H. C. Hollister 147 - H.C. Hollister - E-Book

H. C. Hollister 147 E-Book

H. C. Hollister

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Beschreibung

In Syracuse regiert der Schwefelgeruch von Schießpulver - und die Angst vor einer skrupellosen Erpresserbande. Als Marshal Steve Cochrane dem Tod eines ehrbaren Saloonbesitzers nachgeht, stößt er auf eine Mauer aus Schweigen, Bestechung und Verrat. Nur einer steht ihm bei: der wortkarge Spieler Jess Hillary. Doch je tiefer sie graben, desto klarer wird es, dass der Gegner nicht nur tödlich ist, sondern dass er seine Schlinge längst um die Stadt gelegt hat.

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Seitenzahl: 150

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhalt

Cover

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ENTSCHEIDUNG IN SYRACUSE

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Impressum

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Inhaltsverzeichnis

Inhaltsbeginn

Impressum

ENTSCHEIDUNG IN SYRACUSE

In Syracuse regiert der Schwefelgeruch von Schießpulver – und die Angst vor einer skrupellosen Erpresserbande. Als Marshal Steve Cochrane dem Tod eines ehrbaren Saloonbesitzers nachgeht, stößt er auf eine Mauer aus Schweigen, Bestechung und Verrat.

Nur einer steht ihm bei: der wortkarge Spieler Jess Hillary. Doch je tiefer sie gra‍ben, desto klarer wird es, dass der Gegner nicht nur tödlich ist, sondern dass er seine Schlinge längst um die Stadt gelegt hat.

Nur schattenhaft sah Jess Hillary die beiden Gestalten am Ende des nächsten Häuserblocks und spürte instinktiv, dass diese Männer nicht gesehen werden wollten. Unwillkürlich verlangsamte er seinen Schritt und schob ein wenig den Rockschoß zurück. Nun lag seine geschmeidige Rechte in der Nähe seines blauschimmernden 38er Webley-Scott-Revolvers.

Da sich Hillary gegen den helleren Hintergrund der Liberty Road abhob, hatten ihn die beiden Burschen bemerkt und zogen sich in eine dunkle Gassenmündung zurück. Im selben Moment tauchte ein weiterer Mann auf, und ihn erkannte Jess Hillary ganz genau: Es war Ambrose Morfitt, ein skrupelloser und gefürchteter Kartenhai, der sein Hauptquartier in Ford McNeils Alhambra Hall aufgeschlagen hatte.

Er kam aus der Hofeinfahrt, so als ob er Fays Tavern eben erst durch den Hinterausgang verlassen hätte, drehte kurz den Kopf in Hillarys Richtung und wandte sich dann sofort nach der anderen Seite. Er verschwand in derselben Gassenmündung, an der Jess Hillary die beiden anderen Gestalten entdeckt hatte.

Mit verkniffenen Augen blieb Jesse Hillary stehen und zog an seiner Zigarre. Als er sich wieder in Bewegung setzte, standen über seiner Nasenwurzel zwei steile Falten. Er schlenderte über den Hof und spähte unter dem Hutrand hervor in jeden dunklen Winkel.

Zwischen dem Stall und dem Anbau des Hauses gab es einen engen Durchschlupf, der zur Schmiede und zum Mietstall in der nächsten Seitenstraße der Liberty Road hinüberführte. Es war also nicht ausgeschlossen, dass Ambrose Morfitt von dort gekommen war und den Weg über den Hof der Tavern nur als Abkürzung genutzt hatte. Aber als Abkürzung wohin?

Alle Nebenstraßen der Liberty Road auf dieser Seite endeten unten an den Bahngleisen. Es gab keine Erklärung dafür, was ein Kartenhai und Revolvermann wie Ambrose Morfitt um diese Zeit dort zu suchen hatte.

Jess Hillary erreichte die Hintertür der Tavern. Im Anbau lagen die Privaträume Fay Duncans und ihr Büro. Der Gang wurde nur durch das Licht erhellt, das durch die Milchglasscheibe in der oberen Hälfte der Küchentür drang. Die Tür wurde geöffnet und Enoch, der Barkeeper, kam mit einer Platte Braten-Sandwiches, die er ins Lokal bringen wollte, heraus. Der Schwarze stutzte.

