H. C. Hollister 33 - H.C. Hollister - E-Book

H. C. Hollister 33 E-Book

H. C. Hollister

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Beschreibung

Lance Sullivan hat eine lange Fährte gezogen, ehe er sich mit einem schweigsamen Navajo und Silver, dem unheimlichen Wolfshund, in den Cliffs am Rande der Staked Plains niederlässt und auf einer kleinen Ranch Wildpferde zu zähmen beginnt. Doch selbst hierher folgt ihm die Vergangenheit. Sie kommt mit Nolan Ferry und einem höllischen Rudel, das in diesem gesetzlosen Land fette Beute wittert.
Der erste Schlag der Bande gilt der riesigen Kronen-Ranch, der zweite gilt Lance Sullivan. Man hält ihn für einen Verräter, der die Rustler ins Land rief, und so wird er von den Ranchern wie von den Banditen gejagt. Nur für einen toten Lance Sullivan ist im Land noch Platz. Zwei Kugeln strecken ihn am Tor seines Hauses nieder, und der Navajo schaufelt ihm eine Grube hinter der Ranch. Doch vielleicht gelingt es einem "Toten", was Lebende nicht vermögen: Eines Tages ist Lance Sullivan wieder da, und dann hält er Abrechnung mit seinen Mördern ...


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Inhalt

Cover

Unter dem Horizont

Vorschau

Impressum

Unter dem Horizont

Lance Sullivan hat eine lange Fährte gezogen, ehe er sich mit einem schweigsamen Navajo und Silver, dem unheimlichen Wolfshund, in den Cliffs am Rande der Staked Plains niederlässt und auf einer kleinen Ranch Wildpferde zu zähmen beginnt. Doch selbst hierher folgt ihm die Vergangenheit. Sie kommt mit Nolan Ferry und einem höllischen Rudel, das in diesem gesetzlosen Land fette Beute wittert.

Der erste Schlag der Bande gilt der riesigen Kronen-Ranch, der zweite gilt Lance Sullivan. Man hält ihn für einen Verräter, der die Rustler ins Land rief, und so wird er von den Ranchern wie von den Banditen gejagt. Nur für einen toten Lance Sullivan ist im Land noch Platz. Zwei Kugeln strecken ihn am Tor seines Hauses nieder, und der Navajo schaufelt ihm eine Grube hinter der Ranch. Doch vielleicht gelingt es einem »Toten«, was Lebende nicht vermögen: Eines Tages ist Lance Sullivan wieder da, und dann hält er Abrechnung mit seinen Mördern ...

Es gibt keine erholsamere Beschäftigung als zuzuschauen, wenn andere arbeiten. Und die »anderen« arbeiten wirklich nicht schlecht. Denn in steinigen und von der Sonne hartgebackenen Böden Pfostenlöcher zu graben, bedeutet eine ziemliche Anstrengung. Der Zuschauer jedoch, der die beiden Männer aus schläfrigen Augen beobachtet, hat sich in den Schatten gestreckt, blinzelt in das grelle Sonnenlicht und gibt von Zeit zu Zeit einen zufriedenen Grunzlaut von sich.

Einer der Männer legt die Hacke beiseite, richtet sich auf und wischt sich mit dem Unterarm den Schweiß von der Stirn. Dann schaut er zu dem Beobachter hinüber und knurrt grinsend:

»Weiß Gott, wir hätten dich nicht mitnehmen sollen, Boy. Es ist eine Schande, dich so faul daliegen zu sehen, während einem selbst der Schweiß den Rücken hinunterläuft.«

Mit ruhigen Schritten geht er zu einem Pfostenstapel und greift nach einer filzüberzogenen Blechflasche.

Im Nu ist der Beobachter auf den Beinen und trottet dorthin. Und als wolle er seine Durstqualen deutlicher zum Ausdruck bringen, lässt er die rote Zunge weit aus dem Hals hängen und hechelt zum Steinerweichen.

Lance Sullivan blickt auf den großen Wolfshund – den Beobachter – hinab, löst den Schraubverschluss der Flasche und trinkt in kleinen Schlucken.

Silver, der graue Wolfshund, fängt ungeduldig an zu winseln. Aber Lance Sullivan scheint taub zu sein. Daraufhin schnellt Silver plötzlich empor, stemmt die Vorderpfoten gegen die Brust des Mannes und hechelt ihm beinahe ins Gesicht.

