H. C. Hollister 72 - H.C. Hollister - E-Book

H. C. Hollister 72 E-Book

H. C. Hollister

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Beschreibung

Als Jesse Shannon und seine Partner mit ihrer Herde ins Bluewater-Becken kommen, finden sie eine Weide vor, auf welcher es nur dem Namen nach ein Gesetz gibt, während in Wirklichkeit das Faustrecht regiert. Zudem erwartet sie noch eine böse Überraschung: Der Mann, dem sie ihre gesamten Ersparnisse anvertraut hatten, um damit freie Regierungsweide für eine neue Ranch zu ersteigern, ist bereits seit Monaten tot. Sie stehen mit ihrer zusammengeschrumpften Herde vor dem Nichts.
Einzig Ringo Hyer, der ehemalige Revolvermann, scheint beweglich genug zu sein, um sich der veränderten Situation anzupassen. Er war es auch, der für sich und seine Partner den Plan einer eigenen Ranch im Bluewater-Becken entworfen hatte. Offenbar macht es ihm nicht viel aus, diesen Plan einfach fallenzulassen und fortan für Hannah Rutherford, die Besitzerin der Fork-Ranch, zu reiten. Damit bricht dann am Bluewater die Hölle los. Was immer sich in den langen Jahren der Vorherrschaft eines Gordon Rutherford an Hass, Leidenschaft und Machtgier aufgespeichert hat, entlädt sich jetzt mit der Heftigkeit eines Prärie-Gewitters. Und Jesse Shannon wird ungewollt zum Mittelpunkt dieses ganzen Geschehens ...


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Inhalt

Cover

STAMPEDE AM BLUEWATER

Vorschau

Impressum

STAMPEDE AM BLUEWATER

Als Jesse Shannon und seine Partner mit ihrer Herde ins Bluewater-Becken kommen, finden sie eine Weide vor, auf welcher es nur dem Namen nach ein Gesetz gibt, während in Wirklichkeit das Faustrecht regiert. Zudem erwartet sie noch eine böse Überraschung: Der Mann, dem sie ihre gesamten Ersparnisse anvertraut hatten, um damit freie Regierungsweide für eine neue Ranch zu ersteigern, ist bereits seit Monaten tot. Sie stehen mit ihrer zusammengeschrumpften Herde vor dem Nichts.

Einzig Ringo Hyer, der ehemalige Revolvermann, scheint beweglich genug zu sein, um sich der veränderten Situation anzupassen. Er war es auch, der für sich und seine Partner den Plan einer eigenen Ranch im Bluewater-Becken entworfen hatte. Offenbar macht es ihm nicht viel aus, diesen Plan einfach fallenzulassen und fortan für Hannah Rutherford, die Besitzerin der Fork-Ranch, zu reiten. Damit bricht dann am Bluewater die Hölle los. Was immer sich in den langen Jahren der Vorherrschaft eines Gordon Rutherford an Hass, Leidenschaft und Machtgier aufgespeichert hat, entlädt sich jetzt mit der Heftigkeit eines Prärie-Gewitters. Und Jesse Shannon wird ungewollt zum Mittelpunkt dieses ganzen Geschehens ...

Sie kommen von Süden die Laramie Plains herauf, überqueren den Oberlauf des Powder River, dort wo er noch nicht viel mehr als ein seichter Creek ist, und nehmen schließlich die Steigung zwischen den Rattlesnakes und den Bighorn Mountains in Angriff. Sie – das sind ein halbes Dutzend Männer, eine fast tausendköpfige Herde von Longhorns und eine Remuda von etwa zwanzig Pferden.

Jesse Shannon hat den Wolfsfellkragen seiner gefütterten Mackinaw-Jacke hochgeschlagen und haucht immer wieder in die Stulpen seiner Fausthandschuhe aus Segeltuch, um die erstarrten Finger zu wärmen.

In einem halben Jahr hatten sie es schaffen wollen – aus der baumlosen, sonnenverbrannten Einöde der Llanos von Texas bis hinauf in das gelobte Land von Wyoming. Jetzt sind neun Monate daraus geworden. Waniyetula, der grimmige Eisriese des Nordens, hatte sich ihnen entgegengeworfen, sie in den Badlands des westlichen Nebraska überrascht und die Herde fast unter seinen Schneemassen erstickt.

