H. C. Hollister 25 - H.C. Hollister - E-Book

H. C. Hollister 25 E-Book

H. C. Hollister

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Beschreibung

Das westliche Montana der 1890er-Jahre wird von den Fieberschauern einer neuen Entwicklung durchgerüttelt. Es ist bevölkert von Minern und Cowboys - und in ihrem Gefolge von skrupellosen Spekulanten, Glücksrittern und Revolverhelden.
Dies hier ist die Geschichte von Lester Sundance, einem harten Mann, der unbeeindruckt von Korruption und hassvollen Nachstellungen seinen Weg geht. Er ist es, der eine wilde Stadt gegen alle Widerstände zur Ruhe bringen und ihr den Weg zu einer gesunden Entwicklung ebnen will.
Livingston ist diese Stadt, die einen Saloon besitzt, der als "bucket of blood" - Bluteimer - im ganzen Westen traurigen Ruhm erlangen sollte, und die durch Calamity Jane, jenem tollen Mannweib der Grenze, bekannt wurde.


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Inhalt

Cover

Canyon der Verratenen

Vorschau

Impressum

Canyon der Verratenen

Das westliche Montana der 1890er-Jahre wird von den Fieberschauern einer neuen Entwicklung durchgerüttelt. Es ist bevölkert von Minern und Cowboys – und in ihrem Gefolge von skrupellosen Spekulanten, Glücksrittern und Revolverhelden.

Dies hier ist die Geschichte von Lester Sundance, einem harten Mann, der unbeeindruckt von Korruption und hassvollen Nachstellungen seinen Weg geht. Er ist es, der eine wilde Stadt gegen alle Widerstände zur Ruhe bringen und ihr den Weg zu einer gesunden Entwicklung ebnen will.

Livingston ist diese Stadt, die einen Saloon besitzt, der als »bucket of blood« – Bluteimer – im ganzen Westen traurigen Ruhm erlangen sollte, und die durch Calamity Jane, jenem tollen Mannweib der Grenze, bekannt wurde.

Lester Sundance erkennt die Kavalleriepatrouille erst, als sie dicht vor ihm aus einer Hügelfalte kommt. Er sieht die Schwenkung, die die Patrouille vollführt, und hält an. Achtzig Pferdehufe trommeln auf den Boden und wirbeln eine Staubwolke auf, die wie eine graue Fahne hinter der Kolonne hängt.

Lester tätschelt seinem Grauschimmel den Hals, legt dann die Hände über das Sattelhorn und wartet ruhig ab. Wie ein Indianer sitzt er im Sattel, mit lang herabhängenden Beinen und eingesunkener Brust. Aber diese lässige, vollkommen gelöste Haltung kann nicht über die Kraft seines hageren Körpers hinwegtäuschen.

In seinem scharfgeschnittenen, lederhäutigen Gesicht blitzen Augen, die so grau sind wie der Bodennebel an einem Herbstmorgen und so hart wie Obsidian.

Dreißig Meter von dem einsamen Reiter entfernt, hebt der Offizier der Patrouille die Hand. Zwanzig Pferde kommen hinter ihm zum Stehen. Lester Sundance blickt auf den blauweißen Wimpel. Mit einiger Mühe kann er die gelbe Zahl 4 und dahinter ein großes C entdecken. Der Offizier kommt herangetrabt.

»Leutnant MacKinnan ...« Der Offizier hebt grüßend die behandschuhte Rechte an die Hutkrempe und pariert dicht vor Lester sein Pferd.

»Von der vierten Kavallerie, C-Kompanie«, ergänzt Lester. »Ich weiß schon, Leutnant. Ich bin Lester Sundance. Was kann ich für Sie tun?«

»Was Sie für uns tun können, ist gut«, sagt MacKinnan sarkastisch. »Seien Sie froh, wenn wir nichts für Sie zu tun brauchen. Fall Sie es noch nicht wissen sollten, Sie befinden sich hier im Indianergebiet. Die Cheyennes gehen nicht gerade rücksichtsvoll mit Leuten um, die die Grenzen ihres Territoriums missachten.«

