H. C. Hollister 60 - H.C. Hollister - E-Book

H. C. Hollister 60 E-Book

H. C. Hollister

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Wenn ein Mann von sich behauptet, er glaube noch an das alte Märchen von jenem Schatz, der an der Stelle vergraben sei, wo das Ende des Regenbogens die Erde berührt, dann wird man ihn in der Regel für einen Narren halten. Wenn dieser Mann aber sogar viele Jahre seines rastlosen Reitens damit zubringt, zäh und verbissen nach einer solchen Stelle hinter dem Regenbogen zu suchen, dann muss er ein Texaner sein.
Todd Dixon ist ein Texaner. Dass er hingegen keineswegs ein Narr ist, diesen Beweis kann er in Dodge City antreten, jener Stadt am nördlichen Ende des großen Rindertrails, die durch viele Treibherden zu hektischer Blüte gelangt ist. Denn wenn Todd Dixon von seinem Schatz spricht, so ist das nichts weiter als eine poetische Umschreibung für die große Chance, nach welcher er in Wirklichkeit sucht - und vielleicht auch eine Ausrede für die langen Jahre ziellosen Reitens als Satteltramp. Todd findet seine Chance - besser: er muss sie sich hart erkämpfen, zusammen mit seinem Partner Andy Spencer, dessen Pläne und Absichten ebenso wie seine Vergangenheit undurchsichtig sind wie das lehmige Wasser des Arkansas River nach einem Wolkenbruch ...


Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 146

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

HINTER DEM REGENBOGEN

Vorschau

Impressum

HINTER DEM REGENBOGEN

Wenn ein Mann von sich behauptet, er glaube noch an das alte Märchen von jenem Schatz, der an der Stelle vergraben sei, wo das Ende des Regenbogens die Erde berührt, dann wird man ihn in der Regel für einen Narren halten. Wenn dieser Mann aber sogar viele Jahre seines rastlosen Reitens damit zubringt, zäh und verbissen nach einer solchen Stelle hinter dem Regenbogen zu suchen, dann muss er ein Texaner sein.

Todd Dixon ist ein Texaner. Dass er hingegen keineswegs ein Narr ist, diesen Beweis kann er in Dodge City antreten, jener Stadt am nördlichen Ende des großen Rindertrails, die durch viele Treibherden zu hektischer Blüte gelangt ist. Denn wenn Todd Dixon von seinem Schatz spricht, so ist das nichts weiter als eine poetische Umschreibung für die große Chance, nach welcher er in Wirklichkeit sucht – und vielleicht auch eine Ausrede für die langen Jahre ziellosen Reitens als Satteltramp. Todd findet seine Chance – besser: er muss sie sich hart erkämpfen, zusammen mit seinem Partner Andy Spencer, dessen Pläne und Absichten ebenso wie seine Vergangenheit undurchsichtig sind wie das lehmige Wasser des Arkansas River nach einem Wolkenbruch ...

Der Anblick der Stadt mit ihren Verladekorrals, den fahrbaren Holzrampen und den engen, von Gattern eingefassten Gassen, die alle zur Railroad Street führen, bietet Todd Dixon nichts Neues. Es ist genau das siebte Mal, dass er den großen Trail von Süden heraufgekommen ist, und deshalb hat er gewissermaßen etappenweise die Entwicklung Dodge Citys miterlebt, der »Stadt des Sechsschüssers«, wie sie inzwischen auch genannt wird.

Geschäftstüchtige Burschen aus dem Amüsierviertel haben noch einen zweiten Namen aufgebracht, offenbar in dem Bestreben, ihrer Stadt vor anderen Verladezentren einen Vorsprung zu verschaffen: »Königin der Rinderstädte«. Männer, die nach einem langen und rauen Trail etwas erleben wollen, kommen hier auf ihre Kosten.

Todd Dixon erblickt am Straßenrand Babe Canutt, den Leichenbestatter, einen großen hageren Mann mit faltigem Gesicht und grämlich verkniffenem Mund.

Es kommen täglich viele Reiter nach Dodge City. Kein Mensch schenkt diesen hartgesichtigen Texanern aus ihren Herdencamps noch irgendwelche Aufmerksamkeit: mit Ausnahme der Ausrufer und Anreißer vor den Lokalen der »Whiskystraße«. Aber dieser Mann dort auf seinem knochigen Grauen scheint Babe Canutt doch einen zweiten Blick wert zu sein.

