H. C. Hollister 56 - H.C. Hollister - E-Book

H. C. Hollister 56 E-Book

H. C. Hollister

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Auf einem Trail nach Westen nahm ein Überfall durch Hunkpapa Sioux dem fünfzehnjährigen Dan O’Sullivan die Eltern. Es folgten Jahre in einem der wildesten Goldgräbercamps von Montana, mitten im Indianerland. Wo andere Männer rastlos dem gelben Staub nachjagten, arbeitete Dan wie sein Vater in einer Schmiede.
Eines Tages jedoch musste er im Glauben, einen Burschen mit seiner Schaufel totgeschlagen zu haben, das wilde Camp überstürzt verlassen. Voller Panik sah er sich zudem gezwungen, kurzfristig seinen Namen zu ändern. Dan O’Sullivan nannte sich fortan »Montana«. Und aufgrund seiner Reinlichkeit wurde ihm von einem Rudel verlauster Satteltramps schließlich der Name »Montana-Dandy« angehängt.
Dies ist seine Geschichte. Es ist die Geschichte eines verwegenen Satteltramps, der darauf wartet, dass ihm das Glück in den Schoß fällt und der es sich dann härter erkämpfen muss als jeder andere Mann. Aber es ist zugleich eine jener alten Legenden aus der wildesten Zeit eines jungen Landes, die H. C. Hollister in so treffsicherer Weise den Lesern unserer heutigen Zeit nahebringt.


Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 150

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

MONTANA-DANDY

Vorschau

Impressum

MONTANA-DANDY

Auf einem Trail nach Westen nahm ein Überfall durch Hunkpapa Sioux dem fünfzehnjährigen Dan O'Sullivan die Eltern. Es folgten Jahre in einem der wildesten Goldgräbercamps von Montana, mitten im Indianerland. Wo andere Männer rastlos dem gelben Staub nachjagten, arbeitete Dan wie sein Vater in einer Schmiede.

Eines Tages jedoch musste er im Glauben, einen Burschen mit seiner Schaufel totgeschlagen zu haben, das wilde Camp überstürzt verlassen. Voller Panik sah er sich zudem gezwungen, kurzfristig seinen Namen zu ändern. Dan O'Sullivan nannte sich fortan »Montana«. Und aufgrund seiner Reinlichkeit wurde ihm von einem Rudel verlauster Satteltramps schließlich der Name »Montana-Dandy« angehängt.

Dies ist seine Geschichte. Es ist die Geschichte eines verwegenen Satteltramps, der darauf wartet, dass ihm das Glück in den Schoß fällt und der es sich dann härter erkämpfen muss als jeder andere Mann. Aber es ist zugleich eine jener alten Legenden aus der wildesten Zeit eines jungen Landes, die H. C. Hollister in so treffsicherer Weise den Lesern unserer heutigen Zeit nahebringt.

Es war ein Sonntag, an welchem Mrs. Grimsby, die Hebamme von St. Paul in Minnesota, einem schwitzenden Mann verkündete: »Mr. O'Sullivan, ich gratuliere. Ihre Frau hat soeben einen gesunden Knaben zur Welt gebracht.« Wochen später wurde dieser »gesunde Knabe« auf den Namen Daniel Patrick Andrew O'Sullivan getauft. Der Schmied Patrick O'Sullivan war etwas enttäuscht darüber, dass sein erster und einziger Sohn zwar keinesfalls ein Schwächling war, andererseits jedoch auch nicht die hünenhafte Erscheinung seines Vaters geerbt hatte.

Auf einem Trail nach Westen, nach Montana, nahm ein Überfall durch Hunkpapa Sioux dem fünfzehnjährigen Dan die Eltern. Es folgten Jahre in einem der wildesten Goldgräbercamps von Montana, mitten im Indianerland. Wo andere Männer mit hektischer Betriebsamkeit rastlos dem gelben Staub nachjagten, arbeitete ein schlaksiger Junge wie sein Vater in einer Schmiede.

Eines Tages jedoch musste Dan O'Sullivan das wilde Camp überstürzt verlassen. Es war dies eigentlich die letzte Gelegenheit, dass sein wirklicher Name Verwendung fand, und zwar in einem Zeitungsartikel.

