H. C. Hollister 62 - H.C. Hollister - E-Book

H. C. Hollister 62 E-Book

H. C. Hollister

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Beschreibung

Dan Kendall hat seine Brüder Lee und Cole als Weidereiter auf die Ranch geholt. Doch schon bald sollte er dies bereuen, denn die beiden gehören zu den ewigen Raufbolden, denen der Colt locker sitzt. Die ganze Stadt gerät in Aufruhr. Es geht um das Weiderecht - und es geht auch um Jessie Robinson. Lee Kendall hat ein Auge auf sie geworfen, aber John Duncan ist nicht der Mann, der sich sein Mädchen so einfach wegnehmen lässt. Die Atmosphäre knistert vor Spannung.
Bei Nacht und Nebel verschwinden schließlich die beiden Longhorns von den Weiden im Tal. An der Bison-Furt unten am Fluss verlieren sich ihre Spuren. Wer hat hier seine unsauberen Finger im Spiel? Jeder belauert jeden, doch schließlich fällt der Verdacht auf Dan Kendall, und das hat er sich selbst zuzuschreiben. Ein Revolvermann und Desperado übelster Sorte taucht auf, der keinen Hehl daraus macht, dass er es auf Dan abgesehen hat. Ihm geht es nur um den Revolverlohn, doch wer sind seine Hintermänner?


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Inhalt

Cover

DER HARTE BEFEHL

Vorschau

Impressum

DER HARTE BEFEHL

Dan Kendall hat seine Brüder Lee und Cole als Weidereiter auf die Ranch geholt. Doch schon bald sollte er dies bereuen, denn die beiden gehören zu den ewigen Raufbolden, denen der Colt locker sitzt. Die ganze Stadt gerät in Aufruhr. Es geht um das Weiderecht – und es geht auch um Jessie Robinson. Lee Kendall hat ein Auge auf sie geworfen, aber John Duncan ist nicht der Mann, der sich sein Mädchen so einfach wegnehmen lässt. Die Atmosphäre knistert vor Spannung.

Bei Nacht und Nebel verschwinden schließlich die beiden Longhorns von den Weiden im Tal. An der Bison-Furt unten am Fluss verlieren sich ihre Spuren. Wer hat hier seine unsauberen Finger im Spiel? Jeder belauert jeden, doch schließlich fällt der Verdacht auf Dan Kendall, und das hat er sich selbst zuzuschreiben. Ein Revolvermann und Desperado übelster Sorte taucht auf, der keinen Hehl daraus macht, dass er es auf Dan abgesehen hat. Ihm geht es nur um den Revolverlohn, doch wer sind seine Hintermänner?

Dreimal pfeift die Lokomotive schrill, als sie die sanfte Steigung in Angriff nimmt, welche sich in einem weiten Bogen bis nach Forlorn Station hinzieht, und dreimal bieten die Hügel einen Durchblick auf die wenigen Gebäude und Bretterhütten, die dort neben dem Schienenstrang liegen.

Zwei Burschen stehen auf der vordersten Plattform des Personenwagens, der immer wieder von Dampfschleiern eingehüllt wird. Obgleich Cole und Lee Kendall Brüder sind, ist bei ihnen nicht die geringste Ähnlichkeit zu entdecken. Lee, der jüngere, besitzt ein schmales, ausgesprochen hübsches, aber dennoch männliches Gesicht. Mit seinem blauschwarzen, sorgfältig gescheitelten Haar und dem überheblichen Lächeln um seinen vollen Mund ist Lee Kendall zweifellos ein ausgesprochener Frauentyp.