»Hallo, Mister«, murmelt er augenzwinkernd, »haben wir uns nicht irgendwo schon mal gesehen?«

Todd Dixon bringt seinen großen Wallach zum Stehen und legt die behandschuhten Hände über das Sattelhorn. Ein schmales Grinsen kräuselt seine Lippen und verleiht seinem scharfgeschnittenen Gesicht einen verwegen, fast leichtsinnigen Ausdruck.

»Möglich«, erwidert er knapp, aber nicht unfreundlich. »Sie sind Babe Canutt, nicht wahr?«

Mit dem Daumen deutet der Leichenbestatter über die Schulter zurück auf den Wagen und das pompöse Ausstellungsfenster seines Ladens, klemmt sich dann eine dünne Zigarre in den Mundwinkel und entgegnet salbungsvoll:

»Das war nicht schwer zu erraten, Freund. Immerhin handelt es sich bei mir um eine Persönlichkeit der Zeitgeschichte, denn Canutts Leichen ...«

»... sind die schönsten, ich weiß«, fällt ihm Todd Dixon mit ernsthaftem Nicken ins Wort.

»Yeah«, bestätigt Babe Canutt trocken. »Sie sollten sich zu gegebener Zeit daran erinnern.« Und mit einem grämlichen Kopfschütteln setzt er hinzu: »Das Leben der Menschen währt nicht ewig. Das sollten sich besonders die Burschen vor Augen führen, die den Revolver so tragen wie Sie, Mister ...«

Der unverkennbar fragende Ton veranlasst Todd zu erneutem Lächeln.

»Dixon«, murmelt er verbindlich. Ehe er jedoch seinen Vornamen hinzusetzen kann, lässt ihn eine jähe Veränderung in Babe Canutts Gesicht die Lippen aufeinanderpressen und den Mann forschend beobachten.

Die Miene des Leichenbestatters ist plötzlich erstarrt. Wenn er soeben noch daran interessiert schien, bei einem Schwatz irgendwelche Einzelheiten über den interessanten Fremden herauszufinden, so wirkt sein Gesicht nun verschlossen und zurückhaltend – beinahe eingeschüchtert. Er leckt sich über die Lippen, nimmt die Zigarre aus dem Mund und senkt den Kopf.

»Ich bin in der Stadt als ein ziemlicher Schwätzer bekannt, Mr. Dixon, und Neugier ist mein schlimmstes Laster«, sagt er mit einem zerfahrenen, unsicheren Lächeln. »Natürlich habe ich auch nicht damit gerechnet, dass Sie auf einem Gaul in die Stadt geritten kommen würden.«

Jeder seiner Sätze klingt nun unvollständig, so, als ob er ein bestimmtes Wissen andeuten und doch nicht aussprechen wolle. Todd weiß sich vorerst keinen Reim darauf zu machen, trotzdem erwidert er sarkastisch:

»Natürlich, damit haben sie nicht gerechnet, Mister. Wahrscheinlich haben Sie eher an einen Salonwagen der Eisenbahn gedacht, wie?«

Babe Canutt lässt ein blechernes, pflichtschuldiges Kichern hören.

»So ähnlich, Mr. Dixon«, erwidert er unsicher. »Aber ich glaube, es gibt noch eine ganze Reihe Leute in dieser Stadt, die sich eine völlig andere Vorstellung von Ihnen gemacht haben. Es ist erstaunlich, wirklich ganz erstaunlich.«

»Das finde ich auch«, murmelt Todd Dixon. Er fixiert den Mann aus schmalen Augen, weil er sich noch nicht schlüssig ist, ob er es hier mit einem Schwachsinnigen zu tun hat oder ob es sich nur um ein Missverständnis handelt. Außer Zweifel steht nur, dass die Nennung seines Namens in Babe Canutts Hirn eine bestimmte Gedankenverbindung hervorgerufen hat. Warum, darüber ist sich Todd Dixon noch nicht im Klaren, es scheint ihn nicht einmal sonderlich zu interessieren.