Anlass dazu gab ein Bursche, der erst zwei Tage darauf wieder aus der Bewusstlosigkeit erwachen sollte, weil ihm der Stiel einer Schaufel über den Schädel geschlagen worden war. Immerhin hatte Dan O'Sullivan ihn denn auch für tot gehalten und in panischem Schrecken die Flucht ergriffen.

Das war also einer der Anlässe, die einen Mann dazu bewegen, ganz kurzfristig seinen Namen zu ändern. Dan O'Sullivan nannte sich fortan »Montana«. Und als er irgendwann mit einem Rudel verlauster Satteltramps zusammengeriet, die seinen Aufwand für persönliche Sauberkeit als pure Kräftevergeudung betrachteten, hängten sie seinem Namen noch einen zweiten an. Auf diese Weise wurde aus Dan O'Sullivan »Montana-Dandy«.

Erst lange Zeit später erfuhr er dann, dass er den Schläger gar nicht getötet, sondern nur bewusstlos geschlagen hatte. Aber da passte ihm der neue Name bereits wie eine Reithose.

Wieder vergingen Jahre, in denen der Name Montana-Dandy an allen möglichen Orten zu finden war. Wie ein Spinnennetz überzogen seine Fährten den Kontinent. Nach Ablauf eines Vierteljahrhunderts hat Montana-Dandy selbst schon fast vergessen, dass er jemals einen anderen Namen trug. Zudem ist er ein Mann geworden, dessen schmalem, etwas hintergründigem Lächeln anzumerken ist, dass er sich selbst und seine Umwelt nicht sonderlich ernst nimmt.

Wie eine gewaltige Burg ragt die Kammlinie der Grand Mesa in den samtschwarzen Nachthimmel. Die Glut des kleinen Campfeuers in der geschützten Senke verglimmt. Unter einer alten Steineiche hat Montana-Dandy sein Camp aufgeschlagen. Er hockt auf seinem Sattel, ein Knie um das Sattelhorn geschlungen, und klimpert auf einem Banjo. Dazu summt er eine der uralten Balladen, in denen meistens vom Heimweh eines einsamen Cowboys oder vom Schmerz eines Mädchens um den verlorenen Liebsten die Rede ist.

In der Nähe des spärlichen Rinnsals, das die Senke durchfließt, wirft ein großer Hengst schnaubend den Kopf empor und schickt diesem Warnsignal ein röhrendes Wiehern hinterher. Für eine kurze Zeitspanne verändert sich Montana-Dandys Gesichtsausdruck. Die Züge seines scharfgeschnittenen, gebräunten Gesichts spannen sich, seine graugrünen Augen nehmen einen wachsamen Ausdruck an.

Als Manitou, der geschmeidige Appaloosa-Hengst, sein warnendes Schnaufen wiederholt, sagt er scheinbar ärgerlich: »Ja, ja, du unmusikalischer Ziegenbock, ich habe selbst gemerkt, dass ich zweimal danebengegriffen habe! Aah, demnächst werde ich mir einen weniger anspruchsvollen Zuhörer suchen.«

Dann beginnt er die letzte Passage des Liedes noch einmal von vorn. Einige Minuten verstreichen, in denen nur das melodische Geklimper des Banjos und das Summen der sonoren Männerstimme zu hören sind. Dann legt Montana-Dandy sein Instrument beiseite, wendet den Kopf über die Schulter und sagt mit deutlichem Spott zu dem dunklen Buschrand hinüber: »Mister, wenn Sie mich jetzt immer noch nicht genug unter die Lupe genommen haben, dann sind Sie ein hoffnungsloser Fall. Sie sollten Ihrem Schöpfer danken, dass ich mir jede Nervosität schon vor langer Zeit abgewöhnt habe, denn sonst wären Sie schon lange tot. Oder kriechen Sie nur dort in den Büschen herum, weil Ihnen mein Gesang so gut gefällt?«

Ein erstaunter Laut klingt hinter den Büschen hervor. Dann knacken dürre Äste, und ein Schatten löst sich aus dem Buschrand.

Montana-Dandy blickt dem Fremden mit einem spöttischen Lächeln entgegen.

»Hallo«, murmelt er sarkastisch. »Wirklich ein schöner Abend für einen Spaziergang, nicht wahr?«

Der dünnlippige Mund des Fremden zuckt unwillig.