»Das habe ich mir fast gedacht, Leutnant MacKinnan«, entgegnet Lester ungerührt. »Doch leider muss ich eine Verabredung einhalten. Außerdem werden Sie mir nicht erzählen wollen, dass ich der einzige Weiße bin, der im Indianerland herumreitet. Ich bin nicht ganz unerfahren im Umgang mit unseren roten Brüdern. Machen Sie sich also keine Sorgen um mich.«

»Trotzdem muss ich Sie darauf hinweisen, dass Sie auf eigene Gefahr weiterreiten, Mister«, beharrt der Offizier. »Ich habe keine Möglichkeit, Ihnen das Eindringen in dieses Gebiet zu verbieten, aber glauben Sie nicht, dass die Armee Ihretwegen eine Strafexpedition unternimmt, wenn die Cheyennes Ihnen mit dem Tomahawk den Scheitel ziehen.«

»Vielen Dank für die freundliche Aufklärung, Leutnant.« Lester Sundance lächelt sanft. »Ich nehme an, dass ich Ihnen keine Mühe bereiten werde. Wenn Sie mir allerdings mit einer Auskunft behilflich sein könnten ...«

»Fragen Sie schon!«

»Ich suche einen Canyon, dessen Eingang durch einen nadelspitzen hohen Felsen markiert ist. Er soll sich etwa dreißig Meilen östlich von Livingston in den Fork Mountains befinden.«

Das Gesicht des Offiziers legt sich in bittere Falten. Er schnauft durch die Nase und knurrt: »Auch das noch! Was wollen Sie im Needle-Canyon?«

»Ich sagte es schon – eine Verabredung.«

Misstrauisch mustert MacKinnan das Gesicht seines Gegenübers.

»Das muss eine seltsame Verabredung sein.« Er schüttelt verwundert den Kopf. »Aber wenn Sie unbedingt Ihren Skalp loswerden wollen, dann reiten Sie ruhig weiter nach Osten. Immerhin sollte es Ihnen eine Warnung sein, dass wir vor drei Wochen in diesem Canyon ein paar Männer begraben haben, die wohl ebenso große Narren waren wie Sie. Es waren Prospektoren, die nach Gold suchten. Aber die Cheyennes haben sie mit Blei bedient.«

Lester Sundance horcht auf. Unruhe zeichnet sich in seinem Gesicht ab.

»Es waren Digger, sagten Sie?«, fragt er betroffen.

»Ja«, sagt der Offizier. »Wir haben zwar im weiten Umkreis keine Schürfstelle gefunden, aber sie hatten Hacken und Schaufeln bei sich, Waschpfannen und auch Dynamitpatronen. Wahrscheinlich haben sie nur im Needle-Canyon campiert und sind von den Rothäuten überrascht worden. Wollen Sie es sich nicht doch anders überlegen, Mister?«

Lester Sundance presst die Lippen zusammen und schüttelt den Kopf.

»Ich muss Sie enttäuschen, Leutnant. Jetzt erst recht nicht. Vielen Dank für Ihre Auskunft.«

Damit zieht er seinen Grauschimmel herum, nickt dem Offizier noch einmal zu und reitet an.

»Wieder einer von diesen unbelehrbaren Starrköpfen«, knurrt MacKinnan vor sich hin, während er langsam zu seinem Trupp zurückreitet. Von der Spitze der kleinen Kolonne her blickt ihm ein ergrauter Sergeant gespannt entgegen.

»Ärger, Leutnant?«, fragte der Sergeant.

»Was sonst! Diese Narren werden alle verrückt bei der Aussicht, irgendwo hier im Westen von Montana auf eine ergiebige Goldader zu stoßen. Dafür nehmen sie jedes Risiko in Kauf. Zum Teufel, dass wir für solche Fälle keine größeren Vollmachten haben!«

»Es wäre nutzlos, Leutnant«, sagt der Sergeant. »Oder wollen Sie mit einem einzigen Zug Kavallerie eine Grenze von mehr als hundert Meilen Länge abriegeln und überwachen? Ich glaube eher, dass die hohen Herren gar kein Interesse daran haben, das Indianergebiet zu schützen. Heute wird den Rothäuten ein Gebiet für alle Zeiten zugesichert, aber schon im nächsten Jahr entdecken ein paar Glücksritter irgendwelche Bodenschätze, und schon fühlt sich der große Vater in Washington berechtigt, seine roten Söhne wieder zu verpflanzen. Natürlich wehren sie sich dagegen, und das ist dann ein Grund zu einer großen Strafexpedition. Es kann einem speiübel werden, wenn man bedenkt, für welchen Dreck die Armee herhalten muss.«

