H. C. Hollister 145 - H.C. Hollister - E-Book

H. C. Hollister 145 E-Book

H. C. Hollister

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Beschreibung

Nunally Jones war schön, aber sie hatte ein Herz aus Eis. Alle wussten das - außer Shenandoah. Er war ein hartgesottener Deputy-Marshal, aber dieser Frau war er verfallen. Sie beleidigte ihn, sie lachte über ihn; doch er klammerte sich an die Hoffnung, eines Tages doch noch ihre Zuneigung zu gewinnen. Jim Kane war der einzige Freund, den Shenandoah hatte, denn sie hatten gemeinsam schon manche Gefahr gemeistert. Sie waren Freunde, bis Shenandoah plötzlich alles vergaß - seine Freunde, seinen Stern und seinen Eid.

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Seitenzahl: 160

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhalt

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VERRATENE FREUNDSCHAFT

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Impressum

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Inhaltsverzeichnis

Inhaltsbeginn

Impressum

VERRATENE FREUNDSCHAFT

Nunally Jones war schön, aber sie hatte ein Herz aus Eis. Alle wussten das – außer Shenandoah. Er war ein hartgesottener Deputy Marshal, aber dieser Frau war er verfallen. Sie beleidigte ihn, sie lachte über ihn; doch er klammerte sich an die Hoffnung, eines Tages doch noch ihre Zuneigung zu gewinnen.

Jim Kane war der einzige Freund, den Shenandoah hatte, denn sie hatten gemeinsam schon manche Gefahr gemeistert. Sie waren Freunde, bis Shenandoah plötzlich alles vergaß – seine Freunde, seinen Stern und seinen Eid.

Der Beifall wurde bereits laut, als sich der rote Plüschvorhang öffnete. Er steigerte sich noch, als die Kapelle einsetzte und Nunally Jones im Rampenlicht erschien, eine Federboa über den tiefen Ausschnitt drapierte und sich zunächst nur leicht im Takt wiegte. Der Inhaber des Bella Union Saloons hatte einen guten Einfall gehabt, als er die rothaarige Sängerin engagierte.

Immer mehr Männer drängten sich in die Nähe der Bühne. Es ließ sich nicht übersehen, dass viele von ihnen nur deshalb so früh am Abend gekommen waren, um diesen ersten Auftritt nicht zu verpassen.

Die Frau war nicht mehr ganz jung, aber sie verstand ihr Geschäft. Jede ihrer Gesten und jeder ihrer Blicke waren eine Herausforderung an ihr Publikum und sorgfältig auf ihre Wirkung erprobt. Das grüne, mit glitzernden Pailletten besetzte Kleid hatte sie sorgfältig auf ihre Haarfarbe abgestimmt; es brachte alle Vorzüge ihrer makellosen Figur zur Geltung.

Nunally Jones war hübsch, und sie verstand es, diesen Umstand durch kosmetische Kunstkniffe deutlich hervortreten zu lassen. Sie hatte große, grünlich irisierende Augen und einen vollen Mund, der durch die stark aufgetragene Schminke allerdings ein wenig vulgär wirkte. Die Männer jedenfalls, die jetzt schon im Takt zu klatschen begannen, schien es nicht im Geringsten zu stören.

Jim Kane beobachtete dies alles aus dem Hintergrund, und er behielt besonders den weißblonden Neil Killoe im Auge, der reglos am Ende der Bar stand, sein Glas in der Hand hielt und keinen Blick von Nunally Jones ließ.

Die Frau machte ein paar Schritte an der Rampe entlang und wandte sich der Kapelle zu, um ihren Einsatz genau abzustimmen. Ihr Blick streifte das Ende der Bar, plötzlich stockte sie ein wenig in der Bewegung, und in ihrem Gesicht ging eine jähe Veränderung vor sich. Es waren Erschrecken und Ausdruck der Befriedigung zugleich, ein jähes Spannen der Lippen und eine unkontrollierte Neigung des Kopfes.

Jim Kane spürte mit aller Deutlichkeit, dass es sehr widersprüchliche Empfindungen waren, die beim Anblick von Neil Killoe auf die Sängerin eindrangen. Der weißblonde Mann hatte seine Haltung unterdessen nicht verändert. Wenngleich Jim Kane sein Gesicht nicht sehen konnte, war er sicher, dass Neil Killoe lächelte.