Lance schmunzelt und muss sich kräftig gegen seinen vierbeinigen Partner stemmen, um nicht aus dem Gleichgewicht zu geraten; denn obgleich Silver zäh und sehnig wirkt, dürfte er gut und gern siebzig Pfund wiegen. Sein Körperbau und insbesondere die Läufe und Brust sind kräftig. Sein Gebiss, die hellen Lichter und die furchterregenden Reißzähne erinnern an einen Wolf.

»Aah, du hast Durst«, versetzt Lance schließlich lachend. »Warum sagst du das nicht gleich!«

Mit virtuoser Geschicklichkeit fängt der Wolfshund den dünnen Wasserstrahl auf, den Lance Sullivan langsam herabplätschern lässt. Ein paarmal schnappt Silvers Zunge, dann trottet er befriedigt an seinen Platz zurück.

»Yeah, du hast es gut, Boy«, grunzt Lance Sullivan und schaut ihm lächelnd nach.

»Aber er weiß es nicht«, versetzt hinter ihm eine kehlige Stimme mit hartem Akzent. Lance wendet sich um und reicht seinem Begleiter die Flasche, einem bronzehäutigen jungen Mann, dessen edles Profil und verschleierte dunkle Augen ihn als einen Angehörigen des Stammes der Navajo-Indianer ausweisen. Er trägt Hosen – besser gesagt Leggins – aus gegerbtem Hirschleder, dazu Mokassins. Bis auf eine ärmellose und vorn geöffnete Weste aus kunstvoll verarbeiteter Schafwolle ist sein Oberkörper nackt. Um den linken Oberarm trägt er einen aus Kupfer geschmiedeten Reif. Seine Bewaffnung besteht lediglich aus einem Jagdmesser, das an der linken Hüfte befestigt ist. Insgesamt strahlt seine Erscheinung eine gewisse Würde aus, wie sie dem friedlichen und kunstfertigen Volk der Navajos zu eigen ist.

Nachdem er getrunken hat, reicht er die Flasche zurück und erklärt:

»Bald wandern die Schatten nach Osten, Lance. Wir dürfen uns nicht mehr lange aufhalten, sonst werden wir die Pferdeherde vergrämen, bevor sie uns in die Falle gegangen ist.«

Lance Sullivan richtet die Blicke zur gigantischen Kuppe des El Capitan Peak hinauf.

»Das habe ich auch schon gedacht, Ringo«, erwidert er. »Bei Sonnenuntergang werden die Tiere zur Tränke kommen. Mindestens eine Stunde vorher müssen wir hier verschwunden sein, damit wir sie nicht beunruhigen. Die Pfosten werden ihnen schon genug Unbehagen bereiten. Auf jeden Fall müssen wir verhindern, dass sie sich eine andere Wasserstelle suchen. Eine solche Gelegenheit wie in diesem Canyon werden wir nie mehr wiederfinden.«

Ringo schüttelt ernst den Kopf. Natürlich ist das nicht sein wirklicher Name, aber nachdem Lance sich an dem indianischen Namen ein halbes Dutzend Mal die Zunge verrenkt hatte, ging er zu dieser ähnlich klingenden Bezeichnung über, und der Indianer akzeptierte es mit dem Gleichmut seiner Rasse.

»Nein, eine solche Gelegenheit nicht und ein so zahlreiches Wildpferderudel auch nicht«, entgegnet er. »Gute Tiere, Lance, zu schade, um sie zu verkaufen. Man sollte mit ihnen eine Zucht anfangen.«

Lance Sullivan blickt überrascht auf, als der Indianer seine eigenen Gedanken ausspricht.

»Genau das hatte ich vor, Ringo. Wir werden die ausgehobenen Löcher jetzt noch besetzen, und dann machen wir Schluss. Ich will noch bei den Webbs vorbei und in die Stadt.«

