H. C. Hollister 77 - H.C. Hollister - E-Book

H. C. Hollister 77 E-Book

H. C. Hollister

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Beschreibung

Nach fünfjähriger Abwesenheit kehrt Dirk van Vleet auf die Arrow-Tip-Ranch zurück, um ein Vermächtnis anzutreten, das ihm sein Vater hinterlassen hat. Doch sein Bruder, der ihm dieses Vermächtnis auszahlen sollte, ist tot - erschossen bei dem ersten wirklichen Kampf, zu dem er sich in seinem Leben hat aufraffen können. Dirk van Vleet ist nun der Erbe der Ranch - oder vielmehr dessen, was von der ehemals mächtigen Arrow-Tip-Ranch noch übrig ist.
Das harte Gesetz der Vergeltung treibt ihn auf eine Fährte, die nach Norden ins Indianerland führt. Und dabei hat er die Männer, die er verfolgt, noch niemals zu Gesicht bekommen. Es ist eine fast aussichtslose Aufgabe, und seine Gegner scheinen alle Trümpfe in der Hand zu haben. Dirk van Vleet hat ihnen nichts entgegenzusetzen als seine unerbittliche Entschlossenheit.
Er nennt sich Dutch Longhorn, als er im Bahncamp von Happy Repose auftaucht. Ein Wunder fast, dass er der heißen Fährte überhaupt so weit hat folgen können. Und hier nimmt er den Kampf gegen seine skrupellosen Gegner auf ...


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Inhalt

Cover

DAS KREUZ AM MOONLIGHT-PASS

Vorschau

Impressum

DAS KREUZ AM MOONLIGHT-PASS

Nach fünfjähriger Abwesenheit kehrt Dirk van Vleet auf die Arrow-Tip-Ranch zurück, um ein Vermächtnis anzutreten, das ihm sein Vater hinterlassen hat. Doch sein Bruder, der ihm dieses Vermächtnis auszahlen sollte, ist tot – erschossen bei dem ersten wirklichen Kampf, zu dem er sich in seinem Leben hat aufraffen können. Dirk van Vleet ist nun der Erbe der Ranch – oder vielmehr dessen, was von der ehemals mächtigen Arrow-Tip-Ranch noch übrig ist.

Das harte Gesetz der Vergeltung treibt ihn auf eine Fährte, die nach Norden ins Indianerland führt. Und dabei hat er die Männer, die er verfolgt, noch niemals zu Gesicht bekommen. Es ist eine fast aussichtslose Aufgabe, und seine Gegner scheinen alle Trümpfe in der Hand zu haben. Dirk van Vleet hat ihnen nichts entgegenzusetzen als seine unerbittliche Entschlossenheit.

Er nennt sich Dutch Longhorn, als er im Bahncamp von Happy Repose auftaucht. Ein Wunder fast, dass er der heißen Fährte überhaupt so weit hat folgen können. Und hier nimmt er den Kampf gegen seine skrupellosen Gegner auf ...

Die Farbe seines lehmgelben, gedrungenen Wallachs ist eigentlich zu schmutzig, um das Tier noch als Falben zu bezeichnen. Der Reiter ist nur um eine Spur zu ordentlich gekleidet, als dass man ihn einfach als Satteltramp oder Desperado betrachten könnte. Der Verdacht jedoch, dass es sich bei ihm um einen jener ziellos herumreitenden Burschen handeln könnte, ist dennoch nicht von der Hand zu weisen.

Diesen Eindruck jedenfalls scheint Cooky Samuels zu gewinnen, als er den Reiter betrachtet, der da bei Sonnenuntergang auf den Hof der Arrow-Tip-Ranch getrabt kommt, und dementsprechend legt er sein Gesicht in hagere Falten.

»Hallo«, murmelt der fremde Reiter, der mit lang geschnallten Bügeln im Sattel sitzt, und tippt dabei lässig an den Rand seines durchgeschwitzten Hutes.