Für die Rinderzucht jedoch war dieser Winter im doppelten Sinne eine Katastrophe. Viele Züchter sahen sich gezwungen, auf Grund der schlechten Futterlage, die durch den frühen Einbruch des langen Winters entstanden war, große Teile ihrer Herden möglichst rasch abzustoßen. Wie eine Lawine schwoll das Angebot an, und wie eine Lawine zu Tal rollt, so waren auch die Rinderpreise ins Bodenlose gestürzt.

Etwa die Hälfte der Herde hatten Jesse Shannon und seine Partner in Cheyenne verkaufen wollen. Durch die Verluste hatten sie von ihrem ursprünglichen Plan ohnehin schon Abstriche machen müssen. Doch die Laramie Plains wimmelten von Verkaufsherden, und der Rinderpreis war zum Frühjahr auf drei Dollar gefallen. Es war der niedrigste Stand seit dem Ende des Krieges, seit mehr als zehn Jahren also.

Auf der Höhe des Bergsattels lenkt Jesse Shannon sein Pferd zur Seite. Bisher hat er bei der Herde den Point gemacht, den Spitzenreiter also, aber von hier an wird der mooshornige Leitstier seinen Weg allein finden.

Während Jesse diesen Strom gehörnter Schädel und gebuckelter Rücken an sich vorbeiziehen lässt, wenden sich seine Gedanken bereits wieder anderen Dingen zu. Ursprünglich hatten sie höchstens sechshundert Rinder in das Becken des Bluewater Creeks treiben wollen, in dieses Nebental des großen Bighorn Basins. Trotz der schweren Verluste in den Badlands von Nebraska sind es aber jetzt immer noch annähernd tausend Tiere. Die Differenz hat ihre Ursache darin, dass sie von den überlebenden Rindern entgegen ihrer vorherigen Absicht keines mehr verkauft hatten.

Von der Flanke der Herde kommt Ringo Hyer herübergaloppiert. Er hat bemerkt, dass jetzt die Herde von selbst in die weite Senke hinabströmt und ist ebenso begierig, einen Blick in das »Gelobte Land« zu werfen, das sich jetzt vor ihnen auftut. Er trägt eine Bärenfelljacke, die seine hagere Gestalt plump und ungefüge erscheinen lässt. Mit einem harten Ruck bringt er sein Pferd neben Jesse Shannon zum Stehen, und in seine Augen springt ein Funke, als er die Blicke auf das weite, von Bergen und Hügelketten umschlossene Becken wirft.

»Yeah, das ist es«, stößt er aufatmend hervor, sodass sein Atem in der kalten Höhenluft dampft. »Das ist das Becken des Bluewater Creeks. Sieh es dir gut an! Wir haben es wahrhaftig geschafft.«

Jesse Shannon blickt nur schweigend über die gigantischen Terrassen hinab und nickt etwas schwerfällig, als ob er immer noch nicht fassen könne, dass sie nach diesem höllischen Trail überhaupt jemals das Ziel erreicht haben. Frank O'Bannion und Curley Ferguson hängen die schweren Bullpeitschen ans Sattelhorn und wenden ihre abgetriebenen Pferde ebenfalls Jesse zu, während von der anderen Flanke der Herde sogar in weitem Bogen »Spuck-eine-Meile« Jim Croyden herangaloppiert kommt. Dann ist die kleine Crew beisammen.

»Das ist eine Weide«, sagt Frank O'Bannion gepresst. »Bunchgras – ich wette, im Sommer reicht es den Gäulen bis an den Bauch ...«

»Und noch höher«, wirft Ringo Hyer ein. »Ich habe euch nicht umsonst davon erzählt. Auf jeder Quadratmeile sind hier dreimal so viele Rinder zu halten wie in den Llanos von Texas. Man muss sich nur auf die Winterfütterung mit Heu umstellen, aber das ist nicht schwierig, denn jeder Acre Grasland bringt mehr als eine Tonne Heu.«

»Spuck-eine-Meile« Jim Croyden macht seinem Namen alle Ehre. Er benutzt eine seitliche Zahnlücke, um zielsicher mit einem Strahl von braunem Tabaksaft einen zehn Yards entfernten Felsbrocken zu treffen. Dann blickt er Jesse Shannon an und brummt:

»Wieviel Acres hat die Triple-Star-Ranch?«

»Mehr als zwanzigtausend«, erwidert Jesse mit belegter Stimme. Er selbst ist von dieser Zahl zu benommen, als dass er sie sich bildlich vorstellen könnte.