Er hat seinen dunklen Stetson weit ins Genick geschoben, blinzelt gegen den Fahrtwind und stützt einen Fuß auf seinen Sattel. Dann, als Forlorn Station erneut in einer Hügellücke auftaucht, knurrt er verachtungsvoll:

»Sieh dir das an, Cole! ›Verlorene Station‹ – der Name passt wahrhaftig. Und in einer so verlassenen Gegend hat der große Dan Kendall sich nun niedergelassen! Mir scheint, unser Bruder zeigt die ersten Alterserscheinungen!«

Cole Kendall grinst zynisch. Durch eine Narbe, die vom linken Wangenknochen bis in die Oberlippe verläuft, wirkt es seltsam verzerrt. Er erwidert: »Lass nur, ich kenne das, Kleiner. Das dauert nicht lange. Wie dicke Männer manchmal den Vorsatz fassen, Diät zu halten, so ringen sich die harten Brocken manchmal zu dem Entschluss durch, fortan einen streng moralischen Lebenswandel zu führen. Bei beiden dauert es nur eine gewisse Zeit, bis sie wieder rückfällig werden. Eine hübsche Ranch, ein Leben als friedlicher Bürger – das hört sich alles ganz prächtig an, bis man die Schinderei kennenlernt, die damit verbunden ist. Und dann geht der Anfall rasch vorüber.«

»Vielleicht«, murmelt Lee zweifelnd. »Manchmal muss man aber auch ein bisschen nachhelfen. Denn immerhin dauert dieser ›Anfall‹ unseres großen Bruders jetzt schon länger als zwei Jahre. Wahrscheinlich wird es ihm einen Schock versetzen, wenn er erfährt, dass wir keineswegs von unserer lausigen Farm in Missouri kommen, sondern uns an ihm ein Beispiel genommen und unsere eigenen Fährten gezogen haben. Er sucht Reiter für seine Bell-Ranch, und er bekommt zwei harte Jungs, die noch ein bisschen mehr können als nur hinter Kuhschwänzen her zu reiten. Wir werden sehen ...«

»Yeah, wir werden sehen«, echot Cole. »Unsere Depesche wird er ja erhalten haben. – Wir brauchen keinen Verdruss, Lee. Und wir müssen Dan Gelegenheit geben, sich in Ruhe an verschiedene Dinge zu gewöhnen. Wenn du also wieder innerhalb kürzester Zeit irgendwelchen Kummer ...«

»Wozu die Aufregung, Bruderherz?«, unterbricht ihn Lee. »Willst du etwa behaupten, dass ich meinen Verdruss bisher nicht immer allein ausgelöffelt hätte?«

»Bis auf die Fälle, in denen eine Luftveränderung dringend geraten schien – wie auch diesmal«, wendet Cole ironisch ein.

»Wobei auch du bis zum Hals in dieser Sache drinsteckst«, kontert der jüngere grinsend. »Die Ranch des großen Bruders ist doch ein idealer Platz, um sich für eine Weile von der bösen Welt zurückzuziehen. Was macht es schon aus, wenn wir ein bisschen Leben in diese Gegend bringen? Bis nach Kansas sind es tausend Meilen, nicht wahr?«

Diesen Worten hat selbst der zynische Cole nichts mehr entgegenzusetzen. Schweigend blickt er nach vorn.

»Dort steht er«, murmelt Cole, als er seinen Sattel schultert, die Deckenrolle ergreift und sich die Satteltaschen über den Unterarm hängt. »Yeah, dort wartet Dan auf uns, Mister.«

»Forlorn Station!«, klingt der Ruf des Zugbegleiters.

Cole Kendall springt mit seinem Gepäck als erster von der Plattform des Wagens herab.

Gleich hinter ihm folgt Lee. Er hat seinen Sattel lediglich am Sattelhorn gepackt, lässt ihn sofort zu Boden fallen und stößt einen schrillen Rebellenschrei aus. Sekunden später hat er den großen, hageren Mann mit der Lederjacke erreicht, wuchtet ihm übermütig die Faust in die Seite und keucht:

»He, Großer! Das ist ein freudiges Wiedersehen! Drei Jahre haben die Kendall-Brüder gebraucht, um zueinanderzufinden. Wenn das kein Grund zum Feiern ist!«

Dann ist auch Cole heran, packt Dans Hand und reißt ihm fast den Arm aus dem Gelenk, als er heiser krächzt:

»Das ist also der große Dan Kendall! Mister, wenn man dich so sieht, dann sollte man gar nicht glauben, dass dein Eingreifen den Mohave-County-Krieg und ein halbes Dutzend anderer rauer Auseinandersetzungen entschieden hat. Du bist wahrhaftig ein großer Bursche geworden, Dan, und wir sind nur kleine Lichter, die von ihrem berühmten Bruder etwas lernen wollen. Aah, wenn es um das schnelle Eisen geht, dann lernt ein Mann niemals aus ...«

Er deutet auf den 38er Bisley-Colt, den Dan Kendall im Halfter trägt.

