre Pferde das Wasser dicht neben der Straße. Die kleine Kavalkade hielt an, kaum mehr als dreißig Yards von Jim Kane entfernt.
Und dann geschah, was geschehen musste: Eines der Tiere bekam Witterung von dem Wallach im Felsspalt, warf den Kopf empor und schickte ein herausforderndes Wiehern herüber. Der Braune begann nervös zu tänzeln, obgleich Jim ihn ganz kurz bei der Kandare, dem sogenannten Spanish Bit, gepackt hatte. Knirschend zerbarst ein Stein unter seinem Huf.
Das Geräusch klang so laut in die nächtliche Stille, dass die Juaristas es unmöglich überhört haben konnten. Jim unterdrückte einen Fluch und presste dem Wallach noch stärker die Linke auf die Nüstern, um ihn am Wiehern zu hindern.
Einer der Dragoner, offenbar der Anführer der kleinen Abteilung, richtete sich in den Steigbügeln auf. Im selben Moment erklang weiter hinten aus der Senke eine trompetende Antwort.
Der Korporal der Dragoner zischte seinen Leuten etwas zu. Er sank in den Sattel zurück und nahm mit einem harten Ruck die Zügel an. Zwei der Männer zerrten bereits die Karabiner aus den Scabbards. Auf einen gedämpften Befehl hin ritten sie wieder an, bogen von der Straße ab und schlugen jene Richtung ein, aus der das Wiehern gekommen war. Schon eine halbe Minute später waren sie im Gestrüpp verschwunden, und man hörte nur noch ab und zu ein metallisches Klirren.
Jim Kane war sich sicher, das Camp von Clay Wheelock und Chantal de Turenne vor sich zu haben. Wenn es sich bei den Juaristas um Kürassiere oder Lanciers gehandelt hätte, würde er sich keine großen Sorgen gemacht haben. Durch einen Angriff zu Pferde, selbst wenn es sich um vier Gegner handelte, war ein erfahrener Wolf wie Clay Wheelock nicht zu überraschen. Er würde die Kavalleristen in Sekundenschnelle aus den Sätteln geholt haben, noch ehe sie ihre Säbel oder Lanzen zum Einsatz bringen konnten.
Diese Dragoner jedoch waren auch im infanteristischen Einsatz geschult; gerade das war die Besonderheit ihrer Waffengattung. Sie würden nicht blindlings in das Camp reiten, sondern vorher absitzen und zu Fuß vorgehen.
Einen Moment lang hatte Jim mit sich zu kämpfen. Immerhin hatte der Mann, der jetzt in Gefahr geriet, unmittelbar vor seiner Flucht versucht, auch ihn, Jim Kane, auf niederträchtige Art zu erledigen. Aber er hatte die Frau bei sich, und diese Überlegung gab den Ausschlag.
Hastig schlang Jim die Zügel des Braunen um einen Mesquite-Ast, zog den einschüssigen Sharps-Karabiner aus dem Sattelschuh und hetzte vorwärts.
Die graue Morgendämmerung verwandelte Büsche, Kakteen und Felsen in gespenstische Gestalten. Irgendwo bei der Felswand quoll jetzt weißlicher Rauch auf, als ob jemand Wasser in die glühende Asche eines Campfeuers geschüttet hätte.
Jims Vermutungen verdichteten sich zur Gewissheit. Natürlich hatte auch Clay Wheelock die Annäherung von Reitern bemerkt und wusste, dass ihn das Wiehern eines seiner Pferde verraten hatte. Aber er saß in der Falle. Die aufragende Wand, von der die Mulde in einem weiten Halbkreis umschlossen wurde, verhinderte jedes Entkommen zu Pferde.
Durch das Gewirr von Felsen und Gestrüpp arbeitete sich Jim so geräuschlos wie möglich vorwärts. Er war noch mehr als achtzig Yards von der Felswand entfernt, als vor ihm auf Spanisch ein scharfer Befehl gerufen wurde. Aus den verzerrten Wortfetzen konnte Kane entnehmen, dass es eine Aufforderung war, sich zu ergeben.
Ein paar Atemzüge lang war es still, dann krachten jäh die Schüsse der Armee-Karabiner, gefolgt von dem schärferen Peitschen einer Winchester. Wieder ertönte schrilles Wiehern. Das Gewehrfeuer hörte auf, während Jim Kane in geduckten Sätzen eine offene Geröllfläche überquerte und sich neben einem besonders großen Felsbrocken in die Büsche warf.
Noch ehe er den Kampfplatz überblicken konnte, vernahm er einen langgezogenen Schrei. Rutschend ging sein Jackenärmel in Fetzen, als er sich durch einen mit Dornenranken überwucherten Spalt zwängte. Die Juaristas mussten einen anderen Weg eingeschlagen haben und schienen sich rechts von ihm zu befinden.
