H. C. Hollister 4 - H.C. Hollister - E-Book

H. C. Hollister 4 E-Book

H. C. Hollister

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Beschreibung

Die Weiden der großen C-Ranch in Wyoming sind Jagdgebiet der Maverickjäger, bis Sunny Morgan dort zusammengeschossen wird.
Chuck Diamond wird es hier im Norden nicht leicht gemacht, den Mörder seines Freundes aufzuspüren. Aber er ist zäh und bleibt auf dieser Fährte, mag sie auch durch Not und Tod führen.
Ein hartes Rudel ist ihm auf den Fersen. Doch nichts kann Chucks unbeirrbaren Willen brechen, den Tod des Freundes zu rächen ...

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Inhalt

Cover

Impressum

VERRAT AM BIG HORN

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Ertugrul Edirne/Becker-Illustrators

Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-9590-7

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

»Es gibt heute eigentlich zu viele Autoren, die angeblich so schreiben, wie der Wilde Westen wirklich war. Wenn man dann näher hinschaut, entdeckt man doch nur zu oft ein verfälschtes Bild, Klischee und Schablone. In jedem meiner Romane versuche ich bis auf den Grund einer historisch echten Darstellung vorzudringen. Der grandiose Stoff zwingt mich einfach dazu.«

H.C. Hollister, Mitte der 1960-er Jahre

VERRAT AM BIG HORN

Die Weiden der großen C-Ranch in Wyoming sind Jagdgebiet der Maverickjäger, bis Sunny Morgan dort zusammengeschossen wird.

Chuck Diamond wird es hier im Norden nicht leicht gemacht, den Mörder seines Freundes aufzuspüren. Aber er ist zäh und bleibt auf dieser Fährte, mag sie auch durch Not und Tod führen.

Ein hartes Rudel ist ihm auf den Fersen. Doch nichts kann Chucks unbeirrbaren Willen brechen, den Tod des Freundes zu rächen …

Als Chuck Diamond seinen Grauschimmel an der Haltestange festgebunden hat, geht er die wenigen Stufen des hölzernen Gehsteigs hinauf. Er stößt gegen die halbhohe Pendeltür des »Last Frontier«-Saloons, die weit aufschwingt.

Mit dem ersten Blick erkennt er, dass seine Befürchtungen wieder einmal eingetreten sind: Sunny Morgan sitzt inmitten einer schweigsamen Pokerrunde. Jede seiner unzähligen Sommersprossen scheint das Grinsen noch zu verstärken. Es ist das einzige grinsende Gesicht der Runde. Die drei Mitspieler, darunter Cedrick Felton, der Townmarshal von Greybull, sehen mit mürrischem Gesicht zu, wie Sunny den Pot einstreicht. Es ist zweifellos nicht das erste Mal, dass Sunny diese einnehmende Handbewegung ausführt, das beweist der ansehnliche Haufen von Dollarstücken, der vor ihm auf dem Tisch liegt.

»Have a drink, friends – nehmt einen Schluck, Freunde«, lädt Sunny die Verlierer großzügig zu einer Runde ein. Doch auch der scharfe Stoff, den sie hinunterkippen, hellt ihre Mienen nicht wesentlich auf.

»Das ist schon kein Schwein mehr, Morgan, das ist eine Mordssau, die Sie beim Poker haben. Hier, nehmen Sie selbst mal die Bank. Schlechtere Karten als ich sie mir selbst ausgeteilt habe, können Sie mir auch nicht geben«, sagt der Marshal und schiebt Sunny das Kartenpäckchen zu.

Spielerisch biegt der die Karten zwischen den Händen, lässt sie dann mit einer Hand knatternd nach vorn schnellen und legt sie wieder auf den Tisch.

»Ich brauche eine kleine Pause«, grinst er dann die Mitspieler an und geht nach hinten, wo eine Tür die Aufschrift »Gentlemen« trägt. Einer der Mitspieler folgt ihm nach einer Weile, während der Marshal und der dritte Mann sich über Poker im Allgemeinen und Sunnys Glück unterhalten.