»Master Jess?«, murmelte er fragend.

»Yeah«, erwiderte Hillary. »Ich bin diesmal hintenherum gekommen. Hat in den letzten zwei Minuten jemand die Tavern durch den Hinterausgang verlassen, Enoch?«

Helles Licht flutete durch den Gang, als sich die Tür zum Büro öffnete. Auf der Schwelle stand Fay Duncan. In der Beleuchtung schimmerte ihr blondes Haar wie ein Heiligenschein.

»Jess?«, fragte auch sie erstaunt. »Was gibt es?«

Hillary griff sich an den Hut.

»Eben kam Ambrose Morfitt hier vom Hof«, erwiderte er knapp. »Ist er vielleicht bei Ihnen gewesen, Fay?«

Die Frau lächelte und schüttelte den Kopf.

»Wie kommen Sie denn darauf, Jess? Es ist niemand bei mir gewesen. Wie war der Name?«

»Morfitt«, wiederholte Hillary. »Amb Morfitt. Kann sein, dass Sie ihn gar nicht kennen, Fay. Er ist einer der übelsten Burschen in ganz Syracuse und hat mindestens ein halbes Dutzend Menschen umgebracht. In Notwehr, versteht sich«, setzte er sarkastisch hinzu.

»Und er kam aus unserem Hof, sagen Sie? Dann wird er vielleicht den Durchgang vom Mietstall benutzt haben. Oder wissen Sie, was er sonst hier gesucht haben könnte, Jess?«

»Nein«, gab Hillary zurück, »und gerade das macht mich unruhig.«

»Und was wollen Sie nun tun, Jess?«

»Mich ein wenig umsehen. Ein Stück weiter die Straße hinunter lungerten nämlich noch zwei Burschen herum, so als ob sie dort auf Morfitt gewartet hätten.«

Fay Duncan nickte.

»Ich will Sie nicht zurückhalten, Jess. Aber seien Sie vorsichtig. Soviel ich weiß, ist erst vor drei Wochen unten am Bahngelände ein Mann erschossen aufgefunden worden.«

»Keine Sorge, ich werde schon aufpassen«, beschwichtigte Jess Hillary. Er erwiderte ihr Lächeln mit einem matten Grinsen, zog seinen Hut weiter in die Stirn und glitt in die Dunkelheit hinaus.

Amb Morfitt und die beiden Männer – sofern sie überhaupt zusammengehörten – hatten nur etwa drei Minuten Vorsprung. Mit langen Schritten passierte Jess Hillary den schmalen Durchschlupf, der von einer Regentonne und ein paar Kistenstapeln noch weiter eingeengt wurde, und überquerte rasch den Hof des Mietstalls. Weil er seinen Rehbraunen hier eingestellt hatte und das Pferd regelmäßig am Nachmittag für ein oder zwei Stunden abholte, stand er mit dem alten Stallhelfer auf ziemlich vertrautem Fuß.

Der Mann war gerade dabei, das Gespann eines Wagens auszuschirren und blickte auf, als er Hillary aus der dunklen Passage auftauchen sah.

Jess Hillary nickte ihm zu.

»Hallo, Tom. Ist hier in den letzten Minuten jemand durchgegangen?«

Der Stallmann rieb über seine grauen Bartstoppeln.

»Nicht, dass ich wüsste, Mr. Hillary. Aber das will nicht viel besagen. Bis eben war ich noch hinten im Stall beschäftigt.«

»Danke, Tom.« Hillary ging schon weiter zur Straße und wandte sich dort nach rechts.

Der Stadtteil unterhalb der Liberty Road hieß allgemein nur Riverside und war durch die Nähe des Bahngeländes mit seinem Lärm nicht gerade eine bevorzugte Wohngegend.