Plötzlich sah er das Ende der Mulde vor sich und fand seine Vermutungen bestätigt. Auch hier gab es noch Gestrüpp und vereinzelte Felsbrocken. Hinter einem von ihnen stieg der weiße Rauch auf. Ein Stück entfernt drängten sich die angehobbelten Pferde zusammen.
Eines davon erkannte Jim selbst in der Dämmerung wieder. Es war der drahtige Falbe mit der hellen Mähne, den Chantal de Turenne bei ihrer Flucht geritten hatte. Unter einem Paloverde, dessen dünnes Laub wie graublauer Rauch erschien, lag einer der Dragoner verkrümmt auf der Seite. Sein Raupenhelm war ein Stück davongekollert, und es sah so aus, als ob der Mann noch im Tode die Hand danach ausstreckte. Offenbar hatte er den Fehler begangen, eine offene Fläche zu überqueren, während seine Kameraden ihm Feuerschutz gaben.
Doch Clay Wheelock schien in der Zwischenzeit bereits seine Stellung gewechselt und ihn mitten im Sprung erwischt zu haben. Ansonsten war jetzt kein Mensch zu sehen. Jim entdeckte lediglich eine leichte Bewegung in den Büschen, die den Schluss zuließ, dass die übrigen Juaristas nun im Begriff waren, Wheelock einzukreisen und dann von mehreren Seiten gleichzeitig unter Feuer zu nehmen.
Unter den gegebenen Umständen war das die einzig richtige Taktik, von ihrem Standpunkt aus gesehen. Sobald es heller wurde — und das musste schon in wenigen Minuten der Fall sein —, war damit das Schicksal Clay Wheelocks besiegelt.
Jim fasste einen dichtbelaubten Agaritabusch ins Auge und wand sich dicht am Boden durch eine Felsrinne. Von rechts krachte erneut ein Karabiner. Die Zweige des Buschs bewegten sich. Eine Gestalt schnellte auf und hechtete hinter einen Steinbrocken. Der nächste Schuss kam bereits zu spät.
Wheelock hatte Glück im Unglück. Auch die Juaristas hatten seine List durchschaut und ihm den Weg zu einer Gruppe von Felsbrocken abgeschnitten, die unmittelbar am Buschrand lag und ihm wieder etwas Bewegungsfreiheit verschafft hätte.
In unmittelbarer Nähe des qualmenden Feuers hingegen blieb ihm keine große Auswahl. Dort wurde er über kurz oder lang festgenagelt und musste tatenlos zusehen, wie die Gegner ihre Stellung so lange verbesserten, bis sie ihn im Visier hatten.
Da er von Jims Anwesenheit schwerlich eine Ahnung hatte, konnte er sich kaum eine ernsthafte Chance ausrechnen, dieser Übermacht auf Dauer standzuhalten.
Ein Geschoss patschte an den niedrigen Felsblock, der ihm nun als Deckung diente, und winselte als Querschläger davon. Die beunruhigten Pferde drängten sich immer weiter zu den Büschen. Von Chantal de Turenne war vorerst nichts zu sehen. Jim Kane konnte nur vermuten, dass sie vom Ort ihres Camps zur Felswand geflüchtet war und sich dort vollkommen reglos verhielt, um nicht das Feuer der Dragoner auf sich zu ziehen.
Eben hatte Jim den Kopf gehoben, als er eine Gestalt entdeckte und mit Schrecken feststellte, dass einer der Juaristas sich jetzt schon fast in Wheelocks Rücken befand. Die beiden anderen Dragoner schossen abwechselnd, um ihr Opfer abzulenken und nicht mehr zu Atem kommen zu lassen, bis ihr Kamerad von der anderen Seite her eingreifen konnte. Das aber musste um jeden Preis verhindert werden, selbst wenn Jim gezwungen war, den Überraschungseffekt zu vergeuden und vorzeitig seine Stellung zu verraten.
Bäuchlings glitt er noch ein Stück weiter durch die Rinne, bis er eine Stelle erreicht hatte, die seinen Vorstellungen entsprach. Dann schob er sein Sharps-Gewehr über den Rand und spähte mit verkniffenen Augen dort hinüber, von wo die Schüsse kamen, um einen der Schützen auszumachen und anzuvisieren.
Das nächste Krachen ließ nicht lange auf sich warten. Jim Kane sah die Mündungsflamme des Karabiners in der grauen Dämmerung und richtete sein Gewehr. Der Dragoner schien zwischen einigen Agaven und Kakteen zu liegen. Er selbst war in diesem Gewirr stachliger Blätter nicht auszumachen.
Nur ein dunklerer Fleck weiter hinten schien von seinen Stiefeln herzurühren. Für Jim war dieser Anhaltspunkt deutlich genug. Er visierte ein Stück nach links und behielt die Stelle scharf im Auge, um bei der geringsten Bewegung abzudrücken. Aber dann kam er doch nicht mehr zum Schuss.