MacKinnan sieht die angewiderte Grimasse, die der Sergeant schneidet, und sagt: »Ich würde diese Ansicht nicht zu laut äußern, Gannaway. Höheren Ortes sieht man die Dinge anders.«

»Ja, immer durch die Brille, die zu der jeweiligen Situation passt! Was kann mir schon passieren, Leutnant? Ich bin der älteste Sergeant dieser Armee, aber weil ich nicht lesen und schreiben kann, werde ich es nicht weiterbringen. Da nützt es auch nichts, wenn man die Dienstvorschriften auswendig kennt und über die Indsmen besser Bescheid weiß als jeder andere.«

Sergeant Hiob Gannaway schweigt voller Erbitterung. Die Kolonne setzt sich wieder in Bewegung, und erst eine halbe Stunde später nimmt Gannaway den Faden wieder auf.

»Ist Ihnen an dem Gaul des Fremden nichts aufgefallen, Leutnant? Er sah so aus, als ob er geradewegs aus Captain Bensons Greyhorse-Schwadron stammte.«

»Ja, das ist mir auch aufgefallen«, bestätigt MacKinnan. »Der Wallach war ziemlich vernarbt. Diesem Burschen glaube ich es sogar, dass er sich mit Rothäuten auskennt, denn bestimmt rühren einige der Narben von Indianerpfeilen her. Das linke Ohr des Pferds war so gespalten, dass es praktisch nur noch aus ein paar Fransen bestand.«

»Ich werde verrückt! Hat Ihnen der Mann seinen Namen genannt, Leutnant?«

MacKinnan überlegt einen Augenblick.

»Warten Sie mal, ich glaube, es war Lester – und dann kam ein Name mit S.«

»Lester Sundance! Leutnant, es gibt keinen Zweifel. Das war Lester Sundance mit seinem Fransenohr. Der Gaul ist in der halben Armee bekannt. Haben Sie denn nie von ihm gehört?«

»Ich weiß nicht recht«, sagt MacKinnan unsicher.

»Dass ich diese Gelegenheit versäumt habe, den Mann kennenzulernen, der noch vor ein paar Jahren als bester Scout der Armee galt!«, sagt Gannaway und fummelt dabei mit seiner Hand aufgeregt am stoppeligen Kinn herum. »Sie haben ja keine Ahnung, Leutnant, was ein solcher Mann für einen alten Nussknacker wie mich bedeutet. Er hatte den Mut, nach seiner Überzeugung zu handeln. Ich habe immer zu sehr an meine Pension gedacht.«

»Los, erzählen Sie schon, Mann!«, drängt MacKinnan. »Sie machen es verdammt spannend.«

»Ich will Ihnen keine Legenden erzählen, obwohl es eine ganze Menge davon gibt«, beginnt Gannaway zu berichten. »Hören Sie nur die Tatsachen: Anno 1876, vor sechs Jahren also, war er Scout bei Bensons Greyhorse-Schwadron. Er kann damals erst zwanzig oder einundzwanzig Jahre alt gewesen sein. Die Erfolge der Schwadron in den Indianerkämpfen waren nicht zuletzt seiner Kundschafter-Arbeit zuzuschreiben.

General Terry wurde auf ihn aufmerksam und machte ihn zum Chefscout. Sie kennen die Geschichte, wie Custer mit seinem Regiment den vereinigten Teton-Stämmen am Little Big Horn in die Falle ging. Lester Sundance hatte eine Warnung ausgesprochen. Auf sein Drängen hin stieß auch Terry mit seiner Kolonne in Eilmärschen zum Little Big Horn vor. Doch außer Bensons Greyhorse-Schwadron bestand seine Einheit nur aus Infanterie. Sie kam zu langsam vorwärts. Als sie auf dem Schlachtfeld eintraf, war es schon zu spät. Die Dakotas hatten zweihundertsiebenundsiebzig Mann abgeschlachtet.