»Hallo«, gibt Cooky Samuels in gedehntem Tonfall zurück, als ob er sich schon jetzt belästigt fühle. Gemächlich wischt er seine Hände an dem Zuckersack ab, den er als Schürze vorgebunden hat. Tatsächlich ist er denn von diesem Besuch auch nicht sonderlich angetan, denn wenn ein Mann auf einer Ranch gleichzeitig die Aufgaben des Kochs, eines Stallhelfers und die eines Hausburschen zu erfüllen hat, dann liegt um diese Zeit ein nicht gerade kleines Tagespensum hinter ihm, und er ist froh, auf der Bank zu sitzen und seine Beine von sich strecken zu können.

Der Reiter scheint sich von seiner grimmigen Bullenbeißermiene nicht beeindrucken zu lassen. Als ob es die selbstverständlichste Sache der Welt sei, reckt er sich noch einmal in den Bügeln hoch, setzt sich bequemer zurecht, legt dann die Hände über das Sattelhorn und blickt sich gelassen um. Schon allein die Verwegenheit, die in seinem belustigten Grinsen zum Ausdruck kommt, erweckt Cooky Samuels' Unwillen, denn Cooky ist ein aufbrausender und zu Gewalttätigkeiten neigender Mann, der ständig darauf bedacht ist, sich bei aufsässigen Weidereitern Respekt zu verschaffen.

»Mister«, knurrt Cooky Samuels also ziemlich ungehalten, »falls du einen Job suchen solltest – so etwas gibt es auf dieser Ranch nicht. Wir fristen unser Leben, indem wir nach und nach den lausigen Rest unserer Kühe in den Kochtopf wandern lassen, bis eines Tages keine mehr da sind. Danach werden wir wohl selbst auf die Weide gehen. Schon jetzt läuft mir zuweilen das Wasser im Mund zusammen, wenn ich saftiges Gras sehe.«

Der Reiter schlägt seine verschossene Segeltuchjacke zurück und zieht Rauchzeug aus der Brusttasche.

»Gras auf dem Küchenzettel?«, fragt er zweifelnd. »Mister, bei deiner Leibesfülle ist das mehr als unwahrscheinlich.«

Cooky Samuels zuckt schmerzlich berührt zusammen.

»Jetzt ist es genug, Freundchen«, erwidert er grimmig, erhebt sich und reckt die muskelbepackten Schultern. »Ich sage dir noch einmal, dass hier weder ein Kuhtreiber noch sonst ein Bursche gebraucht wird. Und um umherstrolchende Satteltramps durchzufüttern, reicht es bei uns nicht mehr.«

Gelassen nimmt der Reiter einen Zug aus seiner Zigarette und sitzt ab.

Die Art, wie der Fremde dann lässig die Asche von seiner Zigarette schnippt, bringt Cooky Samuels endgültig aus der Fassung. Diese klare Herausforderung kann er nicht unbeantwortet lassen. Mit einem röhrenden Grunzlaut stürmt er vorwärts und schwingt seine Rechte zu einem ausholenden Schwinger, um sich auf diese Weise Respekt zu verschaffen und seiner Aufforderung den nötigen Nachdruck zu verleihen.

Nur für den Bruchteil einer Sekunde blitzt ein Funke in den graugrünen Augen des Fremden auf, dann gleitet er dem Angreifer mit zwei geschmeidigen, katzenhaften Schritten entgegen, biegt den Oberkörper zur Seite und weicht so dem Hieb mit beinahe spielerischer Leichtigkeit aus.

Fassungslos reißt Cooky Samuels die Augen auf, als seine Faust ins Leere schießt und er von der Wucht des eigenen Schlags noch weiter vorwärtsgetragen wird. Aber es bleibt ihm keine Zeit mehr, seinen unverständlichen Fehler zu korrigieren. Noch ist sein Arm mit der vorschnellenden Faust gestreckt, als auch schon eine Hand mit stahlhartem Griff auf sein Handgelenk fällt, den Arm mit einem Ruck herabreißt und – noch ehe Cooky die Muskeln zum Widerstand anspannen kann – denselben gestreckten Arm hinter dem Rücken des Kochs im gleichen Schwung wieder nach oben zwingt.

