H. C. Hollister 78 - H.C. Hollister - E-Book

H. C. Hollister 78 E-Book

H. C. Hollister

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Beschreibung

Als Jim Crandall den Marshalstern in Trail City ablegt und der Stadt den Rücken kehrt, weiß er bereits, dass es deren Schicksal sein wird, zu einer jener zügellosen und von Gewalt regierten Treibherdenstädte an den Bahnlinien von Kansas zu werden. Es dauert länger als ein Jahr, ehe er zurückkehrt, um einen langgehegten Plan auszuführen und sich eine Ranch aufzubauen. Er selbst hält sich für abgebrüht genug, um die Augen vor all den höllischen Dingen zu verschließen, die inzwischen in Trail City vor sich gegangen sind.
Douglas Rafferty, der Anführer der Spielergilde, hat sein Ziel erreicht, und Kit Crandall, Jims eigener Bruder, hat sich als neuer Townmarshal zum Handlanger dieses skrupellosen Burschen gemacht. Trail City ist innerhalb eines Jahres zu einer Filiale der Hölle geworden. Jim folgt seinem Gewissen und nimmt ohne jede Unterstützung einen Kampf auf, in dem er kaum eine Chance hat. Er entscheidet sich für den einzig möglichen Weg, den ihm sein Stolz offenlässt, mag dieser Weg auch in die Hölle führen ...


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Inhalt

Cover

DAS LIMIT IST DIE HÖLLE

Vorschau

Impressum

DAS LIMIT IST DIE HÖLLE

Als Jim Crandall den Marshalstern in Trail City ablegt und der Stadt den Rücken kehrt, weiß er bereits, dass es deren Schicksal sein wird, zu einer jener zügellosen und von Gewalt regierten Treibherdenstädte an den Bahnlinien von Kansas zu werden. Es dauert länger als ein Jahr, ehe er zurückkehrt, um einen langgehegten Plan auszuführen und sich eine Ranch aufzubauen. Er selbst hält sich für abgebrüht genug, um die Augen vor all den höllischen Dingen zu verschließen, die inzwischen in Trail City vor sich gegangen sind.

Douglas Rafferty, der Anführer der Spielergilde, hat sein Ziel erreicht, und Kit Crandall, Jims eigener Bruder, hat sich als neuer Town Marshal zum Handlanger dieses skrupellosen Burschen gemacht. Trail City ist innerhalb eines Jahres zu einer Filiale der Hölle geworden. Jim folgt seinem Gewissen und nimmt ohne jede Unterstützung einen Kampf auf, in dem er kaum eine Chance hat. Er entscheidet sich für den einzig möglichen Weg, den ihm sein Stolz offenlässt, mag dieser Weg auch in die Hölle führen ...

Kit Crandall war es gelungen, seinen Bruder Jim, den Marshal dieser Stadt, bis aufs Blut zu reizen und zu einem Faustkampf herauszufordern.

Die beiden ungleichen Brüder stehen sich in der Toreinfahrt der Posthalterei gegenüber. Der Hof ist leer, und auch auf der Straße, wo die Neugierigen der Ankunft der Überlandpost beigewohnt haben, ist nun kein Mensch mehr zu sehen.

Mit beinahe pedantischer Sorgfalt legt Kit Crandall seinen schwarzen Hut auf eine Kiste. Er zieht seinen dunklen Prinz-Albert-Rock aus, wendet vorsichtig das Futter nach außen und legt ihn dazu. Ein einziger Handgriff genügt, um das Halfter unter seiner linken Achsel abzustreifen. Ein scharfes Grinsen spannt seine Lippen, als er sich dem Marshal zuwendet:

»Come on, Bruderherz! Heute wirst du die Lektion bekommen, die dir schon lange gefehlt hat!«

Die kaltblütige, beinahe hasserfüllte Herausforderung lässt Jim Crandall die Kehle eng werden. Da steht also sein Bruder – ein verwegener Pirat, ein Freibeuter in jeder Beziehung. Ist dieser Mann überhaupt noch sein Bruder? Was verbindet ihn, Jim Crandall, noch mit diesem leichtsinnigen, verwegenen Spieler? Feuer und Wasser können keine schlimmeren Gegensätze bilden als sie beide.

»Nein«, stößt Jim rau hervor. »Wenn du deine Finger nicht einmal von Nancy, meiner Braut, lassen kannst, dann ist es wohl besser, wir tragen es gleich aus. Pass auf, ich komme jetzt, Kit!«

Nur den Hut wirft Jim zur Seite, entfernt den zackigen Stern von seiner Brust und schiebt seinen Gurt mit dem Halfter weiter zurück. Dann nimmt er die Fäuste nach oben und marschiert vorwärts.