Chuck Diamond nutzt die Pause, um sich an einem leeren Tisch, ein kurzes Stück von der Pokerrunde entfernt, niederzulassen. Seine Augen fangen mit schnellen Blicken alles Sehenswerte im Saloon ein. Über dreißig Fuß lang ist die polierte Mahagoni-Bar, an der sich die Bewohner der kleinen Rinderstadt Greybull und die Boys der umliegenden Ranches die harten Schnäpse hinter die Binde kippen. Das Orchestrion hat seine liebe Not, gegen den Lärm anzukommen, den die Männer dabei veranstalten. Eilig schenken die zwei Barmänner die Gläser nach. Zwei »Ladies«, leichtgeschürzt und aufgetakelt, die offensichtlich gar keine Ladies sind, sorgen dafür, dass die Gläser schnellstens wieder geleert werden. Diese beiden Barmädchen sind der Grund, weshalb die holde Weiblichkeit von Greybull verachtungsvoll auf Bess Avaron, die Besitzerin des »Last Frontier«, herabblickt.

Verdammt, und keine von diesen alten, sittenstrengen Schachteln kann ihr das Wasser reichen, denkt Chuck Diamond, als er zu dem linken Ende der Bar hinüberblickt, wo Bess hinter ihrer Kasse sitzt. »Reddy«, das ist der Name, unter dem die rothaarige Bess Avaron bekannt ist, thront hinter ihrer Kasse wie eine Königin. Sie trägt in Bezug auf Schulterfreiheit so ziemlich das tollste Kleid, das ich jemals gesehen habe, spinnt Chuck seine Gedanken fort. Er sieht sie aus vollem Hals in der Runde der Männer mitlachen, die ihre Kasse umlagert. Zimperlichkeit ist so ziemlich das letzte, was man Boss Avaron zum Vorwurf machen kann. Trotzdem versteht sie immer jenen letzten Rest von Abstand zu wahren, der sie von der üblichen Art der Barmädchen unterscheidet. Sie weiß eben ganz genau, was sie will, oder besser gesagt, sie weiß, was sie nicht will.

Da kehrt Sunny Morgan von seinem Ausflug zurück. Mit einem erstaunten Heben der Augenbrauen quittiert er Chucks Anwesenheit, lässt sich aber ohne ein Wort wieder an seinem Pokertisch nieder.

»Well, Leute, machen wir blind die Einsätze«, sagt er und schiebt mehrere Dollarstücke zur Mitte des Tisches. Erst als der schnauzbärtige Marshal, der eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Walross hat, seine Dollars dazulegt, folgen auch die anderen seinem Beispiel. Nachdem alle ihren Einsatz gemacht haben, nimmt Sunny die Karten auf, die bis dahin unberührt vor ihm auf dem Tisch lagen. Die Männer schauen auf seine Hände, die mit taschenspielerischer Geschicklichkeit die Karten mischen. Sunny lässt das Päckchen von seinem Nebenmann abheben und teilt die Karten aus. Nur einen kurzen Blick wirft er unter sein eigenes Blatt, dann wartet er auf die Kartenwünsche seiner Mitspieler. Erst als alle mit Austauschkarten versorgt sind, schiebt er auch seinerseits zwei Karten zu den abgelegten Blättern und nimmt sich dafür zwei neue.

Chuck Diamonds Augen verengen sich zu schmalen Schlitzen. Was keiner der Mitspieler gesehen hat, ist seinen Augen nicht entgangen. Nur eine der Austauschkarten, die Sunny genommen hat, stammen aus dem Kartenpäckchen, die zweite kam aus Sunnys Ärmel.

Dieser dreimal verfluchte Windhund, denkt Chuck. In Zukunft muss ich noch besser auf ihn aufpassen als bisher. Aber Chuck denkt nicht daran, einzugreifen, und beobachtet weiter, was dort am Nebentisch geschieht.

Zwei-, dreimal wird der Einsatz erhöht, dann steigen zwei Mann aus. Nur Felton und Sunny Morgan bleiben im Spiel. Es müssen fast hundert Dollar auf dem Tisch liegen, als sie endlich die Karten aufdecken. Chuck sieht, wie Feltons Hals anschwillt und eine dunkelrote Färbung annimmt. Die Röte breitet sich rasch über sein ganzes Gesicht aus.