Wenn bei Lees stürmischer Begrüßung ein nachsichtiges Lächeln um Dans Mund gespielt hatte, so lassen Coles Bemerkungen nun einen Schatten über sein Gesicht huschen.

»Du irrst, Cole«, sagt er mit ruhiger Stimme. »In Bezug auf Schießeisen gibt es nichts, was ihr noch von mir lernen könntet. Das Schicksal hat es mit den Kendalls nicht gut gemeint, als es ihnen allen eine schnelle Hand mit auf den Weg gab, denn das ist eher eine Belastung als ein Vorteil. Auch ihr werdet das vielleicht noch einsehen. Hingegen in anderer Hinsicht könnte ich euch noch eine ganze Menge beibringen. Deshalb habe ich euch ja geschrieben.«

»Schade«, entgegnet Lee. »Ein Mann sollte sein Talent niemals brachliegen lassen. Wenn es auf dieser Weide doch noch Kummer geben sollte, dann kannst du dir zu deinen prächtigen Brüdern gratulieren. Wir sind genau die harten Jungs geworden, die man bei einer solchen Sache braucht.«

Nur für Sekunden lodert es in Dan Kendalls grauen Augen, dann senkt er rasch die Lider und sagt beherrscht:

»Doch, Lee – ich habe es bemerkt. Es ist wirklich nicht zu übersehen, dass ihr euch inzwischen von Ackerknechten zu großspurigen Burschen gemausert habt. – Solche Sättel beispielsweise habt ihr früher niemals besessen – und auch keine handgearbeiteten Stiefel und Silbersporen. Ich frage mich allerdings, wozu ihr das alles auf unserer Farm in Missouri gebraucht habt.«

»Unsere Farm, Dan? Dir war dieser lächerliche Acker nie gut genug, um langsam darauf zu vertrotteln. Hast du da allen Ernstes erwartet, dass Cole und ich uns da abrackern würden? Aah, du brauchst mir gar nicht zuzuzwinkern, Cole! Warum sollte unser prächtiger Bruder nicht gleich erfahren, dass wir in jeder Hinsicht in seine Fußstapfen getreten sind?«

Ein ohrenbetäubendes Zischen der Lokomotive zwingt ihn, seine Worte zu unterbrechen. Dann fährt Lee fort:

»Wir haben zwar unsere Adresse in Springfield beibehalten, aber die Farm haben wir bereits vor zwei Jahren zu Geld gemacht und dabei dein Einverständnis vorausgesetzt ...«

»Zu Geld gemacht?«, wiederholt Dan monoton. »Das heißt, ihr habt die Farm verpachtet?«

»Aber Dan – verpachtet?«, knurrt Lee in sarkastischem Vorwurf. »Das hätte uns bestenfalls zwanzig Dollar im Monat gebracht. Wir haben sie verkauft – für zwölfhundert Dollar. Damit ließ sich wenigstens etwas anfangen. Oder war dir das etwa nicht recht?«

Lees schauspielerisches Talent ist beim besten Willen nicht zu übersehen. Mit fragendem, unschuldsvollem Kindergesicht richtet er die Augen auf Dan und setzt scheinbar harmlos hinzu:

»Du hattest es eben leichter als wir, Bruder. Du bist von diesem elenden Nest in Missouri ausgerückt, hast dir die Welt angesehen und dabei noch eine Menge Geld verdient. Wundert es dich da, dass auch uns das Wasser im Mund zusammenlief? – Und außerdem hast du damals, als Vater noch lebte, oft genug gesagt, dass du keinerlei Anspruch auf die Farm erhebst und sie ganz Cole und mir überlässt. Wie hätten wir damit rechnen können, dass du ...«

»Ihr habt die Kendall-Farm verkauft?«, unterbricht Dan ihn. »Einen Besitz, der gut und gern das Dreifache wert war, habt ihr für zwölfhundert Dollar verkauft?«

Cole zieht unwillkürlich den Kopf zwischen die Schultern.