Was Cooky Samuels dann widerfährt, hat er in seinem ereignisreichen Leben noch nie erlebt. Sein Schmerz ist zu groß, als dass er in dieser winzigen Zeitspanne begreifen könnte, auf welche Weise er hier das Opfer der Hebelwirkung wird. Es reißt und zerrt in seinem Schultergelenk, als ob ihm der Arm ausgekugelt werden sollte. Mit heiserem Gebrüll beugt er sich nach vorn, während sein nach rückwärts gedrehter Arm steil emporragt, fühlt dann einen Widerstand an seiner Hüfte und vollführt über den gebeugten Rücken seines geschmeidigen Gegners hinweg einen eleganten Salto, ehe er auf den Boden kracht und mit einem Seufzer die Luft ausstößt.

Damit ist sein Gebrüll endgültig erstickt. Mit vorquellenden Augen und gierig pfeifendem Atem richtet er sich auf den Ellenbogen auf und starrt den schlanken, wenn auch keineswegs schwächlichen Mann an. Aber der Fremde hat bereits sein kühles Lächeln wiedergewonnen, hebt seine Zigarette vom Boden auf und drückt sie sorgfältig zurecht.

Als Cooky Samuels endlich ächzend auf die Beine kommt und instinktiv wieder die Fäuste vor die Brust nimmt, blickt er plötzlich in die dunkle Mündung eines blauschimmernden Navy Colts und hört eine sanfte, tadelnde Stimme:

»Warum ihr verrückten Burschen eure Späße nur immer übertreiben müsst. Dabei hat mir ein Freund einmal gesagt, Vergnügungssucht sei eines der schlimmsten Laster und käme noch vor der Spielleidenschaft. Wirklich, Mister, du solltest es dir noch einmal überlegen, ob du in dieser Art ...«

Vielleicht ist die Rauferei daran schuld, dass sie beide den gedämpften Hufschlag zweier Pferde überhört haben, vielleicht ist das Geräusch auch untergegangen im Stampfen eines Pferderudels, das sich unruhig im Sattelkorral bewegt. Zwei Reiter tauchen an der Stallecke auf, und von dorther klingt auch die raue Stimme:

»Die Waffe weg, Mann! Und dann langen Sie verteufelt rasch zum Himmel, damit zwischen uns gar nicht erst weitere Missverständnisse aufkommen!«

Der Fremde scheint dem Klang dieser grollenden Stimme nachzulauschen und senkt nur leicht den Lauf seines Revolvers, sodass er zu Boden zeigt. Dafür weiß Cooky Samuels seine Chance zu nutzen, springt vor und reißt ihm den Colt aus der Hand. Dann spannt er den Hahn und heult:

»So habe ich es mir gewünscht! Toby, Ben, kommt her und seht euch diesen Vogel an! Wahrscheinlich hat er herausbekommen, dass ich allein auf der Ranch war und wollte hier seinen Proviantbeutel und seine Reisekasse auffüllen. Los, kommt her und nehmt diesen hartgesottenen Satteltramp in die Zange!«

Die beiden Männer kommen dieser Aufforderung nach, aber kaum hat Toby Wagoner den Fremden schärfer ins Auge gefasst, bleibt er wie angewurzelt stehen und schluckt. Und dann schimmert es mit einem Mal feucht in seinen Augen, und er sagt tonlos:

»Dirk – oh, zum Teufel, Junge, das hättest du nicht tun sollen. Großer Manitu, ich glaube wahrhaftig, mir zittern die Knie ...«

Wenn jemals ein Mann verständnislos und verdutzt dreingeblickt hat, dann ist es jetzt Cooky Samuels. Er war vor fünf Jahren noch nicht auf der Ranch, als der Vater Dirk van Vleets starb und der älteste Sohn Jesse die Ranch übernahm. Die beiden Brüder hatten sich nie verstanden, und die erste Tat Jesses war, seinem Bruder Dirk, der zugleich Vormann der Ranch war, den Stuhl vor die Tür zu setzen. – Fünf Jahre später wollte Dirk wiederkommen, um sein Erbe zu erhalten, und fünf Jahre waren nun vergangen.

Ben Overmile, ein hagerer Texaner, stößt plötzlich einen schrillen Rebellenschrei aus, sodass der Koch zusammenfährt, schleudert seinen Hut zu Boden und trampelt in einem irren Tanz darauf herum. Währenddessen klopfen Dirk und Toby Wagoner sich die Schultern, dass Cooky vom bloßen Zuschauen blaue Flecken zu bekommen glaubt, und erst als sich auch Ben Overmile in dieses Handgemenge einmischt, geht Cooky Samuels endlich ein Licht auf.