»Hölle, Morgan, Sie spielen falsch!«

Das ist die schwerste Beschuldigung, die man beim Spiel gegen einen Mann vorbringen kann, und Feltons Revolver verleiht dieser Beschuldigung Nachdruck.

»Nicht auf die Magengrube zielen, Marshal. Dann wird mir immer gleich so lächerlich ums Gemüt«, lächelt Sunny den Marshal ruhig an und macht mit der Hand eine wedelnde Bewegung, so, als ob er dadurch den Revolverlauf ablenken könnte.

Chuck kann die Ruhe seines Freundes nur still bewundern. Dieser sommersprossige Sunny Morgan hat falschgespielt, das hat er selbst gesehen. Jetzt ist er gespannt auf dessen weitere Verteidigung. Da Felton noch nichts weiter gesagt hat, wendet sich Sunny den übrigen Mitspielern zu.

»Hat von Ihnen jemand etwas dazu zu sagen? Oder wollen Sie mir vielleicht sagen, Marshal, wie ich das gemacht haben soll?«

Deutlich ist Feltons plötzliche Unsicherheit zu erkennen. Er druckst eine Weile herum, bis er schließlich heiser hervorstößt:

»Es ist ein überzähliges Ass im Spiel!«

Er zeigt auf die aufgedeckten Karten. Sein Blatt besteht aus drei Königen, einem Ass und einer Sieben. Vor Sunny liegen drei Asse und zwei Neunen.

Als ob er die harten Worte des Marshals entschuldigen wollte, zuckt Sunny die Schultern.

»Ich sehe hier vier Asse. Woher wollen Sie also wissen, dass noch ein Überzähliges im Spiel ist?«

Wieder dauert es eine ganze Weile, bis Felton endlich krächzt:

»Ich habe ein Ass abgelegt.«

»Soooo …?« Beißender Spott liegt in Sunnys Tonfall. Scharf wendet er sich dann an die beiden Mitspieler, die hinter ihren Stühlen stehen und jede seiner Bewegungen genau beobachten.

»Habe ich die abgelegten Karten angerührt?«

Als er keine Antwort erhält, nimmt seine Stimme an Schärfe noch erheblich zu, als er zum zweiten Male fragt: »Los, raus mit der Sprache, habe ich die abgelegten Karten angerührt?«

Beide schütteln schließlich stumm den Kopf.

»Well«, sagt Sunny und schiebt beide Ärmel empor. Mit spitzen Fingern legt er dann eine Karte nach der anderen um.

Es ist kein Ass unter den abgelegten Karten!

Ohne Zögern greift Sunny nun nach den Blättern der Mitspieler und deckt sie auf. Kein Ass! Schließlich wendet er auch die restlichen Karten um, die nicht mit im Spiel waren.

»Sie werden alt, Felton! An Ihrer Stelle würde ich mir beizeiten eine Brille zulegen. Wird zwar nicht gut aussehen, ein Marshal mit Brille, aber die Gesundheit geht schließlich vor, meinen Sie nicht? – Hier liegt ein komplettes Kartenspiel. Keine Karte zu viel und keine zu wenig. Wie ist es also, wollen Sie sich höflichst entschuldigen?«

Die Röte in Cedrick Feltons Gesicht ist einer unwahrscheinlichen Blässe gewichen.

»Ich – ich – muss mich geirrt haben.«

Seine Worte sind kaum zu verstehen, so gepresst kommen sie aus seinem Mund.

»Sorry, Marshal, das ist keine Entschuldigung! Sie müssen schon etwas deutlicher werden!«

In der Stille, die diesen Worten folgt, hört es sich fast wie ein Bellen an.

»Es tut mir leid!«

Im gleichen Augenblick hat Felton auch schon nach seinem Hut gegriffen, dreht sich um und verschwindet mit gewollt festen Schritten durch die Pendeltür.

Während sich der Halbkreis von Männern, der sich um den Pokertisch gebildet hat, wieder auflöst, streicht Sunny grinsend seinen Gewinn und den Pot in seinen Hut.

»Für heute machen wir Schluss, Leute«, wendet er sich den beiden anderen Mitspielern zu, die schweigend nicken und zur Bar gehen.