Kit erwartet ihn in geduckter Haltung und bleckt in einem bösen Grinsen sein weißes Gebiss. Unter seinem sorgfältig geplätteten Hemd zeichnen sich die Muskelstränge ab, als er zur Probe ein paar tänzelnde Schritte macht – ein prächtiger, dunkelhaariger Panther, der seinem Bruder an Größe kaum um einen Zoll nachsteht. An Gewicht allerdings dürfte er Jim um einiges voraus sein. Zumindest ist er wohlgenährt und für sein Alter etwas zu schwer und lässt Jims gesunde Hagerkeit vermissen.

Wie behände Kit trotzdem auf den Füßen ist, davon gibt schon sein erster Angriff eine Kostprobe. Er wartet nicht erst ab, bis Jim auf die richtige Distanz herangekommen ist, sondern schnellt sich ihm plötzlich mit einem geschmeidigen Satz entgegen, fintet mit der Linken und drischt einen schweren rechten Haken hinterher. Zweifellos würde dieser harte Aufwärtshaken Jim von den Beinen reißen, wenn es ihm nicht im letzten Moment gelungen wäre, den Kopf zurückzunehmen. So schrammen ihm Kits Knöchel über Kinn und Wange.

Triumph flackert sofort in Kids Gesicht auf. Er federt zurück und nimmt beide Fäuste beinahe spielerisch zur Doppeldeckung hoch. Im selben Augenblick jedoch setzt Jim mit einem glasharten Konter nach. Schwer wuchtet seine Faust in die ungedeckte Magengrube Kits und entlockt diesem ein gepresstes Ächzen. Dann stehen sie in hartem Schlagabtausch Fuß an Fuß – gleichwertige Gegner, die einander weder an Schlagkraft noch an Stehvermögen nachgeben.

Ein Rammstoß mit dem emporgezogenen Knie bringt Jim ins Wanken. Er wurde am Oberschenkel getroffen und hat ein Empfinden, als ob sein Bein mit einem Schlag gelähmt sei. Das ist einer der Tricks, für die Kit jederzeit gut ist. Jim taumelt und will sich vorübergehend in den Clinch retten, aber als ob Kit diese Absicht schon ahnte, krümmt er sich noch stärker zusammen und richtet sich mit einem heftigen Ruck wieder auf, als Jim auf ihn losstolpert.

Ein dumpfes Dröhnen erklingt in Jims Ohren, als ihm der Kopfstoß unter das Kinn kracht. Ein ganzer Funkenregen tanzt vor seinen Augen, und sekundenlang drohen ihm die Knie einzuknicken. Er hat gerade noch genug Geistesgegenwart, um die blockierenden Unterarme als Deckung vor das Gesicht zu nehmen. Dann wird er bereits erneut von einer ganzen Schlagserie durchrüttelt. Das ist Kits Stil. Für ihn entscheiden nicht die Methode und die Fairness, sondern nur der Erfolg.

Wieder und wieder wird Jim getroffen, und wenn auch die meisten dieser Hiebe in seiner Deckung hängenbleiben, so gelangen doch vereinzelte Treffer ins Ziel und verhindern, dass er seine Benommenheit abschütteln kann. Unversehens gerät ihm dann etwas zwischen die Beine. Erst als er ein giftiges Jaulen hört, wird ihm klar, dass es sich bei diesem Hindernis um Shaggy handeln muss. Tatsächlich tobt denn auch Jims Bastard-Wolf in wilden Sprüngen um die beiden Kämpfer herum – manchmal mit grollendem Knurren, dann wieder mit jaulendem Gekläff, das beinahe wie ein Winseln klingt, auf jeden Fall aber unschlüssig und in völliger Verwirrung, denn er liebt Kit fast ebenso wie seinen Herrn.

Jim stolpert, verliert das Gleichgewicht und fällt hart mit den Schultern gegen einen Kistenstapel, der daraufhin ins Schwanken gerät. Dann kippen polternd die ersten Kisten herab und bilden gewissermaßen eine Barrikade zwischen den beiden Kämpfern.

Kit ist vor den herabfallenden Kisten zurückgesprungen, den Mund noch immer zu einem verwegenen, triumphierenden Grinsen verzerrt.

