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Als die Horseshoe-Ranch unter der Führung des schwer verletzten David Cameron am Rande des Untergangs steht und die alten Revolvermänner nur noch auf ihren Vorteil bedacht sind, scheint alle Hoffnung verloren - bis ein Fremder auftaucht: Dallas. Ein schweigsamer Mann mit undurchschaubarem Lächeln, der mit dem Wurfmesser schneller ist als andere mit dem Colt. Doch allein gegen die Bande skrupelloser Revolverhelden des Spanish Fork ist selbst er kaum mehr als ein Spielball im brodelnden Weidekrieg des Divide Basin. Als plötzlich der verschollene Bruder Cliff Cameron - einst verstoßen, nun ein entschlossener Kämpfer - zurückkehrt, eskaliert der Konflikt und eine erbarmungslose Fehde nimmt ihren Lauf ...
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Seitenzahl: 156
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Inhalt
HORSESHOE-FEHDE
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Impressum
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Inhaltsverzeichnis
Inhaltsbeginn
Impressum
Als die Horseshoe-Ranch unter der Führung des schwer verletzten David Cameron am Rande des Untergangs steht und die alten Revolvermänner nur noch auf ihren Vorteil bedacht sind, scheint alle Hoffnung verloren – bis ein Fremder auftaucht: Dallas. Ein schweigsamer Mann mit undurchschaubarem Lächeln, der mit dem Wurfmesser schneller ist als andere mit dem Colt.
Doch allein gegen die Bande skrupelloser Revolverhelden des Spanish Fork ist selbst er kaum mehr als ein Spielball im brodelnden Weidekrieg des Divide Basin. Als plötzlich der verschollene Bruder Cliff Cameron – einst verstoßen, nun ein entschlossener Kämpfer – zurückkehrt, eskaliert der Konflikt und eine erbarmungslose Fehde nimmt ihren Lauf ...
David Cameron hatte eben von Anwalt Lester Baldwin erfahren, dass seine Revolvermannschaft in der Stadt herumlungerte, statt seine Weiden zu beschützen, als sein Blick sich überrascht auf den Durchgang zur Halle richtete.
Dort stand ein Mann lässig gegen den Türrahmen gelehnt und den speckigen, verbeulten Stetson aus der Stirn geschoben. Zu seinen hochschäftigen indianischen Mokassins trug er Leggins und ein Jagdhemd aus ehemals hellem Buckskin, die inzwischen vom Abwischen fettiger Finger alle möglichen Schattierungen angenommen hatte.
So ungefähr mussten die legendären Prärie- und Bergläufer der Hirschlederbrigade ausgesehen haben, deren berühmteste Vertreter Buffalo Bill und Jim Bridger waren. Das verwegene Piratengesicht des Burschen zeigte ein träges, schläfriges Grinsen. An seiner Schulter war der Griff eines Wurfmessers zu sehen, das in einer Nackenscheide des ledernen Jagdhemds getragen wurde. Der Fremde schaute zuerst die beiden Männer, dann Lorna Baldwin, die Schwester des Anwalts, an, ehe er sich mit einer knappen Bewegung an den Hutrand griff und schleppend grüßte:
»Hallo.«
David Cameron räusperte sich.
»Wie sind Sie hier hereingekommen, Mann? Und was wollen Sie?«
»Ich wollte mich bemerkbar machen, aber es war niemand in der Halle«, murmelte der Fremde. »Und was meine Absichten betrifft – ich habe mir sagen lassen, dass auf der Horseshoe-Ranch vielleicht ein paar schnelle Leute gebraucht würden.«
Unschlüssig warf David Cameron einen Blick auf Anwalt Baldwin.
»Mister«, fauchte der und runzelte die Brauen, »hierzulande pflegt man in Anwesenheit einer Lady seinen Hut abzunehmen. Und dann, was verstehen Sie unter ›schnellen Leuten‹?«
Die Lippen des Fremden zuckten amüsiert, als er Lorna Baldwin zublinzelte. Anschließend fuhr seine Hand in die Höhe und sein Hut segelte durch die Luft zu jener Stelle, wo zwischen den Bücherregalen an der Holzvertäfelung zwei Garderobenhaken angebracht waren. Ein flirrender Blitz folgte ebenso wie ein dumpfer, pochender Laut. Der Hut hing an der Wand, aber nicht an einem Haken, sondern haargenau in der Mitte dazwischen. Er war dort mit einem wippenden Wurfmesser festgenagelt.