»Hallo, Boss!«

Sunny kommt zu Chucks Tisch hinüber, angelt sich einen Stuhl und beginnt, sein Geld in einen Beutel zu verstauen.

Chuck sieht ihm eine ganze Weile zu. Erst als Sunny seinen Beutel verschnürt, klingt leise und gedehnt, aber mit einem drohenden Unterton seine Stimme auf.

»Sunny, hast du falschgespielt?«

Mit einem schnellen Blick vergewissert sich Sunny, dass niemand so nahe an ihrem Tisch ist, dass er seine Worte hören könnte.

»Sure, Boss!« Er sagt es so ganz leicht hin, so, als ob Chuck ihn eben gefragt hätte, wie spät es ist.

»Und wo ist das überzählige Ass?«

Da beginnen die Sommersprossen in Sunnys Gesicht zu tanzen, so unverschämt feixt er zu Chuck hinüber. »Im Ärmel des Marshals, Boss!«

Chuck Diamond ist bei seinem Freund an Überraschungen gewöhnt, aber diesmal weiß er sich keinen Reim auf seine Worte zu machen. Fragend blickt er Sunny an.

Der grinst unentwegt weiter, beginnt aber mit leiser Stimme zu erklären:

»Felton, dieser Stinkfisch, hat die ganze Zeit verloren, ehrlich verloren. Ich konnte dem alten Geizhals seinen Ärger ansehen. Bevor er mir die Bank abgab, ließ er eine Karte aus dem Spiel verschwinden, in seinen Ärmel, versteht sich. Als ich dann das Päckchen durchblätterte, sah ich, dass er sich das Herz-Ass geangelt hatte. Da bin ich mal rausgegangen. Du weißt, dass ich immer ein Kartenspiel bei mir habe, das gleiche, das wir hier hatten. Well, ich habe mir auch ein Herz-Ass in den Ärmel gesteckt. Es war sein Pech, dass meine Karte eher im Spiel war als seine. Er ist eben ein Anfänger. Ich hatte ihn immer so im Auge, dass er sich nicht traute, es hervorzuzaubern. Jetzt wird er vor Wut platzen. Er weiß genau, dass ich den gleichen Trick angewandt habe wie er, aber er konnte es nicht sagen. Er hatte Angst, dass ich vielleicht nach seinem Ärmel greifen könnte. Du hast ja gesehen, wie schnell er verschwand!«

Mit gedämpfter Stimme hat Sunny diese Erklärung abgegeben. Seine Augen glitzern vor Schadenfreude über den hereingelegten Marshal.

Auch Chuck verzieht nun seinen schmalen Mund zu einem sparsamen Lächeln.

»Wenn das so ist, dann all right, Sunny! Dieses Walross kann es gut vertragen, mal eins auf die Nase zu bekommen. Vor Stolz wäre ihm sonst noch der Kragen geplatzt. Aber jetzt zur Sache, Freund. Du hättest schon mittags auf der Ranch sein sollen. Meiner Schätzung nach hast du die fünfzig Pferde schon vor drei Tagen abgeliefert. Das Geld, das du dafür bekommen hast, war doch sicher dein Anfangskapital bei diesem Spiel, habe ich recht?«

Sunny kramt unter seinem Hemd und holt schließlich eine dünne Ledertasche heraus, die er an einem schmalen Riemen um den Hals trägt. Er entnimmt ihr ein Bündel Geldscheine, zählt sie Chuck vor und legt schließlich aus seinem eigenen Beutel noch fünfzig Dollar dazu.

»Da ist das Anfangskapital wieder zurück, Boss! Es hat sich bei mir heute prächtig verzinst.«

Lächelnd schiebt Chuck die fünfzig Dollar wieder zu ihm zurück.

»Das ist dein Treiberlohn. Ich wusste, dass du nicht mehr davon nehmen würdest als dir zustand, old fellow!«

»Darf man die Gentlemen bei dieser angenehmen Beschäftigung des Geldzählens stören?«

Chuck schließt den Knopf seiner Brusttasche, in der er das Geld verwahrt hat, springt auf und wendet sich der dunklen Stimme zu, die ihn überrascht hat. Seinem Beispiel folgend, erhebt sich auch Sunny.