»Verschwinde. Shaggv!«, faucht er den Hund an, dessen Grollen sich zu einem heiseren Gekläff gesteigert hat.

Aufgrund des Lärms wird irgendwo ein Fenster aufgerissen, das auf den Hof führt. Es ist das Fenster des Telegraphenbüros. Ein Mädchenkopf beugt sich weit vor, und dann ruft eine angstvolle Altstimme:

»Kit! Jim! Mein Gott, hört auf damit! Sofort aufhören, habt ihr denn nicht verstanden!«

Nun, die Crandall-Brüder sind tatsächlich weit davon entfernt, etwas zu begreifen, was um sie herum vor sich geht. Zu sehr sind sie beide von ihrem Kampf in Anspruch genommen. Kaum eine Sekunde zögert Kit, als nach dem Gepolter wieder Stille eingetreten ist. Und da ihm zu viele Kisten im Weg liegen, als dass er weiter mit den Fäusten auf Jim losgehen könnte, packt er eine dieser leeren Holzkisten und schleudert sie auf den älteren Bruder.

Aber diesmal ist Jim vor allen möglichen Tricks auf der Hut. Im Flug fängt er das Wurfgeschoss ab, schleudert es zurück und setzt über alle Hindernisse hinweg mit einem mächtigen Hechtsprung hinterher. Jetzt erst scheint alle Energie dieses hageren, ein wenig schlaksigen Körpers entfesselt zu sein.

Von diesem Augenblick an gibt es für Kit keine Chance mehr. Den Aufprall der Kiste kann er vermeiden, indem er sich zur Seite wirft. Aber dann kommt Jim selbst auf ihn losgehechtet wie ein lebendes Geschoss, beide Fäuste vorgestreckt und wie ein Rammbock gegeneinander gelegt. Der Aufprall reißt sie beide zu Boden. Doch während Jim wie ein geschmeidiger Tiger sofort wieder auf die Füße schnellt, braucht Kit länger, um sich zu erholen und aufzurappeln. Jim hat unterdessen bereits wieder Kampfstellung eingenommen, pendelt mit dem Oberkörper und knurrt mit belegter Stimme:

»Los doch, Junge! Jetzt weiß ich, dass ich mich vor deinen lausigen Tricks in Acht zu nehmen habe. Vorwärts, wir haben doch noch gar nicht richtig angefangen!«

In einem explosiven Ausbruch von Hass schnellt Kit sich empor und stürmt vorwärts. Jede Deckung vernachlässigend, versucht er, mit zwei wuchtigen Schwingern das Kommando dieses Kampfes wieder an sich zu reißen. Den ersten Hieb duckt Jim ab, den zweiten blockt er mit der vorgezogenen Schulter.

Dann feuert er eine schwere Linke ab und Kit, von der Wucht des eigenen Angriffs noch vorwärtsgetragen, läuft genau in diesen Schlag hinein. Ächzend taumelt er zurück.

Ohne Zögern marschiert Jim Crandall vorwärts. Er geht förmlich in seinen Gegner hinein. Der Berserkerzorn scheint seine Kräfte zu verdoppeln, und entsprechend wird Kit von ganzen Serien glasharter Körperhaken durchgerüttelt.

Noch einmal versucht es Kit mit einem wilden, verzweifelten Angriff, als es ihm gelingt, einen Hieb seines Bruders abzublocken und selbst mit einem weit hergeholten Schwinger dessen Deckung zu durchschlagen. Aber nach diesem letzten Aufflackern kommt das Ende umso rascher. Aus dem Stand schlägt Jim seine krachenden Doubletten. Ein schmetternder Aufwärtshaken, der mit der Wucht eines mittleren Dampfhammers herausgezogen wird, richtet Kit dann bis auf die Zehenspitzen empor und wirft seinen Kopf weit in den Nacken. Die Arme ausgebreitet und haltsuchend durch die Luft rudernd, schwankt er rückwärts. Bis ihm dann eine Kiste in die Kniekehlen gerät und er schwer zu Boden schlägt – ausgepowert bis zum Letzten, zertrümmert von kraftvollen Fäusten und mit einem verzerrten, geschwollenen und blutverschmierten Gesicht, das nur noch ein Zerrbild des Mannes zu sein scheint, der vor knapp drei Minuten diesen Kampf so zuversichtlich und siegessicher begonnen hat.

Mit einem letzten Seufzer sinkt Kit Crandall endgültig zusammen und lässt den Kopf schwer in seinen angewinkelten Unterarm fallen.