Es dauert allerdings noch mehr als zwei Minuten, ehe Dirk van Vleet auf ihn zutritt, ihm mit spitzbübischem Grinsen den Revolver aus der Hand nimmt und die Waffe wieder in sein Halfter schiebt. Da murmelt der Koch mit einer sauren Grimasse, als ob er eben in ein Stück Seife gebissen hätte:

»Entschuldigen Sie, Sir – ich – ich meine, ich konnte ja wirklich nicht wissen ... Es tut mir wirklich leid, Sir.«

Dieses Gestammel bringt bei Ben Overmile wahre Kaskaden wiehernden Gelächters hervor. Sogar Toby Wagoner wird davon angesteckt und ist deshalb ziemlich außer Atem, als er schließlich Dirk zuvorkommt.

»Brich dir nur keine Verzierungen ab, Cooky. Ich kann hier weit und breit keinen ›Sir‹ entdecken, und bei Dirk van Vleet kannst du auf diese Weise bestimmt keine Punkte sammeln.«

Verstohlen blinzelt Dirk van Vleet dem Koch zu. Zaghaft beginnt Cooky zu grinsen. »Wenn das so ist«, murmelt er gedehnt. »Ich schätze, ich werde mich um das Essen kümmern müssen.«

Mit watschelndem Gang verschwindet er in der Küchenhütte.

»Er ist kein schlechter Bursche«, krächzt Toby Wagoner. »Pass nur auf, nach dieser Lektion wirst du gut mit ihm zurechtkommen, Boss.«

Diese Bezeichnung beschwört plötzlich alte Erinnerungen wieder herauf. Fünf Jahre und vier Monate sind vergangen, seitdem Dirk van Vleet nicht mehr Vormann der Arrow-Tip-Ranch ist und sie verlassen hat. Viele Dinge sind inzwischen geschehen, und Toby Wagoner ist sich darüber im Zweifel, ob Dirk mit diesen harten Tatsachen bereits vertraut ist. Als ob er allen Erklärungen noch eine Weile ausweichen wolle, betrachtet er Dirk van Vleet von Kopf bis Fuß.

»Junge«, murmelt er dann anerkennend, »damals warst du ein ziemlich kräftiger Welpe. Inzwischen hast du dich zu einem richtigen Wolf ausgewachsen. Du musst jetzt achtundzwanzig Jahre alt sein, nicht wahr?«

»Stimmt«, gibt Dirk schleppend zurück. »Und wie ist es mit dir, Toby?«

Der Alte grinst.

»Damals war ich gerade fünfzig. Aber da ich seitdem die Jahre rückwärts gezählt habe, bin ich nun wieder fünfundvierzig. Doch jetzt erzähle erst einmal, was du getrieben hast, Dirk.«

Wenig später sitzen sie auf der Bank und hören aus der Küche Cookys Rumoren und das Klappern von Geschirr. Dirk gibt einen kurzen Abriss dessen, was er in den vergangenen fünf Jahren erlebt hat.

»Ich habe mir gedacht, es könnte nützlich sein, wenn man sich einmal umsieht, wie die Rinderzucht anderwärts betrieben wird. Nun, da habe ich ziemlich lange Fährten gezogen – von Montana bis Texas und von Arizona bis hinauf nach Dakota. Zuerst habe ich meistens als Zureiter gearbeitet und bin von einer Ranch zur anderen gezogen wie ein richtiger Satteltramp. Und schließlich habe ich dann vom San Saba mehrere Treibherden nach Norden geführt, quer durch das Indianerland von Oklahoma zu den Bahnlinien von Kansas. Bei dieser Gelegenheit bin ich auch einmal in Kansas City gewesen, vor ungefähr zwei Jahren war es, um mich nach meiner Verwandtschaft umzusehen.«

Sein Gesicht hat sich bei diesen Worten verdüstert, und er blickt starr zu Boden.

»Dann – dann weißt du also ...« Toby Wagoner bricht mitten im Satz ab.