An der Ecke, der Jess Hillary mit geschmeidigen Schritten zustrebte, erhob sich ein dunkler, zweigeschossiger Lagerschuppen. Das Licht von der Liberty Road drang kaum noch bis hierher. Man hörte bereits das unruhige Brüllen von Rindern, die bis zur Verladung am nächsten Morgen in die großen Korrals hinter der Station gepfercht worden waren.

Vergebens hielt der Spieler Ausschau und bohrte die Augen in die Dunkelheit. Weder auf der Strecke bis zum Bahngelände noch in der schmalen Verbindungsgasse, die hier nach rechts abzweigte, war etwas von Amb Morfitt oder seinen Begleitern zu sehen. Nur aus dem Tor des Schlachthauses lösten sich zwei Männer und schlugen die Richtung zur Station ein.

Hillary konnte ein paar Fetzen ihrer Unterhaltung verstehen, ehe sie an der nächsten Ecke verschwanden. Seine Mühe war offenbar umsonst gewesen. Einige Sekunden lang stand er reglos in der Dunkelheit und wollte gerade wieder umkehren, als er den knirschenden Laut vernahm und erstarrte.

Das Geräusch kam aus einem finsteren Winkel unter der Außentreppe des Lagerschuppens, und es klang so, als ob sich dort jemand gegen die Wand gelehnt und dabei gegen ein lockeres Brett gedrückt hätte. Dann entdeckte Jess Hillary die Gestalt, die sich schwarz aus der Dunkelheit unter der Treppe abhob.

Der Mann wandte ihm den Rücken zu und schaute in die Richtung, aus der Hillary hätte kommen müssen, wenn er Amb Morfitt direkt gefolgt wäre, anstatt den engen Durchschlupf zu wählen und über den Hof des Mietstalls zu gehen.

Die Vermutung lag nahe, dass dieser Bursche zurückgelassen worden war, um nach einem etwaigen Verfolger Ausschau zu halten. Solche Vorkehrungen traf jedoch nur jemand, der etwas zu verbergen hatte. Mit einem Schlag sah Hillary seinen Verdacht bestätigt. Seine Rechte befand sich in der Nähe des Revolverkolbens, als er lautlos vorwärtsglitt, wieder stehenblieb und unvermittelt sagte:

»Warten Sie hier auf etwas Bestimmtes, Mister?«

Er glaubte, auf alle Möglichkeiten vorbereitet zu sein. Doch die Reaktion des Mannes kam in ihrer wilden Explosivität trotzdem überraschend für ihn. Der Schatten warf sich herum, und Hillary sah das metallische Blinken eines Revolverlaufs. Während er zur Seite schnellte und die eigene Waffe herauswirbelte, stach ihm grell und blendend das Mündungsfeuer entgegen.

Das Dröhnen des Schusses rief in der Gasse ein hallendes Echo hervor. Hillary glaubte, den Luftzug der Kugel an seinem Ohr zu spüren. Schon beim Ziehen hatte er mit dem Daumen den Hahn seines Webley-Scott-Revolvers gespannt. Einen Sekundenbruchteil später drückte er ab.

In das harte, schmetternde Krachen der 38er Waffe mischte sich noch einmal das Donnern des anderen Colts. Aber der zuckende Pulverblitz enthüllte Jess Hillary bereits das Bild eines zusammengekrümmten Mannes, der sich weit nach vorn beugte. Gleich darauf drang ein heiserer Seufzer durch die Dunkelheit, gefolgt von einem dumpfen Fall.

In diesen entscheidenden Augenblicken arbeitete Jess Hillarys Verstand mit einer fast hellsichtigen Klarheit und sah die Folgen voraus, falls er in diese Geschichte hineingezogen wurde. Er ließ den Revolver ins Halfter zurückgleiten, knöpfte seinen Rock zu und rannte los. Er hatte schon wieder die Einfahrt des Mietstalls erreicht und fiel in Schritt, als hinter ihm in der Dunkelheit Stimmen laut wurden.

Der Hof war verlassen. Anscheinend versorgte Tom, der Stallhelfer, nun die beiden Gespannpferde. Hillary nahm denselben Weg, den er gekommen war, und betrat zwei Minuten später die Tavern durch den Vordereingang.