»Dan, wir hatten wirklich keine Ahnung, dass du es so tragisch nehmen würdest«, knurrt Lee. »Natürlich haben wir dabei auch an dich gedacht. Schließlich bist du uns einige Male mit ein paar Dollars beigesprungen, als die Hypothekenzinsen fällig waren und wir in Druck gerieten. Hätten wir von dir erwarten sollen, dass du ständig für diese lausige Farm ...«

In diesem Augenblick verliert Dan Kendall zum ersten Mal die Beherrschung.

»Nach Dads Tod habe ich euch weit über tausend Dollar geschickt. Das war genug, um damit die letzte Hypothek abzulösen – nicht nur, um die Zinsen zu bezahlen!«

»Natürlich, Dan, natürlich«, schnauft Lee. »Aber nachdem du doch ohnehin keinen Wert auf die Farm legtest und Dad tot war ...«

»Narren!«, stößt Dan Kendall scharf hervor. »Oh, ihr Narren! Die Farm war zu klein, um drei Kendall-Brüdern eine Existenz zu bieten. Dad hatte sie mir, als dem ältesten Sohn, zugedacht, und ich hätte gern den Pflug geführt, wenn ihr nicht gewesen wärt. Oder glaubt ihr etwa, ich wäre mir zu fein gewesen, um Mais, Kartoffeln, Hafer, Tabak und vielleicht auch ein bisschen Baumwolle anzubauen? Euretwegen habe ich darauf verzichtet – aus keinem anderen Grund. Und da redet ihr davon, dass ich ausgerückt wäre? Ich habe geglaubt, dass ihr die Farm für einige Zeit verpachtet habt, um bei mir ...«

Er beißt sich mit einem Mal auf die Lippe, dann richtet er die Blicke auf Cole und sagt mit vor Erregung heiserer Stimme:

»Cole, als Vater starb, ohne ein Testament zu hinterlassen, da wurden wir in die Grundrolle alle als Erben und neue Besitzer der Kendall-Farm eingetragen. Und da bei einer Eigentumsübertragung immer nur der Inhalt der Grundrolle maßgebend ist, wäre auch meine Unterschrift auf dem Vertrag erforderlich gewesen. Teufel, Cole, jetzt rück mit der Sprache raus: Wie habt ihr es fertiggebracht, diesen Verkauf ohne mein Wissen und meine Mitwirkung abzuschließen?«

Cole Kendall beugt sich vor und betrachtet eindringlich die Spitzen seiner Cordoba-Stiefel.

Wieder ist es Lee, der für den älteren Bruder einspringt und betreten erwidert:

»Dan, du kannst uns aber hübsch einheizen. Eigentlich hatten wir uns das Wiedersehen ganz anders vorgestellt. – Was sollten wir denn tun, wenn plötzlich ein günstiges Kaufangebot kam und ein Brief von Missouri bis hierher mehr als drei Wochen benötigte? Und da deine und meine Handschrift ohnehin eine gewisse Familienähnlichkeit aufwies, da ...«

»... da hast du meine Unterschrift gefälscht«, vollendet Dan grimmig.

Auch Verlegenheit gehört zu Lee Kendalls schauspielerischem Repertoire. Er windet sich wie ein kolikkranker Regenwurm, ehe er endlich hervorwürgt:

»Schließlich haben wir nicht damit gerechnet, dass du nach deinem Verzicht auf die Farm noch etwas dagegen einzuwenden haben würdest, wenn wir nach Gutdünken verfahren. Und was deinen Anteil betrifft – ich meine die vierhundert Dollar, so sind wir zwar im Moment ziemlich abgebrannt, aber wenn du so großen Wert darauflegst, dann werden wir schon irgendwie in nächster Zeit ...«