»Ja«, erwidert Dirk van Vleet, und seine Stimme klingt rau, »ich habe erfahren, dass meine Mutter zwei Jahre nach meinem Weggang die Ranch verlassen hat und nach Kansas City gegangen ist.«

»Ihr Lebenswille war gebrochen«, murmelt Toby Wagoner widerwillig. »Hier hat sie während der ganzen Zeit das Haus kaum verlassen. Dafür kam der Arzt immer häufiger zu ihr.«

»Sie hat bei ihrem Bruder gewohnt und ist kurz darauf gestorben«, nimmt Dirk bitter den Faden wieder auf. »Auch die Ärzte in Kansas City haben ihr nicht helfen können. An dem Tag, als ich ihr Grab aufsuchte, lag ihr Tod bereits genau ein Jahr zurück. Ich hatte schon früher davon erfahren, denn ich habe mir regelmäßig das Wochenblatt aus Sterling nach Cheyenne nachsenden lassen.«

»Dann hast du also zum Schluss irgendwo im Norden im Indianerland gesteckt?«

Dirk van Vleet nickt.

»Ich habe im letzten Frühjahr eine Herde zu den Goldfeldern in den Black Hills getrieben, die erste Herde, die in diesem Jahr dort eintraf. Dafür mussten wir uns allerdings mit tausend rothäutigen Teufeln herumschlagen, haben acht Männer dabei verloren und blieben schließlich noch hundert Meilen vor dem Ziel in einem Blaueisblizzard stecken. Eine Kavallerie-Abteilung hat uns herausgeholt. Wir haben ungefähr dreihundert Rinder verloren, aber weil wir schon Ende April in Deadwood eintrafen, haben wir für den Rest so gute Preise erzielt, dass der Verlust mehr als wettgemacht wurde. Die Digger auf den Goldfeldern waren den ganzen Winter über abgeschnitten und verrückt nach Steaks. Fünfundvierzig Dollar wurden für jeden Kuhschwanz gezahlt, und die Burschen, die diesen Betrag anlegten, haben trotzdem noch gute Geschäfte damit gemacht. Sie konnten in ihren Speiseküchen einen ganzen Dollar für ein Steak verlangen und fanden trotzdem reißenden Absatz.«

Ben Overmile hat es förmlich den Kopf herumgerissen.

»Du warst das also?«, krächzt erfassungslos. »Zum Teufel, Toby, erinnerst du dich nicht an die Geschichte, die in der Zeitung stand? Da war von einem Mann namens ›Longhorn-Dutch‹ die Rede, der in diesem Jahr die erste Herde nach Montana hinaufgetrieben hat.«

Endlich scheint auch der Alte zu begreifen und kratzt sich hingebungsvoll am Hinterkopf.

»Dirk, soll das heißen, dass du ...?«

»Ja, sie nannten mich Dutch«, murmelt Dirk van Vleet mit ernstem Lächeln, das ihn noch über sein wirkliches Alter hinaus gereift erscheinen lässt, »weil ich ja einen holländischen Familiennamen besitze. Der Name ›Longhorn-Dutch‹ ist allerdings die Erfindung eines phantasiereichen Zeitungsschreibers, mit dem ich in Deadwood einmal gesprochen habe. Von ihm haben es dann vermutlich alle anderen abgeschrieben. Ich wusste nicht, dass sich die Geschichte so weit herumgesprochen hatte.«

Verwundert schüttelt Toby Wagoner den Kopf, aber ihm ist dennoch anzumerken, dass er Dirk van Vleet plötzlich mit ganz anderen Augen betrachtet.

»In Cheyenne fand ich die angesammelten Zeitungen der letzten sieben Monate vor und habe daraus in groben Zügen erfahren, was sich zwischenzeitlich hier abgespielt hat. Ich denke, das wird eine ziemlich lange Geschichte werden, nicht wahr?«

Toby Wagoner setzt gerade zu einem grimmigen Nicken an, als Cooky Samuels in der geöffneten Tür der Küchenhütte auftaucht. Er ergreift einen Schlegel und bearbeitet damit den eisernen Triangel, der an einem Pfosten vor der Küche hängt. Dieses Höllenspektakel ist eine deutliche Aufforderung.

Kurz darauf sitzen sie dann alle in dem gestreckten Speiseraum beisammen, der an der Küchenhütte angebaut ist. Deutlicher als hier kann die Veränderung auf der Arrow-Tip-Ranch nirgendwo zum Ausdruck kommen. Zwei Dutzend Weidereiter könnten an dem langen Tisch Platz finden. Aber es sind nur vier Männer, die sich nun am oberen Ende niederlassen. Die Gruppe wirkt geradezu verloren in dem großen Raum.