Die Frau begann ein sentimentales Lied. Sie hatte eine angenehme, etwas rauchige Altstimme, die in diese Umgebung passte. Jedes Räuspern und Füßescharren verstummte, und ein letztes Klicken des Glücksrads rief empörtes Zischen hervor.

Ohne Hinsehen bemerkte Jim Kane, dass Pinky, der Keeper, sich neben ihn geschoben hatte und seine Aufmerksamkeit erregen wollte. So folgte er der Richtung des Winks und sah den Mann neben der Schwingtür. Er mochte etwa vierzig Jahre alt sein und trug eine verschossene Buckskin-Jacke. Nichts an ihm war außergewöhnlich in einer Stadt wie Tombstone, nicht einmal die beiden schweren Patterson-Colts, deren Griffschalen aus gefurchtem Elkhorn bestanden.

Er war mittelgroß und nicht besonders kräftig und hatte ein grobes Gesicht, das von einem sandfarbenen Schnurrbart gleichsam in zwei Hälften geteilt wurde. Im ersten Augenblick verstand Kane nicht, warum ihn der Barkeeper auf diesen Mann hingewiesen hatte. Aber schon im nächsten Moment wurde ihm klar, dass auch jener seine gespannte Aufmerksamkeit auf Nunally Jones und Neil Killoe konzentrierte. Nur zögernd wandte Jim Kane sich wieder der Bühne zu.

Die Sängerin hatte ihre Darbietung beendet und nahm unter mehrfachem Knicksen den Beifall entgegen, wobei sie mit großartiger Geste die Federboa abstreifte. Das Klatschen und Johlen war noch nicht verebbt, als sie schon mit einem neuen Lied begann.

Jetzt war Nunally Jones kess, frech und herausfordernd, wie es der Text des Gassenhauers von ihr verlangte. Jim Kane begriff, dass hierin die Stärke dieser Frau lag. Mit ihrer Vielseitigkeit war sie imstande, fast augenblicklich einen Stimmungswandel hervorzubringen. Während sie hochbeinig an der Rampe auf und ab schritt und mit dem Refrain einsetzte, begannen die ersten Männer bereits mitzusingen.

Dann geriet Nunally Jones zum zweiten Mal an diesem Abend aus der Fassung. Sekundenlang blieb ihr Mund geöffnet, als sie über die dichtgedrängten Köpfe ihres Publikums hinweg zur Tür starrte, und diesmal bestand ihre Regung ganz zweifellos aus Ärger und Erschrecken. Dennoch fiel es nicht weiter auf, dass sie aus dem Takt geraten war und für eine Weile überhaupt nicht mehr sang.

Als ob sie aus dem Kreuzfeuer der Blicke und dem Rampenlicht flüchten wollte, betrat sie die kleine Treppe, die am Rande der Bühne in den Raum hinabführte, und setzte ihren Vortrag mitten unter den Zuhörern fort. Von Jim Kanes Standort war nur noch ihr hoher Kopfputz aus wippenden Reiherfedern zu erkennen.

Kane fasste wieder den starrgesichtigen, schnurrbärtigen Mann an der Tür ins Auge, dem zweifellos Nunally Jones' Erschrecken gegolten hatte. Auch im Ausdruck dieses Mannes war eine Veränderung vor sich gegangen. Wenn er soeben noch fasziniert schien, so hatte sich seine Miene jetzt verdüstert.

Niemand außer Jim Kane achtete auf ihn, als er sich in Bewegung setzte und an die Bar kam. Ohne ein Wort nickte er Pinky zu, und der Keeper schob ihm einen doppelten Whisky hin.

Aber der Mann trank nicht. Stattdessen verfolgte er mit den Blicken Nunally Jones' Weg. Das Gedränge vor der Bühne hatte sich nun etwas gelichtet. Viele der Gäste waren an ihre Tische zurückgekehrt, zwischen denen die Sängerin zum Schluss ihrer Darbietung kam. Der letzte Refrain ihres Songs ging bereits wieder im Beifallsgebrüll unter. Sie warf Kusshände nach allen Seiten. Einmal war ihr kehliges Lachen aus dem Lärm herauszuhören, als sie sich zu der Tür hinter der Bar zurückzog.