Er lässt seinen Worten die Tat folgen, geht zu dem Pfostenstapel und trägt einen der rohbehauenen Stämme zu dem ersten Loch der langen Reihe, die sich quer durch die Canyonmündung zieht. Ringo blickt ihm nach, ehe auch er sich in Bewegung setzt. Er sieht einen geschmeidigen, hochgewachsenen Mann, dessen gebräunte Hautfarbe seiner eigenen nicht viel nachsteht. Lance Sullivan hat die schmalen Hüften und die kaum merklich gekrümmten Beine eines Reiters, dabei jedoch breite Schultern und keineswegs jenen etwas unbeholfenen Gang, wie er sattelgewohnten Männern hierzulande oftmals zu eigen ist. Er trägt abgeschabte und von der Arbeit verstaubte Weidekleidung, wie sie in dieser Ecke von Texas, nahe der Grenze von New Mexico und dem Llano Estacado, üblich ist. Sein scharfgeschnittenes Gesicht wirkt kühn und verwegen, und seine hellgrauen Augen scheinen durch die Dinge hindurchzusehen. Schon oftmals hat Ringo beobachtet, dass sein Boss gedankenverloren zum fernen Horizont starrt. Dann schleicht sich manchmal ein seltsamer und unbestimmbarer Ausdruck in seine Züge, als ob es dort unsichtbar in weiter Ferne etwas gäbe, was er zu fürchten hätte.

Dabei hat der Indianer guten Grund zu der Annahme, dass Lance Sullivan jede Furcht fremd ist – oder dass er sie schon vor langer Zeit überwunden hat. Wollte man einen abgedroschenen Ausdruck gebrauchen, könnte man sagen, dass er ein harter Bursche ist, dem viele Kämpfe ihr Siegel aufgeprägt haben und der sicherlich an vielen Orten seine Zeichen hinterlassen hat.

Was für Ringo jedoch mehr als alles andere einen Schluss auf Lance Sullivans Charakter zulässt, ist sein Verhältnis zu Silver, dem grauen Wolfshund. Daran, dass Lance seine Zuneigung auf karge und manchmal unbeholfene Weise ausdrückt, glaubt Ringo zu erkennen, dass der Kern dieses Mannes gut sein muss.

An alle diese Dinge denkt der Indianer, während er sich in Bewegung setzt und sich mit Lance zusammen an das Feststampfen der Pfosten macht. Sie arbeiten beharrlich eine Stunde lang, während sich die Sonne immer tiefer dem westlichen Horizont entgegenneigt. Dann ist es geschafft. Zwei Drittel der Canyonmündung, die von steilen Hängen flankiert wird, ist mit Pfosten versehen. Es wird noch einen weiteren Tag Arbeit kosten, um auch das restliche Drittel einzugraben und schließlich die vorbereiteten Querstangen anzubringen, doch dann wird dieser Fluchtweg für das Wildpferderudel versperrt sein.

Weiter hinten im Canyon, wo eine schmale Seitenschlucht noch eine zweite Fluchtmöglichkeit bietet, haben sie schon ein schwenkbares Gatter vorbereitet. Wenn keine unvorhergesehenen Ereignisse eintreten, wird die kleine Pferderanch Lance Sullivans in drei bis vier Tagen höchst erfreulichen Zuwachs erhalten.

Eine knappe Stunde vor Sonnenuntergang brechen sie auf. Sie haben das Werkzeug bei dem Pfostenstapel zurückgelassen. Die Pferde, die im Schatten der Canyonwand angehobbelt waren, greifen weit aus, und Silver muss sich tüchtig strecken, um nicht hoffnungslos abgehängt zu werden.

Obgleich er in einer Missionsschule aufwuchs, hängt Ringo an seiner althergebrachten Kleidung und indianischen Gebräuchen. Nur in einem Punkt macht er ein Zugeständnis an die Überlegenheit des weißen Mannes: er reitet im Sattel. Beide Männer scheinen mit ihrem Pferd verwachsen zu sein, passen sich jeder Bewegung der Tiere an und wirken dennoch so ungezwungen, als ob ihnen dies alles nicht die geringste Mühe bereite.

Nach etwa acht Meilen hält Lance im seichten Wasser eines versandeten Bachs an und lässt seinem Pferd die Zügel locker, damit es saufen kann. Ringo tut es ihm nach, und Silver, der wenig später eintrifft, nimmt die Gelegenheit wahr, um ausgiebig im Wasser herumzuplantschen.

»Also dann ...«, murmelt Lance und macht eine unbestimmte Handbewegung. »Du brauchst nicht mit dem Essen zu warten, Ringo. Ich denke, dass es bei den Webbs oder sonst wo in der Stadt etwas für mich geben wird.«

»Ja, das denke ich auch«, erwidert der Indianer kehlig, und in seiner Stimme schwingt ein spöttischer Unterton mit, der Lance misstrauisch aufblicken lässt. Doch er weiß, dass sich hinter der stoischen Miene seines Begleiters ein ausgesprochener Sinn für Humor verbirgt.