Ringo Hyer ist zweifellos der gelassenste der drei Partner. Außer dem milden und etwas überheblichen Spott, der ständig in seinen verkniffenen Mundwinkeln zu sitzen scheint, zeigen weder sein Gesicht noch seine fahlen grauen Augen irgendeine Regung. Frank O'Bannion hingegen zerrt plötzlich an den Knebelverschlüssen seiner einstmals karierten, heute aber nur noch speckigen und arg verschlissenen Mackinaw-Jacke. Ebenso wie seine Überhosen aus Schafsfell dürfte sie bereits ein Jahrzehnt auf dem Buckel haben. Jetzt scheint ihm auf einmal heiß zu werden, denn er reißt die oftmals geflickte Jacke auf und schnaubt mit geblähten Backen:

»He, Ringo, bist du auch sicher, dass dieser Marty Decker in Warner's Ferry mit seiner Besitzurkunde auf uns wartet?«

Ringo Hyer schickt ihm einen spöttischen Blick hinüber.

»Wenn ich nicht irre, dann hast du doch selbst die Depesche gelesen, die er uns im Herbst aus Cheyenne geschickt hat, nicht wahr?«

»Das war im Herbst«, mault Frank O'Bannion zweifelnd. »Inzwischen ist es April.«

»Bei Marty Deckers Vorliebe für hochprozentige Getränke kann ich mir nicht vorstellen, dass er im Winter erfroren sein sollte«, gibt der hagere, scharfgesichtige Ringo Hyer schleppend zurück. »Wenn die Versteigerung der Weide nicht unmittelbar bevorgestanden hätte, wäre er bestimmt nicht auf die Idee gekommen, die Bankvollmacht zu verlangen, die wir ihm dann aus Nebraska geschickt haben.«

Frank O'Bannions Zweifel jedoch scheinen noch immer nicht beseitigt zu sein.

»Und warum hat er uns dann nicht in Cheyenne erwartet, wie es verabredet war? Die Vermittlungsprovision dieses schmierigen kleinen Winkeladvokaten war gerade hoch genug. Dreihundert Dollar – wenn ich nur daran denke ...«

Jesse zeigt ein belustigtes Grinsen. Wahrscheinlich bereitet dieser Gedanke dem sparsamen Frank tatsächlich körperliche Schmerzen. Deshalb sagt Jesse schmunzelnd:

»Vielleicht war die Provision doch nicht hoch genug, um sich dafür im Sattel anfrieren zu lassen. Um uns in Cheyenne zu empfangen, hätte er schon vor drei Wochen losreiten müssen, und da lag der Schnee hier noch drei Fuß hoch.«

Grollend gibt Frank O'Bannion sich zufrieden.

Es kostet nicht viel Mühe, die Herde in Bewegung zu halten.

Und dass die vom Bergsattel hinabströmende Herde trotz der fehlenden Staubfahne nicht unbemerkt geblieben ist, erweist sich schon am späten Nachmittag. Sie treiben die Tiere, die inzwischen in einen müden Trott gefallen sind, an den steinigen Hängen einer Hügelbarriere entlang. Weiter voraus sieht Jesse Shannon eine Kerbe in diesem Hindernis, offenbar den Durchbruch eines Creeks, und schwenkt gerade mit dem Leitstier darauf zu, als plötzlich vor den Hufen seines Pferdes ein Stück der Grasnarbe emporspritzt und den Bruchteil einer Sekunde später das scharfe Peitschen eines Gewehrschusses zu hören ist.