Lester Sundance fand das einzige Lebewesen, das dieses Massensterben überstanden hatte. Es war Comanche, das Pferd von Captain Keogh. Wenn man auf Sundances Warnung gehört hätte, wäre das alles vermieden worden. Nun, Sie wissen ja, welches Kesseltreiben dann gegen die Indsmen in Gang gebracht wurde. Sundance hatte seine eigene Meinung darüber. Er kämpfte gegen die Rothäute, wenn es nötig war, aber er sprach ihnen nicht die Existenzberechtigung ab.

Ihm stand eine glänzende Karriere in der Armee offen. Er verzichtete darauf und nahm seinen Abschied, weil er mit den Methoden der hohen Herren nicht einverstanden war. Sehen Sie, Leutnant, das ist der Mut, der mir immer gefehlt hat. Er fragte nicht nach den Folgen, sondern ging den Weg seiner Überzeugung. Nach seinem Abschied von der Armee tauchte er in Kansas und Arizona auf. Er hat wilde Camps zur Ruhe gebracht und noch rauere Städte gebändigt. Überall hat er seine Zeichen hinterlassen, und auf jedes davon kann er stolz sein.

Was hinterlassen wir, Leutnant? Worauf können wir stolz sein? – Wie mich das alles ankotzt! Könnten Sie nicht einen Augenblick lang in eine andere Richtung sehen, damit ich diesen schalen Geschmack aus dem Mund spülen kann, Leutnant?«

Leutnant Scott MacKinnan tut seinem alten Sergeant den Gefallen und wendet den Kopf so lange zur Seite, bis Hiob Gannaway die flache Flasche mit dem im Dienst verbotenen Whisky wieder in seiner Satteltasche verstaut hat.

✰✰✰

Gegen Nachmittag erreicht Lester Sundance die ersten Hänge der Fork Mountains. Unermüdlich trabt sein Wallach in einem raumgreifenden Trott dahin. Wie ein riesiger grauer Präriewolf wirkt der Grauschimmel. Er ist gewiss nicht schön und hat eckige Bewegungen. Dazu lässt er den Kopf zu tief hängen und hebt seine Hufe zu wenig vom Boden. Aber Lester kennt die Vorzüge dieses Trotts. Er weiß, dass der Wallach stundenlang dieses Tempo beibehalten kann, ohne zu ermüden. Er weiß auch um die anderen Vorzüge seines vierbeinigen Kameraden, und deshalb ist »Fransenohr« für ihn das prächtigste Pferd der Welt. Die Instinkte des Pferds sind so ausgeprägt, dass es weder bei Nacht noch im dicksten Schneesturm die Richtung verliert, in die es sein Reiter einmal gelenkt hat.

Die Geschichte des Leutnants MacKinnan will ihm nicht aus dem Kopf. Kann es Zufall sein, dass ausgerechnet im Needle-Canyon, wie der Offizier ihn nannte, mehrere Digger den Rothäuten in die Hände gefallen sind?

Schon jetzt ist Lester Sundance von dunklen Vorahnungen erfüllt. Aber seine Aufmerksamkeit gilt deshalb nicht weniger als sonst seiner Umgebung. Er verlässt sich nicht allein auf die feine Witterung des Wallachs. Cheyennes, die sich auf dem Kriegspfad befinden, haben nämlich häufig die Angewohnheit, sich gegen den Wind zu nähern. Da würde selbst die Nase eines Spürhunds nichts nützen.

Weit zu seiner Rechten sieht Lester schließlich eine spitze Felsnadel emporragen. Fast eine halbe Stunde lang wird er sich noch seinen Weg durch das zerklüftete Gelände suchen müssen, ehe sich das dunkle Maul eines Canyons vor ihm auftun wird. Es gibt keinen Zweifel, das muss der Needle-Canyon sein.

Die gespannte Wachsamkeit des Reiters überträgt sich auf das Pferd. Der Wallach setzt seine Hufe nun vorsichtiger. Es gibt nur einen Umstand, der diesen trostlosen Canyon für ein Camp geeignet erscheinen lässt: er bietet ein sicheres Versteck und gute Verteidigungsmöglichkeiten gegen einen Überraschungsangriff.