Lance rutscht nur unbehaglich im Sattel herum und murmelt:

»Aah, was ist denn dabei, wenn ein Mann irgendwo zum Essen eingeladen wird?«

»Nichts, Lance«, erwidert Ringo hintergründig, »nur – es ist dumm, wenn das an zwei Stellen gleichzeitig geschieht – und von zwei Mädchen, die sich möglicherweise eines Tages darüber unterhalten werden. Welche von beiden wirst du dann belügen, Lance?«

»Keine von beiden!«, versetzt Lance entrüstet, um nach einer Weile einschränkend hinzuzufügen: »... wahrscheinlich ...«

In Ringos Augen tanzen übermütige Funken, da wirft Lance Sullivan ärgerlich den Kopf zurück und schnaubt: »Verdammt, was kann ich dafür, wenn Jolly und Mildred mir beide schöne Augen machen?«

Ringo starrt gelassen in die Ferne, wo der Horizont in orangefarbener Glut aufflammt. »In meinem Volk gibt es einen alten Spruch: Weide deine Augen an der Schönheit deiner Squaw; denn richtest du sie auf andere, so werden sie dir ausgekratzt.«

Lance schüttelt den Kopf und bemerkt dazu:

»Hut ab vor deinen weisen Ahnen, mein Freund, nur wird mir ihre Weisheit auch nicht aus diesem Dilemma helfen – ich kann es ja selbst nicht einmal ...«

Der Schimmer eines Lächelns huscht über Ringos Gesicht.

»Die Weisheit kommt mit dem Alter«, erklärt er. »Und wenn man erst alt ist, ist es auch nicht mehr schwer, Frauen gegenüber weise zu sein. An deiner Stelle würde mir die Wahl auch schwerfallen, weißer Bruder. Gehe hin, ich werde auf dich warten.«

Obgleich er die Sprache der Weißen ausgezeichnet beherrscht, ist Ringo in die feierliche Ausdrucksweise seines Volkes verfallen. Lance zwinkert dem Indianer zu und murmelt:

»Ich werde nicht lange auf mich warten lassen, Ringo. So long!«

Damit legt er seinem Pferd die Schenkel an und trabt los, während Ringo ihm lächelnd nachblickt und in eine andere Richtung abbiegt.

Silver steht einen Augenblick lang unschlüssig. Zwar hebt er witternd die Nase und späht anhaltend hinter Lance her, aber da er kein Kommando bekommen hat, fasst er einen salomonischen Entschluss und folgt keinem der beiden Reiter, sondern verschwindet in den Cliffs, einem zerklüfteten, buschbestandenen Landstrich mit Schluchten, Arroyos und Felsen, von dem er weiß, dass er dort ein ausgezeichnetes Jagdgebiet für Kaninchen, Präriehunde und Chipmunks antreffen wird.

Die Sonne ist schon unter dem Horizont verschwunden, als Lance Sullivan auf der Webb-Ranch – der Kronen-Ranch, wie sie im County genannt wird – eintrifft. Der Name ist durch das Brandzeichen von Cedrick Webb entstanden. Es zeigt einen kleinen Balken und darauf ein großes W, wodurch ein Bild entsteht, das verblüffende Ähnlichkeit mit einer Krone hat. Das Hauptquartier der Ranch, in dessen Hof Lance nun einreitet, besteht aus mehreren Adobe-Bauten im spanischen Stil. Vor dem langgestreckten weißen Wohnhaus spenden zwei ausladende Walnussbäume Schatten. Noch jetzt, da die Sonne bereits vom Himmel verschwunden ist, glaubt man die wohltuende Kühle zu spüren, die sie verbreiten.

Vom Gesindehaus kommt ein mexikanischer Peon herüber und ergreift die Zügel des Pferds.

»Buenos dias, Señor«, murmelt er. »Der Patron ist beim Essen mit der Señorita und Señor Stotthart. Soll ich Sie anmelden?«

Im selben Moment wird am Wohnhaus ein Fenster geöffnet und eine raue Stimme ruft: »Ah, lass diesen Firlefanz, Gonzales! Kommen Sie rein, Sullivan, wir haben Sie schon gehört!«

»Danke, Webb!«, ruft Lance zurück. »Gedulden Sie sich einen Augenblick. Ich bin ziemlich verstaubt und möchte mich etwas auffrischen!«

»In Ordnung!«, klingt wieder die raue Stimme; aber was im Anschluss daran gemurmelt wird, versteht Lance als ›Brechen Sie sich nur keine Verzierung ab!‹ Er grinst, und während das Fenster geschlossen wird, geht er zu dem kleinen plattenbelegten Patio, wo aus einem weißen Becken klares Wasser in eine Rinne plätschert.