»Ich glaube, im Trailsend-House werden Sie schon seit ein paar Tagen erwartet«, sagt der Leichenbestatter. »Seitdem Howard Madison eine solche Bemerkung gemacht hat, redet man in der ganzen Stadt darüber, Mr. Dixon.«

Todd schüttelt vorwurfsvoll den Kopf. »Das hätte Howard Madison aber besser nicht tun sollen. Ich bin nämlich kein Freund von großen Auftritten, Ehrenjungfrauen und ähnlichem Theater, müssen Sie wissen, Mister.«

Wenn Babe Canutt nicht mit einer vorgefassten Meinung an diese Unterhaltung herangegangen wäre, dann müsste er nun das übermütige, spöttische Funkeln in den Augen Todd Dixons bemerken. Nun, vielleicht bemerkt er es tatsächlich und misst ihm nur eine andere Bedeutung bei. In jedem Zoll seiner Haltung kommen Unterwürfigkeit und Dienstbereitschaft zum Ausdruck.

»Howard Madison muss Sie verpasst haben. Er ist Ihnen mit dem Frühzug nach Great Bend entgegengefahren.«

»So ein Pech«, schnauft Todd Dixon. »Andererseits finde ich es von Madison auch unverantwortlich, mir mit der Bahn entgegenzufahren, wenn ich doch zu Pferde komme.«

»Sie haben ihm nicht geschrieben, dass Sie ...?«

»Habe ich nicht«, bestätigt Todd trocken. »Denn erstens bin ich entsetzlich schreibfaul, und zweitens: wie käme ich dazu, Madison die genaue Art und Weise meiner Ankunft auf die Nase zu binden?«

Ein verständnisvolles Grinsen überzieht Babe Canutts schlaues Fuchsgesicht. Seiner Worte hätte es schon gar nicht mehr bedurft.

»Ich verstehe, Mr. Dixon. Wenn man seinem Statthalter auf die Finger sehen will, dann sucht man sich dafür am besten einen überraschenden Zeitpunkt aus. Deshalb haben Sie ihn wegfahren lassen, nicht wahr?«

»Statthalter? Auf die Finger sehen?«, echot Todd begriffsstutzig. »Natürlich, das ist es. Sie scheinen mir ein ganz durchtriebener Schlaukopf zu sein, Mister.«

Nun kann Babe Canutt sich ein breites Grinsen nicht mehr verkneifen. Er scheint sich bereits als Mitwisser eines Geheimnisses zu fühlen, zwinkert vertraulich und erwidert:

»Ich möchte nur die Gesichter der Burschen in Trailsend-House sehen, wenn sie einen – nun, einen Satteltramp empfangen und sich später herausstellt, dass es ihr höchster Boss persönlich ist.«

Das ist einer der nicht gerade seltenen Fälle, da Todd Dixon vom Teufel geritten wird. Inzwischen ist ihm endgültig klar, dass es sich um eine Verwechslung, eine Namensähnlichkeit oder etwas Derartiges handeln muss. Er zwinkert ebenso vertraulich zurück und grunzt, ohne dabei die Unwahrheit zu sagen:

»Yeah, die Gesichter möchte ich auch sehen, Mister. Der graue Alltag fordert manchmal gebieterisch eine Aufheiterung, und dies scheint mir gerade die richtige Gelegenheit zu sein.«

Herablassend hebt er die Rechte zum Gruß, dann setzt er mit einem leichten Zungenschnalzen seinen Grauen wieder in Bewegung. Gemächlich und mit hängendem Kopf trottet der Wallach die Hauptstraße entlang, während sein Reiter stillvergnügt grinst.

Die Whiskystraße erwacht gerade zum Leben. Die ersten Lichter werden angezündet, obwohl die Sonne noch nicht verschwunden ist. In den Saloons, Spiel- und Musik-Hallen werden die Gläser zurechtgestellt, und die Ausrufer bürsten noch einmal über ihre Zylinder und Melonen, ehe sie ihren Posten auf dem Gehsteig einnehmen.

Gelassen schlingt Todd Dixon die Zügel um den Haltebalken vor dem Trailsend-House, von dem der Leichenbestatter gesprochen hatte, und es ist typisch, dass seine rechte Schulter dabei unverändert in leicht zurückgebogener Haltung verharrt.