»Ich habe meinen Gaul ein Stück entfernt zurückgelassen«, erklärt er verschlossen, während seine Blicke zu Manitou hinüberwandern. »Ein prächtiges Leopardenpferd haben Sie da, Mister«, murmelt er. »Sieht aus, als ob es aus indianischer Zucht stamme.«

»Sie haben es getroffen, Mister«, versetzt Dandy lächelnd. »Manitou stammt von Nez-Percé-Indianern. Wenn Sie Kaffee wollen, dann bedienen Sie sich nur. Es ist noch etwas in der Kanne.«

Schweigend hockt sich der Fremde auf die Absätze und langt nach der geschwärzten Kanne. Nicht einmal dabei legt er die scheinbar leeren Satteltaschen ab, die er sich über die linke Schulter gehängt hat. Irgendwie wirkt er ruhelos und gehetzt. Er setzt den Becher an die Lippen und starrt Dandy über die Flammen des Feuers hinweg an. Seine Blicke wandern über die geschmeidige Gestalt, über das helle Hemd aus weichgegerbtem Antilopenleder, die straffsitzenden Levishosen und die handgearbeiteten Cordoba-Stiefel. Besonders aber lässt er seine Augen auf dem dunkelbraunen, geputzten Gurt mit dem Halfter verharren, aus dem der mattblau schimmernde Kolben eines Colts ragt.

»Sie haben sich aber piekfein ausstaffiert, Mister«, sagt er voll scheinheiliger Bewunderung. »Wenn Sie sich Ihr Geld mit dem Ding da verdienen«, – er deutet mit dem Kinn auf das Banjo –, »dann muss ich schon sagen, das muss ein guter Job sein. Dazu noch ein silberdurchflochtenes Band an einem Vierzigdollar-Stetson.«

»Nicht doch«, entgegnet Dandy und stellt ein absichtlich verschämtes Grinsen zur Schau. »Sie übertreiben, Mister. Der Hut hat nur achtunddreißig fünfzig gekostet. Nun, wissen Sie, der Name eines Mannes verpflichtet. Die Leute machen sich dann gleich eine gewisse Vorstellung und sind enttäuscht, wenn die Wirklichkeit dahinter zurückbleibt. Man nennt mich Montana-Dandy.«

»Ach, wirklich?«

»Um ehrlich zu sein, Mister«, fährt Dandy fort, »ich halte auch Sie für einen Künstler. Und ich stelle mir vor, dass Sie das Instrument, auf dem Sie sich künstlerisch betätigen, in einem Schulterhalfter unter der Jacke tragen. Wenn ich mich irren sollte, dann sagen Sie's nur.«

Mit einem Ruck hebt der starrgesichtige Fremde den Kopf.

»Ach?« Das kommt diesmal scharf und beißend von seinen Lippen. Jeder Zoll seiner Haltung ist mit einem Schlag lauernde Wachsamkeit. »Du bist gar nicht so dumm, mein Junge, wie man es bei deinem törichten Grinsen annehmen sollte. Es würde mich interessieren, ob du mit deiner künstlerischen Feinfühligkeit noch mehr über mich herausgefunden hast.«

»Sehen Sie, mein Freund, es gibt da eine Art von Künstler, die nach jeder gelungenen Vorstellung den jähen und heftigen Drang nach einem Ortswechsel verspürt. Meistens ist dies dann der Fall, wenn der Betreffende sich bei dieser Vorstellung etwas übernommen oder die Finger verbrannt hat. Und diese Lehre wirkte dann so nachhaltig, dass er sich pausenlos nach einer raschen Fortbewegungsmöglichkeit umsieht, beispielsweise nach einem prächtigen, ausdauernden und spurtschnellen Appaloosa-Hengst, wenn der eigene Gaul abgetrieben oder sogar angeschossen ist. Ein paar Blutstropfen ...«

Mit einer blitzschnellen Bewegung zuckt die Hand des Fremden unter den Rock und fährt mit einer zierlichen Nickelpistole wieder daraus hervor.