»Das meinte ich damit«, sagte der Fremde ironisch und setzte grinsend hinzu: »Entschuldigen Sie, Miss, ich wollte Sie nicht erschrecken.«
Lorna Baldwins Miene war kühl und beherrscht wie immer. Nur in ihren Augen zeigte sich ein erwachendes Interesse für diesen piratengesichtigen Burschen, der seine Schnelligkeit so eindringlich unter Beweis gestellt hatte. Ihr Bruder hingegen war blass geworden und zog die Unterlippe zwischen die Zähne.
Das funkelnde Wurfmesser war höchstens zwei Spannen neben seinem Kopf vorübergezischt, sodass er den Lufthauch gespürt hatte. Dabei war er vollkommen irritiert, weil der gerillte Messergriff noch immer an der Schulter des Fremden hervorragte. Doch dann kam Lester Baldwin die Erleuchtung: Was er für den Griff gehalten hatte, waren offenbar die Griffe mehrerer schmaler, dicht aneinander liegender Messer, von denen der Fremde nur eines geschleudert hatte.
»Übrigens«, sagte der Mann, »mein Name ist Dallas.«
»Gehen Sie zum Teufel«, knurrte Lester Baldwin verärgert.
Dallas richtete den Blick auf David Cameron und zeigte wieder sein schläfriges Blinzeln.
»Soll das schon die Antwort auf mein Angebot sein?«
»Nein«, erwiderte Cameron hastig. »Sie sind ihm nur ein bisschen auf die Nerven gegangen.«
Ohne auf Lester Baldwins grimmiges Nicken zu achten, setzte er hinzu: »Sie suchen also einen gutbezahlten Job und würden dabei auch vor einer rauen Arbeit nicht zurückschrecken?«
»Sie sagen es, Sir«, gab der Texaner gedehnt zurück.
David Cameron nickte befriedigt.
»Dann bringen Sie Ihre Sachen ins Mannschaftsquartier und suchen Sie sich eine Bunk. Über alles andere reden wir später.«
»Entschuldigung«, sagte Dallas und schob den Anwalt höflich zur Seite. Dann zog er das Messer aus der Holzvertäfelung, begutachtete melancholisch das Loch in der Krempe seines Huts und ging hinaus.
✰✰✰
Dallas schnallte gerade die Deckenrolle vom Sattel des zottigen, lehmgelben Wallachs, als ein schiefrückiger Gnom aus dem Schlafhaus trat, den Kopf über die Schulter wandte und mit dünner, unangenehmer Stimme meldete: »Dieser verrückte Pilger scheint es tatsächlich geschafft zu haben. Ich frage mich bloß, was er sich von diesem Job verspricht.«
Nur ein Grunzlaut aus dem Quartier war die Antwort. Dallas hatte bereits seine Satteltaschen geschultert und kam auf den Eingang zu.
»Geh mir aus dem Weg, Hombre«, sagte er gleichmütig. »Ich mag es nicht, wenn mir Zwerge zwischen die Beine geraten.«
Earnie Fogg, der Gnom, schnappte nach Luft, um im nächsten Moment eine Reihe gemeiner Flüche und Verwünschungen hervorzusprudeln. Noch ehe er damit zu Ende kam, musste er eilig zur Seite springen, um nicht mit der Deckenrolle, die Dallas unter den Arm geklemmt hatte, über den Haufen gerannt zu werden. Hinter dem Texaner betrat er das Schlafhaus und schien seine Schimpfkanonade erneut aufnehmen zu wollen, aber Dallas' hartes, unversöhnliches Grinsen ließ ihn verstummen.
Brett Meeker, ein hohlwangiger, stoppelbärtiger Bursche, hockte mit angezogenen Beinen auf einem Stuhl in der Ecke, den er gegen die Wand gekippt hatte. Seine Absätze waren hinter die Sprosse gehakt, sodass er mühelos das Gleichgewicht halten konnte.
Jake Dewey, sein feister Kumpan, saß am Tisch, säbelte Rauchfleisch in mundgerechte Brocken und ließ ein Stück nach dem anderen hinter seinen Zähnen verschwinden. Beide starrten Dallas wortlos an, und er gab diesen Blick unbewegt und ebenso stumm zurück, ehe er sich den doppelstöckigen Bunks zuwandte.