Es waren nur vier oder fünf Gäste anwesend. Sie saßen an einem Tisch in der Nische, führten eine gedämpfte Unterhaltung und beschäftigten sich mit den Braten-Sandwiches. Der Klavierspieler in der Ecke machte in Stimmungsmusik. Enoch, der Barkeeper, entkorkte gerade eine Flasche und Fay Duncan sortierte das Wechselgeld in der Kasse. Sie blickte auf, als Jess Hillary an das Ende der Mahagoni-Theke trat.

»Nichts«, sagte Hillary achselzuckend. »Ich habe ihn nicht mehr gesehen. Es wird wohl so gewesen sein, wie Sie vermuteten, Fay.«

Die Frau warf einen Blick zu den Gästen hinüber.

»Gott sei Dank, Jess«, murmelte sie. »Ich dachte schon ...« Sie brach ab und setzte erst nach einer Pause zögernd hinzu: »Gerade eben ist irgendwo geschossen worden.«

»Yeah«, gab Hillary beiläufig zurück, »ich hab's auch gehört. Wird sicher wieder so ein übermütiger Bursche gewesen sein, der Dampf ablassen musste.«

Gelassen nahm er an dem Spieltisch Platz, den er in der Tavern gemietet hatte.

✰✰✰

Wider Erwarten kam etwa eine Stunde später doch eine Poker-Partie in Gang. Ein Trailboss, mit dem Hillary schon zwei Tage zuvor gespielt hatte, kam wieder, um Revanche zu verlangen, und brachte zwei Bekannte mit. Er winkte großzügig ab, als Hillary ihm mehrere Päckchen mit neuen Karten hinschob, damit er die Siegel überprüfen konnte. Wenig später war das Spiel in vollem Gange, und es fanden sich gleich mehrere Zuschauer ein.

Fay Duncan hatte sich zu den Gästen in der Nische gesellt. Auch Enoch bekam an seiner Bar Beschäftigung. Ein halbes Dutzend Trailmen hatte sich in die Tavern verirrt, anscheinend um ihre Neugier zu befriedigen. Das konnte man aus den Blicken schließen, die sie verstohlen zu Fay Duncan hinüberwandern ließen.

Zum Glück befanden sie sich erst am Anfang ihrer abendlichen Runde durch die Etablissements von Syracuse und waren noch vollkommen nüchtern. Sie würden die gedämpfte Atmosphäre der Tavern bald langweilig finden und den Lockungen der Liberty Road erliegen.

Da der Trailboss und seine Freunde gegen Hillary nichts ausrichten konnten, verloren sie bald die Lust am Spiel.

So konnte Jess Hillary seinen Spieltisch verlassen und bezog einen Platz an der Bar, sobald auch die etwas lauten Trailmen die Tavern verlassen hatten.

Eine Viertelstunde später betrat Marshal Steve Cochrane das Lokal. Er trat zu dem Spieler und lehnte seine verkürzte Schrotflinte in die Ecke.

»Was ich gesagt habe«, murmelte er so, dass nur Hillary ihn verstehen konnte. »Den ersten Toten haben wir schon, einen Burschen, der sich in den letzten zwei Wochen an der Riverside herumtrieb. Er wurde in einer dunklen Gasse beim Schlachthaus erschossen.«»Und der Täter?«

Der Marshal zuckte mit den Achseln und nahm von Enoch seinen Whisky-Soda in Empfang.

»Der hatte sich bereits aus dem Staub gemacht. Es wird wohl einer von den ungeklärten Fällen bleiben, genau wie jener Mord an der Riverside, der vor drei Wochen ...«

»Vielleicht, Steve«, unterbrach ihn der Spieler. »Aber vielleicht auch nicht. Könntest du für eine Minute vergessen, dass du einen Blechstern auf der Weste trägst?« Er bemerkte den verwunderten Blick Steve Cochranes, als dieser sein Glas an die Lippen führte, und setzte erklärend hinzu: »Es ist nichts Ungesetzliches, falls du das vermuten solltest.«

»Ich vermute gar nichts«, entgegnete der Marshal. »Als Kartenhai weißt du selbst am besten, wann du ein Blatt aufdecken kannst, nicht wahr?«

Jess Hillary schaute sich verstohlen um. Enoch bediente am anderen Ende der Bar, und auch sonst war kein Lauscher in der Nähe.