»Sprich nur weiter, mein kleiner Dandy!«, zischt er dazu beißend. »Ich sehe nämlich, dass ich dich gewaltig unterschätzt habe. Und diese hübsche Geschichte ist wirklich sehr aufschlussreich. Sonst noch was?«

Tiefes Bedauern schwingt in Dandys Stimme mit, als er gramvoll sagt: »Sie enttäuschen mich maßlos, Mister. Sehe ich denn wirklich so dämlich aus? Da wären zunächst noch die Satteltaschen, die ja, wie schon der Name sagt, an den Sattel gehören. Dort wären sie in diesem verlassenen Land in der Regel sehr gut aufgehoben, zumal sie scheinbar leer sind.«

»Sie sind aber nicht leer!«, sagt der Fremde mit triumphierendem Spott. Er fühlt sich offenbar völlig als Herr der Situation. Montana-Dandys vorwurfsvolles Kopfschütteln fährt ihm jedoch in die Parade.

»Leider haben Sie nicht richtig zugehört. Ich sagte ›scheinbar‹, das ist etwas anderes als ›anscheinend‹. ›Scheinbar‹ bedeutet nämlich, dass es zwar so aussieht, in Wirklichkeit aber anders ist. Mit Bestimmtheit kann man nämlich nur sagen, dass sich sehr wenig in diesen Satteltaschen befindet, räumlich und vom Gewicht her wenig, meine ich. Da Sie aber trotzdem die Taschen hüten wie Ihren Augapfel, bleibt eigentlich nur der Schluss, dass Sie diesem ›wenig‹ doch einen sehr hohen Wert beimessen. Wenn Sie mich also fragen, dann würde ich auf Banknoten tippen, vermutlich sogar in großen Scheinen.«

Diesmal ist die Verblüffung des Mannes offensichtlich. In seiner Miene zeigt sich sogar eine Art Hochachtung.

»Und das alles kann man so mit einem Blick sehen?«, erwidert er verdutzt, wendet einen Augenblick lauschend den Kopf zur Seite und richtet dann wieder die Blicke auf den ruhig dasitzenden Dandy.

»Natürlich muss man dabei auch ein bisschen denken«, murmelt dieser bescheiden. »Übrigens, Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen. Sie kommen noch nicht.«

»Sie?« Der Fremde keucht es fast.

»Natürlich ›sie‹! Ihre Verfolger nämlich. Manitou würde sich sofort melden, wenn er eine fremde Witterung in die Nase bekäme. Oder haben Sie noch immer nicht begriffen, dass er auch Ihre werte Person angekündigt hat? Glaubten Sie im Ernst, er hätte wegen ein paar falscher Töne beim Banjospielen geschnaubt und gewiehert?«

»Dandy, du wirst mir unheimlich«, meint der Fremde mit verkniffenen Augen und tritt hinter seinen Gegner.

Erst als der Fremde Dandy den Colt aus dem Halfter gezogen hat und ein paar Schritte zur Seite geworfen hat, scheint er beruhigt und dreht sich eine Zigarette. Dandy beobachtet ihn immer noch mit seinem seltsamen unergründlichen Lächeln.

»Darf ich auch?«, murmelt er harmlos.

»Ja«, sagt der Fremde heiser. »Aber denk daran, dass hastige Bewegungen der Gesundheit schaden.«

Nun, Montana-Dandys Bewegungen erfolgen ausgesprochen langsam und vorsichtig, als er den Tabaksbeutel aus der Tasche holt und bis vor die Brust hochhebt. Der Fremde zumindest glaubt, jede Regung genau beobachtet zu haben. Und doch ist ihm die Hauptsache entgangen; denn als Dandy die Hände zur Brust führte, da hatten sie in Höhe des Gurtes für den Bruchteil einer Sekunde gestoppt, scheinbar, weil sein Ärmel sich an der Schnalle verfangen hatte. Und jetzt fehlt plötzlich eine der glänzenden Messingpatronen aus den Schlaufen seines Gurtes. Mit geschickten Händen dreht er sich eine Zigarette, lässt sein Rauchzeug wieder in die Tasche verschwinden und bückt sich nach einem glimmenden Ast.