Er ist mit seiner Säuberung noch nicht am Ende, als Gonzales schon wieder mit einem Handtuch neben ihm auftaucht. Lance trocknet sich ab und wirft es ihm wieder zu.

»Danke, Gonzales!«

»Keinen Dank von einem Gast, Señor«, erwidert der Mexikaner mit ausgesuchter Höflichkeit und verschwindet lautlos, wie er gekommen ist.

Als Lance die Halle des Wohnhauses betritt, umfängt ihn eine dämmrige Kühle. Seine Schritte rufen auf den Steinfliesen ein hallendes Echo hervor.

Schwere geschnitzte Möbelstücke stehen an den weißgetünchten Wänden. In einer Nische brennt vor einer Heiligenstatue eine kleine Lampe und verbreitet unwirkliches Licht. Auch jetzt ergeht es Lance Sullivan wie schon viele Male zuvor: er fühlt sich in eine vergangene Feudalepoche zurückversetzt.

Diese Stimmung wird jäh zerstört, als seitlich eine Tür geöffnet wird und ein breiter Lichtstrahl in die Halle fällt.

»So kommen Sie doch schon endlich herein, Sie Sauberkeitsfanatiker!«, poltert die Stimme von Cedrick Webb. »Oder erstarren Sie vielleicht vor Ehrfurcht, wenn Sie diesen vornehmen Laden betreten?«

»Wenn ich Ihre Stimme höre, nicht mehr«, versetzt Lance grinsend. »Guten Abend, Webb. Ich hoffe, ich störe nicht.«

»Werden Sie bloß nicht noch verrückt!«, knurrt der Mann und streckt ihm die Rechte entgegen, zuckt aber im selben Moment zusammen, als ob die Bewegung zu impulsiv gewesen sei.

»Verdammtes Rheuma!«, grollt er, als Lance die dargebotene Hand schüttelt. »Da wirft man diesen aalglatten Knochenflickern eine Menge Geld in den Hals, und helfen tun sie einem doch nicht!« Dabei zwinkert der Alte seinem Gast heftig zu, sodass sich sein verwittertes Gesicht in tausend Falten legt.

Ja, Cedrick Webb ist ein prächtiger alter Knacker, urwüchsig und von keinerlei eingebildeter Vornehmheit. In dieser Umgebung wirkt er so deplatziert wie eine knorrige Eiche zwischen exotischen Pflanzen in einem Gewächshaus. Den dunklen Tuchanzug, in den er seine Glieder gezwängt hat, trägt er mit offensichtlichem Unbehagen, und mehr als einmal greift er mit zwei Fingern in seinen Hemdkragen und zerrt an dem gestärkten Ungetüm herum.

Trotz seines manchmal unwirschen Wesens hat er seinen hintergründigen Humor nicht verloren. Es ist bestimmt kein Zufall, dass Lance Sullivan vom ersten Tag an, da er Nachbar der riesigen Kronen-Ranch wurde, zu diesem grimmigen Nussknacker einen ausgezeichneten Kontakt fand, obgleich sich die Größenverhältnisse ihrer beiden Besitzungen zueinander ungefähr so verhalten wie die Ausmaße einer Erbse zu einer Wassermelone. Dies jedoch hatte Cedrick Webb niemals auch nur mit einem einzigen Wort erwähnt. Für ihn war Lance stets ein Nachbar – ein Yankee zwar, wie er manchmal mit gutmütigem Spott betonte, aber immerhin ein Nachbar, dem er mehr Sympathie entgegenbringt als anderen Burschen, die mit einem großen Viehbestand protzen können.

Jetzt zwinkert der Alte Lance also zu, verzieht den schmallippigen Mund zu einem versteckten Grinsen und tritt beiseite, um dem Gast den Weg freizugeben.

Auch der Speiseraum – Speisesaal würde es besser beschreiben – ist im spanischen Stil möbliert. Es gibt einen schweren Tisch von den Ausmaßen zweier aneinandergerückter Billardtische, hochlehnige geschnitzte Sessel aus dunklem Holz und ein Sideboard, das mit silbernen Tabletts, obstbeladenen Kristallschalen, einer geschliffenen Sherryflasche und mehreren Gläsern bedeckt ist.