Schweigend bringen sie die Mahlzeit hinter sich.

Erst als der Kaffee auf dem Tisch dampft und Dirk van Vleet seinen Tabaksbeutel die Runde machen lässt, nimmt das Gespräch seinen Fortgang.

Toby Wagoner wechselt einen Blick mit dem dürren Texaner. »Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll.«

Dirk van Vleets bronzehäutiges, schmales Gesicht bleibt unbewegt. Nur seine Augen verdunkeln sich, als er ruhig erwidert:

»Am Anfang, Toby, immer am Anfang. Und das ist in diesem Fall der Tag, an dem ich vor mehr als fünf Jahren die Arrow-Tip-Ranch verlassen habe.«

»Der Tag, an dem wir deinen Vater begraben haben und an dem du so plötzlich verschwunden bist«, berichtigt der Alte finster. »Ich habe mir seitdem oftmals die Frage gestellt, ob du es wirklich richtig gemacht hast, Junge. Aber für uns war es schon schwer, mit Jesse auszukommen. Für dich wäre es sicherlich auf die Dauer unmöglich gewesen. Nun, wir kamen erst nach Einbruch der Dunkelheit zurück. Dann erfuhren wir gleich vom Pfannenschwenker, was vorgefallen war. Er selbst war schon dabei, sein Bündel zu schnüren. Jesse hatte ihn angeschrien und zusammengestaucht, weil er ihn als Boss der Arrow-Tip-Ranch nicht erst gefragt hatte, ehe er dir einen Proviantpacken zurechtmachte.«

»Ich erinnere mich«, wirft Dirk van Vleet mit beherrschter Stimme ein. »Ich fand später in dem Beutel ein Brathuhn und vermutete gleich, dass es für Jesse bestimmt gewesen war.«

»Ich weiß nicht, ob es darum ging«, versetzt der Alte achselzuckend. »Jedenfalls hatte der Bauchbetrüger die Nase voll, und sein Beispiel wirkte ansteckend auf die anderen Jungs. Ich habe den Burschen zugeredet wie einer Remuda von Kolik kranken Gäulen. Zwei von ihnen, Shorty und Wes, haben sich trotzdem auszahlen lassen, und sind zusammen mit dem Koch noch in der Nacht aufgebrochen.

Zwei Wochen später tauchte Kenneth Turpin, dein Vetter aus Kansas City, hier auf und gebärdete sich gleich als Manager der Arrow-Tip-Ranch. Er war ein gewandter Mann und fand die richtige Methode mit Jesse zurechtzukommen. Allerdings muss ich zugeben, dass er vom Rindergeschäft etwas kannte und anscheinend immer das Wohl der Ranch im Auge hatte. Wir hatten nie zuvor im Herbst solche Preise für Mastrinder erzielt. Auf seine Art war er der gerissenste Geschäftsmann, den man sich nur vorstellen kann. Daneben erschien es nicht so wichtig, dass er sich niemals bei der Weidearbeit die Hände schmutzig machte – ein richtiger Manager eben, weißt du. Und eigentlich gab es in all den Jahren auch nichts, was man ihm hätte zum Vorwurf machen können. Denn wenn er auch Jesse richtig zu behandeln wusste, so hatte doch auch er mit Jesses ständigem Misstrauen und Argwohn zu kämpfen. Ich könnte mir vorstellen, dass das für ihn nicht gerade leicht gewesen ist.«

Eine widerwillige Anerkennung spricht aus Toby Wagoners Tonfall. Dirk jedenfalls glaubt herauszuspüren, dass der Alte ein gewisses Misstrauen gegen Kenneth Turpin gefasst hat, aber keinerlei Anhaltspunkte findet. Anders ergeht es Dirk selbst. Er erinnert sich der Dinge, die ihm vor zwei Jahren bei seinem Besuch in Kansas City zu Ohren gekommen waren. Zu diesem Zeitpunkt war Kenneth Turpin bereits seit drei Jahren von dort verschwunden – nach Colorado auf die Arrow-Tip-Ranch, wie Dirk van Vleet nun weiß.