In diesem Raum gab es sechs Betten. Mit dem zielsicheren Instinkt eines Mannes, der in Mannschaftsunterkünften schon so manche Erfahrung gesammelt hatte, wählte Dallas die untere Bunk in der Ecke und legte seine Satteltaschen und die Deckenrolle darauf ab.
»So ein Pech«, sagte Brett Meeker gedehnt, ohne seine kauernde Haltung auf dem Stuhl zu verändern. »Das ist mein Bett, Mister.«
Dallas richtete sich auf, drehte sich um und lächelte.
»So ein Pech«, echote er. »Jetzt ist es meins, und je eher du dich damit abfindest, umso besser ist das für deinen Seelenfrieden.«
Mit einem Schlag herrschte eine angespannte Atmosphäre, auch wenn die Anzeichen scheinbar ganz harmlos waren. Jake Dewey ließ die Hand mit dem Messer auf den Tisch sinken und hörte auf zu schlucken. Earnie Fogg lehnte sich neben der Tür an die Wand, eingerahmt von Lassos und Ledergeschirr, das dort an Haken aufgehängt war.
Brett Meeker kippte mit seinem Stuhl nach vorn, scharrte beim Aufstehen mit den Füßen über den Boden und verzog den Mund zu einem schiefen Grinsen.
»Ich verstehe«, murmelte er mit falscher Freundlichkeit. »Du gehörst zu der ganz harten Sorte, die nie auch nur einen Schritt zurückweicht, stimmt's?«
»So ungefähr«, Dallas lächelte und stützte sich mit der ausgestreckten Linken gegen das Bett. »Ein paar kleine Ungelegenheiten werdet ihr doch sicher gern in Kauf nehmen, oder?«
»Natürlich«, murmelte Brett Meeker bereitwillig. Der Blick, den er mit seinen beiden Partnern wechselte, redete jedoch eine andere Sprache. »Du hast doch nichts dagegen, wenn ich meine Decken und das Kopfkissen austausche?«
»Im Gegenteil«, versetzte Dallas trocken. »Ich hätte sie ohnehin hinausgeworfen.«
Brett Meeker zuckte mit den Achseln. Er schien sich damit abgefunden zu haben, dass von nun an in diesem Quartier ein anderer den Ton angeben würde. Mit gesenktem Kopf schlurfte er heran. Seine großen Chihuahua-Sporen klirrten.
Der piratengesichtige Texaner zeigte noch immer sein doppelbödiges Lächeln und schickte sich an, dem hohlwangigen Burschen Platz zu machen, damit er seine Sachen wegräumen konnte. Brett Meeker bückte sich und zerrte seine Decken von der Matratze.
»Mister«, tönte Earnie Fogg von der Wand her, »hast du gar keine Angst, dass dir bei diesen langen Schritten eines Tages die Hose platzt?«
Dallas blinzelte schläfrig zu ihm hinüber. In diesem Moment geschah es: Ohne sich erst aufzurichten, sprang ihn Brett Meeker geduckt von der Seite her an. Das Kleeblatt war blendend aufeinander eingespielt, denn zur selben Zeit schnellte Jake Dewey mit einem Grunzlaut von der Bank hinter dem Tisch auf, und Earnie Fogg schnappte mit erstaunlicher Gewandtheit nach seinem Colt. Aber dann kam alles anders, als die drei Hartgesottenen es sich vorgestellt hatten.
Im Bruchteil einer Sekunde zuckte das Knie des Texaners in die Höhe und traf Brett Meeker mit voller Wucht ins Gesicht, noch ehe dieser richtig hatte zupacken können. Der Bursche wurde bis in die Ecke zurückgeschleudert. Blut schoss ihm aus der angeschlagenen Nase, und er gab ein Gurgeln von sich.
Es wurde übertönt von einem schrillen Quieken aus Earnie Foggs Kehle. Der Gnom starrte aus fassungslos geweiteten Augen auf seine Rechte, aus deren Handrücken plötzlich ein Wurfmesser hervorragte. Jake Dewey stand da und brachte keinen Laut über die Lippen. Sein Mund war geöffnet, seine feisten Wangen waren erschlafft, und die Augen drohten ihm aus dem Kopf zu quellen. Wie unter einem magischen Zwang gingen seine Hände ganz langsam in die Höhe.