Auch Jims Atem geht rasch und stoßweise, und auch in seinem Gesicht hat der Kampf seine Spuren hinterlassen. Grenzenlose und nicht nur körperliche Ermüdung kommt in seiner Bewegung zum Ausdruck, als er zu seinem Hut hinübergeht und sich schwerfällig danach bückt. Unwillkürlich gerät er beim Wiederaufrichten ins Schwanken, als ob auch ihm der Gleichgewichtssinn abhandengekommen wäre. Dann aber erstarrt er plötzlich, weil er die hoch gerichtete Gestalt des Mädchens vor sich sieht.

Nancy Wilcox' Gesichtsausdruck ist fassungslos und empört. Rote Flecke zeichnen sich auf ihren Wangen ab, als sie ihre geweiteten Augen auf den immer noch am Boden liegenden Kit richtet. Vom Fenster aus hatte sie die Vorgänge nicht in ihrem ganzen Ausmaß überblicken können. Dafür sieht sie die Folgen jetzt umso deutlicher.

»Jim«, sagt sie tonlos, »das hätte ich dir niemals zugetraut. Wo gibt es denn für dich überhaupt noch ein Limit, wenn du nicht einmal mehr vor deinem eigenen Bruder halt machst?«

Jim Crandall findet auf diese Frage keine Antwort. Schweigend, mit hängenden Armen steht er da, feuchtet sich mit der Zunge seine aufgeschlagene Lippe an und bringt trotzdem keinen Laut hervor. Noch immer pocht und hämmert es in seinem Kopf – beinahe noch stärker als zuvor, und immer stärker und drohender wird in ihm das Empfinden, unmittelbar vor einer Entscheidung zu stehen.

Nancy ist empört, vielleicht sogar erschüttert – natürlich. Aber darf sie ihn jetzt verurteilen, ohne ihn überhaupt angehört zu haben? Muss nicht ihr Vertrauen zu ihm größer sein als alle Zweifel, die vielleicht durch das gegenwärtige Bild der Situation hervorgerufen werden? – Doch hatte Nancy nicht auch stets mit allen Mitteln versucht, ihn von seiner gefährlichen Aufgabe als Marshal von Trail City abzubringen? Sieht sie in dieser Prügelei möglicherweise eine neue und unwiederbringliche Gelegenheit, ihn, Jim Crandall, herabzusetzen und in eine Lage hineinzumanövrieren, die ihn zum Aufgeben und zur Kapitulation vor ihrer Forderung zwingt? Das jedenfalls sind Jim Crandalls Gedanken, als er jetzt Nancys flammenden Blicken standhält.

Jims Verlobte trägt einen schlichten grauen Cordrock und dazu eine grüne, rohseidene Bluse. Ihre schlanke Gestalt ist von vollendetem Ebenmaß und für jeden Mann ein erfreulicher Anblick. Im Augenblick allerdings kommt ihre maßlose Empörung auch in jedem Zoll ihrer Haltung zum Ausdruck. Sie trägt das Haar zu einer strengen Frisur aufgesteckt, und ihr Gesicht, sonst von einem herben Liebreiz, ist verkniffen. Fragend sind ihre Augen auf Jim gerichtet. Ihre zusammengepressten Lippen lassen in ihm keinen Zweifel über ihre schroffe Missbilligung aufkommen. Aber gerade diese Entschiedenheit ihrer Haltung bringt alle Erbitterung und Verstocktheit in ihm nur erneut zum Aufwallen.

»Sollte das wirklich eine Frage sein, Nancy?«, sagt er heiser. »Warum eigentlich? Ich sehe dir doch an, dass du dir schon längst selbst eine Antwort zurechtgelegt hast.«

Nancy Wilcox' Lippen beginnen zu zucken. Aber ehe sie Gelegenheit zu einer einlenkenden Entgegnung findet, stemmt sich Kit Crandall aus seiner verkrümmten Haltung auf die Ellenbogen empor, noch immer leicht benommen und doch schon wieder mit dem Anflug eines hasserfüllten Grinsens auf den verzerrten Lippen.