Es fällt wirklich nicht weiter auf, dass er die beiden äußeren Finger seiner Linken, in der er die Zigarette hält, ganz locker und lässig gekrümmt hat. Viele Männer rauchen nur mit gestrecktem Zeige- und Mittelfinger. Erst als er gönnerhaft auch seinem gefährlichen Besucher das Feuer reichen will, zischt dieser: »Bleib stehen! Gib her das Ding! Aah, das könnte dir so passen, mir mit einem brennenden Ast das Gesicht zu versengen!«

Grinsend überlässt Dandy ihm den Ast und hockt sich rauchend wieder auf seinen Sattel. Dazu murmelt er vorwurfsvoll: »Das könnte fast gemütlich sein, wenn Sie endlich Ihre grässlichen Verdächtigungen ließen, Mister.«

Mit geweiteten Nasenflügeln stößt der Fremde den Rauch aus. »Und warum bist du dir so sicher, dass ich verfolgt werde?«

»Nun, zunächst wäre da einmal das Geld, das Sie mit sich herumschleppen. Hinzu käme noch, dass Sie fortwährend die Ohren spitzen. Außerdem war es Ihnen verteufelt unangenehm, dass ich das Feuer wieder anfachte, als Sie aus den Büschen kamen. Wenn Sie es hätten verhindern können, dann hätten Sie es getan. Aber inzwischen haben Sie sich überlegt, dass wir uns in einer Senke befinden und dass der Lichtschein durch die Büsche und diesen Baum zurückgehalten wird. Wahrscheinlich haben Sie selbst ihn auch nur durch einen Zufall entdeckt. Am eindeutigsten aber geht Ihre Verfolgung daraus hervor, dass ich überhaupt noch am Leben bin. Sie haben sich gegen den Wind genähert, deshalb hat Manitou Sie erst so spät wahrgenommen. Vermutlich sind Sie ursprünglich aus der genau entgegengesetzten Richtung gekommen, denn bis dahin haben Sie auch mehrfach gelauscht. Sie waren also verdammt nahe, als Manitou mich warnte, so nahe, dass Sie mich mit einem Schuss hätten erledigen können.«

»Und aus purer Menschenliebe habe ich es nicht getan?«

»Im Gegenteil, nur aus kluger Berechnung. Sie können es sich nicht erlauben zu schießen, weil Sie sonst innerhalb kürzester Zeit die Verfolger wieder auf dem Hals hätten. Offenbar waren sie Ihnen vor Einbruch der Dunkelheit bereits so nahe, dass Ihr Gaul etwas abbekommen hat, und erst die Nacht hat Sie dann vorläufig gerettet. – Sind es Freunde von Ihnen?«

»Verdammt, wie kommst du jetzt wieder darauf?«

»Intuition, wenn Sie so wollen«, sagt Dandy schulterzuckend. »Wo sollte hier schon ein Aufgebot herkommen, nicht wahr? In diesem gesegneten Territorium Colorado, das noch nicht einmal zum Rang eines Bundesstaates der Union aufgestiegen ist, gibt es verdammt wenige Countys, in denen das Gesetz schon Fuß gefasst hat. So bleibt eigentlich nur der Schluss, dass Ihnen ein paar Burschen von der eigenen Firma auf der Fährte sitzen.«

»Also, du bist schon ein prächtiger Wunderknabe und hast eine Menge über mich herausgefunden, Dandy. Aber das macht nichts. Denn mit deinem Prachtgaul werde ich in dieser Nacht einen Vorsprung herausholen, dass ich keinen Verfolger mehr zu fürchten habe. Ich werde also jetzt deinen Manitou satteln und ...«

»Mister, es tut mir furchtbar leid, dass ich einem Gast widersprechen muss«, fällt ihm Montana-Dandy mit harmlosem Lächeln ins Wort. »Sie werden Manitou nicht bekommen.«

»Ach nein?« Der Fremde legt den Kopf zur Seite. »Und wenn ich ihn mir einfach nehme?«

»Sie würden Manitou trotzdem nicht bekommen. Ich will nicht behaupten, dass Sie ihn nicht reiten könnten, aber satteln könnten Sie ihn bestimmt nicht. Mein prächtiger Manitou beherrscht da nämlich ein paar hundsgemeine Tricks. Es gab schon mal einen Burschen, der sich sagte: ›Wenn etwas auf vier Beinen mit mir geht, dann kann es unmöglich gestohlen sein.‹ Und weil Manitou ihn lammfromm herankommen und sich auch anfassen ließ, dachte er an keine Gefahr. Erst als er ihn dann zu satteln versuchte, musste er einsehen, dass er das in seinem ganzen Leben nicht fertigbringen würde. Deshalb entschloss er sich, Manitou an der langen Leine mitzunehmen. Haben Sie schon einmal einen Mann gesehen, dessen Kopf von einem Pferdehuf voll getroffen wurde, Mister?«

Die Kiefermuskeln des Fremden verkrampfen sich.