»Das ist aber nicht die feine englische Art, Leute«, murmelte Dallas und lächelte noch immer. »Irgendwie scheint hier ein Missverständnis vorzuliegen. Es hätte fast dazu geführt, dass ich eurem Freund, dem feisten Pilger dort, eine Kugel in seinen stupiden Schädel geschickt hätte. Ich wette, die hätte darin geklappert wie eine Erbse in einer Kokosnuss.«
Jake Dewey konnte die Blicke nicht von dem museumsreifen Peacemaker-Colt losreißen, der locker und spielerisch in der Hand des Texaners lag und dabei auf seine Gürtelschnalle gerichtet war.
»Nein«, ächzte er, »tu doch bloß das Schießeisen weg, Mister! Es war doch alles nur ein Spaß.«
»Yeah«, gab der Texaner trocken zurück, »so hatte ich es auch aufgefasst. Übrigens könnt ihr mich Dallas nennen, Freunde.«
Mit einer Geschicklichkeit, die an Zauberei grenzte, ließ er den langläufigen Peacemaker wieder verschwinden, war mit ein paar lautlosen Schritten bei dem Gnom angelangt und zog ihm das Wurfmesser aus der Hand. Earnie Fogg wimmerte nur noch leise vor sich hin.
»Am besten gehst du ein bisschen an die frische Luft, Hombre«, schlug Dallas ungerührt vor. »Dasselbe möchte ich auch deinen Partnern empfehlen.«
Brett Meeker hatte sich wieder aufgerappelt. Benommen und mit leicht glasigen Augen wischte er sich das Blut von der Nase. Als ihn der Blick des Texaners traf, tappte er unsicher zur Tür. Jake Dewey verschwand wie ein geprügelter Bullenbeißer. Zuletzt wankte auch Earnie Fogg hinaus. Zweifellos hatte das Kleeblatt noch nie eine solche Abfuhr erlitten und konnte nicht begreifen, was sich hier innerhalb weniger Augenblicke abgespielt hatte.
Dallas säuberte sein Wurfmesser, schob es in die Nackenscheide zurück und sah sich im Raum um. Das Quartier war reichlich verwahrlost. Es roch nach Schweiß und Leder, nach abgestandenem Tabaksqualm, Brandy und muffigen, schlecht gelüfteten Kleidungsstücken, die überall an Wandhaken oder an den Bunks hingen.
Der Texaner riss die beiden Fenster auf. Ein zufriedenes Lächeln spielte um seine Lippen, als er zur Wagenremise und zu den Ställen hinüberblickte. Gerade war er im Begriff, sich abzuwenden, als draußen Hufschlag erklang. Eine ganze Mannschaft ritt in den Hof und schwenkte vor der Sattelkammer an den Holm.
Jake Dewey hastete zu ihnen hinüber und redete auf sie ein, noch ehe sie abgesessen waren. Dabei schien er sich besonders an zwei Männer zu wenden. Der eine von ihnen war groß, besaß ein kantiges Gesicht und buschige, dunkle Brauen, die über der Nasenwurzel zusammengewachsen waren und einen durchgehenden, drohenden Strich bildeten. Seine gestreifte Hose steckte in den üppig mit Ziernähten versehenen Stiefeln, und dazu trug er trotz der warmen Witterung eine grässlich karierte Jacke.
Der andere hatte ein langes Pferdegesicht, das von einer Narbe am linken Kinnwinkel verunstaltet wurde, und dunkle, unstete Augen. Er führte die Zügel seines Pferdes mit der rechten Hand und ließ die knochige Linke auf dem Schenkel ruhen. Wenn er den Mund beim Sprechen öffnete, zeigte sich im Oberkiefer eine große Zahnlücke, die ihm einen tückischen Ausdruck verlieh.
Die drei anderen Burschen gehörten zu jener Sorte von Revolverhelden und hartgesottenen Satteltramps, die weniger an einer soliden Arbeit als an einem bequemen Job interessiert waren. Kerle dieses Typs fand man überall dort, wo eine Fehde oder ein Weidekrieg im Gange war.