Hohl werfen die Felswände das Klappern der Pferdehufe zurück. Endlich, schon über zwei Meilen ist Lester dem gewundenen Lauf des Canyons gefolgt, erblickt er vor sich eine kesselartige Erweiterung. Der Bodenbewuchs wird wieder dichter. Lester ist am Ziel seines langen Ritts. Vergebens hält er nach einem lebenden Wesen Ausschau. Er sieht nichts als bizarr geformte Steinbrocken, aufragende Felswände und ein paar Büsche.

Aber halt, was ist das dort drüben? Geschmeidig gleitet er aus dem Sattel und geht zu der Stelle hinüber, an der er den hellen Fleck entdeckt hat. Lester ist ein hochgewachsener und breitschultriger Mann mit wettergegerbtem Gesicht und den schmalen Hüften eines Reiters. Hochbeinig gleitet er mit weichen Schritten vorwärts.

Noch bevor er die Inschrift auf dem hellen Brett entziffert hat, das in dem steinigen Erdaufwurf steckt, entdeckt er weiter hinten noch zwei andere Grabhügel. Sie alle sind mit rohen, hellen Kistenbrettern gekennzeichnet, auf die eine ungelenke Hand einige Buchstaben und Ziffern gemalt hat.

Lester hockt sich nieder und entziffert die Inschrift des ersten Bretts. Der Name sagt ihm nichts. Das Todesdatum liegt drei Wochen zurück. Voller Unruhe geht er hastig zu den beiden anderen Hügeln, da springt ihm der Name förmlich in die Augen: Don Avery, gest. 18. Juni 1882.

Lesters Schultern sinken für einen Augenblick herab. Seine Lippen werden zu einer bitteren Kerbe. Er hockt sich auf einen großen Steinbrocken und starrt düster auf den schmucklosen Grabhügel. Aus dem steinigen Boden vor ihm scheint eine Gestalt emporzuwachsen: ein dunkelhaariger Mann, groß und breitschultrig. Sein kantiges Gesicht mit den weit herabgezogenen Bartkoteletten ist in einem leichtsinnigen Grinsen erstarrt.

Es ist eine Art stumme Zwiesprache, die Lester mit diesem Mann hält. Dabei wird er sich darüber klar, dass Don Avery niemals im eigentlichen Sinne sein Freund war. Dazu waren ihre Charaktere zu verschieden. Dennoch hatte er den dunkelhäutigen, hübschen Don irgendwie gemocht. Immer war er von dem undeutlichen Gefühl erfüllt gewesen, den Leichtsinn dieses Burschen im Zaum halten zu müssen. Und dann ging es doch eines Tages schief, weil Don Avery zu rasch mit seinem Revolver bei der Hand war. Es war dank Lesters Bemühungen keine Staatsaktion daraus geworden. Er hatte dem Gemeinderat und dem Richter der Stadt, deren Marshal-Stern er trug, klargemacht, dass es Übermenschliches zu fordern hieße, wenn man von einem Gesetzesbeamten erwartete, dass er auch in Augenblicken höchster Gefahr alle Folgen seiner Handlungsweise vorausberechnen sollte. Ja, Don Avery hatte im Dienst einen Mann erschossen – unnötig, wie sich später herausstellte. Obwohl Lester von seiner eigenen Argumentation nicht ganz überzeugt war, hatte er schlimmere Folgen von seinem Deputy-Marshal Don Avery abwenden können. Doch er konnte nicht verhindern, dass Don den Stern des Hilfsmarshals ablegen musste.

Als geborener Glücksritter ging Don mit seinem ewig leichtsinnigen Grinsen darüber hinweg. Auch Lester hatte einige Zeit später den Stern abgelegt, weil er seine Handlungsfreiheit als Marshal zu sehr eingeschränkt sah. Leichtgefallen war es ihm nicht.

Er hatte Don aus den Augen verloren. Aber dann war ihm eines Tages ein Brief nachgeschickt worden, der jetzt noch in seiner Brusttasche knistert. In seiner eleganten, steilen und selbstbewussten Handschrift schrieb ihm Don, dass er endlich die große Chance gefunden habe. Er besitze zwar nur ein Viertel Anteil, aber auch dieser Bruchteil werde ihn zum reichen Mann machen. Nur wenige Schwierigkeiten gelte es noch zu überwinden, aber dazu sei ein Mann erforderlich, der in Indianerfragen bewandert sei. Deshalb werde er, Lester Sundance, in einem Canyon dreißig Meilen östlich von Livingston erwartet. Er könne den Ort nicht verfehlen, weil der Eingang des Canyons durch einen spitzen Nadelfelsen gekennzeichnet sei. Vier Wochen bleibe dieses Angebot bestehen, und wenn er, Lester Sundance, es annehmen sollte, sei er aller Sorgen auf Lebenszeit enthoben.