»So. Reiten kann ich ihn also?«, fragt er ironisch. »Vielen Dank für diesen Tipp.« Mit traumhaft sicherer Bewegung schnappt er wieder seine Pistole heraus, ehe er hinzusetzt: »Dann wirst du hoffentlich das Satteln übernehmen.«

Montana-Dandys Blick ist unergründlich.

»Sie machen also ernst, Mister«, meint er in einem seltsamen Tonfall. Noch immer hält er die Zigarette zwischen den Fingern, als er sich steifbeinig erhebt.

»Nun gut, Mister«, murmelt er scheinbar ergeben, wendet sich zu dem Hengst und stößt einen gedämpften Pfiff aus. Manitou wirft den rammnasigen Kopf empor.

»Komm schon her, Mister!«, ruft Dandy lockend. »Aah, nun komm schon!«

Da trottet der Hengst folgsam heran, schnaubt noch einmal unwillig und bleibt ein paar Schritte entfernt abwartend stehen.

Mit beiden Händen packt Montana-Dandy den Sattel. Erst als er ihn aufgehoben hat und sich schon auf den Weg macht, scheint ihm einzufallen, dass er immer noch die Zigarette zwischen den Fingern hält. Mit einem entschuldigenden Grinsen wendet er sich von dem Burschen ab und wirft sie ins Feuer. Dabei löst er auch die beiden äußeren Finger der Hand. Der kleine, blinkende Gegenstand, der dabei in die Glut fällt, bleibt für den Fremden unsichtbar.

Trotzdem scheint er Argwohn geschöpft zu haben. »Nur keine Tricks, Freundchen!«

Schulterzuckend geht Dandy um das Feuer herum, tritt zu seinem Pferd und schwingt den Sattel auf den Rücken des Hengstes. Über die Flammen hinweg hält der Fremde die Pistole auf seinen Rücken gerichtet.

Knapp zehn Sekunden verstreichen. Gerade als Dandy sich dann bückt, um den Sattelgurt festzumachen, geschieht es.

Mit donnerndem Krach detoniert die Pulverladung der Patrone, und da sie mitten in der glühenden Asche liegt, wirbelt sie eine sprühende Fontäne von Funken und glimmenden Holzstücken empor.

Dandy war darauf vorbereitet. Hart klatscht seine Hand dem Hengst gegen den Hals und keucht: »Weg hier, Manitou! Lauf, zum Teufel!«

Wiehernd macht Manitou einen Satz zur Seite und jagt in die Dunkelheit davon – zum selben Zeitpunkt, da Montana-Dandy sich zusammensinken lässt und geduckt herumwirbelt.

Ein Schuss donnert auf, und die Kugel jagt dicht an seinem Kopf vorüber. Der Langreiter, der einen großen Teil der sprühenden Funken ins Gesicht bekommen hat, reißt die gespreizte Linke vor die geblendeten Augen, taumelt mit einem heiseren Fluch zurück und versucht sein Ziel zu erkennen.

Er sieht einen gestreckten Schatten vorwärtshechten, schießt noch einmal und weiß im selben Moment, dass er wieder gefehlt hat. Montana-Dandy hat seine Waffe bereits erreicht. Noch im Fallen packt er sie, kracht hart auf den Boden und rollt sich katzengewandt zur Seite ab. Auf dem Rücken liegend, dabei noch halb zur Seite gewandt, zieht er zweimal durch. Hart spürt er den Rückstoß der Waffe in seiner Hand, sieht den Schatten seines Gegners, der mit einem Mal zwei Schritte zurücktaumelt und sich dann jäh zusammenkrümmt.

Montana-Dandy sieht den Mann wanken, die linke Hand in die Satteltaschen gekrallt, als ob er sie mit letzter Kraft halten wolle. Die Pistole des Fremden fällt zu Boden, seine ausgestreckte Rechte tastet nach dem Stamm des Baumes, dann knickt er in den Hüften ein, dreht sich um seine eigene Achse und rutscht mit dem Rücken am Baum herab.

Dandy tritt zu dem Sterbenden.