Mit einem Schlag spannten sich die Züge des Texaners wieder. Er langte in die Brusttasche seines Buckskinhemds, klemmte sich einen Zahnstocher zwischen die Lippen und trat ins Freie. Dort stellte er lässig einen Fuß auf die Bank, die sich neben der Tür unter dem Vordach befand.
Die Erklärungen Jake Deweys hatten bereits Erfolg. Die Männer schwangen sich aus den Sätteln, ließen die Pferde am Holm zurück und kamen zum Schlafhaus herüber. An der Spitze jene beiden Burschen, die offensichtlich die Anführer des Rudels waren.
Der feiste Jake Dewey hielt sich jetzt wohlweislich im Hintergrund. Acht oder zehn Schritte vor Dallas blieb der Mann in der Mackinaw-Jacke stehen und schlug herausfordernd die Schöße zurück, sodass die beiden 36er Pattersons im Kreuzgurt sichtbar wurden. Es waren ziselierte Waffen mit vierzölligem Lauf. Finster blickte der Bursche Dallas an.
»Ich bin Owen Murdock«, sagte er unheilverkündend und legte sofort eine bedeutungsvolle Pause ein, ehe er mit dem Daumen auf seinen Nebenmann deutete und hinzufügte: »Und das ist Bruce Madden. Manche Leute nennen ihn auch ›Mad Bruce‹.«
»Macht ja nichts«, entgegnete der Texaner freundlich. »Man soll einem Menschen niemals seinen Namen verübeln.«
Bruce Madden schien Humor zu besitzen, doch es schien sich dabei um schwarzen Humor zu handeln; er grinste, aber dieses Grinsen wurde durch seine Zahnlücke empfindlich gestört.
»Mister«, erwiderte Owen Murdock hart, »deine Sorte kenne ich. Ich habe schon öfter mit Pilgern zu tun gehabt, die ihre Zunge galoppieren lassen. Aber bei mir kommt das nicht an. Verstehst du?«
»Ich bin ja nicht taub«, murmelte Dallas mit einem Lächeln und spuckte einen Splitter seines Zahnstochers zur Seite. »Und weiter?«
Murdock fuhr sich mit dem Handrücken unter dem Kinn entlang, als ob er prüfen wollte, ob er gut rasiert war. Selbst diese harmlose Geste hatte bei ihm etwas Bedrohliches.
»Die Sache ist die«, erwiderte er mit sturer Beharrlichkeit, »bis jetzt war sich diese Mannschaft stets in allen Punkten einig.«
»Wie schön«, der Texaner nickte. »Und sicher bestimmt ihr – du und Madden –, welche Punkte das sind.«
»Es hat sich nun mal so ergeben«, entgegnete Owen Murdock unbewegt, »und wir haben keine Lust, daran etwas zu ändern. Auch nicht für so einen verrückten Hecht wie dich.«
»Das ist begreiflich.«
»Nicht wahr?« Owen Murdocks Augen verengten sich. »Deshalb würde ich das an deiner Stelle auch nicht auf die leichte Schulter nehmen. Einen Burschen wie Earnie Fogg kannst du vielleicht mit deinen Messerkünsten aufs Kreuz legen. Bei Madden und mir solltest du das besser nicht versuchen. Eine Kugel ist immer noch schneller als so ein verdammtes Wurfmesser.«
»Bist du dir da ganz sicher, Murdock?«
Das Gesicht Owen Murdocks wurde noch kantiger.
»Yeah, absolut. Und jetzt hör mit gut zu, Mister. Es ist Camerons Sache, einen neuen Mann einzustellen, und niemand wird es dir verübeln, wenn du dir auch von diesem saftigen Braten eine dicke Scheibe abschneiden willst. Wir drängen uns nicht gerade danach, mit einem weiteren Partner zu teilen, trotzdem ist noch genug für alle da. Es gibt hier im Becken rund viertausend Rinder mit dem Horseshoe-Brand.«
Der lauernde Gesichtsausdruck seines Gesprächspartners konnte Dallas nicht entgehen.