»Ich habe den Burschen erschossen«, sagte der Spieler im Tonfall gleichmütiger Unterhaltung. »Es war Notwehr. Und ich habe mich nur davongemacht, um lästigen Fragen aus dem Weg zu gehen und gewissen Leuten keinen Anhaltspunkt zu liefern.«

Steve Cochrane setzte ruhig sein Glas ab. Nur sein schnaufender Atemzug zeigte seine Überraschung.

»Kannst du mir das etwas näher erklären, Jess?«

»Sicher.« Der Spieler senkte den Kopf und berichtete kurz von seinen Wahrnehmungen beim Eintreffen an Fays Tavern. Als er auf Ambrose Morfitt zu sprechen kam, strafften sich die Schultern des Marshals.

»Du glaubst demnach, dass er doch bei Fay gewesen ist?«, stieß Steve Cochrane rau hervor.

Hillary ahnte den bevorstehenden Ausbruch und hütete sich, darauf eine klare Antwort zu geben.

»Ich sagte nur, dass Fay und Enoch angeblich nichts davon wissen«, gab er beherrscht zurück. »Andererseits gibt es auch keinen Zeugen dafür, dass er durch die Passage gekommen ist. Bei jedem anderen Kerl hätte ich mich kaum dafür interessiert, aber bei einem verschlagenen Pilger wie Amb Morfitt liegen die Dinge doch anders. Immerhin gibt es in Syracuse eine ganze Reihe von Töpfen, in denen er seine ungewaschenen Finger hat.«

»Weiter!«, knurrte der Marshal und verzichtete auf jeden Kommentar. »Du bist ihm und den beiden anderen Burschen also gefolgt?«

»Ich bin durch die Passage zum Mietstall gegangen«, erwiderte der Spieler. »Dann habe ich mich unauffällig zum Bahngelände gewandt.«

»Du wolltest ihnen den Weg abschneiden?«

»Dazu war es zu spät. Aber ich wollte ihnen wenigstens auf den Fersen bleiben, weil ich herauszufinden hoffte, was sie hier bei der Tavern gesucht hatten. Leider waren sie schon weg. Doch einen Burschen hatten sie an der Ecke der Schlachthausgasse zurückgelassen, und das ist wohl der beste Beweis, dass sie wirklich etwas zu verbergen hatten. Der Mann hatte sich unter der Außentreppe eines Lagerschuppens an der Ecke versteckt und schaute in die Richtung, aus der ich hätte kommen müssen, wenn ich Amb Morfitt auf direktem Weg gefolgt wäre.

So wurde er durch mein Auftauchen überrascht, und ich bekam eine Chance. Er schoss sofort und ließ mir keine andere Wahl. Ich bin gleich verschwunden, ehe jemand durch die Schüsse angelockt wurde und mich erkannte. – Genügt diese Erklärung?«

Steve Cochrane warf ihm einen nachdenklichen Blick zu.

»Bei jedem anderen hätte ich noch gewisse Zweifel, bei dir nicht«, murmelte er widerwillig. »Du hättest ja nur den Mund zu halten brauchen, nicht wahr?«

»Stimmt. Genau diese Überlegung hatte ich bei dir erwartet, Mister.«

Es war zwischen ihnen so etwas wie ein wortloses Einverständnis. Der Marshal drehte sich um und fixierte die Gesellschaft in der Nische, die soeben in lautes Gelächter ausbrach, in das auch Fay Duncan mit einstimmte. Im Grunde gab es gegen ihr Verhalten nichts einzuwenden, und doch schien es Steve Cochrane nicht zu behagen, denn seine Miene verdüsterte sich.