Der Kastanienbraune bäumt sich auf; erst im letzten Augenblick, ehe er abgeworfen wird, kann Jesse ihm hart die Schenkel anlegen und die Vorderhand wieder zu Boden zwingen. Als der zweite Schuss herüberpeitscht, hat er das Tier bereits fest unter Kontrolle. Aber dafür setzt Napoleon, der narbige Leitstier, mit einem grotesk erschreckten Sprung zur Seite, wirft den Schädel mit den ausladenden Hörnern empor und stößt ein zorniges Röhren aus, welches weißen Dampf aus seinen Nüstern quellen lässt und unter den nachfolgenden Rindern sofort Unruhe auslöst. Wenn die Tiere nicht so abgetrieben wären, würden diese Schüsse möglicherweise schon ausgereicht haben, um eine Stampede auszulösen. Was das bedeutet, kann nur jemand beurteilen, der schon einmal tausend halbwilde Weiderinder bei einem solchen panischen Ausbruch gesehen hat. »Stampede!«, ist der Schreckensruf aller Treibherdencowboys.

»Zum Teufel!«, stößt Jesse Shannon zornig hervor. Plötzlich ist nichts mehr von seiner Lässigkeit und dem lockeren Reitsitz zu bemerken. Zusammengeduckt und angespannt sitzt er im Sattel, zerrt sich in Sekundenschnelle die plumpen Segeltuchfäustlinge von den Händen, die er noch über die ledernen Reithandschuhe gestreift hatte, und schiebt sie hinter den Gurt. Aus verkniffenen Augen späht er zu der Kerbe in der Hügelbarriere hinüber, wo jetzt drei Reiter auftauchen. Einer von ihnen hält noch immer das Gewehr auf den Schenkel gestemmt.

Atemlos kommen Frank O'Bannion, Jim Croyden und Curley Ferguson an der Flanke der Herde entlang nach vorn galoppiert und bringen neben Jesse ihre Pferde zum Stehen.

Frank O'Bannions Gesichtsausdruck ist wild und unbeherrscht. Mit hartem Ruck zwingt er sein Pferd zur Ruhe und keucht:

»Diese vernagelten Idioten! Die ganze Herde hätten sie uns mit ihrer Schießerei aufjagen können! Was wollen sie von uns?«

»Das will ich gerade feststellen«, erwidert Jesse grimmig und knöpft seine Segeltuchjacke auf, sodass außer dem krausen Lammfellfutter auch noch sein brauner, gepunzter Gurt mit dem mattglänzenden Halfter sichtbar wird. »Ich glaube nicht, dass diese Burschen Rinderleute sind, sonst wüssten sie, was man bei einer Herde Longhorn mit einigen Schüssen anrichten kann.«

Er wendet sich Curley zu, gibt ihm einen Wink mit dem Kopf und fährt fort: »Ist Ringo noch hinten? – Gut, dann kann er dort aufpassen. Curley, du kümmerst dich um Napoleon, damit er keinen Verdruss stiftet. Frank und Clint, ihr kommt mit!«

Er reitet in leichtem Trab und mit langen Bügeln auf die drei Männer zu, die immer noch in der Kerbe halten. Wenn er in diesem Augenblick über etwas verwundert ist, dann über die Tatsache, dass Ringo Hyer sich bei einer Schießerei und einer möglichen Auseinandersetzung im Hintergrund hält, ausgerechnet Ringo Hyer, dessen Revolvergewandtheit schon fast zur Legende geworden ist und der bisher noch nie eine Gelegenheit hat verstreichen lassen, wenn es galt, einem Gegner die harte Faust zu zeigen. Aber Jesse Shannon beruhigt sich selbst mit dem Gedanken, dass auch Ringo vermutlich erkannt hat, dass es sich lediglich um Warnschüsse gehandelt hat. Wenn ein Gewehrschütze auf diese Distanz hätte treffen wollen, hätte er das zweifellos auch geschafft.

Ein erschreckend dürrer, hohlwangiger Mann mit eingesunkener Brust hält an der Spitze der drei Reiter, die Jesses Herannahen abwarten. In seinen Augen liegt ein fiebriger Glanz, und auf seinen Wangen zeichnen sich hektische rote Flecken ab.