Als er noch einmal zurückblickt, registriert er mit einem spöttischen Lächeln, dass Babe Canutt bereits einige Männer um sich versammelt hat und für die Verbreitung einer Neuigkeit sorgt, von der Todd selbst noch nicht weiß, was sie eigentlich zu bedeuten hat. Nur einen Spaß verspricht er sich davon, und das genügt ihm vorerst.

Ein Ausrufer, dessen Ähnlichkeit mit einem Schimpansen verblüffend ist, schwingt die überlangen Arme, fuchtelt mit seiner Melone durch die Luft und krächzt mit heiserer Stimme seine Werbeparolen. Ein paar Weidereiter halten an, hänseln ihn grinsend und werden dann doch durch die bombastischen Ankündigungen des Burschen neugierig gemacht, sodass sie absitzen und sich durch die breite Pendeltür drängen. Todd Dixon schließt sich ihnen an.

Man kann nicht behaupten, dass Andrew George Spencer ein guter Zauberkünstler ist, dazu ist sein Repertoire zu beschränkt. Aber die Tricks, die er beherrscht, wirken dennoch verblüffend, und besonders in dieser Umgebung kommen sie an.

Brüllendes Gelächter durchtost den großen Raum, als Andy mit triumphierendem Grinsen eine Karte, die zuvor verschwunden war, einem Burschen zusammengerollt aus dem Ohr zieht und seinen Zuschauern vorweist. Das völlig verdatterte Gesicht seines Opfers entfacht die stürmische Heiterkeit noch mehr. Pausenlos fährt Andrew George Spencer mit seiner Vorführung fort. Aus beiden Händen erwachsen ihm mit einem Mal Fächer von Spielkarten, schieben sich mit spielerischer Leichtigkeit wieder zusammen und verwandeln sich schließlich in knatternde Kaskaden – zwei Wasserfälle aus Karten, die wie an einer Schnur gezogen einen Bogen durch die Luft beschreiben und auf dem Tisch landen.

Todd Dixon hat sich an die lange Mahagonibar gestellt und beobachtet die Tricks des Zauberkünstlers.

Auf Anhieb ist für Todd Dixon klar, dass es sich hier um eine außerplanmäßige Vorstellung handelt. Dieses schmalgesichtige dunkelhaarige Leichtgewicht in seiner schlotternden Segeltuchjacke und den durchgelaufenen Stiefeln gehört sicher nicht zu den Angestellten des Hauses, noch bezieht er für sein Auftreten irgendein festes Honorar. Sicher arbeitet er auf eigene Rechnung und wird zweifellos zum Schluss der Vorstellung mit seinem speckigen Hut herumgehen. Bestimmt wäre ihm dieses Auftreten nicht gestattet worden, wenn der Spielbetrieb bereits in vollem Gange wäre. Jetzt, zu Beginn, dient er offensichtlich als zusätzliche Attraktion.

Offenbar hat Andrew George Spencer den ersten Teil seiner Vorstellung beendet. Nun tritt er näher an die erste Tischreihe heran, und obwohl Todd Dixon bis zur Bar nicht verstehen kann, was dort gesprochen wird, sagt ihm ein erneutes Gelächter, dass dieser Bursche es versteht, sein Publikum zu fesseln.

Zwei Minuten bewegt sich Andy zwischen den Tischen hin und her, als ob er damit jedem Skeptiker Gelegenheit geben wolle, seine Hantierungen aus nächster Nähe zu verfolgen. Woher die Eier und brennenden Zigaretten kommen, die er dabei seinen Opfern scheinbar aus Ohren, Mund und Nase zieht, bleibt trotzdem unklar.

Nur aus der ersten Loge an der rechten Seite dringen von Zeit zu Zeit lieblose Bemerkungen über den vermeintlichen Hokuspokus und billige Tricks herüber. Dort sitzen zwei Männer. Einer von ihnen ist schwammig, mit bleichem, aufgedunsenem Gesicht und herabhängenden Mundwinkeln. Er hat die Daumen in die Ärmellöcher seiner Seidenweste gehakt und scheint ein diabolisches Vergnügen dabei zu empfinden, durch lästernde und höhnische Zurufe seine geistige Überlegenheit zum Ausdruck zu bringen und gleichzeitig die Vorstellung zu stören.