Dies alles ergibt für Lester ein glattes Bild. Natürlich handelte es sich bei der großen Chance um eine Goldader oder etwas Ähnliches. Um sie auszubeuten, waren Sprengungen erforderlich, die den Diggern sämtliche Cheyennes in zwanzig Meilen Umkreis auf den Hals geholt hätten. Es galt also mit den Indsmen ein Abkommen zu schließen. Gewöhnlich gab es eine ganz bestimmte Basis für dieses Geschäft: Die Rothäute gestatteten ihnen Arbeit auf ihrem Gebiet und erhielten dafür Whisky oder auch Waffen und Munition. In allen Fällen war es ein schmutziges Geschäft.

Es ist ganz klar, dass die Digger einen Mann brauchten, um diese Partnerschaft mit den Cheyennes anzubahnen. Schließlich konnte man nicht einfach in das Tipi eines Häuptlings treten, um zu sagen: Hallo, wir haben einen Claim auf deinem Gebiet und wollen ihn ausbeuten.

Je mehr Lester darüber nachgrübelt, umso sicherer ist er, dass es so gewesen sein muss, doch ein Rest von Unbehagen bleibt bei ihm. Er hat das Gefühl, einen Denkfehler gemacht zu haben.

Er wirft einen sichernden Blick in die Runde, bevor er sich erhebt und suchend umherzuschlendern beginnt. Es ist eine routinemäßige Suche, ohne dass er sich dabei eine wirkliche Erfolgschance ausrechnet. Seine Ausbeute ist dementsprechend mager. Er findet ein deformiertes Stückchen Blei, ein Geschoss, das sich an den Felsen abgeplattet hat.

Bei einem zufälligen Blick auf einen Busch entdeckt er unter den Ästen am Boden einen alten, verbeulten Stetson. Was kann ihm ein alter Hut schon helfen, den nicht einmal die Rothäute des Mitnehmens für wert befanden? Gedankenlos schlenkert er ihn in der Hand und kehrt zu seinem alten Platz zurück. Wo steckt der Fehler, den er gemacht hat?

Seine instinktive Wachsamkeit bringt ihn auf den richtigen Gedanken. Er mustert die umliegenden Felswände. Ein Mann, der daran hinauf- oder herunterklettern wollte, müsste sich vorkommen wie eine Fliege im Milchtopf. Und der Canyon bietet einem Feind ebenfalls keine Gelegenheit, sich ungesehen zu nähern. Lester trifft diese Feststellungen zu seiner eigenen Sicherheit.

Plötzlich ist dann die Gedankenverbindung da. Wenn es für die Cheyennes keine Möglichkeit unbemerkter Annäherung gab, wie ist dann ihr überraschender Überfall zu erklären? Die Lösung ist einfach: Sie mussten bereits einen Hinterhalt vorbereitet haben, als die Digger hier eintrafen. Das wiederum setzte voraus, dass sie über den Weg unterrichtet waren, den die Männer einschlagen würden.

Lester sträubt sich vor der letzten Konsequenz, sucht nach anderen Lösungen und kommt doch immer wieder zum gleichen Schluss: Hier muss Verrat im Spiel gewesen sein.

Sofort bricht eine neue Erkenntnis über ihn herein. Don Avery hatte von einem Viertel Anteil geschrieben.

Das bedeutet, dass vier Männer an dem Geschäft beteiligt waren. Aber es gibt nur drei Gräber in diesem Canyon, den Lester Sundance bereits den »Canyon der Verratenen« nennt. Drei Männer mussten ihr Leben lassen, weil ein vierter die große Chance allein ausnutzen wollte. Er wird diesen Verräter finden und zur Rechenschaft ziehen. Nicht nur deshalb, weil Don Avery unter den Verratenen war. Nein, es läuft seiner ganzen Wesensart zuwider, einem Unrecht tatenlos zuzusehen oder ein Verbrechen ungesühnt zu lassen.