Was nun folgte, spielte sich so nahe bei Jim Kane ab, dass er es in allen Einzelheiten beobachten konnte. Der weißblonde Neil Killoe löste sich von seinem Platz und war im Begriff, der Sängerin den Weg abzuschneiden. Aber da stand ganz plötzlich der schweigsame Mann mit dem sandfarbenen Schnurrbart vor ihm. Seine verschossene Buckskin-Jacke war zurückgeschlagen, sodass die Elkhornkolben seiner beiden Patterson-Colts offen aus den Halftern ragten.

Zugleich aber kam dadurch der verbeulte Messingstern auf seiner Weste zum Vorschein. Mit einem Schlag begriff Jim Kane, warum ihn der Keeper auf diesen Mann aufmerksam gemacht hatte: Es handelte sich um Shenandoah, den Deputy Marshal, der von Clyde Monroe zu seinem Stellvertreter ernannt worden war. In Shenandoahs ganzer Haltung kam eine verbissene Kampfbereitschaft zum Ausdruck.

Neil Killoe erstarrte, als er so unvermittelt seinen Weg versperrt sah. Die Feindschaft – oder die Rivalität – dieser beiden ungleichen Männer zeigte sich in jedem ihrer Blicke. Ein paar Sekunden lang sah es so aus, als ob es zu einer Auseinandersetzung kommen sollte. Aber dann begann Neil Killoe plötzlich spöttisch zu lächeln und senkte die Lider. So verharrte er noch einen Moment, als ob er den anderen seine Überlegenheit spüren lassen wollte, wandte sich schließlich ab und ging durch die Seitentür hinaus.

Shenandoahs Schultern lockerten sich unter der Jacke. Er hob den Kopf – und sah sich plötzlich Nunally Jones gegenüber. Er feuchtete die Lippen an, zog mit einer unbeholfenen Bewegung den Hut und sagte etwas, das für Jim Kane unverständlich blieb. Die Frau funkelte ihn zornig an und raffte ihre Federboa zusammen. Dann begann sie rasch zu sprechen.

Keinem Beobachter konnte verborgen bleiben, dass dem Deputy Marshal eine heftige Abfuhr erteilt wurde. Sein hölzern wirkendes Gesicht lief dunkel an. Ehe er etwas erwidern konnte, hatte Nunally Jones schon zwei Bewunderer brüsk zur Seite geschoben und verschwand durch die Tür am Ende der Bar.

Shenandoah stand da wie ein begossener Pudel und verkrampfte die Hände um die Krempe seines Huts. Hämische und schadenfrohe Blicke der Umstehenden streiften ihn, und ein Minenarbeiter machte eine spöttische Bemerkung, die schallendes Gelächter hervorrief. Das Lachen verstummte jäh, als der Deputy Marshal aufblickte. Er sagte nichts, doch ein paar Männer machten ihm bereitwillig Platz, als er an die Bar trat und mit dem Ausdruck dumpfer Verzweiflung seinen Whisky hinunterkippte.

Kurz darauf stülpte er achtlos den Hut auf den Kopf und verließ den Saloon, als gerade die Kapelle wieder einsetzte.

Etwa eine Viertelstunde hatte sich Kane noch im Bella Union aufgehalten, während die Stimmung im gleichen Maße stieg wie der Konsum harter Getränke. Nun trat er vor die Tür und schaute die Straße hinab. Auch im Palace und in den anderen Lokalen von Tombstone herrschte reger Betrieb. Ein halbes Dutzend Reiter galoppierte in einer Staubwolke heran, stieß übermütige Schreie aus und stürzte sich Hals über Kopf ins Vergnügen.

Ein paar leichtgeschürzte Flitterladies nahmen vor dem Palace gleich eine ganze Wagenladung von Minern in Empfang, die offenbar eben erst von ihrem Arbeitsplatz oder aus irgendeinem Camp in die Stadt gekommen waren. Für einen ruhigen Schlaf würde Tombstone in dieser Nacht nicht mehr geeignet sein.

Jim Kane entschloss sich trotzdem, jetzt gleich ins Hotel zu gehen. Er wollte am nächsten Morgen früh aufbrechen, um auf der Ranch den Auftrieb der fünfhundert Jungstiere in die Wege zu leiten.