Der andere hält sich stärker zurück. Todd Dixon schätzt ihn instinktiv als eine Art Geschäftsführer des Lokals ein, denn immer wieder wandern seine Blicke zu den Spielern, Bankhaltern und Barmixern, allerdings trägt er dabei ein ziemlich unsicheres Wesen zur Schau – ganz so, als ob ihm diese Tätigkeit ungewohnt sei und er davon reichlich nervös gemacht werde.

Lange Zeit hat Andrew George Spencer allen Spott des Schwammigen unbewegt über sich ergehen lassen. Scheinbar nur zufällig gerät er dabei auch in die Nähe der Loge – eine blitzschnelle Bewegung seiner Hände, dann zieht er dem Burschen aus beiden Ohren je ein Hühnerei.

Soweit das überhaupt möglich ist, ziehen sich die Mundwinkel der Bulldogge noch stärker herab, und verachtungsvoll krächzt der Bursche ins Publikum:

»So ein verdammter fauler Trick. Damit kann man keinen Hund mehr hinter dem Ofen hervorlocken. Natürlich hat er die Eier in den Ärmeln seiner Jacke gehabt.«

Da endlich scheint es mit Andys Beherrschung vorbei zu sein. Todd Dixon jedenfalls beobachtet, wie der dunkelhaarige Zauberkünstler grinsend seine weißen Zähne zeigt, bevor er unschuldig entgegnet:

»Natürlich, Mister. Ich merke schon, dass man Sie nicht hinters Licht führen kann. Andererseits könnte selbst ein wirklicher Magier kaum etwas aus einem Kopf herausholen, in dem nichts drin ist.«

Das bleiche Gesicht des Schwammigen nimmt jäh eine schlaganfallblaue Färbung an. Andy hat zweifellos die Lacher auf seiner Seite. Nur der zweite Mann in der Loge zieht eine säuerliche Grimasse, und die Bulldogge bellt wütend:

»So ein Popanz! So ein verdammter Scharlatan, der die Leute mit seinen lausigen Tricks düpieren will! Man sollte ihm ganz einfach ...«

Der Rest der Worte ist in dem brüllenden Gelächter nicht mehr zu verstehen, und Andy fährt seelenruhig mit seiner Vorstellung fort.

Nun stellt sich heraus, dass er sich nicht ohne Grund zwischen den Tischen bewegt hat. Das ganze Intermezzo diente offenbar nur dem Zweck, in die Nähe seiner Opfer zu gelangen.

Bei verschiedenen erkundigt er sich nun, ob ihnen nicht irgendwelche Dinge fehlen. Die verblüfften Gesichter der Betroffenen rufen erneute Heiterkeit hervor, und spontaner Beifall brandet auf, als Andy nacheinander mehr als ein Dutzend Gegenstände aus seinen Taschen zutage fördert und sie den Besitzern überreicht. Da sind Geldbörsen, Taschenmesser, Brieftaschen, Pfeifen, Tabaksbeutel, sogar ein Paar Hosenträger und als Krone des Ganzen eine Geldkatze – ein Katzenbalg also, der zu einem Gürtel verarbeitet wurde und den der Eigentümer unter der Jacke um den Leib geschnallt trug. Es ist ein dicker rotgesichtiger Viehaufkäufer, er macht gute Miene zum bösen Spiel, doch sein Lachen klingt verlegen und erleichtert zugleich.

»Vermisst vielleicht noch jemand etwas?«, erkundigt sich Andy grinsend. »Noch kann reklamiert werden.«

Unverkennbar richtet er die Augen auf einen weißblonden Weidereiter, bis dieser unsicher wird, seine Taschen abtastet und verdutzt hervorstößt:

»Verdammt, meine Uhr! Und dabei hatte ich sie an der Kette.«

»Yeah«, echot Andy. »Die Kette ist auch hier.« Dazu lässt er das Corpus Delicti vor den Augen des Mannes pendeln. Es handelt sich um ein wahres Monstrum von Nickeluhr.