»Mister«, knurrt Jesse Shannon, als er sein Pferd pariert hat, »das war ein verteufelt schlechter Witz. Wenn die Herde nicht heute über den Bergsattel gekommen und deshalb ziemlich abgetrieben wäre, hätte ein einziger Schuss bereits genügt ...«

Mit trockenem Hüsteln hat der dürre Mann die Rechte vor den Mund gehoben. Jetzt fällt er Jesse mit blecherner Stimme ins Wort:

»Was Ihre Herde nach einem Schuss anstellen könnte, ist mir verteufelt gleichgültig. Jedermann in diesem Becken weiß, dass das Iron Gate von mir für alle Rinder gesperrt ist. Über meine Weide wird keine fremde Herde getrieben – schon gar nicht eine so starke Treibherde!«

Frank O'Bannion stemmt die Hände auf das Sattelhorn, richtet sich einen Moment in den Bügeln auf und rutscht unruhig im Sattel herum. So fixiert er die beiden Begleiter des Mannes, welche sich mit eingefrorenem Grinsen wachsam im Hintergrund halten. Es handelt sich zweifellos um Burschen, wie sie in jeder rauen Kampfmannschaft anzutreffen sind. Niemand kann das besser beurteilen als Frank O'Bannion, denn er hat einige Jahre seines Lebens damit zugebracht, in solchen Mannschaften zu reiten. Deshalb ist das unverfrorene Anstarren für ihn eine glatte Herausforderung. Doch Jesse Shannon wirft ihm über die Schulter einen warnenden Blick zu, schiebt dann unmerklich das Kinn vor und sagt mit beißender Ironie:

»Mister, Sie sind ein wirklich liebenswerter Zeitgenosse. Würden Sie mir vielleicht erklären, was es mit diesem ›Eisernen Tor‹ auf sich hat? Ich nehme an, es handelt sich um den Durchbruch durch diese Hügelkette, nicht wahr?«

»Um den Durchbruch des Medicine Creeks«, versetzt der andere scharf. »Manchmal muss ein Mann sich zur Wehr setzen, und ich tue es auf meine Weise. Ich nehme nichts mehr hin – gar nichts!«

Ein Blick nach hinten zeigt Jesse, dass Curley Ferguson sich offenbar mit Napoleon geeinigt hat und die Herde zum Stehen gekommen ist, sodass sich keine zwingende Notwendigkeit zur Eile mehr ergibt.

»Hören Sie, Mister ...«

»Ich heiße Merriwether – James Merriwether!«

»Nun gut, ich bin Jesse Shannon. Also hören Sie, Mr. Merriwether, ich weiß zwar nicht, von wem Sie nichts mehr hinnehmen wollen, aber ich bin auch nicht auf Verdruss aus. Ich muss meine Herde ins Becken bringen, das ist alles.«

»Ins Becken?« höhnt der dürre James Merriwether gallig. »Glauben Sie, Sie könnten mich für dumm verkaufen, Shannon? In diesem Becken wird nur eine einzige Herde erwartet, und die ist für die Weide der Fork-Ranch bestimmt. Oder wollen Sie bestreiten, dass Sie durch das Iron Gate treiben wollten? Wir haben absichtlich so lange gewartet, bis Sie mit Ihrem Leitstier darauf einschwenkten. Geben Sie doch ruhig zu, dass Ihre Rinder für diesen Weibsteufel auf der Fork-Ranch bestimmt sind.«

Die Verständnislosigkeit in Jesse Shannons Miene ist nicht mehr zu übersehen.

»Ich habe keine Ahnung, wovon Sie reden, Merriwether«, entgegnet Jesse gepresst, sodass die Ungeduld in seiner Stimme mitschwingt. »Bis vor wenigen Minuten habe ich weder eine Fork-Ranch noch einen Weibsteufel oder einen James Merriwether gekannt, und ich weiß auch jetzt noch nicht, was ich mit Ihren krausen Reden anfangen soll. Im vergangenen Herbst fand in Warner's Ferry eine Landversteigerung statt, bei der ein gewisser Marty Decker für mich und meine Partner ein großes Stück Regierungsland erworben hat, auf dem wir uns eine Ranch aufbauen wollen. Es wäre also möglich, dass wir schon bald Nachbarn sind. Nur deshalb gebe ich Ihnen so lange Gelegenheit, auf meiner Geduld herumzutrampeln.«

Zum ersten Mal zeigt sich in James Merriwethers hohlwangigem, fanatischem Gesicht der Zweifel. Aus fiebrig glänzenden Augen starrt er Jesse Shannon an, als wolle er hinter dessen Stirn die Gedanken lesen. Mit einem Mal bricht er dann in ein stoßweises Lachen aus – schrill und misstönend, ehe er sich über dem Sattelhorn zusammenkrümmt und sein ganzer Körper von trockenem Husten geschüttelt wird.