»Sie sind seit langer Zeit der erste Mann, der vor mir aufsteht, Chuck«, sagt Bess Avaron.

»Du, Chuck, ich hätte noch was zu erledigen. Treffen wir uns doch in einer knappen Stunde am Stadtausgang«, redet Sunny dazwischen. Ohne eine Erwiderung abzuwarten, zieht er vor Bess seinen Hut und räumt das Feld. Erst jetzt findet Chuck Worte.

»Setzen Sie sich doch, Bess!«

Er tritt hinter sie und rückt ihr den Stuhl zurecht. Dann erst setzt er sich ihr gegenüber.

Mehr als er ihn empfindet, ahnt er den verlockenden Duft, der von dieser Frau ausgeht. Er sieht das weiche, vollendete Rund der Schultern, die sich aus dem weiten Ausschnitt des Kleides herausheben.

»Was wird Ihre Braut dazu sagen, dass Sie hier vor allen Leuten allein mit mir am Tisch sitzen?«, fragt Bess und wirft eine widerspenstige Haarsträhne, die ihr rot wie eine Flamme ins Gesicht baumelt, unwillig zurück.

»Sie sollten nicht so ironisch fragen, Bess! Lilly Comstock ist nicht so kleinlich wie die anderen Leute dieser ehrenwerten Stadt. Dass wir zwei befreundet waren, schon lange, bevor ich mich mit ihr verlobte, weiß sie. Deshalb wird es ihr nichts ausmachen, wenn sie erfährt, dass ich hier mit Ihnen gesessen habe.«

»Schon gut, Chuck. Ich will Sie in Ihrem Glauben nicht beirren. Mir ist nur aufgefallen, dass Sie seit Ihrer Verlobung mit Lilly Comstock nicht mehr hier gewesen sind. Und Ihr guter Marmaduke hat nur Porzellan zerschlagen, wenn er zum Einkaufen in die Stadt kam.«

Verständnislos schaut Chuck das Mädchen an.

»Porzellan zerschlagen?«

»Ja, wie wollen Sie es sonst nennen, wenn er jedem in der Stadt den Südstaaten-Captain Chuck Diamond, Spross einer vornehmen Großgrundbesitzerfamilie, als strahlendes Beispiel eines wahren Gentleman vorhält.«

Chucks Mundwinkel ziehen sich zu einem bitteren Lächeln herab. Er muss bei Bess’ Worten an die völlig verwüstete und verbrannte elterliche Plantage denken, die er bei seiner Heimkehr nach dem Sezessionskrieg vorfand. Verwüstetes, ödes Land, Ruinen – und den riesenhaften Marmaduke, der in unwandelbarer Treue auf seinen Herrn gewartet hatte. Ohne finanzielle Mittel, ohne Arbeitskräfte wäre es unmöglich gewesen, die Plantage wiederaufzubauen, zumal in einem Land, in dem die Not nach einem verlorenen Krieg eingekehrt war und Korruption das politische Feld beherrschte. Ja, er hatte alles verkauft und war mit Marmaduke nach Norden gezogen, bis hierher nach Wyoming ins Big Horn Basin, wo er auf einer Bergfalte seine kleine Pferderanch aufbaute.

»Hallo, Gentleman, wo sind Sie?«, ruft ihn Bess wieder in die Wirklichkeit zurück.

»Entschuldigen Sie bitte, Bess. Ich musste gerade daran denken, um wieviel rauer es hier zugeht. Glauben Sie mir, ich kann auch mächtig rau werden – ohne meine guten Manieren dabei abzulegen.«

Mit ihrer dunklen, etwas guttural klingenden Stimme lacht Bess auf.