»Geschenkt«, gibt Dan mit einer müden Handbewegung zurück. »Ihr werdet wahrscheinlich nie begreifen, dass es mir nicht ums Geld, sondern um die Kendall-Farm geht, die unser Großvater aufgebaut hat. – Ihr habt also zwei Jahre lang eine raue Fährte gezogen und mich dadurch getäuscht, dass ihr euch meine Briefe von dem neuen Besitzer der Farm nachsenden ließet. Darum also auch eure Bereitwilligkeit, nach Montana zu kommen, und eure Andeutungen, die Farm vielleicht für eine gewisse Zeit zu verpachten.«

»Ich gebe ja zu, dass wir ein bisschen geblufft haben, Großer«, murmelt Lee zerknirscht. »Wir kannten schließlich deine Sentimentalität. Gewissermaßen als Trost und Erinnerung haben wir dir auch die alte Familienbibel mitgebracht. Cole hat sie in der Satteltasche. – Aah, du wirst zwei reuigen Sündern doch nicht gleich die Skalps abnehmen, Dan? Wir sind eben nicht dafür geschaffen, uns auf ein paar Acres Farmland abzurackern und zu schinden, bis uns der Rücken krumm und die Hände steif geworden sind vor Schwielen. – Du nicht, und Cole und ich auch nicht.

Und wenn man einen Dan Kendall zum Bruder hat, dann kann man sich mit einem Leben als Schollenbrecher erst recht nicht mehr abfinden. Es muss im Blut liegen, Dan. Du selbst hast ja vorhin von der schnellen Hand gesprochen, die alle Kendalls mitbekommen haben. Ich wette, ich bin heute schon so gut, dass ich dich schlagen könnte, und das will schließlich eine Menge heißen, nicht wahr?«

Dan Kendall beugt sich plötzlich vor, packt hart Lees Oberarm und presst ihn in stählernem Griff.

»Junge«, brummt er heiser. »Junge, genau das ist der Trail, auf dem du nichts zu suchen hast und von dem ich dich fernhalten wollte. Wann wirst du endlich begreifen, dass ein Mann sein Leben nicht mit dem Colt und einer schnellen Hand aufbauen kann? – Yeah, ich war ein Revolvermann und habe in mancher Auseinandersetzung für Revolverlohn Partei ergriffen. Aber ich habe nicht wahllos jeden Auftrag angenommen, sondern mir meine Auftraggeber immer sehr genau angesehen, und ich habe niemals einen Menschen ohne zwingende Notwendigkeit erschossen. Immer waren es Raubwölfe und angeworbene Revolverbanditen ...«

»Du warst so schnell, dass du es dir leisten konntest, den anderen zuerst zur Waffe greifen zu lassen, Dan«, unterbricht ihn Lee prahlerisch. »Bei mir könntest du dir das nicht mehr erlauben. Warum sollte mir da nicht gelingen, was mein Bruder schon vor mir geschafft hat?«

Mit einer schroffen Bewegung richtet Dan sich kerzengerade auf.

»Weil ich dich daran hindern werde, Lee«, sagt er scharf. »Ich will keine revolververrückten Burschen auf der Bell-Ranch, auch dann nicht, wenn es sich zufällig um meine Brüder handeln sollte. Ist das jetzt endlich klar?«

Cole meint beschwichtigend:

»Du solltest seine Redensarten nicht ernster nehmen, als sie es verdienen.«

Dan muss erst seinen Missmut abschütteln, ehe er zurückgibt:

»Okay. Nehmt die Sättel auf, Jungs. Ich habe euch Pferde mitgebracht. – Wenn ihr erst die Ranch gesehen habt, dann werdet ihr viele Dinge mit anderen Augen betrachten.«

✰✰✰

Als die drei Brüder vor dem Cattlemen Saloon absitzen und die Zügel um den Haltebalken schlingen, kommt auf dem Gehsteig ein großer, breitschultriger Mann näher, dessen offenes, klares Gesicht auf den ersten Blick Sympathie erweckt. Mit dem Daumen schiebt er den Hut aus der Stirn, ehe er schleppend sagt:

»Hallo, Dan. Jetzt ist die Familie komplett, scheint mir.«

»Natürlich hat Stan Nash wieder alles ausgeplaudert, nicht wahr?«, erkundigt sich Dan lächelnd. »Stimmt's, John?«

Bedächtig zieht John Duncan die Schultern empor und lächelt.