»Eine Ranch?«, ächzt er atemlos. »Auf ersteigertem Regierungsland? Dabei sehen Sie eigentlich gar nicht wie ein Narr aus, Shannon! – Mister, die Weide, auf der Ihre Herde jetzt steht, ist fast so gut wie jede andere in diesem Becken. Lassen Sie die Tiere dort und reiten Sie erst nach Warner's Ferry, damit ersparen Sie sich eine Menge Arbeit. Und wenn Sie dann noch immer durch das Iron Gate wollen, garantiere ich Ihnen die ungehinderte Passage – aber nur dann! Haben Sie gehört? Versuchen Sie es nur nicht auf die raue Art, denn das würde Ihnen nur Kummer einbringen! Dort hinten bei der Weidehütte warten noch zwei meiner Leute, und die können mit ihren Gewehren das ganze Iron Gate bestreichen. – Los, worauf warten Sie noch? Besuchen Sie Ihren Marty Decker! Ich bin ganz scharf darauf, dass Hannah Rutherford wieder ein paar neue Freunde gewinnt ...

✰✰✰

»Ringo«, sagt Jesse Shannon gedehnt, als sie die Herde in einer Senke untergebracht und bereits ihr Camp aufgeschlagen haben, »ich denke, du solltest endlich die Zähne voneinander nehmen. Du bist der Einzige von uns, der dieses Becken von früher her kennt. Was hat es mit Merriwether und dieser Hannah Rutherford auf sich?«

Ringo Hyer dreht sich eine Zigarette und blickt mit unbewegtem Gesicht auf seine Hände hinab.

»Als ich die Schüsse hörte, da wusste ich, dass es dieser schwindsüchtige Weidepirat sein musste«, murmelt er schleppend. »Deshalb habe ich mich zurückgehalten. Aah, damals hatte ich diesen fanatischen Burschen vor dem Lauf. Ich hätte schießen sollen, aber ich vertraute darauf, dass er es ohnehin nicht mehr lange machen würde. Damals gab es noch einen Gordon Rutherford, er war der König dieses Beckens. Sein Besitz war die Fork-Ranch.«

»Und diese Hannah Rutherford?«, wirft Frank O'Bannion ein.

»Ist seine Tochter«, versetzt Ringo Hyer lakonisch. »Gordon Rutherford hatte sich in diesem Becken ein Rinderreich aufgebaut, ihr ist es unter den Händen zerbröckelt wie morscher Fels, obgleich sie sich mit allen Kräften dagegengestemmt hat. Es kamen andere Burschen an den Bluewater Creek, nachdem Gordon Rutherford den Bann einmal gebrochen hatte. Er muss eine ziemlich harte Faust gehabt haben, denn es gelang ihm über Jahre hinaus, all die kleinen Kläffer von seinen Grenzen fernzuhalten. Er hätte sie ganz zum Teufel jagen sollen, anstatt sie am Rand seiner Weide zu dulden. Außerdem war er mittlerweile ein alter Mann geworden. Er starb vor ungefähr drei Jahren – genauer gesagt: er brach sich den Hals bei einer Verfolgungsjagd auf Viehdiebe, als sein Pferd plötzlich strauchelte. Nun, der König war tot, und das war das Signal für all jene Männer, die sich bis dahin abwartend im Hintergrund gehalten hatten. Sie alle fielen über die Fork-Weide her und holten sich ihren Anteil vom Fell des getöteten Bären. Innerhalb weniger Monate schmolz die Weide der Fork-Ranch zusammen wie Schnee unter der Sonne.«

»Die Weide der Fork-Ranch?«, echot Jesse Shannon gedehnt. »Ich dachte, es handelte sich um freies Regierungsland.«