»Yeah, das sollte wirklich reichen.«
Diese Antwort schien Owen Murdock zu befriedigen. Er wechselte einen Blick mit seinem Nebenmann und fuhr grollend fort: »Aber wir sind schon länger auf dieser Weide und kennen uns aus. Und deshalb bestimmen wir auch die Regeln dieses Spiels. Du wirst wenig Freude erleben, wenn du dich nicht daran hältst, Mister. Ist das klar genug ausgedrückt?«
»Ganz bestimmt, Murdock.« Dallas schien erleichtert zu sein, dass die Angelegenheit so glimpflich verlief. Nur die Fältchen an seinen Augenwinkeln hätten einen scharfen Beobachter nachdenklich gestimmt, als er hinzusetzte: »Und wann ist es so weit?«
Owen Murdock vollführte eine abwehrende Geste.
»Das wirst du schon rechtzeitig erfahren. Der Topf fängt erst allmählich an zu kochen. Bis er richtig überläuft, werden wir noch warten müssen. Oder hast du es so eilig?«
Dallas wurde einer Antwort enthoben, weil sich drüben am Ranchhaus die große Tür zur Terrasse öffnete. David Cameron hing mehr schlecht als recht in seinem Rollstuhl und wurde von Hosiah, einem Schwarzen, ins Freie geschoben. Camerons Gesicht war dunkel angelaufen, und über seiner Nasenwurzel standen zwei steile Falten.
»Murdock!«, rief er scharf.
Mit einer Trägheit, die herausfordernd und unverschämt wirkte, drehte sich der stiernackige Revolvermann um.
»Yeah?«
David Cameron fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Anscheinend musste er erst innerlich Anlauf nehmen.
»Hatte ich nicht befohlen, dass ihr heute auf den Coyote Flats und in den Breaks arbeitet?«, stieß er hervor.
Owen Murdocks Blick fiel auf den Anwalt, der nun ebenfalls in der geöffneten Tür erschien. Ihm wurde klar, dass es hier nichts mehr zu verschleiern gab. Umso stärker kehrte er seine Anmaßung hervor: »Kann sein, Cameron. Wenn ich mir's recht überlege, dann haben Sie vielleicht so etwas gesagt.«
David Camerons Schläfenadern schwollen an. Verkniffen starrte er auf die Burschen, deren verstockte Haltung so etwas wie eine geschlossene Front gegen ihn erkennen ließ. Dann nahm er seine Zuflucht zu beißendem Sarkasmus.
»Und wie sieht es in den Breaks aus?«
»Nicht viel anders als in den letzten Tagen, vermute ich«, gab Owen Murdock schleppend zurück. »Man weiß ja, dass Jeb Tyler und Adley Bronson jeden Satteltramp hinausschicken, den sie nur auftreiben können. Neuerdings scheint auch Orville Prentiss mit im Spiel zu sein. Jedenfalls hat er eine ganze Wagenladung Stacheldraht für einen Treibzaun in die Breaks schaffen lassen, wie man in der Stadt hört.«
»Tatsächlich?« David Camerons Stimme überschlug sich. »Anstatt meine Befehle auszuführen und diesen Kerlen zu zeigen, dass die Breaks noch immer Horseshoe-Weiden sind, treibt ihr euch also in Cimarron herum und sitzt in der Bar von Fat Annie. Habt ihr dafür wenigstens eine Entschuldigung?«
Murdock und sein pferdegesichtiger Partner tauschten einen Blick. Bruce Madden zuckte mit den Achseln und benutzte seine Zahnlücke, um zielsicher nach einem Rossapfel zu spucken.
»Wozu?«, knurrte er verdrossen. »Was sollen fünf Mann in den Breaks, wenn die anderen schon mehr als zwanzig Figuren auf die Beine stellen?«
Sekundenlang raubte es David Cameron die Sprache. Dann brach es in einem zornigen Schwall aus ihm hervor:
»Und warum zahle ich euch schon seit Wochen einen Kämpferlohn? Damit ihr vor einer Bande von hergelaufenen Strolchen und Satteltramps auskneift wie feige Kojoten? Oder bildet ihr euch etwa ein, ich würde ...«
»Einen Moment, Cameron«, fiel ihm Owen Murdock rau ins Wort. »So redet man nicht mit uns. Nicht mit dieser Mannschaft. Wenn Sie glauben, dass Sie ohne uns zurechtkommen – harte Brocken werden in diesem Becken gesucht. Bei Orville Prentiss finden wir jederzeit einen ebenso gut bezahlten Job. Auf einen keifenden Krüppel und diese lausige Horseshoe-Ranch sind wir nicht angewiesen.«