Als der Besitzer jedoch danach greifen will, hebt Andy abwehrend die Hand und verkündet grinsend:

»Eine hübsche Uhr, Mister. Die ist mindestens ihre fünfzehn Dollar wert. Aber mir scheint, sie könnte gelegentlich eine Überholung vertragen. Würden Sie mir das zutrauen?«

Der Weidereiter nickt mit einem breiten Nussknackergrinsen. Er ist offenbar bereit, jeden Ulk mitzumachen.

»Aber ich habe als einziges Werkzeug nur einen Hammer zur Verfügung«, gibt Andy mit ernster Miene zu bedenken, während er gleichzeitig diesen Hammer aus den unergründlichen Tiefen seiner Taschen hervorzaubert.

Nun zeigt der Weidereiter zur Erheiterung aller anderen doch erste Anzeichen von Unsicherheit. Anscheinend ist er sich nicht ganz schlüssig, ob möglicherweise der Scherz auf seine Kosten geht. Als er gerade den Mund öffnen will, kommt Andy ihm zuvor:

»Ich könnte es immerhin probieren. Wenn es schiefgehen sollte, zahle ich Ihnen zwanzig Dollar für die ruinierte Uhr. Einverstanden?«

Er wartet das Nicken des Mannes gar nicht ab, sondern drückt ihm den Hammer in die Hand, zieht ein weißes Tuch aus der Tasche und legt die Uhr vor aller Augen hinein. Dann erst faltet er das Tuch mit ein paar raschen Bewegungen zusammen und hält es dem Besitzer entgegen.

»Fühlen Sie, Mister. Ist es Ihre Uhr? Ja? Okay, dann reparieren wir blind. Fangen Sie an.«

Während von allen Seiten Neugierige näher herandrängen, legt er das Tuch samt Inhalt mit einer aufmunternden Geste vor dem Weidereiter auf die Tischkante.

»Bluff!«, krächzt der Schwammige aus seiner Loge. »Wieder so ein lausiger Trick. Sofern sich die Uhr überhaupt noch in dem Tuch befindet, verpflichte ich mich, sie samt Kette aufzufressen.«

In dem lachenden Durcheinander kann er sich allerdings kein Gehör verschaffen, denn nun holt der Weidereiter in heroischem Entschluss mit dem Hammer aus. Ein paarmal schlägt er zu. Es klirrt und knirscht in dem Tuch. Dann tritt Andy zurück und knurrt skeptisch:

»Na, Mister, jetzt kommen mir allerdings einige Zweifel, ob man das wirklich als Reparatur bezeichnen kann. Der Teufel soll Sie holen, wenn ich jetzt um zwanzig Dollar ärmer bin. Warum mussten Sie auch gleich zuschlagen wie ein Berserker.«

»Schluss mit dem Theater!«, bellt die Bulldogge aus der Loge. »Mach schon endlich das Tuch auf, du elender Schwätzer!«

Mit eiserner Ruhe wendet sich Andy zu ihm um. Er versteht es, allein durch seine Haltung und durch irgendwelche Gesten Spannung zu erzeugen.

Er murmelt sarkastisch. »Für Sie ist es tatsächlich besonders interessant, was sich jetzt in dem Tuch befindet, Mister.«

Eine blitzschnelle Bewegung lässt die Zipfel auseinanderflattern. Annähernd vier Dutzend Zuschauer reißen die Augen auf. Was da zum Vorschein kommt, ist keineswegs der zertrümmerte Nickelchronometer des weißblonden Weidereiters, sondern vielmehr eine elegante goldene Taschenuhr von zweifellos erheblichem Wert.

Ein fassungsloses Keuchen entringt sich der Kehle des Schwammigen, seine Hand fährt zur Westentasche, tastet sich an der protzigen Goldkette entlang, und dann muss er feststellen, dass der Verschluss der Kette am Futter der Weste befestigt ist. Die Uhr, die zuvor daran gehangen hatte, wird ihm unter die Nase gehalten.

»Und meine Uhr?«, schnauft der Weidereiter aus dem Hintergrund der verwandelten Szene.

»Fass nur in die Tasche, Bruder«, wirft ihm Andy über die Schulter zu. »Die Reparatur ist zwar nicht geglückt, aber dafür ist das Prachtstück auch unbeschädigt.«