Anscheinend durch den Tod ihres Kameraden aufgebracht, ließen sich die drei übrigen Juaristas zu einer verhängnisvollen Unbedachtsamkeit hinreißen. Hinten bei der Felswand bellte ein Armeekarabiner, begleitet von einem scharfen Ruf. Ob der Mann sicher war, Clay Wheelock getroffen zu haben, ließ sich nicht mehr entscheiden. Die beiden Dragoner jedenfalls schienen es so aufzufassen und schnellten vorwärts.
Der Mann, den Jim anvisierte, hatte eben erst den Oberkörper aufgerichtet, als er auch schon im scharfen Peitschen der Winchester nach hinten fiel. Wheelock. von dem unvermuteten Schuss hinter seinem Rücken aus der Deckung gescheucht, tauchte hinter dem Felsblock auf und hetzte in geduckten Zickzacksprüngen zu den Pferden. Im Laufen repetierte er sein Gewehr, als er sich plötzlich dem Korporal der Juaristas gegenübersah.
Weit gefährlicher für ihn jedoch war der dritte Mann, der jetzt aus den Büschen gesprungen war und auf weniger als zwanzig Schritt Entfernung seinen Karabiner in Anschlag brachte.
Jim Kane warf sich herum. Kaum, dass er die uniformierte Gestalt auf dem Visier hatte, drückte er auch schon ab. Der Soldat zuckte zusammen, machte stolpernd einen Schritt nach vorn und fiel auf das Gesicht.
In der Zwischenzeit hatte Clay Wheelock mit seiner Winchester von der Hüfte aus geschossen, riss den Repetierhebel herunter und feuerte zum zweiten Mal. Dieser Schuss fiel zusammen mit dem Krachen des Armeegewehrs. Der Korporal schwankte, taumelte aber noch immer auf seinen Gegner zu. Der Verschluss seines Gewehrs rasselte, als er eine neue Patrone in die Kammer schob.
Wheelock ging kein Risiko mehr ein. Seine moderne Winchester war dem Armeekarabiner haushoch überlegen. Nur um ein paar Zoll hob er die Mündung der Waffe, während er in geduckter Haltung dastand, und drückte nochmals ab. Mit einem heiseren Stöhnen fiel ihm der Korporal vor die Füße und erschlaffte.
Langsam wandte er sich um, die Lippen in einem bösen Lächeln verzerrt. Auf weniger als zehn Schritt standen sie sich gegenüber. Jim hielt das nutzlos gewordene Sharps-Gewehr in der herabhängenden Linken. Die einzige Patrone, die er für diese Waffe besaß, hatte er verschossen. Aber dafür hatte er nun seinen Colt gezogen und legte knackend den Hahn zurück.
»Sie haben noch nicht durchgeladen, Partner, vergessen Sie das nicht«, sagte er mit tödlicher Sanftheit. »Lassen Sie das Ding fallen und schnallen Sie den Gurt ab — ganz vorsichtig, Wheelock.«
Die Miene des anderen wurde ausdruckslos.
»Sie werden mir doch nicht dieses kleine Missverständnis in Querétaro nachtragen, Mister«, murmelte er vorwurfsvoll. »Ich war ein bisschen durchgedreht. Wir alle waren mit unseren Nerven ziemlich am Ende.«
»Eben«, entgegnete Jim Kane hart. »Und ich bin nicht sicher, dass sich meine Nerven schon wieder so weit erholt haben, dass sie auch ein zweites ,Missverständnis' überstehen würden. Bei mir äußert sich die Nervosität jetzt seltsamerweise in einem Zucken des Zeigefingers. Ich warne Sie nicht noch einmal, Wheelock. Drehen Sie sich um!«
Nun endlich ließ Clay Wheelock den Sattelkarabiner fallen, tastete nach der Schnalle seines Gurts und wandte Kane den Rücken zu.
Jim Kane wusste die jähe Bereitwilligkeit richtig zu deuten. Doch er gab dem Mann keine Chance zu einem Trick. Lautlos entspannte er den Hammer seines Revolvers, während er zu Wheelock heranglitt. Deutlich sah er die gespannten Schultern des Mannes, der nur auf eine Gelegenheit wartete, herumzufahren und ihn anzufallen. Deshalb schlug er hart und abgezirkelt mit dem Revolverlauf zu.
Wheelocks Hut dämpfte die Wucht dieses Hiebes, aber nicht genug, um ihn vor einer tiefen Bewusstlosigkeit zu bewahren. Er sank in sich zusammen. Noch im Fallen fing Jim ihn auf und schleifte die schlaffe Gestalt zu jener Stelle hinter den Felsen, wo noch immer grauweißer Qualm aus der Asche des gelöschten Campfeuers aufstieg. Hier erst ließ er ihn zu Boden gleiten und schaute sich um. Er sah Chantal de Turenne vor sich.
Das Gesicht der Frau war bleich, aber so beherrscht, wie er es erwartet hatte.
»Jim«, murmelte sie atemlos, »ich habe gehofft, dass Sie kommen würden. Irgendwie hatte ich die Gewissheit, dass auch Sie aus Querétaro entkommen waren.«