Die Frau schien seine Blicke zu spüren, ein Schatten flog über ihr Gesicht, als sie herüberschaute. Sie nickte nur kurz und wurde dann wieder von ihren Gästen in Anspruch genommen.

»Und was, glaubst du, steckt nun wirklich hinter der Geschichte?«, fragte der Marshal rau.

»Glauben ist vielleicht zu viel gesagt«, erwiderte Jess Hillary. »Es ist höchstens eine Ahnung oder ein vager Verdacht, und auch der ist mir wahrscheinlich nur gekommen, weil einige Geschäftsleute in Syracuse Erpresserbriefe bekommen haben wollen.«

Ruckartig wandte Steve Cochrane den Kopf.

»Du meinst diese Beschützer-Gilde, Jess?«

»Bei einem hartgesottenen Kartenhai und Revolvermann wie Amb Morfitt ist es nicht ausgeschlossen, dass er an einem solchen Unternehmen beteiligt ist. Vielleicht will Fay es nicht wissen, dass sie bereits von der Bande unter Druck gesetzt wird. Damit ließe sich manches erklären.«

»Amb Morfitt«, knirschte der Marshal. »Wenn das stimmt, Jess ...«

Er führte den Satz nicht zu Ende und klemmte einen Zipfel seines Robbenbarts zwischen die Lippen.

Cochrane setzte sich in Bewegung und ging auf die Nische zu. Fay Duncan sah ihn kommen. In ihrer Miene zeigte sich eine jähe Anspannung, als sie sich erhob, eine Entschuldigung murmelte und dem Marshal entgegenkam.

»Ärger, Steve?«, fragte sie leise.

Die Rechte des Marshals zerknüllte den Hutrand.

»Haben Sie eine Minute Zeit für mich, Fay?«, stieß er rau hervor. »Ich hätte da etwas mit Ihnen zu besprechen.«

»Muss das jetzt sein?« Fay Duncan deutete auf den Tisch, den sie gerade verlassen hatte. »Sie sehen doch ...« Sie zögerte und setzte in verändertem Tonfall hinzu: »Nun gut, dann kommen Sie, Steve.«

Der Marshal folgte ihr durch die Tür neben der Bar. Über den Gang erreichten sie den Raum im Anbau, der Fay Duncan als Büro und Wohnraum diente. Auf einem zierlichen Sessel, von einem Wandschirm halb verborgen, lagen noch ein paar Kleidungsstücke, die die Frau rasch forträumte. Dann deutete sie auf einen Stuhl und begab sich hinter den kleinen Schreibtisch.

Einen Moment lang stand Steve Cochrane hilflos da und drehte seinen Hut in den Händen.

»Nein«, murmelte er mit belegter Stimme, »ich kann nicht so mit Ihnen reden, als ob es sich um Geschäfte oder irgendwelchen dienstlichen Kram handelte, Fay.«

Fay Duncan starrte ihn verwundert an.

»Ich verstehe Sie nicht ganz, Steve. Keine Geschäfte und nichts Dienstliches? Worüber wollen Sie dann mit mir sprechen?«

Der Marshal senkte den Kopf.

»Sie wissen ganz genau, wie sehr ich Sie verehre, Fay«, murmelte er betreten. »Es ist mir nicht gegeben, Süßholz zu raspeln und schöne Worte zu machen. Ich bin eben ein ziemlich unbeholfener Bursche und sicher nicht gerade ein Mann jener Sorte, von dem Frauen träumen. Aber ich würde Ihnen jeden Wunsch von den Augen ablesen und Sie auf Händen tragen, Fay. Sie passen nicht in eine solche Umgebung, nicht einmal in ein solides Lokal wie die Tavern.

Damals, als Sie einen Kredit brauchten und ich für Sie gebürgt habe, da hatte ich mir das alles gar nicht so richtig überlegt. Es ist mir erst später aufgegangen, als ich Sie vorn an der Bar sah, wie Sie aufgeblasenen Texanern und Viehaufkäufern mit dicken Brieftaschen schöne Augen machen mussten, um Ihr Geschäft in Gang zu halten. Am liebsten würde ich jeden dieser Burschen ...«