»Gib dir nur keine Mühe, Nancy«, krächzt er mit überschnappender Stimme. »Das ist nun einmal sein Stil, und auch du wirst daran niemals etwas ändern. Mein prächtiger Bruder hat es noch niemals mit Anstand hinnehmen können, wenn ihm ein anderer auf einem Gebiet in die Quere kommt, das er für sich gepachtet zu haben glaubt.«

Kit hat sich noch weiter aufgerichtet, lehnt sich nun gegen eine der Kisten und wischt sich mit dem Handrücken das Blut von der aufgeschlagenen Lippe. Nancy zögert nur für die Länge eines Atemzugs. Dann geht sie zu ihm hinüber, beugt sich zu ihm hinab und wischt ihm unter Zuhilfenahme seines weißen Taschentuchs das Gesicht ab. Obwohl jede ihrer Bewegungen ruhig und gelassen erscheint, liegt unbewusst ein mütterliches Mitleid darin. Kit spürt dieses Fluidum, das von ihr ausgeht, und sofort erscheint in seinen Augen ein siegessicheres Glimmen, als er fortfährt:

»Du wirst dich daran gewöhnen müssen, dass er alles als seinen ganz persönlichen Besitz betrachtet. Nicht einmal diese Stadt würde er davon ausnehmen, und wenn du jemals seine Frau werden solltest, dann würde er dir wahrscheinlich am liebsten sein Brandzeichen aufdrücken. Wenn er wenigstens so ehrlich wäre, seine wirklichen Beweggründe zuzugeben! Er will mich aus Trail City verjagen, da ist ihm jedes Mittel recht, selbst wenn er mich dazu halb totschlagen müsste.«

Dass er selbst den Kampf herausforderte, darüber schweigt Kit Crandall ebenso wie über die Mittel, die er dabei anwandte. Und Jim ist zu stolz, um die Dinge klarzustellen.

Nancy Wilcox verharrt in gebeugter Haltung und bemüht sich, Kit beim Aufrichten behilflich zu sein. Ihre Blicke jedoch suchen schon wieder den Marshal, und als sie Jims versteinerte Miene sieht, sagt sie schaudernd:

»O, Jim, was bist du nur für ein Mann! Bist du überhaupt noch ein Mensch oder eine seelenlose Kampfmaschine? Ich – ich verachte dich, Jim Crandall! So konnte nur ein krasser Egoist handeln – ein Mann, der in seiner gnadenlosen Härte sogar bereit ist, den eigenen Bruder zu opfern, um seine eigensüchtigen Ziele zu erreichen. – Jim, ich glaube, es ist aus mit uns. Vielleicht sollte ich dir sogar dankbar sein, dass du mir noch früh genug gezeigt hast, wie wenig wir zueinander passen.«

Schwankend ist Kit wieder auf die Beine gekommen. Da er sich von Nancy unbeobachtet sieht, verzieht er das Gesicht zu einer triumphierenden Grimasse – ein geschlagener Mann, der auf diese Weise doch noch seine Rachegelüste befriedigen kann und auf Umwegen billige Revanche nimmt.

»Schon gut«, entgegnet Jim mit einer müden Handbewegung, und seine Stimme klingt so spröde wie gesprungenes Glas. »Ich habe dich nie zu einer Entscheidung gedrängt, die du nicht aus freien Stücken getroffen hast, Nancy. Bleiben wir also auch diesmal dabei. Ich werde dich nicht bedrängen, wenn dies deine wirkliche Meinung von mir ist.«

An seinen Bruder gewandt, fährt Jim Crandall fort:

»Das war es doch, was du erreichen wolltest: mir zeigen, wie einfach du bei Nancy zu einer Chance kommen konntest. Ich habe meine Lektion geschluckt und werde sie hinunterwürgen. Vor einem aber warne ich dich: Wenn du versuchst, auch mit Nancy nur ein leichtfertiges Spiel zu treiben, wie du es schon mit einigen Dutzend anderer Frauen getan hast, dann wird es für dich bitter werden. Denke rechtzeitig daran!«

Mit einer ruckartigen Bewegung wendet er sich ab und geht steifbeinig davon. Schon nach wenigen Schritten erreicht der Marshal die Straße und verschwindet hinter der Ecke der Toreinfahrt. Da erst bemerkt Kit Crandall den Hund, der sich neben einem der Pfosten niedergelassen hat, den Kopf weit vorgereckt und die Schnauze auf die Vorderpfoten gelegt.

Shaggys gelbe Augen werden starr, und das Zucken seiner Lefzen wirkt beinahe so, als ob er die Nase rümpfen wolle. Mit einem ärgerlichen Auflachen geht Kit zwei Schritte auf ihn zu. In diesem Augenblick schnellt der Hund empor, das Rückenhaar vom Nacken bis zur Schwanzwurzel wie eine dunkle Bürste gesträubt und den gelben Fang entblößt. Ein heiseres Grollen kommt aus seiner Kehle, sodass Kit erschrocken mitten in der Bewegung verharrt. Auch Nancy blickt verdutzt auf den Hund, der noch einmal heiser aufbellt und dann in gemächlichem Wolfstrott verschwindet.