Ein schneeweißes Damasttischtuch ist über die Tafel gebreitet; darauf befinden sich erlesenes Porzellan und Silberleuchter mit mehr als zwei Dutzend Kerzen, die Lance unwillkürlich an die ewig blakende Petroleumlampe denken lassen, die den Wohnraum seiner Ranch erhellt. Überhaupt empfindet er es immer wieder als unbehaglich, in seiner Aufmachung in eine solche Umgebung hereinzuplatzen.

Dieses Gefühl verschwindet allerdings rasch, als sich aus einem der hölzernen Lehnsessel ein Mädchen erhebt und ihm mit strahlendem Lächeln entgegenkommt. Mit einem einzigen Blick umfasst er ihre gesamte Erscheinung und wird davon in ihren Bann gezogen. Mildred Webb ist schön. Und zweifellos ist sie sich ihrer Wirkung auf Männer sehr bewusst. Auch wenn offenkundig einige kosmetische Tricks dazu beitragen, ihr ein beinahe orientalisches Aussehen mit mandelförmig gestalteten Augen zu verleihen, muss Lance sich eingestehen, dass auch ohne dieses Geschmiere bei Mildred Webb genug übrigbliebe, um allen Männern im weiten Umkreis die Köpfe zu verdrehen. Umso weniger erscheint es ihm verständlich, dass sie ausgerechnet ihm ganz unverhohlen schöne Augen macht. Zwar leidet er keineswegs an Minderwertigkeitskomplexen, ist aber andererseits weit davon entfernt, sich selbst für einen ausgesprochenen Adonis zu halten.

»Das freut mich aber, Lance, dass Sie noch vor der Fiesta den Weg zu uns gefunden haben«, begrüßt sie ihn mit einem vielversprechenden Augenaufschlag.

»Hallo, Mildred«, entgegnet Lance etwas unbeholfen. Es ist ihm keineswegs unangenehm, dass sie seine Hand solange in der ihren hält, nur stören ihn dabei die feindseligen Blicke eines Mannes, der sich erst jetzt betont langsam aus dem Sessel erhebt. Ehe er sich ihm jedoch zuwenden kann, wird er durch etwas anderes abgelenkt. Da zupft nämlich ständig jemand an dem Hut, den er in der Linken hält. Er blickt sich um und erkennt den in steifer Würde erstarrten Butler des Hauses Webb, Sidney, der ständig so aussieht, als ob er zum Abendbrot einen Besenstiel verschluckt und dazu puren Essig getrunken hätte.

»Ihr Hut, Sir«, murmelt dieser würdige Bursche höflich, doch mit einem deutlich spürbaren tadelnden Unterton.

»Ah, Sie waren das, Sidney!«, entgegnet Lance in offensichtlicher Verlegenheit und liefert seinen Deckel ab.

»Mich macht er mit seinem lautlosen Herumschleichen auch immer nervös«, meldet sich Cedrick Webb aus dem Hintergrund, worauf die Miene seines Butlers noch saurer wird. Sidney hüstelt vornehm und bemerkt dann:

»Wollen Sie vielleicht sonst noch etwas ablegen, Sir?«

Ganz deutlich zielt seine Blickrichtung auf Lance Sullivans Revolvergurt.

»Ja, richtig«, erwidert dieser nach kaum merklichem Zögern und schnallt ihn ab. »Bedienen Sie sich, Sidney.«

Mit spitzen Fingern greift der Butler zu und stolziert hinaus. Er hat kaum die Tür hinter sich geschlossen, als Cedrick Webb in prustendes Lachen ausbricht.

»Wollen Sie vielleicht sonst noch etwas ablegen, Sir?«, ahmt er die näselnde Sprechweise Sidneys nach. »Ah, in diesem vornehmen Laden hier werde ich noch verrückt! – Haben Sie gesehen, Lance? Er traut sich nicht, einen Revolver anzufassen! Und von solchen Figuren bin ich Tag für Tag umgeben!«

Etwas beiläufig drückt Lance auch Wallace Stotthart die Hand, jenem Mann, der sich aus seinem Sessel erhoben hat und abwartend stehengeblieben ist. Obgleich dabei kein Wort gewechselt wird – oder vielleicht auch gerade deshalb – ist die Spannung zwischen diesen beiden Männern nicht zu verkennen.

Wallace Stotthart ist der Verwalter der Kronen-Ranch. Er ist groß, breitschultrig und solide gekleidet. In seinem verschlossenen Gesicht zeigen sich kühle Reserve und Ablehnung.