Für den kurzen Weg zum Mietstall stieg er gar nicht erst in den Sattel, sondern zog den Appaloosa am Zügel hinter sich her. Die Einfahrt des Mietstalls lag im Dunkeln. Auf dem Hof standen ein paar Wagen herum, unter anderem der leichte Buggy, den sich Mike Lasky, der Viehaufkäufer, für seine Fahrten im Cochise County gemietet hatte.

Jim führte den Wallach in eine Box, wechselte ein paar Worte mit dem Stallmann und hängte seine Satteltasche über die Schulter. Dann machte er sich auf den Weg zum Hotel.

Seine Aufmerksamkeit galt der Straße. Dass er damit einen Fehler beging, wurde ihm erst klar, als er die Toreinfahrt in umgekehrter Richtung passieren wollte. Da nämlich erklang bei einem der Wagen ein schabendes Geräusch, und eine Stimme zischte:

»So kannst du bleiben, Mister – du hebst dich gerade so schön gegen das Licht ab. Und falls du auf dumme Gedanken kommen solltest – die Streuung meiner Schrotflinte ist groß genug, um dich auch noch im Sprung zu erwischen. Wir hatten es dir schon angekündigt, nicht wahr?«

Jim brauchte nicht erst über die Schulter zu schauen; er wusste auch so, dass er es mit dem hageren, pferdegesichtigen Jeffrey Shields zu tun hatte. Vorher war der Bursche noch nicht auf dem Hof gewesen. Er schien also in irgendeinem dunklen Winkel der Straße gelauert zu haben und ihm, Jim, erst gefolgt zu sein, als er ihn beim Mietstall verschwinden sah. Dann erst hatte er das Versteck hinter einem der Wagen aufgesucht, aus dem er sich nun mit schussbereiter Schrotflinte hervorschob.

Bis auf vier oder fünf Schritte kam er heran, hob dann grinsend die Linke zum Mund und stieß einen schrillen Pfiff aus.

Auf der Straße erklang Hufschlag. Drei Reiter tauchten auf, die ein lediges Sattelpferd für Jeffrey Shields mit sich führten. Es wunderte Jim nicht, dass er den jungen, dunkelhaarigen Wolf Frank Sevier und den bieder aussehenden, schnurrbärtigen Calem Gates erkannte. Beim Anblick des dritten Mannes jedoch wurden seine Lippen schmal. Er hatte den weißblonden Neil Killoe vor sich, der mit einem zynischen Lächeln auf ihn herabblickte und sagte:

»Sie haben es sich selbst zuzuschreiben, Freund. Lassen Sie nur die Satteltasche fallen, die brauchen Sie jetzt nicht mehr. Es ist Ihr verdammtes Pech, dass Sie mir gerade so gelegen kommen.«

Jim Kane rührte sich nicht vom Fleck. Vergeblich versuchte er zu ergründen, was es mit dieser Bemerkung auf sich hatte. Etwas anderes hingegen wurde ihm auf Anhieb klar, als er sah, wie der junge Frank Sevier sein ledergeflochtenes Lasso vom Sattel nahm und die Schlingen ordnete. Scheinbar ergeben ließ er die Satteltaschen von der Schulter rutschen.

»Vorsicht, Freund!«, warnte Neil Killoe. »Wir sind auch nicht von gestern.«

Jim sah keine andere Chance. Mit einem Satz sprang er zwischen Jeffrey Shields und seine berittenen Kumpanen und war damit aus dem Schussfeld des hageren, pferdegesichtigen Desperados, der mit seiner Schrotladung sonst auch die anderen getroffen hätte.

Jims Hand zuckte zum Revolver. Hinter ihm stieß Jeffrey Shields ein scharfes Fauchen aus, und im selben Moment bohrte der untersetzte Calem Gates seinem Braunen die Sporen in die Flanken. Mit einem Schnauben sprang das Pferd an.

Jim warf sich herum. Er hatte die Waffe bereits freibekommen und schwang den Lauf hoch. Die Brust des Gauls streifte seine Schulter. Calem Gates hatte den Fuß aus dem Steigbügel gerissen und trat brutal zu. Mit einer raschen Drehung konnte sich Jim in Sicherheit bringen, sodass der Stiefel nur an seinen Rippen entlangschrammte.