»Da haben wir es! Immer Gentleman! Immer dem anderen die Chance geben, die Ihnen selbst kein Mensch einräumen würde. Das hat mit Manieren nichts mehr zu tun, Chuck, das ist Dummheit.« Einen Augenblick überlegt Bess, um dann hinzuzufügen: »Oder auch Eitelkeit!«

Eine leichte Röte steigt in Chucks Gesicht, bevor er antwortet:

»Mag sein, Bess, aber ich glaube, ich kann mich nicht mehr ändern.«

»Schon gut, mein Freund. Eigentlich bin ich aus einem ganz anderen Grund zu Ihnen an den Tisch gekommen. Sehen Sie, Chuck, in einem Saloon erfährt man Neuigkeiten schneller als anderswo, wo der Alkohol nicht die Zunge der Männer lockert. Es waren heute zwei Burschen von der C-Ranch hier. Wenn ich sie richtig verstanden habe, will der große William D. Comstock auf den Kriegspfad ziehen. Obgleich der größte Teil seiner Weide auf Regierungsland liegt, will er jeden Maverickjäger davonjagen. Ich habe mir gedacht, dass Sie das interessieren würde.«

Chuck stutzt bei ihren Worten einen Augenblick, dann schüttelt er den Kopf.

»Das ist doch Unsinn, Bess. Die Burschen haben sicher zu viel getrunken. William D. wird sich doch nicht ins Unrecht setzen und Ansprüche auf die Regierungsweide erheben, die ihm nicht zustehen. Seit Jahren werden die Mavericks von dem gebrandet, der sie findet. Das wird auch Comstock nicht ändern können. Wenn ich nicht irre, sind Sie doch auch daran interessiert. Sie haben doch mit Ihrer Cattle Transport Company immer recht gut beim Ankauf der Mavericks verdient.«

»Sicher, Chuck, sicher! Aber noch mehr daran interessiert sein müsste Sunny Morgan. Von ihm hat die Company immer die weitaus größten Maverick-Herden übernommen.«

Chuck nestelt an seiner Tasche und legt ein Dollar-Stück auf den Tisch. Dann greift er nach seinem verbeulten hellgrauen Armee-Hut.

»Es wird nicht so schlimm sein, Bess. Jedenfalls danke ich Ihnen für den Tipp. Ich muss jetzt gehen, damit ich Sunny nicht verpasse. Er stellt sonst noch mehr Unfug an. So long, Bess!«

Er reicht dem Mädchen die Hand und spürt ihren ruhigen und festen Händedruck.

Bess Avarons langer überlegener Blick, den sie ihm zuwirft, ist nicht zu deuten. Zu sehr hat diese Frau ihr Mienenspiel in der Gewalt, als dass ihre Gefühle in ihrem Gesicht abzulesen wären. Doch im gleichen Augenblick erkennt Chuck in ihren Augen jene Erregung, die nur ein plötzlicher Schreck bei ihr hervorzurufen vermag. Und dann ist da eine Hand, die sich auf seine Schulter legt. Chuck macht sich ganz steif. Wenn er etwas hasst, so ist es eine plump vertrauliche körperliche Berührung.

»Sieh mal einer an, der stolze und tugendhafte Chuck Diamond, erster Anwärter auf die Hand meiner Schwester, im traulichen Gespräch mit seiner Flamme!«

»Du solltest deine Worte etwas sorgfältiger wählen, Dan Comstock! Ich weiß, dass dir die Sache zwischen mir und Lilly nicht recht ist, aber du solltest dich in der Öffentlichkeit etwas mehr zusammennehmen.«

Irgendetwas in Dan Comstocks Gesicht erinnert an den Ausdruck eines wütenden Büffels. Er schüttelt den Kopf, als wenn er Chucks Worte noch nicht erfassen könnte. Chuck sieht ihm starr ins Gesicht, das vom Alkohol gerötet ist.

»Hör zu, Diamond, es genügt mir vollauf, wenn ich dich tagtäglich von meinem Alten als Vorbild hingestellt bekomme. Auf deinen verdammten Rat kann ich verzichten, du Musterknabe! Ich mache meinen Mund auf, wann und wo und so weit ich will. Und jetzt will ich, verdammt noch mal! Wenn du schon mal mit meiner Schwester verlobt bist, dann lass gefälligst die Finger von anderen Weibern. Jeder in der Stadt weiß, dass du früher mit Reddy befreundet warst. Jetzt möchtest du die Freundschaft wohl wieder aufleben lassen, was?«

Chuck hört das erregte Atmen Bess Avarons in seinem Rücken. Sein Gesicht ist bleich geworden, und seine Zähne nagen in mühsamer Beherrschung an seiner Unterlippe.