Seitdem Dan von Ambrose Bell die Ranch gekauft hatte, war er Anfeindungen ausgesetzt. Mit voller Überlegung hatte er den alten Namen und das Brandzeichen der Ranch beibehalten, zumal »Bell« ja nicht nur ein Name, sondern gleichzeitig auch die Bezeichnung für einen Gegenstand ist – für eine Glocke nämlich. Aber auch das hatte die Ablehnung des neuen Besitzers der Glocken-Ranch nicht mindern können. In den Augen der Bürger von Forlorn Station, und besonders in denen der anderen Rancher, war er der Revolvermann Dan Kendall geblieben, obgleich er im Laufe von mehr als zwei Jahren keinerlei Anlass gegeben hat, sich seiner rauchigen Vergangenheit zu erinnern. Das Misstrauen war trotzdem wachgeblieben und hatte besonders in letzter Zeit immer aggressivere Formen angenommen. Niemand wollte ihm die Chance geben zu beweisen, dass es ihm mit seiner Wandlung ernst war – mit zwei Ausnahmen. Unter den Bürgern von Forlorn Station war das Marshal Clyde Whittaker gewesen, der ganz offen dafür plädierte, das weitverbreitete Vorurteil über Dan Kendall zu revidieren. Und von Seiten der Rancher war John Duncan etwa drei Monate nach der Übernahme der Bell-Ranch durch Dan zu ihm gekommen und hatte ihm eine gute Nachbarschaft angetragen.

Anlass dazu war ein Zwischenfall beim Frühjahrs-Round-up gewesen, bei dem John Duncan und einer seiner Reiter eine ausbrechende Herde vom Treibsand des Crow Creek fernhalten wollten und dabei selbst abgedrängt worden waren. Nur dem Eingreifen Dan Kendalls und seiner beiden Weidereiter war es zu verdanken, dass außer einem Pferd und zwei Stieren nicht auch noch Menschenleben dem tückischen Treibsand zum Opfer fielen. Seither hatte John Duncan jede Gelegenheit genutzt, um Dan zu einer fairen Chance zu verhelfen.

Man hatte seine Einstellung zwar achselzuckend gebilligt, weil man Verständnis dafür hatte, dass John Duncan sich nicht gegen seinen Lebensretter stellen wollte, doch sonst war man unter dem Eindruck zunehmender Spannungen im County darüber hinweggegangen. Dan Kendall war und blieb für die anderen Viehzüchter und insbesondere für Phil Robinson, den Vorsitzenden der Rancher-Genossenschaft, ein Revolvermann, dem man mit Argwohn begegnen musste. Dieser Umstand hatte jedoch nichts daran zu ändern vermocht, dass sich zwischen Dan und John Duncan in der Folge eine wortkarge, dafür aber umso festere Freundschaft entwickelte.

»Würdest du mich mit diesen beiden Knaben bekanntmachen, Mister«, fragt John lächelnd.

Diese ironische Bezeichnung treibt Lee Kendall das Blut in die Stirn. Doch ehe er zu einer scharfen Erwiderung ansetzen kann, lässt Dan bereits ein sonores Lachen hören, deutet auf seine Brüder und erklärt:

»Das also sind Lee und Cole, meine Brüder. Cole behauptet, dass unser jüngster die Menschen gern zu Rechenaufgaben herausfordert: Man sollte immer nur die Hälfte von dem ernstnehmen, was er sagt. – Jungs, dies ist John Duncan, Besitzer der Bar-D-Ranch und der verlässlichste Freund und Nachbar, den man sich in diesem verrückten Land nur wünschen kann.«

»Okay«, knurrt Lee in großsprecherischer Pose. »Das bedeutet also, wir sollen mit ihm zurechtkommen, nicht wahr? An uns soll es nicht liegen, Bruderherz.«