Dann aber war das Verhängnis nicht mehr aufzuhalten. Die kurze Ablenkung hatte Jeffrey Shields genügt, um einen langen Satz zu vollführen. Er schlug mit dem Lauf der Schrotflinte zu, noch ehe Jim Kane der neuen Gefahr in seinem Rücken begegnen konnte.

Der Hieb traf Jim ins Genick. Er hatte das Empfinden einer dumpfen Explosion und taumelte benommen herum. Von wildem Schmerz und würgender Übelkeit befallen, krümmte er sich. Ein Stoß mit dem Gewehrkolben schmetterte ihm den Colt aus der kraftlosen Hand. Noch während er seiner Not Herr zu werden versuchte, schwirrte die Lassoschlinge, senkte sich über ihn und presste ihm die Oberarme an den Körper. Wie aus weiter Ferne hörte er die ironische Stimme Neil Killoes:

»Dass manche Burschen es doch immer erst auf die raue Art lernen müssen! Los, Shields, sieh zu, dass du in den Sattel kommst!«

Trotz halber Betäubung wusste Jim ganz genau, was jetzt folgen würde. Er brachte gerade noch die Geistesgegenwart auf, beide Hände tief in die Hosentaschen zu versenken, und vernahm Frank Seviers schrilles Lachen. Eine Sekunde später folgte der harte Ruck, der ihn in den Staub warf. Der Stallmann, der bis jetzt reglos im Schatten des Tors gestanden hatte, stimmte ein Gebrüll an und stürmte vor bis in die Einfahrt.

Die Reiter preschten bereits die Straße hinab. Frank Sevier hatte das Ende des Lassos um sein Sattelhorn geschlungen und schleifte Jim Kane im Galopp durch den Staub – einen hilflosen, erbitterten Mann, dem bereits die Sinne zu schwinden drohten.

Unmittelbar hinter dem Bella Union bog er um die Ecke, aber er nahm den Bogen so eng, dass der geschleifte Körper gegen eine Kante des Gehsteigs krachte. Dann plötzlich rissen Frank Sevier und die anderen ihre Pferde zurück.

Vor ihnen, mitten auf der Straße, stand ein Mann – Shenandoah – und hielt seine beiden schweren Patterson-Colts tief im Hüftanschlag. Kein Muskel zuckte in seinem Gesicht, als er die Waffen auf Neil Killoe richtete und mit rauer Stimme sagte:

»Ich denke, das war dein letzter Streich, Killoe. Diesmal hast du den Bogen überspannt. Los, heb die Hände und sag deinen Kreaturen, dass sie die Waffen wegwerfen sollen!«

Neil Killoe stützte beide Hände auf das Sattelhorn und beugte sich vor.

»Und wenn ich das nicht tue, Shenandoah? Was hast du dann vor? Ich weiß ja, dass du mich am liebsten kaltblütig abknallen würdest, nur weil du verrückt auf dieses Frauenzimmer bist. Aber bei dieser Frau wirst du es nie schaffen, Shenandoah, nie, hörst du? Bei ihr brauchst du mehr als deine Revolver, hahaha!«

In Shenandoahs Gesicht arbeitete es. Unwillkürlich hob er die Mündung eines seiner Revolver an. Neil Killoe jedoch grinste unvermindert.

»Damit kannst du mich nicht ins Bockshorn jagen, Mister. Du trägst doch jetzt wieder den Stern, nicht wahr? Wenn du abdrückst, ist das Mord.«

»Doppelmord«, berichtigte Jeffrey Shields mit bissiger Befriedigung. Er hatte sein Pferd ein Stück weiter rechts zum Stehen gebracht und hielt nun die Schrotflinte auf den knorrigen Deputy-Marshal gerichtet. »Dich könnte er vielleicht schaffen, aber dann ist er selbst an der Reihe, Killoe.«

Mit dem Daumen schob Neil Killoe den Hut zurück, sodass unter dem Rand sein weißblonder Haaransatz zum Vorschein kam. Seine ganze Haltung bewies spöttische Überlegenheit.