»Verrückter Köter«, knurrt Kit Crandall und bemüht sich, seine Verärgerung hinter einem leichtfertigen Lächeln zu verstecken. »Natürlich, er hat an meinem prächtigen Bruder einen Narren gefressen. Ein Wunder, dass er mir nicht an die Kehle gefahren ist, als ich mich gegen Jim zur Wehr setzte.«

Schweigend schaut Nancy Wilcox ihn an. Das Unbehagen, das Kit unter diesem Blick befällt, kommt am stärksten in seinem verlegenen Räuspern zum Ausdruck. Ärgerlich verzieht er das Gesicht, als er die beiden Stallhelfer der Poststation sieht, die offenbar das Wechselgespann der Postkutsche versorgt haben und jetzt vom Stalleingang neugierig herüberstarren. Nancy Wilcox aber lässt sich auch dadurch nicht ablenken.

»Kit«, sagt sie kehlig, »ich werde es Jim gegenüber wohl niemals zugeben können, aber ich bin schon jetzt nicht mehr ganz sicher, ob ich soeben richtig gehandelt habe. Es war deine Idee, ihn eifersüchtig zu machen, damit ich ihn besser lenken kann. Aber Jim ist kein Mann, der sich jemals auf diese Art von einer Frau lenken lässt. Ich konnte nicht ahnen, dass etwas Derartiges dabei herauskommen würde. Fast wünschte ich, ich hätte mich niemals auf deine Vorschläge eingelassen.«

✰✰✰

Die Cattlemen Bar, die sich ebenso wie das Palace im Besitz von Douglas Rafferty befindet, müsste gemäß einer Verfügung des Marshals vom Vortag geschlossen sein, doch die Schwingtür befindet sich unablässig in Bewegung.

Jim Crandall presst bei dieser Entdeckung grimmig die Zähne aufeinander.

Dies hier ist eine klare Herausforderung, und Jim darf sie nicht unbeantwortet lassen.

Er hat sich in Trail City den Ruf eines eisernen Besens verschafft, und schon allein dieser Ruf bringt eine Erleichterung seiner Arbeit mit sich. Er wird zum Teufel sein, wenn er sich jetzt damit abfindet, dass seine Verfügungen unbeachtet bleiben oder auf dem Umweg über Bürgermeister Tom Kellog und den Stadtrat außer Kraft gesetzt werden.

Der Marshal geht quer über die Straße und nähert sich der Bar, die sich heute offenbar eines besonders regen Zulaufs erfreut. Er sieht den Mann, der im Schatten der Gehsteigüberdachung an einem Pfosten lehnt. Die Dämmerung ist inzwischen hereingebrochen, und deshalb ist eigentlich nur der Glimmpunkt der Zigarre deutlich zu erkennen. Trotzdem weiß Jim Crandall auf Anhieb, mit wem er es bei dieser großen breitschultrigen und dunkelgekleideten Gestalt zu tun hat, noch ehe er die sonore und ein wenig zynische Stimme hört:

»Hallo, Crandall, wollen Sie sich vielleicht auch an dem Gelage beteiligen? Dann müssen Sie sich aber beeilen, denn Frei-Whisky zur Feier der Neueröffnung gibt es in der Cattlemen Bar nur in der ersten halben Stunde. Wir sind gesetzestreue Bürger und achten darauf, dass unsere Gäste sich nicht sinnlos besaufen – und noch dazu auf unsere Kosten.«

Steifbeinig geht Jim weiter, bis er nur noch wenige Schritte von der Gehsteigkante entfernt ist.

»Gesetzestreue Bürger, he?«, knurrt er, ohne dabei die Zähne auseinanderzunehmen. »Werden Sie mir jemals verzeihen können, dass ich keinen Weihrauch mitgebracht habe, Rafferty?«

Douglas Rafferty lässt ein anerkennendes Lachen hören und schnippt die Asche von seiner Zigarre.

»Sie fangen an, mir zu imponieren, Crandall«, erwidert er dann spöttisch. »Ich habe gar nicht gewusst, dass auch der Humor zu Ihren bewundernswerten Eigenschaften gehört.«

Jim Crandall kneift ein wenig stärker die Augen zusammen.