»Tja«, sagte er, und in seiner Stimme schwang ein Unterton tödlichen Hasses, »so ist das, Mr. Shenandoah. Ganz so leicht, wie du dir das vorgestellt hast, wirst du einen Rivalen nicht los. Unsere Rechnung bleibt weiterhin offen, Mister – aber nicht mehr lange ...«

»Verschwindet!«, stieß der Marshal heiser hervor. »Lasst euch nicht wieder in dieser Stadt blicken, sonst ...«

»Mach dir nur keine zu großen Hoffnungen«, fiel ihm Neil Killoe zischend ins Wort. »Von dir lasse ich mir nichts vorschreiben, Shenandoah – nicht von einem Revolvermarshal, der die lächerliche Figur einer Vogelscheuche abgibt. Wir hören noch voneinander, Mister!«

Ohne sich auch nur im Geringsten um die schussbereiten Colts des Marshals zu kümmern, zog er sein Pferd herum und galoppierte davon. Jeffrey Shields und der schnurrbärtige Calem Gates folgten augenblicklich seinem Beispiel. Mit einem schiefen, verstockten Grinsen warf auch Frank Sevier das Ende des Lassos von seinem Sattelhorn los und schloss sich ihnen an.

Shenandoah gab einen gepressten Seufzer von sich und stieß die Waffen in die Halfter zurück. Während er Hand über Hand das ledergeflochtene Fangseil aufrollte, begab er sich zu dem Opfer des brutalen Rudels.

Jim Kane lag schlaff auf der Seite. Sein Gesicht war von Staub überkrustet, an seinem Wangenknochen zeigte sich eine blutige Schramme, und das Haar hing ihm wirr in die Stirn. Seine Augen jedoch waren geöffnet.

»Es tut mir leid, dass ich nicht früher hinzugekommen bin, Freund«, sagte der Deputy Marshal mit belegter Stimme. »Kommen Sie, ich werde Sie ins Office schaffen.«

✰✰✰

Als Jim aus dumpfer Betäubung erwachte, sah er zunächst nur den gebeugten Rücken eines Mannes vor sich und hatte mit würgender Übelkeit zu kämpfen. Erst der Anblick der Gitter im Hintergrund brachte ihm zu Bewusstsein, dass er sich in einer Gefängniszelle befand. Dann endlich, als der Mann sich umwandte und nach einem Handtuch griff, erkannte er den jungen Doc Clay Renton.

»Hallo, Kane«, murmelte der Arzt erstaunt, »schon wieder bei Besinnung? Wie fühlen Sie sich?«

»Prächtig«, krächzte Jim Kane mit grimmigem Galgenhumor und erschrak über den blechernen Klang seiner eigenen Stimme. Er tastete nach seinem Gesicht und setzte seufzend hinzu: »Noch nie im Leben ist mir so miserabel gewesen, Doc. Bin ich überhaupt noch aus einem Stück?«

»Auch wenn Sie's nicht glauben – die Knochen sind heil«, versetzte der Arzt mit teilnahmsvollem Lächeln. »Und die Übelkeit entspricht meinen Erwartungen. Brechreiz?«

Jim Kane nickte vorsichtig.

»Und wie. Wenn ich jetzt etwas im Magen hätte, dann ...«

»Bleiben Sie nur ganz ruhig«, fiel ihm Doc Renton mahnend ins Wort. »Es ist eine Gehirnerschütterung. Aber in drei oder vier Tagen werden Sie wieder auf den Beinen sein. – Zeigen sich Gedächtnislücken, oder erinnern Sie sich noch an alles, was vorgefallen ist?«

»Gut genug, um es nicht zu vergessen«, murmelte Jim gepresst.

Clay Renton schüttelte den Kopf.

»Das hatte ich eigentlich nicht gemeint, Kane. Aber wenn es ein schwerer Fall wäre, dann klaffte jetzt in Ihrer Erinnerung ein großes Loch.«

Er warf das Handtuch auf den kleinen Tisch der Zelle, schob den Schemel mit der Waschschüssel an die Wand und machte sich daran, seine Utensilien wieder in die schwarze Arzttasche zu packen. Im Zellengang näherten sich Schritte. Dann erschien Shenandoah in seiner schlotternden Buckskin-Jacke.

»Was sagt unser Medizinmann?«, erkundigte er sich mit einem anerkennenden Blick auf Kane.

»Drei Tage Bettruhe«, erwiderte Doc Renton knapp. »Am besten behalten Sie ihn für die Nacht hier und lassen ihn erst morgen ins Hotel umziehen.«